Ärmellänge in den Koryû Bugei

Hier geht es um die Geschichte und um Traditionen des Judo
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tom herold
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Ärmellänge in den Koryû Bugei

Beitrag von tom herold »

Vielleicht erinnert sich der eine oder andere - "Jupp" hatte vor einiger Zeit steif und fest behauptet, daß Wurftechniken wie Tai-Otoshi im Jûdô erst richtig möglich wurden, nachdem Kanô die Ärmel der "Jûjutsu-Jacken" verlängerte.
Nun, im "Jûjutsu", einem Bestandteil vieler Schulen der Koryû Bugei, trug man keine "Jûjutsu-Jacken", sondern Alltagskleidung (bspw. Uwagi/Hakama).
Der uns bekannte Keikogi wurde erst von Kanô entwickelt ... und war bis dahin in den Koryû Bugei unbekannt.

Was nun die angeblich so kurzen Ärmel der "Jûjutsu-Jacken" betraf (womit im Grunde Uwagi gemeint sein müssen), so waren die oftmals so lang und weit, daß sie zum Training mit einem besonderen Band hochgebunden werden mußten.
Man sieht es sehr schön auf diesem (nicht historischen) Foto:
http://lh5.ggpht.com/_a7k3LZ9OxiQ/Ri4v0 ... tori09.jpg

Die Dame in traditioneller Bekleidung trainiert Katori Shintô Ryû, und das ist dann doch ein paar Tage älter als das Jûdô ...
Man beachte, wie lang ihre Ärmel trotz des Bandes noch immer sind.

Wenn die Ärmel der Uwagi (oder sonstiger Jacken) im Training (oder in den Duellen der Samurai vor 1868) so weit und lang waren, daß man sie hochbinden mußte, um sie aus dem Weg zu haben, dann kann mit der Behauptung, der Tai-Otoshi sei erst richtig möglich geworden, als Kanô die Jackenärmel verlängerte, irgend etwas nicht stimmen - oder sehe ich das falsch?

Es scheint erwiesen, DASS Kanô die Ärmel der Gi und die Hosenbeine der Zubon tatsächlich verlängerte, u.a. um Mattenbrand an Ellbogen und Knien vorzubeugen.

Tai-Otoshi jedoch gehörte von jeher zum Repertoire der Nahkampfmethoden einiger Schulen der Koryû Bugei.
Ich bezweifle, daß diese Schulen unwirksame Techniken unterrichteten.
Vor allem aber bezweifle ich, daß Würfe der Koryû Bugei erst "richtig möglich wurden, als Kanô die Ärmel der Jûjutsu-Jacken verlängerte".
:P

Ich persönlich habe hier im Forum schon zugegeben, daß ich mich an einigen Stellen beim Interpretieren der Geschichte des Jûdô geirrt hatte.
Es würde mir Respekt abnötigen, wenn "Jupp" ebenfalls fähig wäre, seine Irrtümer einzugestehen.
(Und er ist nicht der einzige, der endlich mal zugeben sollte, sich in etlichen Punkten massiv geirrt zu haben ...)

Das dazu.
tutor!
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Re: Ärmellänge in den Koryû Bugei

Beitrag von tutor! »

Hier ein Foto von Tai-otoshi ungefähr aus dem Jahr 1904. Die kurzen Ärmel sind sehr schön zu sehen, allerdings hatten die Akteure (schon) lange Hosen.
http://www.library.umass.edu/spcoll/ima ... 006_19.jpg

In diesem Buch von 1907 sind ebenfalls schöne Bilder zu sehen. Die Akteure tragen mal kurze mal lange Ärmel und meist kurze oder sollte man besser sagen nicht sichtbare Hosen. Tai-otoshi ist auf Seite 53 (Buchnummerierung) abgebildet. http://mek.oszk.hu/03100/03192/

Hier noch ein Bild von Kanos Judogi, so wie er im Kodokan-Museum hängt
http://uscjs.com/Kano%20Judo%20Gi.gif
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tom herold
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Re: Ärmellänge in den Koryû Bugei

Beitrag von tom herold »

Offenbar ist es doch immer noch nicht so ganz klar, was ich meine ...
Dann noch einmal in aller Ausführlichkeit:
Ich sprach davon, daß "Jupp" behauptet hatte, Würfe wie der Tai-Otoshi seien "erst dann wirklich gut anwendbar und möglich geworden, nachdem Kanô die Ärmel der Jûjutsu-Jacken verlängert hatte".
Dazu stelle ich fest: es gab in den Koryû Bugei keine Trainingsuniform, schon gar keine, die dem von Kanô um die Jahrhundertwende entwickelten Keikogi entsprochen hätte. Folglich gab es auch keine "Jûjutsu-Jacken".
Und wenn es keine Jûjutsu-Jacken gab, konnte man auch deren Ärmel nicht verlängern ...

Bei den im Training der Koryû getragenen Jacken (so man denn welche trug, waren es meist Uwagi, die zur Alltagskleidung gehörten und ausdrücklich KEINE "Trainingsuniform" darstellten!) variierte die Länge der Ärmel. Oft waren diese so lang und weit, daß man sie hochbinden mußte, damit sie nicht im Wege waren.

Das Wurfprinzip "Tai-Otoshi" gab es in vielen Schulen der Koryû Bugei unter diesem oder einem anderen Namen in den als Jûjutsu, Taijutsu, Kogusoku, Koshi no Mawari usw. bezeichneten Nahkampfmethoden.
Und zwar jahrhundertelang.
Angewandt wurde es sowohl in Schulen des Katchu Bujutsu (vulgo "Schlachtfeldstile") im Yoroi Kumi Uchi (Ringen in Rüstungen) als auch in Schulen des Suhada Bujutsu (suhada bedeutet soviel wie "nackt" und meint, daß keine Rüstungen getragen wurden).

Es ist also Unsinn, zu behaupten, die Wirksamkeit der Anwendung des Wurfprinzips "Tai-Otoshi" wäre jemals von der Länge der Ärmel der Trainingsbekleidung abhängig gewesen, denn dann hätte sich dieses Wurfprinzip nicht in den Katchu Bujutsu und damit nicht im Yoroi Kumi Uchi (Ringen in Rüstungen) wiederfinden dürfen.

Du, lieber Tutor, verlinkst nun Bilder, die Jûdôka im Keikogi zeigen.
Ich habe nie bestritten (siehe meinen Eingangspost), daß Kanô die Ärmel desselben verlängerte. Sie waren also anfangs recht kurz.
Ja und?

Wenn das Wurfprinzip "Tai-Otoshi" (unter diesem und unter anderen Namen) jahrhundertelang in den Koryû Bugei gelehrt und angewendet wurde (und zwar unter realistischen Bedingungen bspw. auf dem Schlachtfeld, wo es sich bewährt haben muß, weil es sonst nicht weitergegeben worden wäre), OHNE daß die Länge der Ärmel der Bekleidung des Gegners dabei eine entscheidende Rolle gespielt haben kann, dann wird "Jupps" Behauptung, der Tai-Otoshi sei erst richtig wirksam geworden, nachdem Kanô die Ärmel (seiner von ihm selbst entwickelten Keikogi) verlängert habe, einfach unhaltbar.
"Jupp" hat also eine sachlich falsche Schlußfolgerung gezogen.
Sollte doch kein Problem sein, auch dazu zu stehen, oder?

Es gibt Schulen der Koryû Bugei, in denen man bei Ausführung des Wurfprinzips "Tai-Otoshi" (bzw. desselben Prinzips unter einem anderen Namen) den Ärmel des Gegners überhaupt nicht greift - und die trotzdem funktionieren.

Es war mir ein Bedürfnis, DAS noch einmal hervorzuheben, besonders nachdem ich nun recht gute Kontakte zu drei verschiedenen Koryû habe.
Es wäre einfach schön, wenn "Jupp" zugeben könnte, daß er entweder selbst eine falsche Schlußfolgerung bezüglich der Anwendbarkeit des Prinzips "Tai-Otoshi" gezogen hat oder aber eine ihm vernünftig erscheinende Meinung dazu von irgendwoher übernommen hatte, ohne sie noch einmal gründlich auf den Prüfstand zu stellen.

Was uns allen schon passiert ist ...
;)
Kumamoto
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Re: Ärmellänge in den Koryû Bugei

Beitrag von Kumamoto »

Grundsätzlich muss ein Zusammenhang zwischen Schnitt und Größe des Judogi und der Anwendbarkeit von Würfen bestehen - denn nicht umsonst werden auf Turnieren die Jacken und Hosen reglementiert, um Chancengleichheit zumindest theoretisch zu gewährleisten.
Hier ein Bild von einem Tai-Otoshi wie ihn Mifune gemacht hat: http://www.alivenotdead.com/attachments ... 704361.gif und http://www.judo-siershahn.de/pics/wurfe ... otoshi.JPG
Man beachte den Griff am Ärmel... mit kurzen Ärmeln wäre das nicht möglich gewesen...
Ich persönlich greife aber lieber näher am Ellenbogen und versuche - wenn möglich - den Ellenbogen wie beim Morote-Seoi-Nage unter die Schulter von Uke zu schieben (ist das überhaupt noch ein Tai-Otoshi?)
Ich habe gerade den Daigo nicht zur Hand, was sagt denn dieser zur Geschichte? Das müsste im ersten Band zu lesen sein, da Te-Waza-Technik (doppelt gemoppelt hält besser - ist wie mit dem Koi-Karpfen ;) )
Denke aber, Jupp wird noch etwas dazu sagen, das beweist, dass er und Tom vielleicht gar nicht so weit auseinanderliegen, sondern vielleicht nur von verschiedenen Ausgangspositionen ausgegangen sind.
"Die Worte sind die Quelle aller Missverständnisse" (Antoine de Saint-Exhupéry)
tutor!
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Re: Ärmellänge in den Koryû Bugei

Beitrag von tutor! »

Das Thema gab es übrigens schon mal:
http://www.dasjudoforum.de/forum/viewto ... =20&t=3717
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Jupp
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Re: Ärmellänge in den Koryû Bugei

Beitrag von Jupp »

Danke Tutor für den Link.

Dort kann nun wirklich jeder nachlesen, was von wem, wann, wozu gesagt worden ist.

Jupp

P.S.: Quellen inklusive!
tom herold
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Re: Ärmellänge in den Koryû Bugei

Beitrag von tom herold »

Eine bestürzend erwartbare Reaktion, lieber "Jupp" ...
Also nochmal (auch für Kumamoto): es ging darum, daß es den Tai-Otoshi (der auch unter anderen Namen bekannt war) in den KORYÛ BUGEI bereits seit Jahrhunderten gab.
Wo er erfolgreich angewandt wurde und deshalb im Curriculum etlicher Ryû-ha verblieb.
Tai-Otoshi ist keine Erfindung Kanôs.
(Hat auch niemand behauptet, ich weise trotzdem nochmal darauf hin).

Dieses Wurfprinzip "Tai-Otoshi" wurde völlig unabhängig von der Länge der Ärmel des Gegner eingesetzt, und zwar effektiv, sonst wäre es im Curriculum etlicher Koryû nicht aufgetaucht.
Mir ist auch nicht bekannt, daß es in den Densho dieser oder jener Ryû-ha einen Hinweis darauf geben würde, der besagt: "Tai-Otoshi ist nur bei Gegnern mit langen Ärmeln effektiv anwendbar!"
:irre

Nochmal zum Merken: die Ärmel der Jacken (Uwagi/Shitagi) waren sogar oft so lang, daß sie hochgebunden werden mußten mit extra dafür vorgesehenen, "Tasuki" genannten Bändern.

Nochmal zum Merken: es gab KEINE "Jûjutsu-Jacken".
Es gab - anders als von "Jupp" dargestellt - keine Trainingsuniform für das Training der Koryû, und bis zur Entwicklung der Keikogi durch Kanô gab es auch KEINE Trainingsuniform im Kôdôkan Jûdô!
Da Kanô also die Keikogi um die Jahrhundertwende entwickelte, wurde sein Jûdô ein paar Jährchen lang (von 1882 bis zum Ende der 90er Jahre des 19. Jahrhunderts) NICHT in den uns heute bekannten Jûdôgi (Keikogi), sondern in Alltagskleidung ausgeübt.
Nochmal: dabei trug man überwiegend Hakama und "Uwagi" oder "Shitagi" genannte Jacken, deren Ärmel mal kurz und mal länger waren.

Nun fragen wir uns, wie und ob überhaupt der Tai-Otoshi bzw. das Wurfprinzip gleichen Namens von Kanôs Schülern ausgeführt und angewandt wurde, wenn doch VOR der Erfindung des Keikogi jeder im Training trug, was er gerade hatte ... und die Effektivität des Tai-Otoshi ja angeblich von der Länge der Ärmel des Gegners abhing.

Es ist zwar vergeblich, aber es sei noch einmal gesagt: die Ausführung des Tai-Otoshi hängt NICHT von der Länge der Ärmel ab.
Und es gab keine "Jûjutsu-Jacken"!!
:irre

Es wäre mir neu, wenn für das Training der Koryû Bugei in Japan während der Edo-Zeit (oder noch früher) oder während der beginnenden Meiji-Epoche Jacken hergestellt worden wären, die EXPLIZIT für das Training der Koryû Bugei vorgesehen waren.
Sollte ich ich da irren, und hat es eine solche Produktion von "Jûjutsu-Jacken" tatsächlich gegeben, bitte ich um handfeste Belege dafür.
:dontknow

Bislang aber ist von einer Produktion von "Jûjutsu-Jacken" weder in der Edo-Zeit noch in der beginnenden Meiji-Epoche etwas zu finden.
Nach dem derzeitigen Stand des Wissens gab es KEINE "Jûjutsu-Jacken".

Folglich ist "Jupps" Einlassung zur Effektivität des Tai-Otoshi, der angeblich erst durch die Verlängerung der Ärmel der "Jûjutsu-Jacken" wirklich effektiv wurde, einfach nur falsch.

Es hätte mir, wie gesagt, wirklich sehr großen Respekt abgenötigt,wenn "Jupp" in der Lage gewesen wäre, schlicht und einfach mal zuzugeben, daß er sich geirrt bzw. eine falsche Schlußfolgerung übernommen hat, einfach weil sie logisch klang.

Reaktivator schrieb:
Beim Koryū-Bujutsu trainierte man keineswegs "IMMER in Alltagskleidung" - im Gegenteil: Es gab z.T. innerhalb einzelner Ryūha sogar unterschiedliche Trainingskleidung, je nachdem, ob man Kata oder Randori machte.
Dann müssen sich die Vertreter jener Ryû-ha, mit denen ich mich seit längerem über dieses Thema austausche, wohl allesamt irren und haben von ihren eigenen Schulen, deren Curriculum und deren Geschichte keine Ahnung.
Man trug im Training der Koryû entweder die "Unterwäsche der Männer" (eine lange Leibbinde) oder Hakama samt Uwagi/Shitagi.
Und das waren nun mal - ANDERS als der von Kanô entwickelte Keikogi - Kleidungsstücke, die im Alltag getragen wurden, also KEINE extra für das Training (und NUR zu diesem Zweck) produzierten Klamotten.

Reaktivator schrieb auch:
Wenn "Jupp" von einer Jūjutsu-"Jacke" spricht, so versteht man darunter also doch wohl zunächst einmal einfach nur eine Jacke, die man beim Jūjutsu trägt bzw. früher trug.
Das sehe ich, mit Verlaub, ein wenig anders.
Es geht um Korrektheit.
Wenn ich zu meinem Muay-Thai-Training eine Jeans trage (wäre zwar nicht optimal, aber möglich), ist diese Jeans dann eine "Muay-Thai-Hose"?
Wenn ich zum Jûdôtraining ein stabiles Jackett aus Harris Tweed trüge (was der Herr verhüten möge) - ist dieses Sakko dann eine "Jûdôjacke"??
Wenn ich wollene Fausthandschuhe zu meinem Boxtraining über meine Hände streifen würde - wären das dann "Boxhandschuhe"?

Zu Kanôs beim Training der Kitô-Ryû getragener Jacke schreibt Reaktivator:
Die Abbildung habe ich Yoshiaki Tōdōs 2007 in gedruckter Form erschienenen Dissertation zur Jūdō-Geschichte entnommen, konkret dem Kapitel zur Kitō-ryū.
Siehe: T̄ŌDŌ, Yoshiaki: Jūdō no rekishi to bunka (Geschichte und Kultur des Jūdō). Tōkyō: Fumaidō Shuppan 2007, Seite 48
Dazu die Frage - hat Yoshiaki Tôdô nachgewiesen, daß diese Jacke eine extra für das Training der Koryû hergestellte Jacke war? Oder hat er das irgendwo behauptet?
Oder ist es ncht vielmehr so, daß er lediglich eine Abbildung der Jacke zeigt, die Kanô beim Training des Kitô Ryû Jûjutsu trug?
Ist es nicht so, daß es sich bei dieser Jacke um ein Alltagskleidungsstück handelt, welches Shitagi genannt wurde und ganz normaler Bestandteil der japanischen Alltagskleidung jener Zeit war?

Gut, ich hab mich wieder mal hinreißen lassen ...
Ich denke, die Fakten liegen offen zutage.
Wer nun immer noch glauben möchte, daß "der Tai-Otoshi erst seine volle Wirksamkeit entfalten konnte, nachdem Kanô die Ärmel der Jûjutsu-Jacken verlängert hatte ..."
Der soll das halt glauben.

Nota bene:
Einige mir gut bekannte Vertreter der Yôshin Ryû haben diese Diskussion hier (und die frühere, von Tutor verlinkte) einigermaßen fassungslos verfolgt und haben sich besonders an "Jupps" Begriff der "Jûjutsu-Jacken" erfreut. Ebenso wie an der Behauptung, für die Anwendung des Wurfprinzips "Tai-Otoshi" sei die Ärmellänge des Gegners von entscheidender Bedeutung.
Aber was wissen die schon ...
:alright

Kumamoto schrieb:
Grundsätzlich muss ein Zusammenhang zwischen Schnitt und Größe des Judogi und der Anwendbarkeit von Würfen bestehen - denn nicht umsonst werden auf Turnieren die Jacken und Hosen reglementiert, um Chancengleichheit zumindest theoretisch zu gewährleisten.
Lieber Kumamoto,
du bringst den heutigen Wettkampfsport durcheinander mit Kanôs Kampfkunst des späten 19. Jahrhunderts.
Nochmal: Kanôs Schüler trainierten bis zur Entwicklung des Keikogi durch Kanô ganz einfach in Alltagskleidung ... und da hatten die verschiedenen Jackentypen (Uwagi/Shitagi) unterschiedlich lange Ärmel. Manche waren, wie gesagt, so lang, daß sie hochgebunden werden mußten, manche waren kurz ...
Die heutigen Reglementierungen über die Ärmellänge der Jûdôgi und deren Weite in Zusammenhang zu bringen mit der generellen Anwendbarkeit der von Kanô aus etlichen Koryû übernommenen Techniken halte ich für sehr gewagt ...
Denk da mal drüber nach.

Ich hätte - ein wenig Entgegenkommen und Einsicht vorausgesetzt - einige Dinge über die "Trainingskleidung" bspw. der Yôshin Ryû u.a. zur Verfügung stellen und belegen können, ebenso wie einige Dinge über den Tai-Otoshi der Koryû allgemein und der Daitô Ryû und zweier anderer Schulen im Besonderen, aber da hier lieber darauf bestanden wird, daß "schon alles gesagt" sei und "Jupp" (wie schon so oft) von ihm begangene Fehler um nichts in der Welt zugeben kann, möchte ich hier niemanden weiter belästigen.
:D
Gut, das Thema hat sich dann hier in diesem Forum für mich erledigt.
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Fritz
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Re: Ärmellänge in den Koryû Bugei

Beitrag von Fritz »

Fassen wir mal die Aussagen zusammen:

In den Koryu wurde mit normaler Kleidung geübt, laut Tom bzw. seiner Koryu-Kontakte, die hatte lange Ärmel, welche oft hochgebunden wurden.
Reaktivator hat geschrieben:Beim Koryū-Bujutsu trainierte man keineswegs "IMMER in Alltagskleidung" - im Gegenteil: Es gab z.T. innerhalb einzelner Ryūha sogar unterschiedliche Trainingskleidung, je nachdem, ob man Kata oder Randori machte.
Da sehe ich erstmal keinen prinzipiellen Widerspruch, es gab ja doch eine stattliche Anzahl von Koryu, warum sollen einige
davon keine spezielle Trainingskleidung gehabt haben?

Kano hatte offenbar selbst eine Judo-Übungskleidung entworfen.

Die hatte wohl erst kürzere Ärmel (Vielleicht in Anlehnung an die hochgebundenen Ärmel der o.g. Alltags-Kleidung?),
die wurden aber gegen 1906 verlängert nach Aussage von sam; http://judoforum.com/index.php?/topic/2 ... ntry306523

Jupp behauptete im Judomagazin 12/2008 Seite 18:
Da die Jacke bis Anfang des 20.Jahrhunderts nur sehr kurze Ärmel hatte, konnten zwar Techniken
wie Seoi-Nage und Harai-Goshi ausgeführt werden, zum Beispiel aber nicht Tai-Otoshi.
Kano, der Begründer des Judos, verlängerte die Ärmel der Jacken.
Das scheint wohl von einem Zitat von Todo übernommen worden zu sein:
Jupp hat geschrieben:Abschließend noch der Hinweis darauf, warum die Verlängerung der Ärmel zu einer Veränderung des Judo führte. Herr Herold hatte „bescheiden und untertänigst” auch hier die Quelle erfragt (vgl. Post vom 4.12.2007): “Tenjin-shinyo-ryu, a style of jujitsu popular in the Edo era utilized randori as well as kitoryu. There were sixteen techniques including nage waza and shime waza in it. Because the uniform for practicing jujitsu had very short sleeves, techniques like seoi nage and harai goshi could be practiced, where tai otoshi could not be performed. Jigoro Kano, the founder of judo, lengthened the short sleeves of the jujitsu uniform with the idea of increased safety. This improvement enabled Jigoro Kano to widen and vary the number of offensive techniques. For example, more te-waza and ashi waza could be applied as there was more opportunity to off-balance an opponent with longer sleeves.” Entnommen aus: “The History of Randori in Judo: the Origins and Development of Randori” by Yoshiaki Todo (Tsukuba University), from Bulletin for the Association for the Scientific Studies on Judo, Kodokan, Report VII, 1994, Copyright, Kodokan, Tokyo, Japan. (nachzulesen im Internet auf judoinfo.com)
Allerdings erkennt man im Daigo Teil 1, Seite 63, daß es wohl auch in den Koryu so was das Wurfprinzip Tai-Otoshi gab.
Auf dem Bildchen sind die Ärmel recht kurz.

Hab ich noch was vergessen?

HBt. wies außerdem noch daraufhin in einem von ihm selbst dann aber entfernten Beitrag, daß ein Tai-Otoshi durchaus auch ohne Jacke
werfbar ist ;-)

Ich gehe mal davon aus, daß es durchaus bequemer ist zu werfen, wenn man einen Ärmel in der Hand hat und Leute gern bequeme Dinge tun.

Allerdings ist die Aussage des "Todo"-Zitates bzgl. Tai-Otoshi - welche sich Jupp zu eigen machte -
offenbar irreführend. Evt. ein Übersetzungsproblem? Oder er hat etwas "überzeichnet"?
tom herold hat geschrieben:Ich hätte - ein wenig Entgegenkommen und Einsicht vorausgesetzt - einige Dinge über die "Trainingskleidung" bspw. der Yôshin Ryû u.a. zur Verfügung stellen und belegen können, ebenso wie einige Dinge über den Tai-Otoshi der Koryû allgemein und der Daitô Ryû und zweier anderer Schulen im Besonderen, aber da hier lieber darauf bestanden wird, daß "schon alles gesagt" sei und "Jupp" (wie schon so oft) von ihm begangene Fehler um nichts in der Welt zugeben kann, möchte ich hier niemanden weiter belästigen.
Nichts destotrotz besteht das Forum nicht nur aus Jupp, noch ist er Sprachrohr für die restlichen Nutzer ;-),
von daher kannst Du ruhig die Dinge bzgl. der Trainingskleidung und dem Koryu-Tai-Otoshi der Allgemeinheit zur Verfügung stellen ;-)
Mit freundlichem Gruß

Fritz
califax
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Re: Ärmellänge in den Koryû Bugei

Beitrag von califax »

Fritz hat geschrieben: HBt. wies außerdem noch daraufhin in einem von ihm selbst dann aber entfernten Beitrag, daß ein Tai-Otoshi durchaus auch ohne Jacke
werfbar ist ;-)

Ich gehe mal davon aus, daß es durchaus bequemer ist zu werfen, wenn man einen Ärmel in der Hand hat und Leute gern bequeme Dinge tun.
Der Gi ist angenehmer für Uke. Tori kann es wurscht sein, solange sich immer wieder ein Uke findet.
"To possess a high grade means nothing. Ever since martial arts were born, the grade of someone is what he can do in battle."
(Kacem Zoughari.)
HBt.

Re: Ärmellänge in den Koryû Bugei

Beitrag von HBt. »

Der Gi ist angenehmer für Uke. Tori kann es wurscht sein, solange sich immer wieder ein Uke findet.
Hervorhebung von mir.
Eben, dieser Punkt ist der alles entscheidende Knackpunkt!

Zur Jacke:
Ich habe halt etwas in der Hand, etwas anderes und in diesem Anderen steckt ein Uke ... durchaus eine Komfortfrage, wie 'Fritz' oben schon schrieb.

Doch wir können es 'drehen und wenden' wie wir wollen, Jupp hat sich mit seiner damaligen Aussage eben geirrt. Nachweislich gab es (z.B.) den Taiotoshi* schon vor
der 'Einführung' der moderen Judosportartbekleidung.

*Technik / Prinzip
Kumamoto
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Re: Ärmellänge in den Koryû Bugei

Beitrag von Kumamoto »

tom herold hat geschrieben:
Kumamoto hat geschrieben:Grundsätzlich muss ein Zusammenhang zwischen Schnitt und Größe des Judogi und der Anwendbarkeit von Würfen bestehen - denn nicht umsonst werden auf Turnieren die Jacken und Hosen reglementiert, um Chancengleichheit zumindest theoretisch zu gewährleisten.
Lieber Kumamoto,
du bringst den heutigen Wettkampfsport durcheinander mit Kanôs Kampfkunst des späten 19. Jahrhunderts.
Tom, ich wollte nur sagen, dass die Kleidung die Anwendung bzw. Durchführbarkeit von Würfen/ Techniken massgeblich beeinflusst. Das moderne Wettkampfjudo regelt dies über die Vorschriften in der Wettkampfordnung. Dadurch dass die Ärmel verlängert wurden (egal von wem auch immer) wurden manche Würfe einfacher, da das Umfassen des Handgelenks entfällt. So kann man also von einer technischen Weiterentwicklung sprechen. Dass der Tai-Otoshi schon vorher bekannt und angewendet wurde, habe ich nie bestritten.
katana
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Re: Ärmellänge in den Koryû Bugei

Beitrag von katana »

Der "Tai Otoshi" ist schon seit Jahrhunderten eine Standardtechnik im Chinesischen Ringen.
Übrigens in vielen Varianten,
...und die haben auch heute noch keine langen Ärmel im Training und Wettkampf.

Man könnte den "ärmelabhängigen Tai Otoshi" also maximal als eine Variante dieser Technikgruppe betrachten.
Daß diese Technik im Kodokan (von wem auch immer) entwickelt wurde, ist blanker Humbug.
KK
tom herold
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Re: Ärmellänge in den Koryû Bugei

Beitrag von tom herold »

Hallo Katana,
stimmt, im chinesischen Shuai Jiao wird das Wurfprinzip "Tai-Otoshi" (auch wenn es dort natürlich nicht mit einer japanischen Bezeichnung benannt wird) oft und gern angewandt.
Die chinesischen Ringer des Shuai Jiao tragen übrigens (zur Information für all jene, die sich mit dem Shuai Jiao noch nicht beschäftigt haben) sehr kurze Jacken, die GAR KEINE Ärmel haben.

Schaut man sich an, daß und wie dort Tai-Otoshi zur Anwendung kommt, wird die folgende Aussage von "Jupp" völlig gegenstandslos:
Da die Jacke bis Anfang des 20.Jahrhunderts nur sehr kurze Ärmel hatte, konnten zwar Techniken
wie Seoi-Nage und Harai-Goshi ausgeführt werden, zum Beispiel aber nicht Tai-Otoshi.
(Judomagazin 12/2008, S. 18, Hervorhebung von mir)

Ich möchte dazu noch ergänzen, daß - abgesehen davon, daß Tai-Otoshi ohnehin in etlichen japanischen Koryû enthalten war, und das jahrhundertelang - das Wurfprinzip "Tai-Otoshi" (natürlich unter anderen Namen) auch seit Jahrhunderten im indischen Kalarippayat angewendet wird.
Dort sogar, wenn der Gegner gar keine Jacke trägt, sondern mit freiem Oberkörper agiert.
Dies zeigte und bewies mir u.a. meine indische Yogalehrerin, die auch Kalarippayat unterrichtet.

Die Behauptung, Tai-Otoshi sei "nicht anwendbar", wenn die Jackenärmel des Gegners zu kurz wären, darf damit wohl endgültig in der Rumpelkammer der albernen Legenden abgelegt werden.
Warum Herr Tôdô in seiner Dissertation behauptet hat, Tai-Otoshi sei nicht anwendbar gewesen, solange die "Ärmel der Jûjutsu-Jacken" kurz gewesen wären, erschließt sich mir nicht.
Ist mir aber, ehrlich gesagt, auch egal.

Wer nun immer noch glauben möchte, daß Tai-Otoshi nicht anwendbar ist, wenn der Gegner eine kurzärmlige Jacke trägt, dem sei das freigestellt.
:alright

Ich glaube nicht, daß es nun zu diesem Thema noch allzuvielzu sagen gäbe ...
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