Wer sich der Sprache bedient benutzt Begriffe. Damit man sich zu zweit oder in der Gruppe verständigen kann, das heißt, damit jeder auch das versteht, was gemeint ist, ist es unbedingt wichtig, dass jeder Beteiligte den jeweiligen Begriffen dieselbe Bedeutung zuschreibt.
Werden die Inhalte komplexer, benutzt man eine Fachsprache – und schon ist es vorbei mit der einfachen Verständigung, denn viele Begriffe sind in einer Fachsprache anders definiert als in der Umgangssprache. Dazu kommt noch, dass manche Begriffe im Laufe der Zeit einen Bedeutungswandel erfahren. So verstand man vor wenigen Jahrzehnten unter dem Begriff „geil“ ausschließlich ein übersteigertes sexuelles Verlangen, während dasselbe Wort heute so viel wie „toll“ oder „ich liebe es“ zum Ausdruck bringen will. Der Werbung sei Dank!
Ich habe nach vielen, vielen Jahren in letzter Zeit wieder häufiger über den Begriff „Sport“ nachgedacht – auch angeregt durch aufgeregte Debatten hier im Forum. Deshalb möchte ich einfach einmal vollkommen unabhängig von Judo etwas über den Begriff „Sport“ und seinen Bedeutungswandel seit dem 19. Jahrhundert schreiben.
Vielleicht wird ja einer unserer Jugendlichen durch diese Zeilen angeregt, einmal eine Facharbeit in diesem weiten Feld zu schreiben, was mich sehr freuen würde. Ansonsten mag dieser Beitrag als Beispiel dienen, wie wichtig es ist, dass Begriffe, wenn man sie verwendet, klar definiert werden müssen.
Sport – woher stammt der Begriff eigentlich?
Der Begriff „Sport“ leitet sich aus dem:
- englischen „disport“
- französischen „(se) des(s)porter“
- lateinischen deportare
ab, was so viel wie „sich zerstreuen“ oder „sich vergnügen“ heißt.
Im Jahr 1840 wurde das Wort erstmals in Österreich in der „Allgemeinen Theaterzeitung“ erwähnt und bedeutete „Liebhaberei, Hobby, Steckenpferd, Pferdewetten“
Im ausgehenden 19. Jahrhundert bezeichnete „Sport“ Freizeitbeschäftigungen eines Gentleman, die mit gewisser körperlicher Tätigkeit verbunden waren.
Spezielle Formen des (Sports in England!) waren Wettbewerbe oder Wettkämpfe z.B. im Schwimmen, Rudern, der Leichtathletik. Aber es fanden sich auch Formen des Spiels, die eine neue Gattung bildeten: das Sportspiel, wie z.B. Fußball.
Ziele und Sinndimensionen des Sports waren also damals Leistung, Sieg aber auch Zerstreuung.
In Deutschland lag man aber nicht auf der faulen Haut, sondern man pflegte schon länger allerlei Leibesübungen. Bereits Ende des 18. Jahrhunderts hat GutsMuths – so manchem Judoka von der Anschrift des BLZ in Köln wenigstens dem Namen nach bekannt – die körperliche Ertüchtigung als Teil einer ganzheitlichen Erziehung betrachtet. Er fasste diese Übungen unter der griechisch-stämmigen Bezeichnung „Gymnastik“ zusammen. „Gymnastik“ nach GutsMuths umfasste alle körperlichen Aktivitäten, die für die Erziehung förderlich waren, also Laufen, Springen (z.B. Stabweitsprung!), Hangeln, Schwimmen und jede Menge Spiele. GutsMuths erkannte, dass Wettkämpfe förderlich für die Motivation seien und fügte sie in sein System ein.
Anfang des 19. Jahrhunderts ist Deutschland weitgehend von Napoleon besetzt und der Deutschnationale Friedrich Ludwig Jahn machte sich daran, dieses zu ändern. Unter den Augen der Besatzungsmacht entwickelte er auf der Hasenheide in Berlin sein „Turnen“, das alles umfasste, was auch GutsMuths Gymnastik beinhaltete. Er wollte schlicht einen deutschen Namen für sein „System“, weil ihm das griechische „Gymnastik“ nicht behagte. Nun wissen wir nicht genau, ob er „Turnen“ von „thummeln“ abgeleitet hat, oder versehentlich vom französischen „tourner“, was so viel wie drehen oder wenden heißt.
Tatsache war aber, das sein Turnen alle Arten von Leibesübungen enthielt und noch ein wenig mehr. Während GutsMuths an Erziehungsideale dachte, ging es Jahn um den Befreiungskampf gegen Napoleon und um die deutsche Einheit. Daher standen bei ihm
- Wehrertüchtigung,
- straffe Organisation in der Gruppe („Riege“, „Riegenführer“, „Vorturner“)
- vaterländische Gesinnung
- Ehre
ganz oben auf dem Programm.
Nachdem es aber nach dem Wiener Kongress nichts mit dem deutschen Nationalstaat wurde, verlor auch das preußische Königshaus das Interesse an Jahn und Turnen wurde sogar verboten (bekannt als Turnsperre).
Merkwürdigerweise wurde wieder mehr Gymnastik gemacht und ein Schelm ist, wer dabei auf den Gedanken kommt, dass es Turner waren.
Nachdem sich Jahn innerlich vom deutschen Nationalstaat verabschiedet hatte und sich für ein preußisches Erbkaiserreich aussprach bekam das Turnen wieder eine Chance. Es wurde sogar Pflichtfach an preußischen Schulen und beinhaltete „Ordnungs- und Aufstellungsübungen“ – andernorts nennt man so etwas heute noch exerzieren.
Turnen und Gymnastik waren also Systeme, die alle Formen von körperlichen Übungen beinhalteten und jeweils mit konkreten Erziehungszielen, bzw. Ideologien versehen waren. Vor allem Turner (der Begriff der Gymnastik wurde langsam verdrängt) rekrutierten sich aus dem deutsch-nationalen bürgerlichen Lager.
Von England her schwappte vor allem der Fußball nach Deutschland und wurde vor allem von Turnern als „undeutsche Fußlümmelei“ abgetan. Es gab sogar Verbotsforderungen.
Durch die Olympischen Spiele wurde der Begriff Sport noch mehr in Richtung Wettkampf und Leistung definiert, während die Turner ja immer die Gesamtbildung des Menschen im Blick hatten. So langsam ging den Leuten aber ein Licht auf, nämlich dass sie im wesentlichen dasselbe, oder zumindest ähnliches taten - nur mit anderen Zielvorstellungen.
„Sport“ entwickelte sich daher in der Folge zu einem Oberbegriff, der in seiner Bedeutung natürlich entsprechend ausgeweitet zu verstehen ist. Turnen wurde danach zu einer Sportart, genauso wie Gymnastik. Turnen und Gymnastik sind daher von ihrem inhaltlichen Spektrum mittlerweile enger gefasst. „Sport“ als Oberbegriff kann durchaus auch „erziehender“ Sport sein und muss nicht auf Leistung begrenzt sein. Der Sportbegriff ist also bedeutend weiter gefasst und deckt Sinndimensionen wie „Freizeit und Erholung“, „Leistung“, „Spannung und Abenteuer“, (körperliche) „Entwicklung“, „Spiel“ u.a.m. it ab.
Wenn man also „Sport“ als Begriff verwendet, sollte allen Beteiligten klar sein, in welcher Bedeutung der Begriff gerade verwendet wird. Ansonsten gibt es zwangsläufig Miss-Verständnisse. Wer mehr wissen möchte benutzt bitte die Suchmaschine seiner/ihrer Wahl. Das Netz ist voll mit Präsentationen aus Vorlesungen zur Sportgeschichte – oder korrekter: zur Geschichte der Leibesübungen.
Nur ein Link vielleicht: wie der DOSB heute Sport definiert:
http://www.dosb.de/de/organisation/phil ... efinition/
Kleine Ergänzung am "Morgen danach"

Unter oben angegebenem Link finden wir:
Die Vereine und Verbände des Sports bekennen sich zu einem humanistisch geprägten Menschenbild und zum Fairplay. Ihr Sportangebot dient dem Menschen zur bewegungs- und körperorientierten ganzheitlichen Entwicklung der Persönlichkeit und strebt Gesundheit in physischer, psychischer und sozialer Hinsicht an.
Bitte mal ganz unabhängig von der eigenen Erfahrung und von der eigenen Wahrnehmung der Realität und der praktischen Umsetzung dieses Zitat auf Euch wirken lassen!
Der DOSB erweitert zwar nicht den Sportbegriff (kann er auch gar nicht, weil er nicht Sprache schaffen kann), aber fordert eine Ausrichtung des Angebots aller Vereine und Verbände an einem humanistischen Menschenbild und an einer ganzheitlichen Entwicklung des Menschen!