Anton Geesink 1934-2010

Hier geht es um die Geschichte und um Traditionen des Judo
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Mitesco
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Anton Geesink 1934-2010

Beitrag von Mitesco »

Heute Mittag hat uns in den Niederlanden der Bericht erreicht, dass unsere nationale Judolegende, Anton Geesink, verstorben ist. Er war 76 Jahre alt.

Die ganze Welt erinnert sich genau, wie er in Tokyo 1964 den damaligen Japanischen Hegemonie im Judo zertrümmerte, wo er den 'Gott' Kaminaga in seinem Griff hielt bis zum Ippon. Das Judo wurde niemals mehr dasselbe sein...

Wir erinnern uns Anton auch als ein Mann mit dem Herz auf der Zunge, wie wir es so schön sagen in Holland. Er war total ehrlich, in allem. Er hat sein ganzes Leben gekämpft für das Judo und die Olympischen Ideale. Da hat er selbstverständlich auch Fehler gemacht, aber wer keine Fehler macht, hat auch nichts getan.

Dass er ruhe in Frieden, und dass wir seine Bedeutung für das Judo nie vergessen werden...

Mitesco (http://www.mitesco.nl)

"Man kann man sagen, dass die Lehre von Judo einen aus der Tiefe der Verstimmung in ein Stadium energischer Tätigkeit mit einer frohen Hoffnung in die Zukunft führen kann." Jigoro Kano
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Re: Anton Geesink 1934-2010

Beitrag von tom herold »

Anton Geesink.

Einer der wirklich ganz Großen im Jûdô!


Ich denke, er wird nicht vergessen werden.
Er ruhe in Frieden.

Tom Herold
Reaktivator
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Re: Anton Geesink 1934-2010

Beitrag von Reaktivator »

Anton Geesink hat über Jahrzehnte hinweg die Judo-Welt polarisiert wie wahrscheinlich kein anderer. Aber man mag zu den von ihm iniitierten Änderungen stehen, wie man will - seine Verdienste bleiben unbestritten:

Er war selbst nicht nur einer der erfolgreichsten Judoka aller Zeiten, sondern hat wohl auch dem Judo zu seinem internationalen Durchbruch verholfen wie kein anderer.

Und obwohl sein legendärer Olympiasieg schon mehr als 45 Jahre zurückliegt, ist er bis heute wohl mit Abstand der weltweit bekannteste westliche Judoka überhaupt.

In den letzten Jahrzehnten hat er vor allem als Sport-Funktionär Großes geleistet - aber auch judo-technisch und trainingsmäßig kann er uns nach wie vor allen als Vorbild dienen. Halten wir sein Andenken in Ehren!
Zuletzt geändert von Reaktivator am 28.08.2010, 13:06, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Anton Geesink 1934-2010

Beitrag von Jupp »

An dieser Stelle sollen die Erfolge dieses legendären holländischen Judoka noch einmal aufgezählt werden, der dem europäischen Judo wie kein anderer während seiner Wettkampfkarriere und danach, sowohl als Kämpfer, als Trainer und als Sportfunktionär zu seinem heutigen Status verholfen hat.

Die nachfolgenden Informationen sind der folgenden Arbeit von Geesink entnommen:
"Judo based on social aspects and biomechanicl principles, divided in two parts:
a. Judo as Olympic Sport (citius, altius, fortius)
b. Judo as a mental and physical activity, rooted in tradition".


Diese Arbeit legte Anton Geesink anläßlich seiner Verleihung als Ehrendoktor der Kokushikan- Universität Tokyo vor. Dieses nicht-öffentliche Exemplar habe ich von ihm persönlich erhalten.

Auf Seite 36 unter dem Punkt I. Sumery schreibt er (in Englisch, von mir übersetzt):

Name: Anthonius Johannes Geesink
Geboren: 6. April 1934 in Utrecht
Verheiratet mit: Johanna van Hussen, seit dem 2. Dezember 1953
Kinder: 3 Kinder, 2 Töchter und ein Sohn, sowie 4 Enkelkinder
Adresse: Anton Geesinkstraat 13, 3552 BA Utrecht, Niederlande
Sprachen: Niederländisch, Englisch, Französisch (und auch sehr gut Deutsch, wie ich aus eigener Erfahrung weiß)
Beruf: Judolehrer

Aktive Sportkarriere:
- Drei Mal Niederländischer Meister im Griechisch-römischen Ringen (nahm 1958 sogar an der WM teil!)
- Viele Male Niederländischer Meister
- 21 Mal Europameister
- 3 Mal Weltmeister (Paris 1961, Tokyo 1964*, Rio de Janeiro 1965)
- Olympiasieger Allkategorie Tokyo 1964
- 10. Dan durch die IJF am 9. Oktober 1997
- Ehrendoktor der Kokushikan-Universität am 28. Juni 1999

*die WM 1963 war wegen der Olympischen Spiele in Tokyo ausgefallen; der Sieger der Allkategorie bei den Olympischen Spielen 1964 in Tokyo sollte auch Weltmeister sein, da die Weltmeisterschaften bis zu den Olympischen Spielen 1964 nur in dieser Klasse, also der Allkategrie ausgetragen wurden; Geesink konnte sehr beleidigt sein, wenn man bei der Aufzählung seiner Erfolge ihm nur zwei, statt der von ihm für sich reklamierten drei WM-Titel zugestand)


Aktivitäten im Sport nach der aktiven Laufbahn:

- bis 1967 u.a. Lehrer an der Königlichen Militärakademie in Breda
- Professor an der Akademie für Körpererziehung in Amsterdam
- Professor am Zentralinstitut für die Ausbildung von Sportlehrern in Overveen
- Initiativen für die Integration des Judo in Gymnasien
- 12 Jahre Vorsitzender der Judoabteilung der Niederländischen Schulsport-Vereinigung
- Lehrer/Vortragender bei professionellen Veranstaltungen in der ganzen Welt
- Autor eines Judo-Lehrplans, der in vielen Ländern (z.B. in Österreich) verwendet wurde
- Autor von acht Judobüchern, die in mehrere Sprachen übersetzt wurden
- Autor zahlloser Artikel in verschiedenen Magazinen auf der ganzen Welt
- Mitglied im Vorstand der Internationalen-Judo-Föderation
- Direktor der IJF-Kommission "Education and Diffusion"
- Mitglied im Internationalen Olympischen Kommittee (IOC) seit 1987


Hier noch die wichtigsten von Geesink aufgezählten Auszeichnungen, die er erhielt:

- vier Mal Sportler des Jahres in den Niederlanden
- von der Königin mit dem Orden "Companion of the Order of Orange Nassau" ausgezeichnet worden
- Ehrenmitglied des Niederländischen Sportverbandes und des Niederländischen Judo-Bundes
- In seiner Heimatstadt Utrecht ist die Straße, in der er wohnt, offiziell in "Anton Geesinkstraat" umbenannt worden
- 1982 erhielt er vom damaligen IOC-Präsidenten Juan Antonio Samaranch die Olympische Nadel in Gold
- Die Stadt Utrecht ehrte ihn mit einer Statue im Zentrum der Stadt
- es gibt eine "Anton Geesink Crysantheme" und eine "Anton Geesink Lilie"
- Geesink wurde von der UNESCO unter die "50 größten Champions des letzten Jahrhunderts" gewählt
- Geesink war seit 1997 Ehrenbürger der "Province of Chollabuk-do, Korea"
- Im April 1997 erhielt er von der japanischen Regierung "The order of the Sacred Treasure, Gold Rays" für seine außerordentlichen Verdienste in der Förderung der freundschaftlichen Beziehungen zwischen Japan und den Niederlanden

Der Kodokan führte Anton Geesink in seiner Übersicht aus dem Jahre 2009 als 6. Dan - allerdings schon seit 1965!
Als Grund führt Geesink -Seite 45 - an, dass sein japanischer Lehrer Matsumoto von der Tenri Universtät "was not in good terms with the establishment of Kodokan." Weil Geesink Matsumoto jedoch immer unterstützte und daraus auch kein Geheimnis machte, war er ebenfalls "not well regarded by Kodokan. This expressed itself in the fact, that they never recommended me for a higher dan-level" (46)


Im Buch "50 Great Judo Champions" von Simon Hicks und Nicolas Soames wird Anton Geesink nicht zufällig als zweiter direkt hinter "Jigoro Kano and the early Champions" erwähnt. Der Text über Geesink beginnt mit einem Spruch des Verstorbenen:
"The sport that won my heart,
The sport in which I got to know myself".


Geesink begann Judo erst mit 14 Jahren (1948), kam dann allerdings schnell voran.
Er ließ seine Fußball- und Schwimmerkarriere hinter sich und war vom "Judofieber" erfasst.
1951 gewann er in der Braungurtklasse Silber und 1952 seinen 1 Titel in der 1. Dan-Klasse, 1953 und 1954 siegte er in der Open, 1955 in der 3. Dan-Klasse und gewann Silber in der Open. 1957 siegte er erstmals in zwei Klassen, der 4. Dan-Klasse und der Open, was er von 1958 - 1964 jährlich wiederholte! Den letzten EM-Titel gewann er 1967 in Mailand gegen den Russen Kiknadze.

Bei den ersten Welttitelkämpfen 1956 in Tokyo sicherte sich Geesink hinter den beiden Japanern Natsui und Yashimatsu gemeinsam mit dem Franzosen Courtine die Bronzemedaille. Bei der 2. WM am gleichen Ort 1958 konnte Geesink sich nicht platzieren, aber ab der 3. WM 1961 in Paris beherrschte er die Judowelt. Im Finale schlug er den Titelverteidiger Koji Sone mit einem Mune-gatame und zerstörte den Nimbus der japanischen "Unbesiegbarkeit".

Mit der Goldmedaille 1964 in Tokio setzte er seinen Siegeszug fort und auch bei den erstmal in 3 Gewichtsklassen und der Open-Kategorie ausgetragenen Weltmeisterschaften 1965 in Rio de Janeiro setzte sich Geesink durch, diesmal jedoch nicht in der Allkategorie, sondern im Schwergewicht +80 kg, als er den Japaner Mitsuo Matsumaga schlug, der seinerseits - nach Geesinks Rückzug - 2 Jahre später Weltmeister der Allkategorie wurde.

Trotz seiner überwältigenden Erfolge - auch über die scheinbar "unbesiegbaren" Japanischen Judoka - hatte Geesink nicht vergessen, darauf hinzuweisen, das er seine ganz großen Erfolge eben auch seinem mehrjährigen Training in Japan an der Tenri-Universität verdankte.

Die Judowelt hat mit Anton Geesink einer ihrer profiliertesten Streiter verloren, einen zwar häufig polarisierenden, aber stets nimmermüden Kämpfer für seine große Leidenschaft, das Judo!

Ich werde ihn, seine Ideen und sein Engagement sehr vermissen!

Jupp
Zuletzt geändert von Jupp am 28.08.2010, 15:40, insgesamt 3-mal geändert.
roweg
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Re: Anton Geesink 1934-2010

Beitrag von roweg »

Ausschnitt aus einem japanisches Kirschblüten -Gedicht:
Obwohl ihre Farben bunt sind,
schweben die Blüten hinab.
Auch in dieser Welt ist es so:
Wer könnte ewig leben ?

Zum Angedenken seiner Leistung, seiner Persönlichkeit als Mensch,
als Sportfreund,
sollten wir ihm hier im Forum ein Kondolenzbuch eröffnen.
MfG roweg
sedge
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Re: Anton Geesink 1934-2010

Beitrag von sedge »

Anton Geesink war ein Judoka, der gezeigt hat, daß es außer den Japanern auch noch andere gibt, die Judo machen können.

Leider hatte ich nicht die Möglichkeit, viele Worte mit ihm zu wechseln, jedoch hat mich seine Körpergröße und seine "Erscheinung" sehr beeindruckt, und das nicht nur, weil er den 10. Dan getragen hat, sondern weil er einfach ein toller Mensch war!

Seinen Angehörigen und Freunden drücke ich mein aufrichtiges Beileid aus!

Ruhe in Frieden!
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2. Dan Judo, Österreich, Tirol, Kirchberg
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