Platzwechsel, eindrehen, Wurfphasen: Wie geht das?

Hier geht es um Techniken, deren Ausführung und Beschreibung
HBt

Das Prinzip

Beitrag von HBt »

... umgesetzt auf einen effektiven Platzwechsel, bitte.
HBt

Alternatives Beispiel

Beitrag von HBt »

Vielleicht können wir diesen Faden etwas wiederbeleben? Hairi no kata (schreibt man das so?) exemplarisch am großen Hüftwurf, ich nenne diese Technik nur noch Koshi-nage - so gibt es keinen Klassifizierungsstreit. ;)

Fassart normal (Ärmelende und Revers in Brusthöhe), Uke und Tori rechts (aiyotsu). Toris Ellebögen sind nah am eigenen Körper, die Arme niemals exponiert, die Hände greifen locker -> um die sensorischen Fähigkeiten der Taster nicht unnötig einzugrenzen.
Tori geht einen Schritt mit rechts zurück (vielleicht leicht bogenförmig nach außen), Uke wird diesem unweigerlich mit links vor folgen (außer er reißt sich los, doch er kann nichts Böses vermuten). Jetzt dreht Tori sich in seiner Körperlängsachse, auf dem rechten Fußballen um min. 180° (resultierender gesamter Kreisbogen 3/4 PI), Uke muß mit rechts folgen und wird hierdurch auf einer Kreisbahn beschleunigt. Nun kann Tori seinen KSP im mehr als schulterbreiten Stand einfach und natürlich sacken lassen, gleichzeitig/automatisch löst sich der Reversgriff (tsurite) und greift weit um Ukes Hüfte -> weiter drehend (nicht abbeugender Weise) fällt Uke mit O-Goshi.

Probiert es aus, ohne Kraft, fließend und spielerisch 8)
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Fritz
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Re: Platzwechsel, eindrehen, Wurfphasen: Wie geht das?

Beitrag von Fritz »

HBt hat geschrieben:Jetzt dreht Tori sich in seiner Körperlängsachse, auf dem rechten Fußballen um min. 180° (resultierender gesamter Kreisbogen 3/4 PI),
2pi =^= 360° ==> 1pi =^= 180° ==> 3/4PI ==> 135° Widerspruch zu "min 180°"
;-)

Du hast noch vergessen zu erwähnen, daß Tom diesen Eingang als "Ura-Eingang" bezeichnet.
Mit freundlichem Gruß

Fritz
tutor!
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Re: Alternatives Beispiel

Beitrag von tutor! »

Damit hast Du in der Beschreibung so ziemlich alles vergessen/ausgelassen, was ich zu erklären versucht habe.

Das Wort Gleichgewicht vermisse ich zum Beispiel. In welcher Phase und durch welche Aktion Toris verliert Uke sein Gleichgewicht in welche Richtung?

Das, was Du beschreibst ist (verkürzt) mit anderen Worten nichts anderes als: "Tori geht rückwärts, Uke folgt ahnungslos, Tori dreht sich um und geht in die Knie, worauf Uke fast von alleine über ihn fällt."

Aber der Reihe nach:
HBt hat geschrieben: Tori geht einen Schritt mit rechts zurück (vielleicht leicht bogenförmig nach außen), Uke wird diesem unweigerlich mit links vor folgen (außer er reißt sich los, doch er kann nichts Böses vermuten).
Warum sollte er das denn tun? Weil ihm vielleicht nichts besseres einfällt? Warum geht er nicht mit rechts nach vorne und greift mit einer Eindrehtechnik an? Oder er geht mit einem großen Schritt links vorwärts und macht einen o-soto-gari?

OK - nehmen wir an er tut es und kommt links vor.
HBt hat geschrieben:Jetzt dreht Tori sich in seiner Körperlängsachse, auf dem rechten Fußballen um min. 180° (resultierender gesamter Kreisbogen 3/4 PI), Uke muß mit rechts folgen und wird hierdurch auf einer Kreisbahn beschleunigt.
Warum muss Uke schon wieder folgen? Warum verlagert er nicht einfach sein Gewicht nach links und bricht Toris Gleichgewicht nach schräg hinten? Wieso wird er auf einer Kreisbahn beschleunigt? Wer oder was beschleunigt ihn? Eine Beschleunigung auf einer Kreisbahn setzt ein Drehmoment voraus. Wo ist die Achse dafür? Und wo ist die ansetzende Kraft?

OK - nehmen wir wieder an, er kommt rechts vor.
HBt hat geschrieben:Nun kann Tori seinen KSP im mehr als schulterbreiten Stand einfach und natürlich sacken lassen, gleichzeitig/automatisch löst sich der Reversgriff (tsurite) und greift weit um Ukes Hüfte -> weiter drehend (nicht abbeugender Weise) fällt Uke mit O-Goshi.
Wie muss Uke denn konkret mit rechts vorkommen, dass das so möglich ist, wie Du das beschreibst? Mit einem großen oder mit einem kleinen Schritt? Mit einem Stemmschritt oder schließt er nur auf den linken Fuß auf und lässt sich nach vorne kippen, damit der Wurf klappt.

Genau so wurde doch jahrzehntelang unterrichtet - und das ist nicht nur haarscharf sondern ziemlich deutlich an den eigentlichen Kernfragen vorbei. So, wie Du es beschrieben hast, funktioniert es als lockere und durchaus schöne Bewegung - aber eben ganz weit weg von jeder realistischen Anwendung im Kampf, weil es nicht viel mehr ist, als eine nette Vorübung für die Fallschule, für Toris Körperhaltung, für die richtige Distanz u.a.m. Das hat auch seinen Wert und ich wäre froh, wenn mehr Leute es so locker beherrschen würden.

Aber die Gretchenfrage ist doch: "Wie kann ich Ukes Bewegung so zu einem Gleichgewichtsbruch weiterführen, damit ich werfen kann?" und nicht "wie muss Uke mir hinterherlaufen, damit er über meine Hüfte purzelt" (zugegeben: ich polarisiere jetzt sehr stark, aber ich hoffe, mein Standpunkt wird dadurch deutlicher).

Wenn ich aber das Gleichgewicht meines Partners brechen und nicht darauf warten will, dass er mir es "schenkt", dann werden andere Fragen wichtig:
  • Wie übertrage ich meine Kraft am effektivsten?
  • Wo und wie greife ich, um meine Kraft optimal zu übertragen?
  • Ist ein Griffwechsel mitten im Gleichgewichtsbruch überhaupt sinnvoll?
  • In welche Richtung wirkt meine Kraft auf Uke?
  • Entfalte ich meine Kraft eher ruckartig/explosiv oder kontinuierlich?
  • In welcher Phase von Ukes Bewegung beginne ich mit meiner Kraftwirkung?
Wenn ich diese Punkte nicht berücksichtige, kommt die beklagenswerte Kraftmeierei heraus - und nur wenn diese Punkte so effektiv wie möglich realisiert werden, entspicht die Technik dem Prinzip der größtmöglichen Wirksamkeit. Wenn ich diese Punkte im Untericht vergesse, brauche ich mich auch hinterher nicht zu beklagen, dass "alles nur noch mit Kraft" gemacht wird.
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HBt

Altersstarrsinn

Beitrag von HBt »

O Backe:

@Fritz,
dankeschön - ich habe selbstverständlich ca. 270° gemeint also 2*PI *3/4 = 6/4 PI = 3/2 PI :BangHead
Das ist der Ura-Eingang? ;)

@Tutor,
polarisieren - darum geht es uns ja, wie wollen wir denn sonst differenzieren!
Wenn ich aber das Gleichgewicht meines Partners brechen und nicht darauf warten will, dass er mir es "schenkt", dann werden andere Fragen wichtig: Wie übertrage ich meine Kraft am effektivsten? Wo und wie greife ich, um meine Kraft optimal zu übertragen? Ist ein Griffwechsel mitten im Gleichgewichtsbruch überhaupt sinnvoll?
In welche Richtung wirkt meine Kraft auf Uke? Entfalte ich meine Kraft eher ruckartig/explosiv oder kontinuierlich?
In welcher Phase von Ukes Bewegung beginne ich mit meiner Kraftwirkung?
Rechts zurück oder rechts näher an Ukes linke Flanke, scheinbar rechts vor - geht auch. Ich teste es gleich einmal hinsichtlich Deiner Kritikpunkte ...
tutor!
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Re: Altersstarrsinn

Beitrag von tutor! »

HBt hat geschrieben:Ich teste es gleich einmal hinsichtlich Deiner Kritikpunkte ...
Besser: Hinweise zur Optimierung..... 8)
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Fritz
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Re: Platzwechsel, eindrehen, Wurfphasen: Wie geht das?

Beitrag von Fritz »

@tutor!:
Da ich mir einbilde, ungefähr zu wissen, was HBt da beschreibt, vielleicht noch ein
paar Punkte zur Klarstellung (wobei ich das Gefühl hab, daß Du die Antworten auf Deine
Anmerkungen/Fragen selbst kennst ;-) aber man soll ja auch an die anderen denken ;-) ).
So, wie Du es beschrieben hast, funktioniert es als lockere und durchaus schöne Bewegung - aber eben ganz weit weg von jeder realistischen Anwendung im Kampf, weil es nicht viel mehr ist, als eine nette Vorübung für die Fallschule, für Toris Körperhaltung, für die richtige Distanz u.a.m. Das hat auch seinen Wert und ich wäre froh, wenn mehr Leute es so locker beherrschen würden.
Das ist erstmal schon mal eine Schlüsselerkenntnis:
Der von HBt beschriebene Wurfeingang ist zuallererst ein Eingang, um so einen Wurf zu lernen.
Daß er in einem Kampf sicherlich abgewandelt werden wird, steht außer Frage.
tutor! hat geschrieben:
HBt hat geschrieben: Tori geht einen Schritt mit rechts zurück (vielleicht leicht bogenförmig nach außen), Uke wird diesem unweigerlich mit links vor folgen (außer er reißt sich los, doch er kann nichts Böses vermuten).
Warum sollte er das denn tun? Weil ihm vielleicht nichts besseres einfällt? Warum geht er nicht mit rechts nach vorne und greift mit einer Eindrehtechnik an? Oder er geht mit einem großen Schritt links vorwärts und macht einen o-soto-gari?
Die Situation ist: Tori hat gegriffen und geht rückwärts, dabei
wird ein leichter, kontinuierlicher Zug auf Uke übertragen
Uke hat in der Realität verschiedene Optionen:
a) er kann stehen bleiben und fällt um - das wird er nicht gern tun also
b) macht er einen Schritt mit dem hinteren Bein nach vorn oder
c) er hält dagegen und zieht selbst nach hinten.
d) er kann auch, wie von Dir angedeutet, freiwillig nach vorn kommen / schräg nach vorn
kommen für einen O-Soto-Gari
e) oder er bewegt sich mit diesen Kata-Schritten (Tsugi-Ashi)

Reaktion c) erfordert von Tori logischerweise einen Wurf nach hinten, wird jetzt mal ausgeschlossen, da
wir ja einen Eindrehwurf nach vorn üben wollen.

Reaktion e) erfordert eine Modifikation der Eindrehbewegung oder führt direkt zu den Wurfansätzen
aus der Nage-No-Kata, das wäre dann auch eine andere Übung.

Reaktion a) kann wie angedeutet auch außen vor gelassen werden..

Also bleibt d) das wäre dann die nächste Übung (Kontern bzw. vorweggenommene Angriffinitiative),
aber in der von Dir beschriebenen Art (das hintere Bein schnell nach vorn setzen) wird es sich aber auch
abhandeln lassen unter

Reaktion b): Also Uke setzt das hintere Bein nach vorn, weit genug um sein Gleichgewicht
wieder zu stabilisieren. Allerdings bewegt sich jetzt sein Körper noch nach vorn, (es sei denn
Uke macht seinen Schritt etwas größer als nötig, und hat damit die Chance
für Reaktion c) siehe dort ;-) ), Stichwort "Masseträgheit", außerdem hält Tori seinen
leichten Zug nach vorn aufrecht, also möchte Uke sicherlich einen zweiten Schritt machen.
Während dieses zweiten Schrittes beginnt aber Tori zu drehen, sich in eine stabile
Wurfposition zu bringen und Uke läuft quasi auf ihn drauf.
Dieses Eindrehen muß also etwas schneller (beendet) sein als Ukes zweiter Schritt,
so daß Tori nach Erreichen der Wurfposition seine
volle Kraft "explosiv" (*) einsetzen kann, um Uke über sich / an sich vorbei zu kippen. Diese Kraft wird umso
größer, je besser Tori es schafft, seine durchs Eindrehen aufgebaute Rotationsenergie zu nutzen.

(*) Einwirkung eines hohen Kraftstoßes/-zuges auf Uke führt in der Regel zu "seltsamen" Reflexen:
Ein im Gleichgewicht stehender Mensch wird steif, und sich instinktiv in die Gegenrichtung lehnen.
(quasi eine automatische Reaktion c). Nur so kann er sein Gleichgewicht wahren, ein Schritt wäre
zu langsam. Wir haben es früher als "Stellreflex" bezeichnet und sehr schnelle Wettkämpfer benutzen
so etwas regelmäßig für "indirektes" Kuzushi: Nach vorn rupfen, nach hinten werfen... und andersrum...

Gemeinerweise tritt dieser Reflex aber auch auf, wenn sich der betreffende bereits bewegt, nur
daß es Uke nicht mehr schafft aufgrund seiner Eigenbewegung, sich dagegen zu lehnen, was bleibt,
ist einerseits die "Steifigkeit" und die ist nützlich fürs "Drüberkippen" und andererseits: Kein Gegenlehnen,
keine Gegenkraft --> Toris Kraft beschleunigt Uke. Dies wird bei der von HBt beschriebenen Art des Eindrehens genutzt.

Die Vorteile dieser Art des Wurfeingangs sehe ich hierin:

- Toris Masse bewegt sich in Richtung des Wurfes (Im Gegensatz so diesen "Stemmschritt"-Eingängen,
wo sich Tori erstmal auf Uke zu bewegt, sich einstemmt, abbremst und soviel Anrißkraft
entwickeln muß, daß Ukes "Stellreflex" überwunden wird)

- der volle Krafteinsatz erfolgt erst dann, wenn Tori sicher und stabil im Wurf steht. Es besteht als
keine Notwendigkeit für Tori sich mit umzuschmeißen ;-)

- der Körper-Kontakt zum Gegner erfolgt erst in der Endphase des Wurfes, dann wenn es eigentlich
zu spät für ihn ist. Damit entfällt (bzw. wird ungleich schwerer) die Möglichkeit durch Blocken
und Ushiro-Goshi & co zu kontern - im Gegensatz zum "dichten Eindrehen" wie wir es heute so oft sehen...

Irgendwo im englischen Judoforum (auf http://www.judoinfo.com) hab ich mal gelesen, daß die "alten
Meister" ihre Würfe aus einem größeren Abstand eingedreht haben, als heutzutage "üblich"...

Unter diesen Gesichtspunkten erschließen sich die Wurfbewegungen in der Nage-No-Kata
recht gut...

Ich hoffe dies war jetzt nicht zu konfus u. halbwegs verständlich... ;-) ohne Anspruch auf Vollständigkeit...
Mit freundlichem Gruß

Fritz
tutor!
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Re: Platzwechsel, eindrehen, Wurfphasen: Wie geht das?

Beitrag von tutor! »

Fritz hat geschrieben:@tutor!:
Da ich.....(s.o.) ;)
Hallo Fritz,

Du triffst den Nagel auf den Kopf! Tori muss Uke ziehen, nicht zu viel und nicht zu wenig. Zieht er zu viel - also zu stark oder zu ruckartig - gibt es eine Gegenreaktion von Uke und die Technik klappt nicht mehr so wie sie sollte. Gefühl ist angesagt!

Ruckartig oder kontiunierlich - das ist eine der wichtigsten Fragen 8) ! Nimm einen Fußball und einen Medizinball und versuche beide, mit deinem Fuß so weit wie möglich wegzuschießen oder wegzuschieben. Du wirst merken, dass Du den Medizinball besser schiebst, den Fußball besser "schießt". Das hängt mit der größeren Masse des Medizinballs zusammen. Je größer die Masse eines Gegenstandes ist, den ich bewegen will, desto besser fahre ich mit einem längeren Beschleunigungsweg und einer kontinuierlichen Verstärkung der Kraft. So ist es auch beim Judo - von den Eigenreflexen mal ganz abgesehen. Also meistens ist es besser nicht anzureißen, sondern den Zug über einen längeren Weg aufzubauen.

Ich muss einfach sehen, dass ich spätestens von Beginn meiner Eindrehbewegung beginne, den erforderlichen Zug aufzubauen. Wenn sich Uke schon vorher in meine Richtung bewegt - umso einfacher ist es für mich. Ich muss dann aber dafür Sorgen, dass er nicht mehr "anhalten" kann, das heißt, ich muss ihn während meiner Eindrehbewegung über den "point-of-no-return" hinüber ziehen ohne ihm eine Chance zu lassen, sein Gleichgewicht wieder herzustellen.

Die Schwachstelle bei der von Hbt beschriebenen Eingangsvariante ist, dass ich genau im Moment des Eindrehens meine rechte Hand vom Revers lösen muss, um auf den Rücken zu fassen. Das heißt, dass dann nur noch die linke Hand ziehen kann. Diese muss Uke auf den vorkommenden rechten Fuß stellen und ihn dann noch ein wenig weiter ziehen, was ein wenig viel verlangt ist.

Das müsste ich aber jetzt auf der Matte zeigen....

Nage-no-Kata: nicht umsonst wird beim harai-goshi vorher umgegriffen und beim tsuri-komi-goshi so stark mit der rechten Hand gearbeitet! Auch mit einer anderen Sache hast Du auch völlig recht: wirklich gute Techniker - ob alte oder junge Japaner oder andere - halten in der Tat etwas mehr Abstand. Wer will denn schon gerne dem Uke beim Fallen im Weg stehen. ;)
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Fritz
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Re: Platzwechsel, eindrehen, Wurfphasen: Wie geht das?

Beitrag von Fritz »

tutor! hat geschrieben:Ich muss einfach sehen, dass ich spätestens von Beginn meiner Eindrehbewegung beginne, den erforderlichen Zug aufzubauen. Wenn sich Uke schon vorher in meine Richtung bewegt - umso einfacher ist es für mich. Ich muss dann aber dafür Sorgen, dass er nicht mehr "anhalten" kann, das heißt, ich muss ihn während meiner Eindrehbewegung über den "point-of-no-return" hinüber ziehen ohne ihm eine Chance zu lassen, sein Gleichgewicht wieder herzustellen.
Das Problem ist ja gerade, daß ein zu starkes Ziehen im Drehen Toris Drehbewegung bremst, d.h. Uke sollte zum Zeitpunkt des
"Eindrehens" bereit genug Eigen-Bewegung nach vorn besitzen...
Die Schwachstelle bei der von Hbt beschriebenen Eingangsvariante ist, dass ich genau im Moment des Eindrehens meine rechte Hand vom Revers lösen muss, um auf den Rücken zu fassen. Das heißt, dass dann nur noch die linke Hand ziehen kann. Diese muss Uke auf den vorkommenden rechten Fuß stellen und ihn dann noch ein wenig weiter ziehen, was ein wenig viel verlangt ist.

Nun ja, HBt meint ja allgemein einen Hüftwurf, da gibt es ja auch einige Varianten ohne umzugreifen...
In der Tat ist es aber mit dem Ura-Eingang m.M. nach schon möglich, den Reversgriff rechts
zu lösen - in der beschriebenen Form macht ja Uke zwei Schritte: links vor - hier muß die rechte Hand Toris auf jeden Fall
noch am Revers ziehen (kontinuierlich, ruhig - quasi unter der Wahrnehmungsschwelle von Uke), um diesen zu seinem
Schritt zu verleiten. Danach soll ja Uke noch einen großen rechten Schritt "in sein Verderben hinein" machen,
hier arbeitet also hauptsächlich Toris linke Seite und Tori hat die Möglichkeit seine rechte Hand umzuplazieren...
Ansonsten ist natürlich auch vorstellbar, daß Tori von vornherein einen Griff auf Ukes Rücken oder an
dessen Seite gewählt hat.

Zu beachten ist weiterhin, daß das angesprochene "ruhige, kontinuierliche" Ziehen nicht aus dem Armen kommt,
sondern aus der Bewegung von Toris aufrechtem(!) Körper.
Mit freundlichem Gruß

Fritz
tutor!
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Re: Platzwechsel, eindrehen, Wurfphasen: Wie geht das?

Beitrag von tutor! »

Fritz hat geschrieben: Ansonsten ist natürlich auch vorstellbar, daß Tori von vornherein einen Griff auf Ukes Rücken oder an
dessen Seite gewählt hat.

Zu beachten ist weiterhin, daß das angesprochene "ruhige, kontinuierliche" Ziehen nicht aus dem Armen kommt,
sondern aus der Bewegung von Toris aufrechtem(!) Körper.
Du verstehst mich noch besser als dachte ;) . O-goshi ist außerdem ein großes Problem, weil er so, wie er meistens unterrichtet wird, eben kaum im Kampf (egal ob Randori oder Shiai) funktioniert.

Meist wird im Kampf - wenn es funktionieren soll - doch erst auf den Rücken gegriffen und dann aus dem Gleichgewicht gebracht - aus dem ganzen Körper heraus natürlich 8) . Die Frage ist jetzt nur noch, aus welcher Situation heraus ich gut auf den Rücken oder um die Hüfte greifen kann.

Das kontinuierliche Ziehen sollte man aber nicht als kraftloses Ziehen (miss-)verstehen. Ein Kugelstoßer ist auch ziemlich kraftvoll und explosiv. So in etwa muss auch ein Judoka sein. Nur bevor ich "explodiere" sollte Uke schon wenigstens ein wenig auf dem Weg in die Richtung sein. Kleiner Unterschied - große Wirkung!

Ich glaube, damit sind die beiden wichtigsten Punkte angesprochen:
  • aus dem ganzen Körper heraus die Kraft entwickeln und
  • vor dem Explodieren Uke schon einer in die richtige Richtung bewegen.
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HBt

Glücklich

Beitrag von HBt »

Hallo "Fritz", hallo "Tutor!",
ich verbeuge mich tief vor euch - das was ich, nur schwer in Worte fassen kann, habt Ihr in voller Gänze weitergesponnen. Toll. :D :D :D

Für all jene, die analytisch an diese Form des PW herangehen ist alles beschrieben - perfekt (Fritz, Du kennst den Eingang halt, und schon bedeutend länger als ich ;) )

Jetzt zum Praxistest:
Ich habe gestern meinen u14ern diese Form vorgestellt, alle Kinder, die sich schnell von "unserem bisherigen Standard" lösen konnten, konnten die Technik (Koshi-nage!, siehe oben) erfolgreich im Randori anwenden. Selbst meine kleine Lieblingsmaus (30kg) hat mich (z.Zt.76kg) mit Ippon ..., der Ippon muß einen hier nicht wundern, man fällt hier mit immer Ippon oder eben gar nicht!

In der von Fritz perfekt beschriebenen Form, sieht man auf der Matte (überdeutlich) das Verschmelzen von Kuzushi.1-Tsukuri-Kuzushi.2-Kake zu einer Einheit, es ist ein Traum.

Viele Grüße
Helge

(und an Tom, ein herzliches Dankeschön)
tom herold
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Re: Platzwechsel, eindrehen, Wurfphasen: Wie geht das?

Beitrag von tom herold »

Hallo HBT, der Ura-Eingang funktioniert eben - entgegen aller anderslautenden Äußerungen - genauso im Randori. Es ist ein Eingang aus der Bewegung, einfach, schnell und sehr effektiv, wie du ja erfahren hast ;-)
Zu deiner Frage, ob man bei O-Goshi VORHER auf den Rücken fassen sollte: wenn du deinen Gegner warnen willst, dann ist das die richtige Methode.
Solange du zuerst faßt, also auf den Rücken (wenn der Gegner dich läßt!), mußt du doch wohl den Oberkörper zum Gegner hinbeugen, oder nicht? Das bedeutet, daß du einen Hüft-Rumpf-Winkel erzeugst, und damit hast du deine lotrechte Drehachse aufgegeben.
Natürlich kann man so immer noch werfen, aber der Aufwand wäre mir persönlich zu hoch.
Ich habe auch noch nie erlebt (und ich habe das gegen Ringer und Leute aus dem MMA angewandt), daß der Gegner nicht nach vorn gekommen wäre. Wenn man ihn nicht ziehen mag, dann läßt man ihn eben selbst schieben - und damit ist gemeint, daß man seinen "zupackenden" Händen nach hinten ausweicht. Was wird er wohl in aller Regel tun ...?
Aber genug theoretisiert.
Letztlich ist es weitgehend müßig, dashier zu diskutieren. Mißverständnisse sind da wohl vorprogrammiert. Es bleibt nur, auf die Matte zu gehen und es dort auszuprobieren.

Tom
HBt

Kumi-Kata

Beitrag von HBt »

Tom hat geschrieben:Zu deiner Frage, ob man bei O-Goshi VORHER auf den Rücken fassen sollte: wenn du deinen Gegner warnen willst, dann ist das die richtige Methode.
Das war ich nicht, (das war vorher schon kaputt) :D
Solange du zuerst faßt, also auf den Rücken (wenn der Gegner dich läßt!), mußt du doch wohl den Oberkörper zum Gegner hinbeugen, oder nicht? Das bedeutet, daß du einen Hüft-Rumpf-Winkel erzeugst, und damit hast du deine lotrechte Drehachse aufgegeben.
(..) Mißverständnisse sind da wohl vorprogrammiert. Es bleibt nur, auf die Matte zu gehen und es dort auszuprobieren
Sag ich doch. ;)
Jano
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Re: Platzwechsel, eindrehen, Wurfphasen: Wie geht das?

Beitrag von Jano »

tutor! hat geschrieben:Die Frage ist jetzt nur noch, aus welcher Situation heraus ich gut auf den Rücken oder um die Hüfte greifen kann.
Ich glaube, dies ist wirklich die eine der wichtigsten Fragen, mit denen man sich auseinandersetzen muss, wenn O-goshi im Wettkampf / Randori klappen soll. Sie führt für mich auch zwangsläufig zum Thema "Judotechniken als Lösung einer Situation". Das heißt: Wenn sich Uke so bewegt bzw. verhält, dass es Tori nicht, oder nur unter Einnahme einer für ihn ungünstigen Position (nach vorne beugen) möglich ist, den Griff auf dem Rücken überhaupt zu erarbeiten, dann ist O-goshi eben nicht die zur Situation passende Technik.

Aus meiner Sicht (und stark verallgemeinert):
Günstig: Kenka-Yotsu-Situationen, da hier die zu umfassende Hüfte durch die gegengleiche Auslage "in Reichweite" ist.
Schwieriger wird es im Ay-yotsu, denn hier ist diese Hüfte eher weit weg und es kommt dann und wann zu dem beschriebenen ungünstigen Abbeugen, um seine Reichweite zu vergößern.
Dass es aber auch bei gleicher Auslage anders geht, wobei man 1.) als Erster fasst und 2.) sich eben nicht abbeugt, kann man sich z.B. prima bei Stephane Traineau ansehen.

Natürlich hat Tom Recht: Der Griff verrät zum Teil die Wurfabsicht. Das nützt Uke allerdings auch nur etwas, wenn Tori aus diesem Griff nichts anderes als O-goshi parat hat. Tori sollte jedoch in dieser Situation flexibel genug sein, auf mögliche Reaktionen Ukes mit jeweils passenden Techniken reagieren zu können. Dann sieht es für Ukes Verteidigung schon wieder nicht mehr so gut aus.
tom herold
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Re: Platzwechsel, eindrehen, Wurfphasen: Wie geht das?

Beitrag von tom herold »

... hallo Jano, grundsätzlich hast du da natürlich Recht.
Aber: obwohl es wirklich simple (und selbst gegen ausgebuffte Kämpfer immer wieder erfolgreiche!) Möglichkeiten gibt, den eigenen Arm auf dem gegnerischen Rücken zu plazieren, hat die ganze Sache doch (Achtung: Meinung!) einen entscheidenden Nachteil.
Komme ich nämlich zuerst mit dem Arm, dann kann der Gegner - selbst wenn ich ihn überliste und greifen kann, was ja sehr einfach möglich ist - dennoch einen Hüftwurf (muß ja nicht unbedingt O-Goshi sein) leicht verhindern.
Er muß lediglich die angegriffene Seite vom Gegner entfernen und dabei den Schwerpunkt etwas senken. Es ist sehr einfach, auf diese Weise den gegnerischen Griff loszuwerden.
(Um Einwänden zuvorzukommen: natürlich kann und soll man diese Reaktion nun wieder nutzen, um eine andere, passende Technik anzuwenden, aber darum geht es jetzt doch nicht unbedingt, oder?)

Kommt aber der um die Hüfte greifende Arm (was etwas anderes ist als auf den Rücken zu fassen) erst im letzten Moment (was problemlos möglich ist), hat der Gegner sehr viel weniger Möglichkeiten, diesen Arm abzuwehren.
Nun müßte man natürlich genau dieses "Umschlingen der gegnerischen Hüfte im letzten Moment" sehr intensiv üben ...
Es scheint da tatsächlich einfacher, erst zu greifen und sich dann einzudrehen.
Machen auch fast alle.
Heißt aber nicht, daß man es automatisch immer so machen muß, denke ich ...

Tom
HBt

Ausprobieren

Beitrag von HBt »

Ich finde meine Beschreibung verständlich, von Ab/Vorbeugen habe ich nichts gesagt.

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Jano
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Re: Platzwechsel, eindrehen, Wurfphasen: Wie geht das?

Beitrag von Jano »

Hallo Tom,

Zustimmung und keine Frage, natürlich geht es immer auch anders. Für eine Situation gibt es immer eine Vielzahl von Lösungen. Welche man wählt, ist dabei auch immer etwas sehr Individuelles. Einfach gesagt: Man macht halt das, womit man am besten zu Recht kommt. Für den Einen ist es "Deine" Methode, für den Anderen "meine", ein Dritter macht es wieder ganz anders. Und zu jeder Variante lassen sich natürlich wieder spezielle Vor- und Nachteile finden.

Manchmal habe ich den Verdacht, Judo ist ganz schön komplex. ;)
tutor!
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Re: Platzwechsel, eindrehen, Wurfphasen: Wie geht das?

Beitrag von tutor! »

Jano hat geschrieben:Einfach gesagt: Man macht halt das, womit man am besten zu Recht kommt. Für den Einen ist es "Deine" Methode, für den Anderen "meine", ein Dritter macht es wieder ganz anders. Und zu jeder Variante lassen sich natürlich wieder spezielle Vor- und Nachteile finden.

Manchmal habe ich den Verdacht, Judo ist ganz schön komplex. ;)
Nun ja, man macht immer das, was der andere zulässt. Grundsätzlich funktioniert eigentlich alles - man muss nur einen finden, der unerfahren und naiv genug ist, darauf reinzufallen ;) - und man muss selber aufpassen eben nicht der "Dumme" zu sein.
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Beitrag von HBt »

Gut, jetzt haben wir uns nett unterhalten (ein bißchen gefaselt) aber nur die wenigsten "Sportler" haben den Ura-Eingang
ausgetestet. Los gehts.

Von den 40 Techniken der Gokyo sind jetzt exemplarisch zwei abgehakt; wie gestaltet sich nun ein effektiver, sinnvoller PW für den Osotogari, den Ouchigari, den Kouchigari oder den Ashiguruma, den Oguruma???

Die Definition für effektiv hat Fritz eingangs schon gegeben, ein paar Beispiele könnten hoffentlich noch mehr verdeutlichen und zum
Verständnis beitragen.
HBt

Einige Beispiele:

Beitrag von HBt »

Montpellier -> H. Katanishi und andere Tenrivertreter. Ein Vorgeschmack bei Youtube und die DVD's bei: http://stagejudo.com/dvd.aspx

Können wir das auch (und warum tun wir das dann nicht)?
Antworten