Randori no kata

Nage-no-Kata, Katame-no-Kata, Gonosen-no-Kata und verwandte Kata
tom herold
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Re: Randori no kata

Beitrag von tom herold »

Hallo Tutor,

da ich mit erfahrenen und sehr qualifizierten Vertretern der Tenshin Shinyo Ryû in Verbindung stehe (und auch mit Vertretern der Kashima Shin Ryû), sehe ich DAS durchaus nicht als "dürftige Quellenlage" auf meiner Seite an ...
Es geht darum, wie die Nage-no-Kata geht - nicht darum, was man alles in sie hineininterpretieren kann.
In der Tat. Und du hast meine Frage, WAS diese (Schlag?) Bewegung denn nun sein soll, noch immer nicht beantwortet.
Ich finde, wenn man (m)eine (wenngleich nur indiziengestützte) These ablehnt, muß man auch selbst etwas mehr anzubieten haben als: mag ich nicht, kann ich auch in der Literatur nicht finden.
Aber das ist nur meine persönliche Meinung ...

Zu den Fakten.

Du hast behauptet, das einhändige Führen des Schwertes sei alles andere als fachgerecht.
Ich verweise dazu auf jene Ryû, die das einhändige Führen des Katana präferierten.
Da wäre bspw. die Nito Ryû ...
Ich muß jetzt aber nicht dezidiert alle Ryû aufzählen, in denen auch oder sogar vorrangig das einhändige Führen des Katana üblich war ...?

Du hast weiter behauptet, die Schrittfolge, wie man sie in "Illustrated Kodôkan Jûdô" sehen kann (und für mich sind da die alten Ausgaben verbindlich) wäre nicht geeignet, um mit dem Schwert anzugreifen.
Gestatte, daß ich dir da entschieden widerspreche.

Gewiß - wenn man das Schwert (wie ich erst dachte) ziehen will, um dann zuzuschlagen, dann sind die dafür notwendigen Schritte "verkehrt herum".
ABER: es ist ein wenig anders.

Beim Ziehen des japanischen Schwerts muß man entweder mit dem linken Bein zurück oder mit dem rechten Bein nach vorn gehen - Binsenweisheit. Sodann greift man grundschulmäßig (in allen Ryû ziemlich gleich) mit der linken Hand ebenfalls den Schwertgriff. Dabei allerdings geht man in den meisten Schulen einen weiteren Schritt nach vorn - und zwar mit dem linken Bein.
Diese Kamae heißt etwa in der Yagyu Shinkage Ryû (eine Schule, die Kano nicht so ganz unbekannt war!) Migi Hasso Kamae.
Wurde nun der dann erfolgende Schlag (diagonal nach links unten) ausgeführt, dann machte man dabei noch einen Schritt - und zwar mit dem rechten Bein nach vorn.

Ich hoffe, daß du dies nicht in Abrede stellen wirst. (vgl. dazu "Art of the Japanese Sword" S. 51, D. Lowry, 1986 Ohara Publications, USA)

Es ist richtig, daß der Schlagende sich dabei nicht nach vorn lehnt. Er agiert im Gleichgewicht.
ABER: wie in Nage-no-Kata ersichtlich, bewegen sich beide aufeinander zu. Und Tori muß lediglich erreichen, daß er an Uke herankommt, ehe dieser den Schlag nach unten führt.
Das heißt, Nage-no-Kata lehrt auch korrektes Ma-ai und De-Ai.
UND: hat Tori gelernt, wie und wann er in Uke hineingeht (nämlich bevor dieser den Schlag so weit geführt hat, daß es Selbstmord wäre, da hinein zu rennen), dann ist Ukes Langwaffe AN TORI SCHON VORBEI, ehe es zum "Showdown" kommt.

Führt Uke nun das Schwert beidhändig, kann er keine korrekte Fallschule mehr ausführen.
Tori erlangt (etwa bei Seoi-Nage) vor, während und nach dem Wurf die totale Kontrolle über Ukes Waffenarm.
Ich kann dir das gern auf der Matte beweisen ... und das meine ich nicht böse, sondern so, wie ich es gesagt habe.

Beim Uki-Goshi ist es ebenso: Tori taucht unter Ukes Waffenarm(en) in Uke "hinein". Bei Uki-Goshi MUSS man dabei auf einen rechten Schwertangriff mit Uki-Goshi links reagieren ... sonst kann man ihn nicht werfen.
Auch bei UG geht der Waffenarm / die Waffenarme über Tori hinweg. Und daß man Ukes zweiten Arm bei einem beidhändig ausgeführten Schwertschlag nicht greifen kann, ist überhaupt kein Problem. Toris Wurfarm ist bereits um Ukes Hüfte geschlungen (beim Linkswurf der linke), und Toris rechte Hand greift entweder den Waki genannten Brustschutz von Ukes Rüstung, das Revers von Ukes Uwagi - oder das Revers von Ukes moderner Jûdôjacke.
Uke fällt bei beidhändig geführtem Schwertschlag AUF SEINEN WAFFENARM!!
Und auf dessen Handgelenk kann Tori nach Wurfausführung problemlos drauftreten.
Ende.

Bei den Sutemi-Waza der Nage-no-Kata fällt Tori auch keineswegs auf Ukes Waffe, wie Tutor behauptet (jedenfalls dann nicht, wenn man die Würfe korrekt ausführt und Uke beim Ura-Nage nicht durch die Decke zu heben versucht!).
Wir haben es wieder und wieder ausprobiert - Uke fliegt samt Waffe weg.
So leicht läßt man eben nicht los, wenn man eine Waffe in der Hand hält ...

Und noch einmal: führt Uke einen beidhändigen Schwertschlag aus, kann er keine korrekte Fallschule mehr ausführen. Pech für ihn, Verletzung vorprogrammiert.

UND: all die Wurftechniken der Nage-no-Kata entstammen nachweislich den Ryû der Koryû. Dort wurden sie trainiert, um ...?
Richtig.
Um genau dann eingesetzt zu werden: im Yoroi Kumi Uchi.
Wäre das "Selbstmord" oder ineffektiv gewesen (was in diesem fall dasselbe ist), dann hätte es die betreffenden Ryû schon bald nicht mehr gegeben.

So: neben der Tatsache, daß man das Schwert (außer beim sportlichen Kendô) im Kenjutsu der meisten Ryû auch einhändig führen kann, ist die Schwertbewegung Ukes in Nage-no-Kata soweit "stilisiert", daß Uke einen einhändigen Schlag führt.
Dies bedeutet, daß die Bewegungen Ukes eindeutig erklärt werden können.

Erstens IST das Schwert bereits gezogen.
Zweitens ist die "Ausholbewegung" das Einnehmen der Migi Hasso no Kamae (bei Rechtsausführung).
Drittens ist damit erklärt, wieso Uke beim Schlagen diagonal nach unten den rechten Fuß nach vorn stellt.

Viertens ist noch etwas wesentliches damit erklärt: Tutor hat unrecht, wenn er behauptet, man müsse zur effektiven Abwehr (wie in Kime-no-kata) IMMER auf die Ellbogenseite des Waffenarms des Angreifers.
Nein, muß man nicht!!

Bei einem Schwertangriff, wie Uke ihn in Nage-no-Kata darstellt, handelt es sich (im Gegensatz zu dem, was heute als "Hammer von oben á la Bud Spencer" gelehrt wird) um einen diagonal nach innen und unten gerichteten Schlag.
Diese Technik ist im Kenjutsu allgemein bekannt als Yoko Uchi.

Ich würde wirklich gern mal sehen, wie jemand versucht, in Abwehr eines solchen Schlages auf die außen liegende Ellbogenseite des gegnerischen Waffenarms zu kommen ...

Fünftens: die "einhändige" Ausführung der Schlagtechnik gestattet Uke, eine korrekte Fallschule auszuführen, die ihn beim Üben vor Verletzungen bewahrt.

So, eine Anmerkung sei mir noch gestattet:
ich habe mich ein wenig geärgert, daß Tutor behauptet hat, das einhändige Führen des Katana sei "unfachmännisch".
Im Kendô, das nichts anderes ist als ein Sport, mag das sogar zutreffen.
Für Kenjutsu gilt das nicht!

Nota bene: das japanische Schwert war vor allem eine Waffe der Kavallerie. Der beidhändige Einsatz gegen gegnerische Kavalleristen ist belegt. ABER: gegen Infanterie (etwa gegen Ashigaru) MUSSTE das Schwert einhändig geführt werden.
Das ist hinreichend belegt.
Ich bitte darum, Erfahrungen, die man in einer SPORTART gemacht hat, nicht auf die KAMPFKÜNSTE zu übertragen.

Tom
Zuletzt geändert von tom herold am 30.11.2008, 19:58, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Randori no kata

Beitrag von Lin Chung »

Hallo Tom

...wir lernen noch. Auch Tutor.
Danke für deine Ausführung.

Beim Kyeok to ki Seminar mit Meister Paul wurde die Handhabung des Schwertes genauso demonstriert, wie du es beschrieben hast, das fiel mir gerade wieder ein.
Zuletzt geändert von Lin Chung am 30.11.2008, 20:24, insgesamt 1-mal geändert.
Grüße
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Re: Randori no kata

Beitrag von tutor! »

Lieber Tom,

ich sagte ja, dass ich Dir glaube, dass man Messer und Schwerter mit den Wurftechniken der Nage-no-Kata abwehren kann.

Aber es geht um die Nage-no-Kata von Kano - und da hat J. Kano nun einmal festgelegt, dass sie gegen einen Faustschlag gemacht werden. Du hast heute an anderer Stelle selbst geschrieben, dass man sich an niemand anderem orientieren soll.

Warum er das eine getan hat und das andere nicht, weiß ich nicht - aber Du eben auch nicht. Deshalb stützt Du Dich ja auf Indizien. Ich will dennoch eine Erklärung versuchen.

Nage-no-Kata beinhaltet Grundformen des Werfens - also sagen wir mal, eine Art Grundschule. Ein entscheidendes Element ist dabei, die Bewegung von Uke zu einem Gleichgewichtsbruch auszunutzen.

Es gibt im Wesentlichen drei Situationen in der Nage-no-Kata:
  • Uke fasst und kommt vor (mit tsugi ashi Schritten)
  • Uke und Tori fassen gleichzeitig, aber Tori bewegt Uke
  • Uke greift mit Schlag an - der Wurf erfolgt ohne vorheriges Fassen.
Diese drei Situationen sind für mich so etwas wie "Modellsituationen" mit einer Art "Stellvertreterfunktion". In diesen Grundformen werden die (Funktions-)prinzipien studiert, die dann später auf andere Situationen angewendet werden können.

Im Falle der "Schlagtechniken" meinetwegen auf:
  • Griffkampf im Randori, wenn der Gegner versucht im Nacken zu greifen
  • Abwehr eines bewaffneten Angriffs
Dies findet dann aber schon jenseits der Nage-no-Kata statt, nämlich - und da wiederhole ich mich gerne - in der Anpassung der in der Kata erlernten Prinzipien auf spezielle Situationen.
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Re: Randori no kata

Beitrag von tom herold »

Aber es geht um die Nage-no-Kata von Kano - und da hat J. Kano nun einmal festgelegt, dass sie gegen einen Faustschlag gemacht werden. Du hast heute an anderer Stelle selbst geschrieben, dass man sich an niemand anderem orientieren soll.
Wo hat Kano geschrieben, daß Ukes Schlagbewegung ein Angriff mit der Faust ist?
Quelle bitte.
Ich lerne gern dazu.

Aber: bitte einen entsprechenden Kano-Text zitieren und nicht das, was in einem nach Kanos Tod unter seinem Namen herausgegebenen Buch steht.

Tom
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Re: Randori no kata

Beitrag von tutor! »

tom herold hat geschrieben:
Aber es geht um die Nage-no-Kata von Kano - und da hat J. Kano nun einmal festgelegt, dass sie gegen einen Faustschlag gemacht werden. Du hast heute an anderer Stelle selbst geschrieben, dass man sich an niemand anderem orientieren soll.
Wo hat Kano geschrieben, daß Ukes Schlagbewegung ein Angriff mit der Faust ist?
Quelle bitte.
Ich lerne gern dazu.

Tom
Nage-no-Kata wurde auf dem Butokukai-Treffen in Kyoto 1907 (andere Quellen nennen 1906), standardisiert. Otaki/Draeger erwähnen es auch. Die Protokolle sind in Archiven einsehbar. Ich werde mich um eine Übersetzung bemühen. Ich gehe aber davon aus, dass Otaki/Draeger dies seriös recherchiert haben.
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Re: Randori no kata

Beitrag von tom herold »

Danke.

Ich möchte jedoch präzisieren: ich erwarte nun, deiner Ankündigung gemäß, daß Kano irgendwo sinngemäß geschrieben hat: "Ukes Angriffsbewegung in Nage-no-Kata ist ein Faustschlag" und du dies belegen kannst.


Tom
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Re: Randori no kata

Beitrag von tutor! »

tom herold hat geschrieben:Danke.

Ich möchte jedoch präzisieren: ich erwarte nun, deiner Ankündigung gemäß, daß Kano irgendwo sinngemäß geschrieben hat: "Ukes Angriffsbewegung in Nage-no-Kata ist ein Faustschlag" und du dies belegen kannst.


Tom
Und Du machst Dich bitte auf die Suche nach einer entsprechenden Quelle die sagt, es seien keine Faustschläge.
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Re: Randori no kata

Beitrag von tom herold »

Wir können mit Sicherheit sagen, daß der von Uke ausgeführte Schlag eine "Stellvertreter-Funktion" erfüllt, soviel steht wohl fest.

ABER: warum fragt sich eigentlich niemand, WAS diese Bewegung symbolisiert?

Einen waffenlosen Angriff mit Sicherheit nicht!
Eine solcher Angriff ist mit unbewaffneter Hand völlig sinnlos.

Kano aber hat in seinem Jûdô nichts Sinnloses geduldet ...

Ich habe bei Draeger / Otaki noch mal nachgelesen:

"Uke ... strikes with his bottom fist straight down at the front top of Tori's head; times his first arrival with the placement of his unbalancing foot on the mat. Is unbalanced to that front corner."

(Draeger / Otaki, S. 150)

Ja und?

"... with his bottom fist ..."
Also mit geschlossener Faust, mit der Handkante dieser geschlossenen Faust.
Als waffenloser Angriff nur in Bud-Spencer-Filmen erfolgreich.

Nun lesen wir aber bei Draeger / Otaki auch (zum Seoi-Nage):
"Strictly go no sen, this technique is the first of four in this kata in which the attacking opponent strikes a blow at the thrower to clearly mark the self-defense value inherent in the kata."
(ebenda)

Ich lese da: blow.
Ich lese da: geschlossene Faust wird in einer Haltung geschlagen, wie sie nur üblich ist, wenn man eine Waffe führt.

Nochmal: es reicht mir nicht, daß du immer wieder sagst: wir wissen es nicht. Bist du denn gar nicht neugierig?
Und überdies: die Faust so zu führen, ist NICHT vereinbar mit einem waffenlosen Angriff.

Du kannst gern anderer Meinung sein - für mich ist belegt (auch und vor allem durch Hiranos und Frank Thieles Worte), daß es sich um Angriffe mit Waffen handeln MUSS.
" ... to clearly mark the self-defense value inherent in the kata"
(Draeger / Otaki)

Und ich wiederhole es: welche Art von effektiven, waffenlosen Angriffen fällt dir ein, wenn du die Armbewegungen von Uke siehst??

Tom
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Re: Randori no kata

Beitrag von Lin Chung »

Uke ... strukes with his bottom fist straight down at the front top of Tori's head; times his first arrival with the placement of his unbalancing foot on the mat
Gehen wir mal von der Annahme aus, dass es eine Kurzwaffe ist,
...dann könnte man meinen Uke würde mit dem Unterteil des Waffengriffes zuschlagen.
Grüße
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Re: Randori no kata

Beitrag von Jano »

Ich kann mich Tutor nur anschließen, wenn er im Gegenzug handfeste Beweise für einen bewaffneten Angriff fordert. Wenn das so einfach wäre, gäbe es diese ganze Diskussion doch gar nicht.

Vielleicht ist die folgende Frage etwas naiv, aber ich denke zur Zeit darüber nach: Wenn Uke tatsächlich mit Schwert, Dolch oder was auch immer angreift, warum wird das dann nicht so demonstriert? Klarer ausgedrückt: Warum hat Uke in NNK in der Regel keine Waffe in der Hand, wie dies in anderen Kata auch der Fall ist?
tutor!
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Re: Randori no kata

Beitrag von tutor! »

tom herold hat geschrieben:Wir können mit Sicherheit sagen, daß der von Uke ausgeführte Schlag eine "Stellvertreter-Funktion" erfüllt, soviel steht wohl fest.
Also ein Schlag - sehr gut! Ja - und zwar stellvertretend für alles Mögliche! Und genau das habe ich geschrieben! Von Kano so gedacht, damit man die grundlegenden Prinzipien lernen danach anwenden (lernen) kann.

Was Du ansonsten beschreibst sind mögliche Weiterführungen - nicht mehr aber auch nicht weniger. Und es ist wichtig, dass diese Weiterführungen und Anwendungen trainiert werden. Das habe ich nie bestritten und werde das auch nicht. Aber in der Nage-no-Kata ist und bleibt der allgemeine Stellvertreter

Abgesehen davon schien der "Bud-Spencer-Schlag" doch eine gewisse Bedeutung gehabt zu haben, sofern Du G. Koizumi als Quelle akzeptierst (http://ejmas.com/jcs/2004jcs/jcsart_Koizumi_0704.htm).
Aber auch das ist zweitrangig.

Und ja - ich bin neugierig, wie sich die Techniken und Prinzipien der NNK in verschiedenen Situationen anwenden lassen. Aber das ist etwas anderes als die Kata selbst.
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Re: Randori no kata

Beitrag von BadenIkkyu »

tutor! hat geschrieben: Abgesehen davon schien der "Bud-Spencer-Schlag" doch eine gewisse Bedeutung gehabt zu haben, sofern Du G. Koizumi als Quelle akzeptierst (http://ejmas.com/jcs/2004jcs/jcsart_Koizumi_0704.htm).
Aber auch das ist zweitrangig.
Soweit ich weiss soll dieser"Bud Spencer Schlag" ein Schwertschlag von oben darstellen?
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Re: Randori no kata

Beitrag von tutor! »

BadenIkkyu hat geschrieben: Soweit ich weiss soll dieser"Bud Spencer Schlag" ein Schwertschlag von oben darstellen?
Glückwunsch - darüber diskutieren wir gerade ausführlich. Kannst ja mal nachlesen - aber nur wenn Du Lust hast.
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Re: Randori no kata

Beitrag von Reaktivator »

tom herold hat geschrieben:Wir können mit Sicherheit sagen, daß der von Uke ausgeführte Schlag eine "Stellvertreter-Funktion" erfüllt, soviel steht wohl fest.
Soviel steht wohl keineswegs fest, wie die Diskussion doch anschaulich zeigt.
In einem anderen Faden hatte ich übrigens schon einmal auf das Zen-Bildnis vom Berg verwiesen (Siehe hier: http://www.dasjudoforum.de/forum/viewto ... 051#p38051) - vielleicht wäre es hier auch angebracht:
Kann nicht ein Faustschlag von oben ...... einfach nur ein Faustschlag von oben sein?
tom herold hat geschrieben:Eine solcher Angriff ist mit unbewaffneter Hand völlig sinnlos.

Kano aber hat in seinem Jûdô nichts Sinnloses geduldet ...
Wirklich?
Kano hat aber doch sogar geduldet, daß rein sportliche Judo-Wettkämpfe durchgeführt und in weißen Jacken um Pokale gerauft wurde (quasi Kano'sches "Jacken-Pokal-Raufen") - und mehr noch: er hat sogar selber den Siegern diese ungeliebten Pokale überreicht. Er hat dieses absolut sinnlose JaPoRa also nicht nur geduldet, sondern sogar noch aktiv unterstützt.
Warum also sollte er nicht auch einen absolut sinnlosen Faustschlag von oben dulden?
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Re: Randori no kata

Beitrag von Lin Chung »

Mal etwas offtopic, aber auch eine Annäherung.

Im American Kenpo gibt es eine Technikfolge, die man Five Sword nennt.
Man kann diese sowohl ohne (Handkante), als auch mit Messer oder Kurzstock ausführen.
Vielleicht hilft das etwas.
Grüße
Norbert Bosse
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Re: Randori no kata

Beitrag von tutor! »

Lin Chung hat geschrieben:Mal etwas offtopic, aber auch eine Annäherung.

Im American Kenpo gibt es eine Technikfolge, die man Five Sword nennt.
Man kann diese sowohl ohne (Handkante), als auch mit Messer oder Kurzstock ausführen.
Vielleicht hilft das etwas.
Lieber Norbert,

Tom beklagt hier ja einige Dinge mit Recht, z.B. dass immer wieder unterschiedliche Leute die Lehren von Kano nach eigener Überzeugung oder eigenem Gutdünken - sagen wir neutral - modifizieren. Dies passiert seit Jahrzehnten, weil es immer wieder Leute gibt, die a) die Dinge nicht so verstehen, wie sie gemeint waren oder b) glauben, sie müssen sie durch "bessere" ersetzen.

Spekulationen, Indizien und Hörensagen sind die Gegner einer Sachaufklärung. Noch einmal: es geht darum, welcher Angriff tatsächlich in der Nage-no-Kata enthalten ist. Es geht nicht darum, welcher anderen Angriffe auch möglich wären oder vielleicht sogar sinnvoller seien. Denn das hieße, genau das zu tun, was Tom bei anderen immer wieder kritisiert - nämlich die Lehren Kanos zu verändern.

Wir können auf die Schnelle aber nur festhalten:
  • in allen uns bekannten Beschreibungen der Nage-no-Kata ist von einem Faustschlag die Rede, ein Waffenangriff ist nirgendwo beschrieben, auch Tom hat keine andere Quelle außer den Erzählungen von Frank Thiele und eigenen Überlegungen/Erfahrungen
  • es gibt eine Reihe von durchaus als seriös zu bezeichnenden Beschreibungen zur Nage-no-Kata (Otaki/Draeger wohl am ausführlichsten, Kotani wohl am dichtesten an Kano) - keine Hinweise auf Waffen in diesen Büchern, obwohl Otaki/Draeger sehr ausführlich auch historische Entwicklungen aufarbeiten!
  • sowohl im Kodokan-Judo als auch in der Tenjin Shinyo Ryu gibt einen Vitalpunkt für den Angriff mit Atemi-Waza namens "Tento" (nachzulesen z.B. in "Kodokan Judo"). Koizumi schreibt (Link oben), dass dieser Punkt mit einem Abwärts-Schlag der Faust angegriffen wird.
  • Es gibt im Kodokan-Judo (entnommen aus der Tenjin Shinyo Ryu) zwei abwärts-Faustschäge: uchi-oroshi und shimo-tsuki, beide gegen tento.
Otaki/Draeger (1983) schreiben über diese Angriffe:
While uke´s striking actions appear stereotype and may show little combative common sense to the untutored eye, this is not the case.
(Seite 94)
In den Fußnoten heißt es weiter:
The form of this blow was taken by the founder from jujtutsu tactics of atemi waza, the most effektive of which positions the fist directly overhead preparatory to downward delivery to the top of the enemy´s head
(Seite 443)

Vielleicht sollte man sich eher einmal Gedanken darüber machen, wie diese aus den Koryu stammenden Techniken korrekt und effektiv ausgeführt werden als sie pauschal als uneffektiv zu bezeichnen.

Ich stimme mit Tom vollkommen darüber überein, dass man endlich aufhören sollte, Kanos Ideen die eigenen hinzuzufügen und damit immer weiter Kanos Lehren verfälscht. Das gilt für alle - auch für Tom!

Nichts desto Trotz werde ich versuchen, einen Auszug aus dem Protokoll des Kyoto meetings von 1906 zu bekommen, das unter dem Vorsitz Kanos die Nage-no-Kata standardisiert hat.
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Beitrag von HBt »

reaktivator hat geschrieben:Kano hat aber doch sogar geduldet, daß rein sportliche Judo-Wettkämpfe durchgeführt und in weißen Jacken um Pokale gerauft wurde (quasi Kano'sches "Jacken-Pokal-Raufen") - und mehr noch: er hat sogar selber den Siegern diese ungeliebten Pokale überreicht. Er hat dieses absolut sinnlose JaPoRa also nicht nur geduldet, sondern sogar noch aktiv unterstützt.
Exakte Quellenangabe bitte. Danke.
Tutor! hat geschrieben:Nichts desto Trotz werde ich versuchen, einen Auszug aus dem Protokoll des Kyoto meetings von 1908 zu bekommen, das unter dem Vorsitz Kanos die Nage-no-Kata standardisiert hat.
(..) at this meeting (..) the NnK was accepted as designed by Kano; the Katame no kata underwent some modifications. Both kata were formalized and announced as standard for all Japanese practitioners of Judo
p26
Otaki/Draeger, Formal Techniques (Randori no kata)

Wenn Du da rankommst, supi :D
Zuletzt geändert von HBt am 01.12.2008, 11:13, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Randori no kata

Beitrag von judoka50 »

Tom beklagt hier ja einige Dinge mit Recht, z.B. dass immer wieder unterschiedliche Leute die Lehren von Kano nach eigener Überzeugung oder eigenem Gutdünken - sagen wir neutral - modifizieren. Dies passiert seit Jahrzehnten, weil es immer wieder Leute gibt, die a) die Dinge nicht so verstehen, wie sie gemeint waren oder b) glauben, sie müssen sie durch "bessere" ersetzen.
.................................. man endlich aufhören sollte, Kanos Ideen die eigenen hinzuzufügen und damit immer weiter Kanos Lehren verfälscht. Das gilt für alle - auch für Tom!
Da kann ich Tutor in seiner Meinung nur vollkommen unterstützen. Diese unterschiedlichsten, sagen wir mal
vorsichtig, eigenen "Interpretationen" habe ich auch schon seit Jahrezehnten mit erleben dürfen. Insofern wiederholt es sich alles immer wieder auf ein Neues, so auch jetzt hier. Letztendlich ist dann nach einiger Zeit jeder wieder mit seiner verkündeten und verbreiteten "Version" glücklich, hat sie doch einige Zuhörer und die gewünschte Bestätigung im eigenen Umfeld gefunden. Zumindest aber hat sie Platz gemacht für die nächsten "Reformer". Insoweit bin ich dann allerdings immer wieder glücklich, wenn man sich aufgrund dieser Debatten wieder auf die überlieferten Beschreibungen besinnt und diese versucht zu verstehen. Das hat halt den Vorteil, dass sie auf Dauer bestehen bleiben und nicht die Interpretationen von x - y in den Vordergrund geraten.
Viele Grüße
U d o
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Re: Beweis

Beitrag von Reaktivator »

HBt hat geschrieben:
reaktivator hat geschrieben:Kano hat aber doch sogar geduldet, daß rein sportliche Judo-Wettkämpfe durchgeführt und in weißen Jacken um Pokale gerauft wurde (quasi Kano'sches "Jacken-Pokal-Raufen") - und mehr noch: er hat sogar selber den Siegern diese ungeliebten Pokale überreicht. Er hat dieses absolut sinnlose JaPoRa also nicht nur geduldet, sondern sogar noch aktiv unterstützt.
Exakte Quellenangabe bitte. Danke.
Dafür gibt es diverse Quellen, zum Beispiel:

KŌDŌKAN (Hg.): Kanō Jigorō taikei, Band 12, Tōkyō: Hon no Tomosha 1988, Seite 140-141
.
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HBt

Katame no ...

Beitrag von HBt »

Udo hat geschrieben:Insoweit bin ich dann allerdings immer wieder glücklich, wenn man sich aufgrund dieser Debatten wieder auf die überlieferten Beschreibungen besinnt und diese versucht zu verstehen. Das hat halt den Vorteil, dass sie auf Dauer bestehen bleiben und nicht die Interpretationen von x - y in den Vordergrund geraten.
all right
Leider warte ich immer noch auf weitere Antworten zu meiner Eingangsfrage
HBt hat geschrieben:Neben meiner Begeisterung habe ich eine konkrete Frage: warum lege ich Ukes Arm sorgfältig zurecht und drücke ihm die Achsel platt, bevor der eigentliche ultimative Haltegriff erfolgt, Uke drei einstudierte Befreiungsversuche startet und ich endlich wieder "rutschen" darf ? Hat dieses Rutschen einen tieferen Sinn?
@reaktivator,
reaktivator hat geschrieben:Dafür gibt es diverse Quellen, zum Beispiel:
KŌDŌKAN (Hg.): Kanō Jigorō taikei, Band 12, Tōkyō: Hon no Tomosha 1988, Seite 140-141
Kannst Du den Text bitte einscannen und mir email'en, vielen Dank im voraus
Gruß
Helge
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