Kodokan Goshin Jutsu: 3.-5. Gruppe (Waffenabwehr) im Kontext

Kime-no-Kata, Kodokan Goshinjitsu und verwandte Kata
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Kodokan Goshin Jutsu: 3.-5. Gruppe (Waffenabwehr) im Kontext

Beitrag von tutor! »

Die Kodokan Goshin Jutsu ergänzt die älteren SV-Kata des Kodokan wie bereits gezeigt wurde (http://www.dasjudoforum.de/forum/viewto ... =58&t=4252, http://www.dasjudoforum.de/forum/viewto ... =58&t=4257, http://www.dasjudoforum.de/forum/viewto ... =58&t=4259) und eine Reihe „neuer“ Aspekte:
  • „neue“ technische Konzepte der Gegentechniken, die wir vor allem auch im Aikido wieder finden,
  • alternative, ergänzende Verteidigungen gegen Angriffe, die es auch in ähnlicher Form in den anderen SV-Kata gibt (auffällig: Verbindungen nicht nur zu Kime-no-Kata, sondern auch Kime-shiki und Joshi Goshinho),
  • aus der Kime-no-Kata bekannte Angriffe werden zur „anderen“ Seite geübt, was beidseitiges Üben erzwingt
    einige neue Angriffsformen kommen hinzu.
Der letzte Aspekt – die neuen Angriffsformen – werden vor allem bei der Abwehr bewaffneter Angriffe in den Gruppen 3, 4 und 5 deutlich. Während die älteren SV-Kata jeweils auch Angriffe mit einem Messer beinhalten, ist die Kodokan Goshin Jutsu die einzige Kodokan Kata, bei der Abwehr gegen einen Stock oder eine Pistole geübt wird.

Die 3.-5. Gruppe ist hier zu sehen:

3. Gruppe: Abwehr gegen Messerangriffe

In der Kodokan Goshin Jutsu erfolgen drei Abwehrtechniken gegen einen Angriff mit dem Messer:
  • wenn das Messer gezogen wird, bevor der eigentliche Angriff erfolgt (Tsukkake)
  • gerader Messerstich zum Körper (Chuko-zuki)
  • schräger Messerstich zum Kopf (Naname-zuki)
Für die erste Technik (Tsukkake) gibt es keine Parallele in den anderen SV-Kata. Von vorneherein lässt Tori nicht zu, dass Uke ihn mit dem Messer angreifen kann, indem er Ukes anderen Arm mit einem Hebel angreift, immer große Distanz hält, Uke zu Boden zwingt und ihn dort kontrolliert.

Ein gerader Messerstich zum Körper kommt hingegen auch in der Kime-no-Kata (3x) und in der Kime-shiki vor. Das Grundprinzip der Verteidigung ist in allen Kata dasselbe:
  • mit einer Körperdrehung ausweichen
  • Ukes Arm weiterführen
  • Abhebeln
    Kodoka Goshin Jutsu: Waki-gatame mit beiden Händen an Ukes Handgelenk/Unterarm
    Kime-no-Kata: Hara-gatame mit gleichzeitigem Abwürgen
    Kime-shiki: Hara-gatame mit zweiter Hand als Block vor Ukes Körper, damit dieser nicht aus dem Hara-gatame nach vorne entweichen kann
Interessant ist der Angriff von schräg oben gegen Toris Hals/Nacken.

Sowohl in der Kodokan Goshin Jutsu als auch in der Kime-shiki wird das Messer mit der Klinge nach „unten“ – also an der „Kleinfingerseite“ – geführt. Es gibt aber noch mehr Parallelen. Tori weicht jeweils aus, führt Ukes angreifende Hand weiter und versetzt ihn einen Fauststoß zum Kinn. Bis dahin entsprechen die Aktionen weitgehend der jeweiligen Verteidigung gegen die jeweiligen Faustschläge in den beiden Kata.

Jedoch muss nun, da es sich jetzt um einen Waffenangriff handelt, ein anderer Abschluss gefunden werden. In der Kime-shiki erfolgt daher ein Kata-ha-jime, bei dem die „Waffenhand“ festgelegt wird. In der Kodokan Goshin Jutsu wirft Tori Uke mit einem Kote-gaeshi, legt ihn am Boden fest und entwaffnet ihn. (BTW: in den alten Kata wird grundsätzlich nicht entwaffnet, sondern gehebelt und gewürgt...)

Die entsprechenden Aktionen in der Kime-no-Kata unterscheiden sich etwas. Das Messer wird mit der Klinge nach „oben“ geführt wie ein Kurzschwert (das es in diesem Fall auch eigentlich auch in einer Art "Doppelrolle" repräsentiert).

Verteidigung gegen Stockangriffe

In keiner der anderen SV-Kata werden Angriffe mit einem Stock abgewehrt, so dass die Kodokan Goshin Jutsu hier ein Alleinstellungsmerkmal im Rahmen der Kodokan Kata steht. Der Aufbau der Angriffe folgt bis auf die Reihenfolge dem Muster der 3. Gruppe:
  • Gegenangriff noch während Ukes Angriffsvorbereitung: während des Ausholens
  • Verteidigung gegen einen Schlag mit dem Stock
  • Verteidigung gegen einen Stich mit dem Stock
Verteidigung gegen Pistolenangriffe

Die Einführung neuer Situationen ist in der letzten Gruppe am offensichtlichsten. Hier gilt wie bei den anderen Waffenangriffen, dass die Kodokan Goshin Jutsu keine Patentrezepte gegen „geübte“ Angreifer hat. Wer sich mit einer Distanzwaffe ohne äußere „Not“ in die Reichweite eines Unbewaffneten begibt, muss schlicht als „Laie“ bezeichnet werden.

Die drei Pistolenabwehren basieren letztlich darauf, dass der Angreifer Tori selbst nach einer Geldbörse (o.ä.) durchsucht und dabei von Tori mit einer Entwaffnung überrascht wird. Wichtig für die Verteidigung ist es, dass Tori aus der Schussrichtung der Waffe geht und die Pistole am Lauf (bzw. Schlitten) greift um sie zu kontrollieren.

Durch den verlängerten Hebel kann er Uke entwaffnen und bei der letzten Technik sogar werfen.

Zusammenfassung

Die Abwehr bewaffneter Angriffe ist immer ein Problem – erst recht wenn der Angreifer die grundsätzlichen Verteidigungsmöglichkeiten kennt und sich darauf einstellt. Keine Kata kann des Anspruch erheben, Patentrezepte zu liefern. Die Abwehr von Waffen bedarf eines separaten intensiven Trainings, jedoch finden wir in den Kata wichtige Grundlagen.

Die Kodokan Goshin Jutsu ergänzt und bereichert die Waffenabwehr der Kata des Kodokan Judo um zwei weitere Waffen und führt als neue Idee die Entwaffnung des Angreifers ein – freilich um nun im Bedarfsfall die Waffe gegen diesen verwenden zu können.
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Re: Kodokan Goshin Jutsu: 3.-5. Gruppe (Waffenabwehr) im Kontext

Beitrag von kastow »

Mir erschließt sich ehrlich gesagt der Sinn des mittellangen Stocks nicht. Schwert-Abwehren ließen sich gegen diesen Stock ebenfalls anwenden. Umgekehrt erweist sich die Stichabwehr des Kôdôkan-Goshin-jutsu problematisch gegen ein Schwert, da so in die Klinge gegriffen würde.

Wieso wurde nicht weiterhin das Schwert genutzt, dessen Abwehr universeller zu nutzen ist? Oder wenn schon eine neue Waffe, wieso wurde dann nicht ein langer Stock integriert? Auf diese Distanz bieten die Kata m.W. bisher nichts. Gibt es hierzu Informationen?
Herzliche Grüße,

kastow

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Re: Kodokan Goshin Jutsu: 3.-5. Gruppe (Waffenabwehr) im Kontext

Beitrag von tutor! »

Eine historische Antwort - also die genauen Entscheidungsgründe vor über 50 Jahren - kann ich Dir nicht geben, weil mir keine Veröffentlichung bekannt ist. Man könnte natürlich Shiro Yamamoto, der in knapp drei Wochen Kodokan Goshin Jutsu in NRW unterrichten wird, fragen. Ich werde einmal versuchen, eine entsprechende Frage an ihn zu richten.

Bis dahin kann ich nur erläutern, warum diese Entscheidung aus meiner persönlichen heutigen Sicht Sinn macht, was aber ganz andere Argumente sein können, als die historisch korrekten.

Kodokan Goshin Jutsu ergänzt die anderen SV-Kata - sie soll sie nicht ersetzen. Wenn nun also keine Abwehr gegen ein Schwert in der Kodokan Goshin Jutsu auftaucht, heißt das IMHO nur, dass man keinen Bedarf gesehen hat, eine zusätzliche, noch nicht in den anderen Kata enthaltene, Schwertabwehr einzuführen. Dies macht aus meiner Sicht Sinn, da im Nachkriegsjapan das Tragen eines Schwertes in der Öffentlichkeit sicherlich abgenommen hat.

Der Stock als Alltagsgegenstand, z.B. als Spazierstock oder als Regenschirm, war dagegen sicher weit verbreitet - im Gegensatz zu einem Langstock. Es macht also durchaus Sinn, im Rahmen einer Ergänzung, die Abwehr gegen einen kurzen Stock einzubeziehen, wenn die Techniken auch auf einen Langstock ausdehnbar wären.

Die Kodokan Goshin Jutsu bringt auch einige "neue" Abwehrtechniken gegenüber den älteren SV-Kata, z.B. den Gegenangriff gegen einen Stockschlag schon beim Ausholen. Tori und Uke stehen in relativ kurzer Distanz und Uke hat den Stock bereits in der "richtigen" Hand. So kann man mit einem Spazierstock oder Regenschirm angreifen - auch mit einer Bierflasche o.ä., ein Langstock wäre aber zu unhandlich. Ein guten Grund also diese Verteidigungsart ("in die Ausholbewegung hineingehen") mit einer kurzen Schlagwaffe zu illustrieren.

Dann haben wir den beidhändigen Stockschlag von schräg oben (Furi-oroshi). Dieser könnte sicher ähnlich wie in der Kime-no-Kata oder Kime-shiki abgewehrt werden (Tai sabaki nach links und dann hebeln bzw. würgen). Diese Abwehr könnte sowohl gegen einen langen, wie auch gegen einen kurzen Stock erfolgen. Da diese Verteidigung in der Kime-no-Kata ohnehin trainiert wird, braucht sie in der Kodokan Goshin Jutsu nicht noch einmal wiederholt werden.

In der Kodokan Goshin Jutsu kommt eine weitere Ausweichbewegung hinzu, in der Uke nicht wie bislang zur Seite, sondern nach hinten ausweicht, um dann nach vorne "in den Mann" zu gehen. Diese Art der Abwehr würde gegen einen Langstock wenig Sinn machen, weil einfach die Distanz zu lang wäre. Ein weiterer Grund, eine kurze Schlagwaffe einzuführen. Gegen die Langwaffe bleibt ja die aus der Kime-no-Kata bekannte Abwehr.

Die dritte Verteidigung gegen einen Stich funktioniert gegen einen langen wie gegen einen kurzen Stock. Ich habe in Erinnerung, dass es ein Video von Mifune gibt, wo er eine Abwehr gegen einen derartigen Angriff mit einem Langstock unterrichtet. Es gibt also keinen Grund, einen Langstock als vierte Waffe zu verwenden, da die Abwehr leicht übertragbar ist und die Einführung einer vierten Waffe die Kata nur unnötig aufblähen würde.

In der Zusammenschau macht es zumindest für mich persönlich schon Sinn, den kurzen Stock als neue Waffe in die Kata zu integrieren:
  • kein wirklicher Bedarf für zusätzliche Abwehrvarianten gegen ein Schwert
  • Kurzstock als "Alltagswaffe" verbreitet
  • neue Abwehrprinzipien werden eingeführt (in die Ausholbewegung gehen, Ausweichen nach hinten, Entwaffnen bei Morote-tsuki)
  • Langstock als Alltagsgegenstand nicht so verbreitet wie ein kurzer Stock und Abwehr gegen Langstock mit den Abwehrtechniken gegen Schwert (Schlag von oben) und Kurzstock (Morote-tsuki) nach denselben Prinzipien möglich
Mich zumindest hätten die Argumente damals überzeugt.
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Re: Kodokan Goshin Jutsu: 3.-5. Gruppe (Waffenabwehr) im Kontext

Beitrag von Reaktivator »

kastow hat geschrieben:Wieso wurde nicht weiterhin das Schwert genutzt, dessen Abwehr universeller zu nutzen ist? Oder wenn schon eine neue Waffe, wieso wurde dann nicht ein langer Stock integriert? Auf diese Distanz bieten die Kata m.W. bisher nichts. Gibt es hierzu Informationen?
Eine verläßliche Antwort auf die Frage nach dem "Warum" dürfte hier ähnlich schwer zu finden sein wie bei der Frage, warum bestimmte Techniken in die Gokyo aufgenommen wurden oder warum überhaupt bestimmte Techniken in irgendwelche Kata aufgenommen wurden.
Denn bei den ganzen Beratungen und Gremiumssitzungen liefen definitiv keine Videokameras und/oder Tonbänder mit (vor allem nicht in den 1880/90er Jahren) ;) - und es sind auch keinerlei Aufzeichnungen oder Protokolle über den Verlauf irgendwelcher Beratungen oder Diskussionen bekannt.
Man hat also hier wie dort nur das Ergebnis - und spätere Interpretationen bzw. Erklärungsversuche...

Inhaltlich hat "tutor!" doch interessante Gedanken geäußert - wobei es im Falle des Schwerts natürlich auf der Hand liegt, da seit dem zweiten Weltkrieg in Japan niemand mehr mit Schwert herumläuft.

Ansonsten sei aus Zeitgründen nur noch ein Punkt herausgegriffen:
tutor! hat geschrieben:Dann haben wir den beidhändigen Stockschlag von schräg oben (Furi-oroshi). Dieser könnte sicher ähnlich wie in der Kime-no-Kata oder Kime-shiki abgewehrt werden (Tai sabaki nach links und dann hebeln bzw. würgen).
Nein, könnte er nicht, da die Angriffsbewegung (Schlagrichtung) eine ganz andere ist. Durch reines Tai-sabaki könnte man bei Furi-oroshi nicht ausweichen, sondern würde aufgrund der Distanzwaffe getroffen - deshalb die Ausweichbewegung seitlich nach hinten.
Zuletzt geändert von Reaktivator am 05.08.2009, 11:43, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Kodokan Goshin Jutsu: 3.-5. Gruppe (Waffenabwehr) im Kontext

Beitrag von kastow »

Dass die Verteidigung gegen den Kurzstock teilweise auch mögliche Verteidigungen gegen den Langstock illustriert, kann ich noch nachvollziehen. Dennoch erklärt dies nicht, warum das Schwert ersetzt wurde. Auch wenn es keine Alttagswaffe mehr ist, steht es doch für sämtliche Waffen, die nicht gegriffen werden können. Sei es, dass die von dir benannte Bierflasche abgebrochen ist, sei es, dass eine Latte noch Nägel enthält, ... Gründe gibt es reichlich.

Verteidigungen gegen ein Schwert funktionieren sowohl gegen greifbare als auch gegen nicht greifbare Waffen. Im Sinne des Seiryoku-zenyo wäre es doch gerade in der SV angebrachter, wenige möglichst universell einsetzbare Prinzipien zu vermitteln. Dass im Training und meinetwegen auch bei Prüfungen dann Kurzstöcker statt Schwertern verwendet werden, ist m.E. in Ordnung, solange die Verteidigung dennoch gegen Schwerter funktionierte. Und dieser Punkt ist in Kôdôkan-Goshin-jutsu leider nicht immer gegeben.

Am Yamamoto-Seminar kann ich aus privaten Gründen leider nicht teilnehmen. Aber wenn Tutor dort für uns Infos zu diesem Thema erfragen kann, wäre das natürlich super.
Herzliche Grüße,

kastow

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Re: Kodokan Goshin Jutsu: 3.-5. Gruppe (Waffenabwehr) im Kontext

Beitrag von Reaktivator »

kastow hat geschrieben:(...) das Schwert (...). Auch wenn es keine Alttagswaffe mehr ist, steht es doch für sämtliche Waffen, die nicht gegriffen werden können.
Nein, wieso? Ein Schwert ist ein Schwert.
Und in den 1950er Jahren gab es keine Notwendigkeit mehr, sich gegen ein Schwert zu verteidigen.
Wir sollten uns dafür hüten, zu viel in alles hineinzuinterpretieren.
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Re: Kodokan Goshin Jutsu: 3.-5. Gruppe (Waffenabwehr) im Kontext

Beitrag von kastow »

Danke, Reaktivator, das habe ich wirklich dumm formuliert.

Ich meinte: Schwertabwehr trainiert zugleich die Verteidigung gegen Angriffe mit Waffen, die gegriffen oder nicht gegriffen werden können.
Herzliche Grüße,

kastow

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Re: Kodokan Goshin Jutsu: 3.-5. Gruppe (Waffenabwehr) im Kontext

Beitrag von Jobi »

Die Kata des Kodokan-goshin-jutsu ist IMHO nur als Einstieg in das Goshin-jutsu des Kodokan zu betrachten, siehe auch Mifunes Variante dieser Kata. Und so ist der halblange Stock (Hanbo) auch ein idealer Einstieg in den ganzen Bereich Buki-jutsu, sowohl für länger und kürzer werdende Stockwaffen als auch Schwertwaffen verschiedener Längen.

MfG
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Zuletzt geändert von Fritz am 05.08.2009, 12:56, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: Hinweis auf aktuelle Tagestätigkeit entfernt ;-)
Mit freundlichen Grüßen
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Re: Kodokan Goshin Jutsu: 3.-5. Gruppe (Waffenabwehr) im Kontext

Beitrag von tutor! »

Jobi hat geschrieben:Die Kata des Kodokan-goshin-jutsu ist IMHO nur als Einstieg in das Goshin -jutsu des Kodokan zu betrachten
Vollkommen richtig: eine Kata ist nie das komplette Programm! Im Falle der SV sind es im wesentlichen sogar vier Kata, aber auch die stellen in ihrer Summe nicht die Gesamtheit der SV des Kodokan Judo dar.

Techniken in den Kata sind stets exemplarisch: neben ihrem Eigenwert (zumindest in den Randori-no-Kata und in den SV-Kata) illustrieren sie zusätzlich beispielhaft ein oder mehrere "Prinzipien", die auch für die Anwendung anderer Techniken gültig sind.

Ziel bei der Entwicklung der Kata ist also u.a., dass mit einem begrenzten Ausschnitt von Techniken und Situationen eine möglichst umfassende Abdeckung der grundlegenden "Prinzipien" zu erreichen, wobei die Auswahl der Aktionen einen besonders günstigen Zugang zu den Prinzipien ermöglichen soll. Kata ist in diesem Sinn "Lernen am Beispiel".
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Re: Kodokan Goshin Jutsu: 3.-5. Gruppe (Waffenabwehr) im Kon

Beitrag von Deshi »

Vorweg: Tut mir leid, dass ich diesen alten Thread aufwärme, aber meine Frage scheint am besten hierher zu passen.

Seit kurzem probiere ich vereinzelte Techniken aus Kime no Kata und Kodokan Goshin Jutsu aus. Bei der Abwehrtechnik gegen den Morote-zuki (gerader Stoß mit einem mittellangen oder langen Stock, beispielsweise beschrieben in "Kodokan Judo" deutsche Ausgabe, Seite 201) bin ich auf ein Problem gestoßen. Ich habe die Technik mit einem langen Stock geübt, sowohl mit einem Uke, der kleiner war als ich, als auch mit einem größeren Uke.
Der Anfang erscheint mir soweit sinnvoll: Ausweichen und gleichzeitig das Stockende ablenken, dann so unter den vorderen, waffenführenden Arm Ukes greifen und durch Druck von unten gegen den Ellenbogen hebeln. Nun aber soll Uke nach vorne über den Stock geworfen werden, indem sich Tori nach vorn bewegt. Beide Uke lösten aber lediglich die Hand des gehebelten Armes. Den kleineren Uke konnte ich bestenfalls zur Seite umstoßen, der größere blieb vollkommen unbeeinträchtigt. Den Stock konnte ich beiden in Folge entwinden, aber der Wurf bleibt ein Rätsel, es sei denn, Uke liefert freiwillig eine schöne Show ab.

Ich kann leider nicht erkennen, wie der Wurf funktionieren soll. Da ich aber ein totaler Kata-Laie bin, ist es wahrscheinlich, dass ich einfach nicht kapiert habe, wie es funktioniert. Wisst ihr da Genaueres? Wie sieht es mit Euren Erfahrungen bei dieser Technik aus?
HBt.

Re: Kodokan Goshin Jutsu: 3.-5. Gruppe (Waffenabwehr) im Kon

Beitrag von HBt. »

Nun aber soll Uke nach vorne über den Stock geworfen werden, indem sich Tori nach vorn bewegt. Beide Uke lösten aber lediglich die Hand des gehebelten Armes.
Hervorhebung von mir.

Genau dieses ist der Fehler (ungünstiger Fokus).



Ansätze und Lösungen:
1) Uke (der Angreifer) hält seine Waffe bis zum 'bitteren Ende' fest
2) Er muss ernsthaft angreifen

3) und 4) jetzt kommt Tori ins Spiel

Deshi,
Du hast eine sehr interessante Frage gestellt, bzw. ein essentielles Problem skizziert --> "besuche ein gutes Aikidotraining und stelle dein Anliegen dort vor", mein Tipp ;-).
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Re: Kodokan Goshin Jutsu: 3.-5. Gruppe (Waffenabwehr) im Kon

Beitrag von Fritz »

Deshi hat geschrieben:Beide Uke lösten aber lediglich die Hand des gehebelten Armes. Den kleineren Uke konnte ich bestenfalls zur Seite umstoßen, der größere blieb vollkommen unbeeinträchtigt.
Hmm, wenn ich mich so daran erinnere, was wir auf Lehrgängen/Sommerschulen dazu geübt hatten,
ist es Tori ja relativ leicht möglich, so zu greifen, daß Uke die Hand nicht losbekommt. Fühlt sich dann
für den Uke gleich deutlich unangenehmer an...
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Re: Kodokan Goshin Jutsu: 3.-5. Gruppe (Waffenabwehr) im Kon

Beitrag von Deshi »

Vielen Dank für eure Antworten!
HBt. hat geschrieben:
Nun aber soll Uke nach vorne über den Stock geworfen werden, indem sich Tori nach vorn bewegt. Beide Uke lösten aber lediglich die Hand des gehebelten Armes.
Hervorhebung von mir.

Genau dieses ist der Fehler (ungünstiger Fokus).

Ansätze und Lösungen:
1) Uke (der Angreifer) hält seine Waffe bis zum 'bitteren Ende' fest
2) Er muss ernsthaft angreifen

3) und 4) jetzt kommt Tori ins Spiel

Deshi,
Du hast eine sehr interessante Frage gestellt, bzw. ein essentielles Problem skizziert --> "besuche ein gutes Aikidotraining und stelle dein Anliegen dort vor", mein Tipp ;-).
Zu 1) Dazu hatte ich einen der Uke aufgefordert. Er ließ dann aber wegen der Schmerzen doch los.
Zu 2) Wir steigern das nach Möglichkeit.

Zu 3) & 4) ... ich kenne da eine Aikidoka. Vielleicht kann sie mir weiterhelfen.
Fritz hat geschrieben:
Deshi hat geschrieben:Beide Uke lösten aber lediglich die Hand des gehebelten Armes. Den kleineren Uke konnte ich bestenfalls zur Seite umstoßen, der größere blieb vollkommen unbeeinträchtigt.
Hmm, wenn ich mich so daran erinnere, was wir auf Lehrgängen/Sommerschulen dazu geübt hatten,
ist es Tori ja relativ leicht möglich, so zu greifen, daß Uke die Hand nicht losbekommt. Fühlt sich dann
für den Uke gleich deutlich unangenehmer an...
Bislang sind meine beiden Hände als Tori am Stock (etwa so wie im Buch abgebildet). Ich könnte mit meiner linken Hand statt dem Stock Ukes linkes Handgelenk greifen, würde aber von der beschriebenen Methode abweichen. Oder meinst Du etwas anderes?

In diesem Video (etwa ab 1:08:00) http://youtu.be/8wJcYs2zFw4?t=1h8m geht Tori nicht so sehr nach vorn, sondern holt den Stock eher heran und kippt ihn zusätzlich leicht nach oben. So dass Uke davor steht, als würde er sich mit verdrehtem Arm auf einer Reckstange abstützen...
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Re: Kodokan Goshin Jutsu: 3.-5. Gruppe (Waffenabwehr) im Kon

Beitrag von Fritz »

Deshi hat geschrieben:Bislang sind meine beiden Hände als Tori am Stock (etwa so wie im Buch abgebildet). Ich könnte mit meiner linken Hand statt dem Stock Ukes linkes Handgelenk greifen, würde aber von der beschriebenen Methode abweichen. Oder meinst Du etwas anderes?

In diesem Video (etwa ab 1:08:00) geht Tori nicht so sehr nach vorn, sondern holt den Stock eher heran und kippt ihn zusätzlich leicht nach oben. So dass Uke davor steht, als würde er sich mit verdrehtem Arm auf einer Reckstange abstützen...
Nicht direkt das Handgelenk, sondern so ein bissel mit auf den Daumen(ballen) von Uke mit drauf...

Ansonsten überlegen wir uns, was das Ziel ist: Abwehr der Stiches: Verkrallt sich Uke, dann bricht er sich evt. den Arm oder muß
tatsächlich rollen. Läßt er vorher los, dann hat Tori zumindest die Waffe und könnte damit weitermachen...
Mit freundlichem Gruß

Fritz
tutor!
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Re: Kodokan Goshin Jutsu: 3.-5. Gruppe (Waffenabwehr) im Kon

Beitrag von tutor! »

Deshi hat geschrieben:In diesem Video (etwa ab 1:08:00) http://youtu.be/8wJcYs2zFw4?t=1h8m geht Tori nicht so sehr nach vorn, sondern holt den Stock eher heran und kippt ihn zusätzlich leicht nach oben. So dass Uke davor steht, als würde er sich mit verdrehtem Arm auf einer Reckstange abstützen...
Ganz einfach: der Wurf basiert darauf, dass Uke den Stock festhalten will. Tori nutzt dies zu einem Hebel, den er zu einem Wurf weiterführt.

Dem kann sich Uke natürlich entziehen, indem er den Stock loslässt - nur dann hat Tori den Angriff äußerst erfolgreich abgewehrt....

Interessant ist es jedoch, wenn Uke nicht loslässt. Wie kommt man dann am effektivsten zum Wurf? Und genau das ist auf dem Video zu sehen. Ukes Arm muss lang gemacht werden - deshalb das Kippen des Stockes - und dann schiebt Tori mit dem Körper gegen Ukes Ellenbogen., während er gleichzeitig mit dem Stockende eine kreisende Bewegung beschreibt.
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Morote Tsuki

Beitrag von HBt. »

Illustrated Kodokan Judo, p. 215, 1964 Edition hat geschrieben: 4. Tori approches Uke in small steps, and forcing Uke's left elbow joint with his (Tori's) right arm, forces him down toward his his right front corner.
Kodokan Judo, p. 201, Paperback 1994 hat geschrieben: 114-15. Move forward, putting pressure against his left elbow with your right forearm, and throw him to his right front corner.
Kodokan Judo, S. 201, Deutsche Ausgabe 11/2012 hat geschrieben: 114-15. Tori bewegt sich vorwärts, kontrolliert mit dem rechten Unterarm Ukes linken Ellenbogen und zwingt Uke nach rechts vorne zum Fall.
Existiert eine Filmaufnahme aus der Entwicklungsphase/ Zeit der Kodokan Goshin Jutsu, bei der man u.U. Kenji Tomiki Morotetsuki detailiert erläutern/ demonstrieren sieht und hört?

Auf jeden Fall probiere ich's heute Abend gleich einmal aus, mit einem Freund, er ist Aikidoka und der müsste es ja wissen ... irgendwann habe ich einmal André Nocquet gesehen, wie er mit dem Jo zaubert :eusa_think.

Interessant an den obigen Zitaten finde ich, dass beim 1. nur der Hinweis steht: forces him down, nicht throw him!
Deshi
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Re: Kodokan Goshin Jutsu: 3.-5. Gruppe (Waffenabwehr) im Kon

Beitrag von Deshi »

tutor! hat geschrieben:Ganz einfach: der Wurf basiert darauf, dass Uke den Stock festhalten will. Tori nutzt dies zu einem Hebel, den er zu einem Wurf weiterführt.

Dem kann sich Uke natürlich entziehen, indem er den Stock loslässt - nur dann hat Tori den Angriff äußerst erfolgreich abgewehrt....

Interessant ist es jedoch, wenn Uke nicht loslässt. Wie kommt man dann am effektivsten zum Wurf? Und genau das ist auf dem Video zu sehen. Ukes Arm muss lang gemacht werden - deshalb das Kippen des Stockes - und dann schiebt Tori mit dem Körper gegen Ukes Ellenbogen., während er gleichzeitig mit dem Stockende eine kreisende Bewegung beschreibt.
Damit kann ich das Loslassen Ukes ja schon mal als Teilerfolg verbuchen. Das mit dem Langmachen+Kreisen und dem optionalen Fixieren von Ukes Hand muss ich mal in verschiedenen Kombinationen ausprobieren.
HBt. hat geschrieben:Existiert eine Filmaufnahme aus der Entwicklungsphase/ Zeit der Kodokan Goshin Jutsu, bei der man u.U. Kenji Tomiki Morotetsuki detailiert erläutern/ demonstrieren sieht und hört?
Ich habe auf Anhieb erstmal nur das hier gefunden: http://www.youtube.com/watch?v=ef3z1D5pW1g
Dauert nur einen Sekundenbruchteil (bei 9:06 etwa).

KORREKTUR: Hatte vorher zum Video geschrieben das dort kein Wurf stattfindet. Ich habe heute Morgen nochmals reingeschaut... Uke fällt doch, aber es ist in der Nahaufnahme der Hände so schlecht zu sehen, dass ich es irgendwie versäumt habe. :?
HBt.

Kenji Tomiki und der Morotetsuki

Beitrag von HBt. »

Man sieht sehr deutlich was Tomiki macht, im Film demonstriert er neben Hiji(ude)-kime-nage oder eben Hiji-ate-kokyû-nage (Yoshinkan!) auch Morotetsuki. Beide Formen sind im Grunde genommen identisch, wenigstens sind sie sich sehr ähnlich ...

Hi Deshi,
startet doch einmal statisch (KOTAI)**, d.h. die Ausgangsposition ist das Bild 113. Biete (Tori) Uke den Jo an, während Du dich schon in der beschriebenen Position zur eigentlichen Ausführung befindest, ist es jetzt Ukes Aufgabe sich (zu Dir) zu Positionieren, den Jo zu greifen*, sich auszurichten.

Jetzt kannst Du mit seinem 'Zentrum' spielen, ihn noch weiter aufspannen, den Jo in sich drehen --> sein Gleichgewicht stören und sogar zerstören. Wenn Du dir (danach) die kleine Bilderfolge 113 -15. noch einmal genau anschaust,
erkennst Du eindeutig den Hauptvektor des Kuzushi.

Wenn wirklich alles stimmt, dann muss Uke tatsächlich fallen.


* nicht sofort wieder loslassen,
der Trick ist folgender: das Aufspannen bewirkt ein nicht mehr Loslassenkönnen, vgl. mit dem uns bekannten Stellreflex.

** eine Wortschöpfung von Georg Meindl, 6. Dan Aikikai Tôkyô




Ich hätte nie gedacht, dass Kôdôkan-goshijutsu (mir) so viel Spaß macht. So ändern sich die Zeiten.

Gruß,
Helge


Nachtrag:
Auf dem weiter oben verlinkten Kodokanvideo sieht man doch eigentlich eindeutig wie es geht.
HBt.

Mist

Beitrag von HBt. »

Heute noch einmal aus der Bewegung r/l geübt und es hat einfach nicht funktioniert. Eine volle Stunde alle möglichen Erkenntnisse gesammelt, aber keine Wurfausführung zu Stande gebracht.
:eusa_think eigenartig!
Deshi
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Re: Kodokan Goshin Jutsu: 3.-5. Gruppe (Waffenabwehr) im Kon

Beitrag von Deshi »

HBt. hat geschrieben:Heute noch einmal aus der Bewegung r/l geübt und es hat einfach nicht funktioniert. Eine volle Stunde alle möglichen Erkenntnisse gesammelt, aber keine Wurfausführung zu Stande gebracht.
:eusa_think eigenartig!
Habe es heute auch noch mal mit dem großen Uke ausprobiert. Das Langmachen des Armes und das Schrägstellen des Stockes hilft etwas, aber er ist nur einmal zur Seite geplumst (eventuell weil ich ihn angerempelt habe). Wiederholen konnte ich das trotz mehrerer Versuche nicht. Er kam aber noch einmal aus dem Gleichgewicht. (Muss aber dazu sagen, dass der betreffende Partner ein sehr schwieriger Uke ist, er sperrt unterbewusst beim Üben.)
Größere Fortschritte gab es bei mir also auch nicht.
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