Fehlende turnerische Fähigkeiten bei Kindern/Jugendlichen

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Sono-Mama
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Fehlende turnerische Fähigkeiten bei Kindern/Jugendlichen

Beitrag von Sono-Mama »

Ich weiß nicht, ob es hier schon einen ähnlichen Faden gibt (ich habe zumindest ähnliches schon mal gelesen), wenn ja bitte ich dies zu entschuldigen.

Hallo,

wie ihr im Betreff lesen könnt, geht es mir um das Fehlen von grundlegenden turnerischen Fähigkeiten von Kindern und Jugendlichen.

Vor allem in den letzten zwei Wochen, wo ich in zwei Schulen Judo Ag´s geleitet habe, ist mir dies wiedermal aufgefallen. (Anmerkung von mir: Ich erlebe dies immer wieder und leider immer öfter. Auch in meinem Verein, in dem ich das Breitensporttraining für "Späteinsteiger" also 12-Jährige und älter leite, treffe ich leider immer wieder auf die folgend beschriebenen Szenen)

Wenn man Kinder mit beim Aufwärmen (möglicherweise nach einem Aufwärmspiel) dazu anhält, über den Boden zu robben, "Vierfüßergang" oder "Spinnengang" zu machen, so ist das größtenteils kein Problem. Auch das Hüpfen auf einem oder beiden Beinen ist meist nach einigen Anlaufschwierigkeiten zu machen. Doch dann hört es meist schon auf mit der Herrlichkeit.

Wenn man dann von den Kids oder Jugendlichen so schwierige und fast unlösbare Aufgaben :ironie3 verlangt, wie Purzelbaum (Vorwärts/ Rückwärts), Bockspringen, Rad, Handstand (ab einem gewissen Alter) oder Huckepack tragen, dann gibt es Kinder, die das sofort und ohne zu zögern umsetzen. Leider kommt es immer häufiger vor, dass ich von den Kindern angestarrt werde, also ob ich von einem anderen Stern komme. Dann höre ich immer häufiger die Antworten "das kann ich nicht, ich weiß nicht wie das geht, wozu brauch ich das? Meine Eltern sagen, das ist zu gefährlich?" etc. Auf meine Frage hin, was die Kinder denn so alles in der Schule im Sport machen, kam die einhellige Meinung zurück "Na das ist bei uns freie Spielzeit. Da machen wir nichts..."

In solchen Momenten weiß ich nicht, ob ich weinen oder lachen soll.
Ich sehe hier einen großen Haufen ..... auf die Gesellschaft zukommen, in denen die Kinder und Jugendliche (die ja irgendwann erwachsen sind) "Bewegungslegastheniker" sind, von den Spätfolgen/Langzeitfolgen der mangelnden Bewegung ganz zu schweigen. Und man kann dabei nicht darauf schließen, dass nur die "dicken" Kinder davon betroffen sind. Es sind Kinder davon betroffen, die einen "normalen" Körperumfang haben.

Natürlich kann man jetzt sagen, dass die Kinder von heute eher vor der Glotze sitzen und lieber vor der Spielekonsole und dem Tablett sitzen und spielen oder in den sozialen Netzwerken den Tag verbringen. Auch kann man sagen, dass es in der heutigen Zeit kaum oder sagen wir mal weniger Möglichkeiten gibt, sich frei und ohne Probleme bewegen und spielen zu können, wie noch vor ein paar Jahren. Ich vor allem mag dies in Großstädten nicht beurteilen zu können, da ich auf dem Land groß geworden bin und man den lieben langen Tag auf der Straße oder im Nachbargarten spielen konnte und abends ist man dann wieder heim. Aber diese Pauschalaussagen sind für mich deutlich zu kurz gegriffen.

Es kann doch nicht sein, dass Kinder in der 1-6 Klasse keine der oben genannten grundlegenden Turnübungen können oder dies nur sehr ungenügend. Wenn die Kids das dann mal versuchen und es klappt, dann wollen sie meist gar nicht mehr damit aufhören und lachen und freuen sich miteinander und für sich selbst, dass sie diese Aufgaben gemeistert haben. Wenn ich Kinder habe, die das zum ersten Mal gemacht haben, dann könnte ich für den Rest der Stunde nichts anderes mehr machen und die einfach weitermachen lassen und den Kids wird es nicht langweilig. In den folgenden Stunden betteln sie mich quasi an, dass sie wieder Bockspringen etc. machen dürfen. Warum sie das nicht auch im Sportunterricht oder ihrer Freizeit machen, ist mir aber auch ein Rätsel.

Dies liegt m.E. an einem gesamtgesellschaftlichen Problem, dass sich immer tiefer in einer Spirale bzw. Kreislauf nach unten bewegt.

In der Schule lernen sie es nicht -> in ihrer geringen Freizeit - die sie aufgrund der Ganztagsschule haben - spielen die Kinder draußen nicht mehr so viel, sondern sitzen lieber vor dem PC -> in den Ganztagsschulen sind Sportangebote leider Mangelware oder werden nicht angenommen -> wenn die Kinder dann ja mal draußen sind, haben sie kaum noch Orte, wo sie tatsächlich mal in Ruhe spielen können -> wenn sie dann ja mal einen Platz gefunden haben, wo sie dies können, kommen dann gleich wieder die Helikoptereltern, die ihren Kindern nichts zutrauen und alles verbieten, wo sich ein Kind mal eine kleine Schramme einholen könnte -> die Kinder gehen in die Schule, wo die Sportlehrer anscheinend auch überfordert sind und die Kinder zu nichts mehr motivieren können, da sie es nicht gewohnt sind sich zu bewegen und von ihren Eltern ja eingeredet bekommen, dass Sport gefährlich ist -> In der Schule lernen sie es nicht.....

In einer Spielstunde, die ich mal vor den Ferien gemacht habe, durften die Kinder die Spiele selbst aussuchen. Nach den üblichen Spielen, die wir auch sonst immer gespielt haben (ca 3-6 Spiele), waren die Kinder dann auch ratlos, was sie denn noch so spielen könnten. Ich habe mich an meine Kindheit erinnert und habe spiele wie "Völkerball oder wer hat Angst vor´m Schloßgespenst" (Ja, früher hieß das noch etwas anders ;) ) vorgeschlagen. Es kam wie es kommen musste... ich musste den Kindern erst mal erklären, wie diese Spiele gehen, da sie diese Spiele nicht mehr kennen.

Der größte Hammer war allerdings einmal, als eine Rektorin an einer Grundschule mal bei einer Stunde mit dabei war (sie war früher auch Judoka und wollte sich mal wieder etwas anschauen). Wie ich dann zum Purzelbaum kam und dies mit den Kindern machen wollte, kam sie auf mich zu und meinte nur, dass ich dies von den Kindern nicht verlangen darf, da diese Übung aus dem Lehrplan genommen wurde, weil die Kinder von heute nicht mehr über die Muskulatur und motorischen Fähigkeiten verfügen, diese Übung zu machen. :BangHead Ich habe gedacht, ich sie will mich verarschen. Tut mir leid, aber ich kann es nicht anders ausdrücken. Das muss mir mal ein Pädagoge erklären... Warum, wird der Lehrplan geändert, weil Kinder von heute nicht mehr in der Lage sind, solche Übungen zu machen? Warum kapituliert man hier? Ist das nicht ein Grund mehr, eben auf solche Dinge Wert zu legen? Was kommt als nächstes? Die Aussprache wird im Deutschunterricht nicht mehr benotet, da die Kinder von heute keinen Artikel mehr verwenden? :angry4

Ich weiß, dass es viele positive Beispiele gibt. Auch diese erlebe ich jeden Tag, leider werden die Negativbeispiele immer häufiger und immer extremer. Und wenn die Gesellschaft sich darüber nicht im klaren wird, so steuern wir alle auf ganz schön düstere Zeiten zu.

Habt ihr ähnliche Erfahrungen gemacht und wie steht ihr dazu? Und wie geht ihr mit den Kindern, um die zu euch ins Training kommen und keine dieser Übungen können. Hierzu sei auch gesagt, dass ich in einer meiner Gruppen einen Extremfall habe, der auch nach jetzt ca 18 Monaten noch immer keinen Purzelbaum kann und sich auch strickt weigert, den (ernsthaft) zu üben, da er der Meinung ist, das nicht können zu müssen. Dementsprechend sieht allerdings auch seine Fallschule aus. Bisher hat er 7. Kyu (er ist 15 und korpulent) Seine Fallschule hat für mich bisher (für den Gelbgurt) gereicht. Jetzt allerdings für den Gelb-Orange-Gurt ist es deutlich zu wenig. Habt ihr Tipps für mich, wie ich ihn dazu bewegen kann, besser zu werden und das auch mal ernsthaft zu probieren. Meine wiederholte Androhung, ihn durch die Prüfung fallen zu lassen, hat bisher noch nicht gewirkt. Ich bin aber auch nicht dazu bereit, am Tag der Prüfung ein Auge zuzudrücken und ihn einfach bestehen zu lassen.

Gruß Sono-mama
Was du mir sagst, das vergesse ich. Was du mir zeigst, daran erinnere ich mich. Was du mich tun lässt, das verstehe ich.

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Fritz
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Re: Fehlende turnerische Fähigkeiten bei Kindern/Jugendliche

Beitrag von Fritz »

Ja ist bitter, wir haben allerdings eher das Problem, daß sie sich keine Bewegungen merken können...
D.h. O-Goshi ist jedesmal eine völlig neue Sache...
Sono-Mama hat geschrieben:Warum, wird der Lehrplan geändert, weil Kinder von heute nicht mehr in der Lage sind, solche Übungen zu machen? Warum kapituliert man hier? Ist das nicht ein Grund mehr, eben auf solche Dinge Wert zu legen?
Tja wohl aus dem gleichen Grund, warum sich jemand im DJB gemüßigt fühlte, die Kyu-PO
zu reduzieren...

Ich fürchte, es ist seitens bestimmter Kreise politisch gewollt, daß eine Generation unsportlicher, nicht wehrhafter Menschen bei uns ranwächst, die zusätzlich auch
nicht mit übermäßigem Intellekt gesegnet sind...
Sono-Mama hat geschrieben:Und wie geht ihr mit den Kindern, um die zu euch ins Training kommen und keine dieser Übungen können.
Sono-Mama hat geschrieben: "das kann ich nicht, ich weiß nicht wie das geht,
Wir versuchen ihnen zu erklären, daß niemand erwartet, daß sie irgendwas gleich können, sondern daß sie genau deshalb üben, damit sie es irgendwann mal können...
Wobei ich den Eindruck habe, daß dieses Konzept sehr schwer zu begreifen ist...
Sono-Mama hat geschrieben:Seine Fallschule hat für mich bisher (für den Gelbgurt) gereicht. Jetzt allerdings für den Gelb-Orange-Gurt ist es deutlich zu wenig. Habt ihr Tipps für mich, wie ich ihn dazu bewegen kann, besser zu werden und das auch mal ernsthaft zu probieren. Meine wiederholte Androhung, ihn durch die Prüfung fallen zu lassen, hat bisher noch nicht gewirkt. Ich bin aber auch nicht dazu bereit, am Tag der Prüfung ein Auge zuzudrücken und ihn einfach bestehen zu lassen.
Ganz einfach: Dann macht er halt keine Prüfung. Entweder er erkennt dadurch, daß seine Meinung, er bräuchte etwas nicht zu können,
doch etwas falsch ist u. er beginnt sich zu mühen oder er wird feststellen, daß die Wahl seines Hobbys wohl noch einmal überdacht werden sollte...
Mit freundlichem Gruß

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Re: Fehlende turnerische Fähigkeiten bei Kindern/Jugendliche

Beitrag von Ronin »

Ich kenne das Problem bzw die Symptome und erlebe sie teilweise auch genau so. Und es frustriert mich.
Die größte Kunst ist, es die Schüler dann nicht fallen zu lassen und zu motivieren es zu versuchen (bei uns ist dieses Konzept immer noch zu realisieren ;) )
Aber Weigern akzeptieren wir einfach nicht und Eltern, die meinen, ein Purzelbaum oder eine andere Übung sei gefährlich, wird in der Regel erklärt - und das mache ich mit Hingabe selbst - dass wir einen Kampfsport ausüben, bei dem zu späteren Zeitpunkten auch potentiell verletzungsträchtige und sogar potentiell tödliche Sachen gelernt werden. Das verbinde ich immer mit der Aufforderung, in sich zu gehen, ob die Hobbywahl dann die richtige ist.

Einer, der dem Judopsort auch viel Gutes getan hat, hat einmal ein Buch geschrieben über den friedlichen Krieger... jetzt verkehrt es sich leider ins Negative...

Aber es ist schon auch so, dass Judo leider nicht für jeden der allseligmachende Weg ist und diese sind dann doch im Kleinkindturnen auch mit 15 noch gut aufgehoben. Die ganze Gesellschaft können wir nicht verbessern, nur den Teil, für den wir zuständig sind und die uns auf unserem Weg folgen wollen. Die anderen werden eben willfährige Kunden der Gesundheitsindustrie.
Jupp
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Re: Fehlende turnerische Fähigkeiten bei Kindern/Jugendliche

Beitrag von Jupp »

Ich kann die hier oben vorgetragenen Beschreibungen teilweise teilen - bin aber nicht so frustriert, wie es sich bei Euch anhört.

Als ehemaliger Sportlehrer an einem Gymnasium (ich weiß, wir erhalten schon eine Auswahl der "besseren" Schüler) und Judolehrer/Judotrainer kann ich auf ca. 40-45 Jahre Unterrichtserfahrung in beiden Bereichen zurückblicken. Ich erlebe die von Euch beschriebenen Ausfälle aus Schulsicht als nicht so katastrophal, im Judounterricht meines Vereins bin ich überrascht, wie viel die Kids können, wenn ich dort zuschaue. 1-2 x pro Woche schaue ich mir vor meinem eigenen Training die Kids zwischen 8 und 12 Jahren an. Allerdings haben wir bei uns auch zwei hauptamtliche Judotrainer, die die Kinder in die Grundlagen des Judo einführen. Die Kids können dann selbst entscheiden, ob sie zu "Judo-Fun" (Judo mit vielen Spielen), "Judo-Technik (eher "klassisches" Judo) oder "Ippon-Judo" (gezielte Vorbereitung auf Wettkämpfe) gehen wollen. Das ist unser - ans Sundsvall-Modell angelehntes - Vereinskonzept.

Vielleicht liegt es auch daran, dass ich Zeit meines (Lehrer-) Lebens immer gedacht habe, ich müsste "meinen" Kindern helfen, besser zu werden, egal wo sie standen. Also dort abholen, wo sie waren und nicht darüber klagen, was noch nicht gekonnt ist. Ich denke auch heute noch bei meiner jetzigen Zielgruppe ("Judo für Ältere") immer daran, was sie noch lernen können und die gleiche Einstellung hatte ich bei den Kids und habe sie bei unseren Wettkämpfern.

Vielleicht geht es auch mit den Kindern in unseren Vereinen (mit der Zeit!) besser, wenn wir ihnen zeigen, was sie noch lernen können und sie ermutigen, sich daran zu erproben. Die Entscheidung, das dann auch zu tun, können wir ihnen nicht abnehmen - aber wir können in unseren Vereinen eine Atmosphäre schaffen, die es Kindern ermöglicht, sich zu erproben. Dafür müssen wir jedoch positiv denken: von uns ("Wir schaffen das!" ich weiß, der Spruch ist derzeit nicht populär...), von den Kindern ("Ihr könnt das!") und vom Judo ("Judo ist toll und lernenswert!").

Ich möchte, dass die Kinder Räder, Handstand, Rollen usw. können und Freude daran haben!

Wer Freude an dem hat, was er tut und sich und die Kids mag, der hat auch Erfolg! Das gilt für uns Lehrer und für die Kids!

Das aber höre ich bei den hier eingestellten Beiträgen viel zu selten heraus, dass es toll ist auf der Matte zu stehen und den Kindern Judo zu vermitteln.

Jupp
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Fritz
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Re: Fehlende turnerische Fähigkeiten bei Kindern/Jugendliche

Beitrag von Fritz »

Jupp hat geschrieben:Das aber höre ich bei den hier eingestellten Beiträgen viel zu selten heraus, dass es toll ist auf der Matte zu stehen und den Kindern Judo zu vermitteln.
Wenn man Kindern Judo vermitteln konnte, ist das ein tolles Gefühl :-)

Der Frust kommt daher, daß der Anteil der Kinder, denen man keine Judo vermitteln kann (was man aber immer erst recht spät
erkennt) einen zuviel Zeit u. Nerven stiehlt...

Vielleicht ist ja der Ansatz mit den Pyjama-Spielgruppen inzwischen wirklich der zielführende... :-(
Also im Grunde spielen alle rum und wenn dann irgendjemand so langsam schwant, daß das mit Judo nur
Rande zu tun hat, und er beginnt nachzufragen und sich zu interessieren, dann fängt man mit der Ausbildung an. :eusa_think
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Re: Fehlende turnerische Fähigkeiten bei Kindern/Jugendliche

Beitrag von Sono-Mama »

Hallo Jupp,

ich finde deinen Beitrag und die Beiträge der anderen sehr gut und ich sehe also, dass ich nicht alleine bin mit meinen Erfahrungen.

Vor allem auf deinen Beitrag möchte ich kurz eingehen.

Ich pflichte dir in allem bei, dass man den Kindern eben das alles vorlebt und sie ermuntert, es zu probieren. Es ging bei meinen vielen Beschwerden vielleicht etwas unter, aber viele Kinder - wenn nicht sogar die meisten - können ja dann diese Übungen auch und machen sie dann sehr gerne. Nur eben der "Quoten-Faule" ;) , der nicht will, stört mich eben.

Und das zweite, das mich stört, ist, dass eben die sportliche Ausbildung (wie auch immer die geartet sein mag) leider in der heutigen Zeit viel zu kurz kommt. Und sowohl von den Eltern, als auch von den Schulen, immer öfter an die Vereine übertragen wird, sodass wir den Kindern dann sowas Grundlegendes erst beibringen müssen.
Ein zweiter, ich sag jetzt mal Frustpunkt, den ich habe, ist, dass die Gesellschaft den Kindern viel zu wenig Raum bietet, sich einfach mal (sportlich) zu entfalten. Dazu kommen dann noch die Helikoptereltern, die ihren Kindern - aus Sorge sie könnten sich mal ein blutiges Knie einhandeln - einreden, dass solche Sachen gefährlich sind und sie das nicht können (müssen). Und dann werden die Kinder auch noch vom Geigenunterricht zum Handball und von da aus noch zur Schach-AG gefahren. Die Kinder von heute sind so sehr eingespannt, dass sie nicht mehr Kinder sein können. Vielleicht liege ich mit dieser Sichtweise auch falsch, da ich noch keine Kinder habe und ich habe ja nichts dagegen, wenn die Kinder gewisse Sachen ausprobieren, bis sie wissen, was ihnen gefällt und was nicht. Aber man sollte doch nicht die gesamte Woche der Kinder verplanen... Aber gut, das ist wieder ein eigenes Thema und hat nicht wirklich was mit diesem Thema zu tun.

Gruß Sono-Mama
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Re: Fehlende turnerische Fähigkeiten bei Kindern/Jugendliche

Beitrag von Sono-Mama »

Fritz hat geschrieben:Ja ist bitter, wir haben allerdings eher das Problem, daß sie sich keine Bewegungen merken können...
D.h. O-Goshi ist jedesmal eine völlig neue Sache...
Ja, das ist auch so eine sache die mich aufregt
Fritz hat geschrieben:Tja wohl aus dem gleichen Grund, warum sich jemand im DJB gemüßigt fühlte, die Kyu-PO
zu reduzieren...
Ja das erschließt sich mir auch nicht ganz. Ich meine, Hofi hat es in einem anderen Faden so beschrieben, dass dies ja "nur" Mindeststandards sind und die Prüfer ein wenig freier in ihrer Gestaltung sein können und den Kids mehr abverlangen können. Ich sehe dies aber nicht so. Wenn jemand die geforderten Techniken richtig gezeigt hat, dann kann ich nicht mehr verlangen und dann sagen "ja, tut mir leid, die zusätzlichen Aufgaben hast du nicht geschafft. Du bist durchgefallen". Ich gebe ihm in soweit recht, dass ich den Kindern die Techniken alle links und rechts zeige und alle Techniken vermittle und die Kata bringe ich auch weiterhin auf beiden Seiten bei. Bewerte allerdings nur eine der beiden Seiten.

Und so wie du, kann ich auch nicht verstehen, warum die Kinder auf einmal nur noch die Hälfte zeigen müssen, um eine Prüfung zu bestehen. Sollte damit der Ansatz verfolgt werden, dass die Kinder durch bestandene Prüfungen bei der Stange gehalten werden sollen und somit einen Austritt zu verzögern (der, wenn sich ein Kind dazu entschlossen hat, sich durch eine leichte Gürtelprüfung nicht davon abhalten lässt) oder gar verhindert werden soll, so glaube ich erstens nicht, dass sowas funktioniert und zweitens, wenn es funktioniert, wird die Qualität vom Judo so sehr verwässert, dass wir in ein paar Jahren die Quittung dafür zahlen müssen. Im Sinne von schlecht ausgebildeten Judokas, die irgendwann mal den Dan machen möchten. Die Dan-Prüfer sehen dann, was da zur Prüfung kommt und werden dann Wohl oder Übel ihre Standards ebenfalls senken, da sonst möglicherweise die Leute sich vom Judo abwenden weil sie ihre Prüfung nicht bestanden haben und wer will schon eine Durchfallquote von 50 % auch wenn es die Leute verdient hätten.

Wenn diese Judokas dann ihren Dan haben, wird der ein oder andere seine Trainerlizenz machen. Und auch die Trainerausbilder werden sehen, was da auf die Matte kommt und werden ihrerseits die Standards senken. Und dann bilden solche Leute neue Judokas aus, die dann - wen wundert es - ebenfalls nicht so gut ausgebildet sind.

Vielleicht bin ich ja, was das angeht, auch etwas pessimistisch, aber es kann gut sein, dass es so oder so ähnlich kommt.

Gruß Sono-Mama
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Re: Fehlende turnerische Fähigkeiten bei Kindern/Jugendliche

Beitrag von tutor! »

Sono-Mama hat geschrieben:(...) Und so wie du, kann ich auch nicht verstehen, warum die Kinder auf einmal nur noch die Hälfte zeigen müssen, um eine Prüfung zu bestehen. Sollte damit der Ansatz verfolgt werden, dass die Kinder durch bestandene Prüfungen bei der Stange gehalten werden sollen und somit einen Austritt zu verzögern (der, wenn sich ein Kind dazu entschlossen hat, sich durch eine leichte Gürtelprüfung nicht davon abhalten lässt) oder gar verhindert werden soll, so glaube ich erstens nicht, dass sowas funktioniert und zweitens, wenn es funktioniert, wird die Qualität vom Judo so sehr verwässert, dass wir in ein paar Jahren die Quittung dafür zahlen müssen. Im Sinne von schlecht ausgebildeten Judokas, die irgendwann mal den Dan machen möchten. Die Dan-Prüfer sehen dann, was da zur Prüfung kommt und werden dann Wohl oder Übel ihre Standards ebenfalls senken, da sonst möglicherweise die Leute sich vom Judo abwenden weil sie ihre Prüfung nicht bestanden haben und wer will schon eine Durchfallquote von 50 % auch wenn es die Leute verdient hätten.

Wenn diese Judokas dann ihren Dan haben, wird der ein oder andere seine Trainerlizenz machen. Und auch die Trainerausbilder werden sehen, was da auf die Matte kommt und werden ihrerseits die Standards senken. Und dann bilden solche Leute neue Judokas aus, die dann - wen wundert es - ebenfalls nicht so gut ausgebildet sind.

Vielleicht bin ich ja, was das angeht, auch etwas pessimistisch, aber es kann gut sein, dass es so oder so ähnlich kommt.
Die Probleme, die Du beschreibst haben wir doch jetzt schon und der einzige Weg, den Qualitätsproblemen einigermaßen Herr zu werden, ist es, die Umfänge der Prüfungsaufgaben zu reduzieren.

Der Umfang der Prüfungsaufgaben hat gegenüber den den 1970/80er Jahren (abgesehen von der jüngsten Reduktion) seit den 1990er Jahren kräftig zugenommen. Das darf man nicht vergessen. Nach 1969 (als man noch eine komplette Stufe der Gokyo zeigen musste) kamen bei jedem Kyu-Grad 4 Wurftechniken dazu (also 20 Würfe für 1. Kyu), zwei Techniken beidseitig je zwei Kombinationen und Kontertechniken und am Boden vier Haltegriffe (ohne Varianten), je eine Befreiung (ohne Varianten), 7 Hebel (ohne Varianten) 7 Würgetechniken (ohne Varianten), zwei Angriffe gegen Bank oder Bauchlage, zwei Angriffe gegen die Rückenlage. Es gab keine Situationsvorgaben usw.

Natürlich war das Training in den Vereinen umfangreicher und es wurde im Allgemeinen erwartet, dass mehr gekannt/gekonnt wurde - aber das war im Wesentlichen alles, was für den 1. Kyu zu demonstrieren war. Dies war vielen Leuten zu wenig, sodass das Programm umfangreicher wurde.

Der quantitative Zuwachs der Prüfungsaufgaben bewirkte fast zwangsläufig einen qualitativen Rückgang - auch weil nicht mehr Zeit für das Training zur Verfügung stand/steht (eher im Gegenteil) und natürlich auch, weil sich die Voraussetzungen auf Seiten der Kinder - das eigentliche Thema des Fadens - geändert haben. Es ist nur logisch und konsequent, dass man um eine qualitative Verbesserung zu erreichen, nun die Umfänge reduzieren muss, damit die einzelnen Techniken intensiver geübt werden können. Ich bin zwar skeptisch, ob dies tatsächlich so funktionieren wird, weil wir auch schon ÜL mit qualitativ zu schwacher Ausbildung haben - jedoch kann es nicht so weiterlaufen, wie bisher.

Wir müssen uns in der Ausbildung auf weniger Techniken beschränken, diese aber auf höherem Niveau lehren/lernen - dann gelingt zu einem späteren Zeitpunkt auch der Transfer und das Erlernen neuer Techniken besser. Viele Techniken (zu) schlecht zu können, bringt niemanden weiter.
I founded a new system for physical culture and mental training as well as for winning contests. I called this "Kodokan Judo",(J. Kano 1898)
Techniques are only the words of the language judo (Cichorei Kano, 24.12.2008)
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Re: Fehlende turnerische Fähigkeiten bei Kindern/Jugendliche

Beitrag von Fritz »

Sono-Mama hat geschrieben:Ja das erschließt sich mir auch nicht ganz. Ich meine, Hofi hat es in einem anderen Faden so beschrieben, dass dies ja "nur" Mindeststandards sind und die Prüfer ein wenig freier in ihrer Gestaltung sein können und den Kids mehr abverlangen können. Ich sehe dies aber nicht so. Wenn jemand die geforderten Techniken richtig gezeigt hat, dann kann ich nicht mehr verlangen und dann sagen "ja, tut mir leid, die zusätzlichen Aufgaben hast du nicht geschafft. Du bist durchgefallen". Ich gebe ihm in soweit recht, dass ich den Kindern die Techniken alle links und rechts zeige und alle Techniken vermittle und die Kata bringe ich auch weiterhin auf beiden Seiten bei. Bewerte allerdings nur eine der beiden Seiten.
Der Hammer sind dann die neuen offiziellen Lehrbücher zur PO... Ich hatte ja schon immer mit Jupps Büchern so meine Probleme, ob des wenigen Textes und der Bildchen, aber
diese neuen Bücher haben ja noch weniger Bildchen und nahezu unbrauchbare Texte.
Wir hatten im Verein treudoof eine paar von den Dingern bestellt und in der Trainerrunde dann beschlossen, daß wir es nicht verantworten können und diese Dinger nicht unter die Kinder bringen werden...

Ansonsten bin ich der Meinung, wenn Du Deine Leute prüfst, könntest Du folgende Sichtweise anwenden:
- Du prüfst nach einer in Deinem Verein gültigen PO. Diese umfaßt natürlich auch naheliegenderweise die erwähnten Mindeststandards der DJB-PO.
- Wenn Leute bereits an Dingen scheitern, die in Deiner Vereins-PO begründet liegen, dann werden sie halt nicht dazu kommen, die restlichen Mindeststandards der DJB-PO zu zeigen.

Bei uns heißt Verein-PO bspw.: Es wird nach prinzipiell nach der Ausbildungsordnung (also die vorige PO) geprüft und alle Techniken sind beidseitig zu zeigen (also auch die, wo man es "vergessen" hatte, es in der vorherigen PO explizit dazuzuschreiben) u. "oder" heißt prinzipiell "und". Und die Stichprobe beim Vorwissen fällt auch recht umfangreich aus.
Das wissen sie und entsprechend wird sich vorbereitet.

Was anderes ist natürlich, wenn man Fremdprüfer in einem anderen Verein ist, dann ist man natürlich verpflichtet, nur den Mindeststandard zu prüfen.
Sono-Mama hat geschrieben:Vielleicht bin ich ja, was das angeht, auch etwas pessimistisch, aber es kann gut sein, dass es so oder so ähnlich kommt.

Ach quatsch, durch Nutzung der demokratische Mitwirkungsmöglichkeiten, welche Du in den KaRi-Fäden zu gern erwähnst, kannst Du sicherlich da ordentlich gegensteuern ;-)
(Diese Spitze konnte ich mir jetzt wirklich nicht verkneifen :angel4 )
Mit freundlichem Gruß

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Re: Fehlende turnerische Fähigkeiten bei Kindern/Jugendliche

Beitrag von Fritz »

tutor! hat geschrieben:Der Umfang der Prüfungsaufgaben hat gegenüber den den 1970/80er Jahren (abgesehen von der jüngsten Reduktion) seit den 1990er Jahren kräftig zugenommen. Das darf man nicht vergessen. Nach 1969 (als man noch eine komplette Stufe der Gokyo zeigen musste) kamen bei jedem Kyu-Grad 4 Wurftechniken dazu (also 20 Würfe für 1. Kyu), zwei Techniken beidseitig je zwei Kombinationen und Kontertechniken und am Boden vier Haltegriffe (ohne Varianten), je eine Befreiung (ohne Varianten), 7 Hebel (ohne Varianten) 7 Würgetechniken (ohne Varianten), zwei Angriffe gegen Bank oder Bauchlage, zwei Angriffe gegen die Rückenlage. Es gab keine Situationsvorgaben usw.

Natürlich war das Training in den Vereinen umfangreicher und es wurde im Allgemeinen erwartet, dass mehr gekannt/gekonnt wurde - aber das war im Wesentlichen alles, was für den 1. Kyu zu demonstrieren war. Dies war vielen Leuten zu wenig, sodass das Programm umfangreicher wurde.
Ich kenne es noch so, daß für den Braungurt in den 80iger Jahren die 40 Würfe der Gokyo, 18-Bodentechniken (6 Haltegriffe, 6 Würgen, 6 Hebel)
und 7x4 SV-Aktionen zu demonstrieren waren. Bewegungsvorgaben gab es an sich nicht, die Techniken waren aus der freien Bewegung zu zeigen... ;-)
tutor! hat geschrieben:Der quantitative Zuwachs der Prüfungsaufgaben bewirkte fast zwangsläufig einen qualitativen Rückgang - auch weil nicht mehr Zeit für das Training zur Verfügung stand/steht (eher im Gegenteil) und natürlich auch, weil sich die Voraussetzungen auf Seiten der Kinder - das eigentliche Thema des Fadens - geändert haben. Es ist nur logisch und konsequent, dass man um eine qualitative Verbesserung zu erreichen, nun die Umfänge reduzieren muss, damit die einzelnen Techniken intensiver geübt werden können. Ich bin zwar skeptisch, ob dies tatsächlich so funktionieren wird, weil wir auch schon ÜL mit qualitativ zu schwacher Ausbildung haben - jedoch kann es nicht so weiterlaufen, wie bisher.
Diese Zweifel teile ich. Das Argument, daß die Umfänge reduziert werden müssen, damit die einzelnen Techniken intensiver geübt werde, ist ja dahingehen schon mal von offizieller Seite her nicht stichhaltig,
da ja offiziell die Ausbildungsordnung beibehalten wurde.
Nach meiner Erfahrung wird am Ende natürlich nur das trainiert werden, was geprüft wird und dann auch nur genauso, daß es ganz knapp reicht. :-(

Ansonsten sehe ich die Kyu-Grade dazu, daß den Leuten viel Handwerkszeug vermittelt wird, aus dem sie dann "später" die Sachen auswählen, die sie dann bevorzugt verwenden...
Auch wenn jemand bspw. mit irgendeiner Technik nicht so recht klarkommt, d.h. er diese mit Not u. Mühe am kooperativen Partner grade so hinbekommt, hat er doch trotzdem
die Chance, da er ja weiß, daß es diese Technik gibt und wo die Knackpunkte sind, daß später der Groschen fällt und er diese Sache für sich (oder andere) wieder hervorkramen kann...
Sono-Mama hat geschrieben: Im Sinne von schlecht ausgebildeten Judokas, die irgendwann mal den Dan machen möchten. Die Dan-Prüfer sehen dann, was da zur Prüfung kommt und werden dann Wohl oder Übel ihre Standards ebenfalls senken, da sonst möglicherweise die Leute sich vom Judo abwenden weil sie ihre Prüfung nicht bestanden haben und wer will schon eine Durchfallquote von 50 %, auch wenn es die Leute verdient hätten.
Die Senkung des Standards für Dan-Prüfungen wurde bereits 2011 wirksam.

Und um zum Ursprungsthema zurückzukommen:
Ich vermisse zunehmend bei den Kindern die Fähigkeit zur kritischen Selbstreflektion. Also sie sind m.E. immer weniger in der Lage festzustellen,
ob das, was sie oder der jeweilige Übungs-Partner da gerade machen, auch das ist, was sie machen sollen...
Da wird dann stur vor sich hingemurkst, ohne daß einer auf die Idee kommt, dem anderen mal 'nen Hinweis zu geben oder geschweige denn, zum Trainer zu gehen und
nach Hilfestellung zu fragen... Gibt natürlich auch Ausnahmen....
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Re: Fehlende turnerische Fähigkeiten bei Kindern/Jugendliche

Beitrag von guk »

Zum Thema:

Wie es der Zufall so will, war ich am Wochenende auf einem großen Turnwettbewerb - wir sind einem Turnverein angegliedert. Eine 3-fach Halle, alle Geräte doppelt aufgebaut, über 200 Kinder, etwa eine Busladung davon von uns.
Kaum war die Halle auf, stürmten sie zum Aufwärmen los und waren nur mit Mühe von den noch nicht freigegebenen Geräten zu bekommen. Die Veranstaltung dauerte 12 Stunden (!) und selbst als die Betreuer auf dem Zahnfleisch gingen, wollten immer noch welche weiter machen. Die Leistungen waren beeindruckend. Die Kinder WOLLTEN turnen. Und konnten es. Und hatten einen Mordsspaß dabei. Sogar spontan entworfene Akrobatikvorführungen waren dabei.

Der Schlüssel dazu ist simpel: Spaß am Sport. Wenn der fehlt, fehlt auch die Motivation, und dann kann man machen, was man will, es funktioniert nicht - wie Jupp schon sagte.

Über fehlende turnerische Fähigkeiten kann ich mich zumindest nicht beklagen. Viele Anfänger bei uns waren vorher beim Kinderturnen. Manche wechseln auch in die andere Richtung und werden gerne genommen. Ab und zu helfe ich auch mal dort als Trainer aus - Judo und Turnen haben viel gemeinsam.

PS: Vielleicht können wir die Kritik an Jupps Büchern trennen und konstruktive Vorschläge machen, statt nur zu meckern... :eusa_think
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Re: Fehlende turnerische Fähigkeiten bei Kindern/Jugendliche

Beitrag von Ronin »

Fritz hat geschrieben:Und um zum Ursprungsthema zurückzukommen:
Ich vermisse zunehmend bei den Kindern die Fähigkeit zur kritischen Selbstreflektion. Also sie sind m.E. immer weniger in der Lage festzustellen, ob das, was sie oder der jeweilige Übungs-Partner da gerade machen, auch das ist, was sie machen sollen...
Da wird dann stur vor sich hingemurkst, ohne daß einer auf die Idee kommt, dem anderen mal 'nen Hinweis zu geben oder geschweige denn, zum Trainer zu gehen und nach Hilfestellung zu fragen... Gibt natürlich auch Ausnahmen....
man muss allerdings auch mal ein wenig hier eine Lanze für die Einführung des Faches Kata brechen, denn genau da hilft Kata ungemein. Meine Erfahrung, neben der Tatsache, dass die Kids da unheimlich Spass dran haben ist, dass die Selbstreflektion spätestens dort kommt, so wie die Nage No Kata aufgebaut ist, merken sie ja auch sehr schnell ob es klappt oder nicht. Und dann haben sie am gemeinsamen sich aus dem Mist rausholen sehr viel Spass.
Fritz hat geschrieben:Ansonsten sehe ich die Kyu-Grade dazu, daß den Leuten viel Handwerkszeug vermittelt wird, aus dem sie dann "später" die Sachen auswählen, die sie dann bevorzugt verwenden...
Auch wenn jemand bspw. mit irgendeiner Technik nicht so recht klarkommt, d.h. er diese mit Not u. Mühe am kooperativen Partner grade so hinbekommt, hat er doch trotzdem
die Chance, da er ja weiß, daß es diese Technik gibt und wo die Knackpunkte sind, daß später der Groschen fällt und er diese Sache für sich (oder andere) wieder hervorkramen kann...
ja und deswegen frage ich mich auch ob wir mit der aktuellen PO nicht auf dem Holzweg sind... die Grundgedanken Judotechnken als Lösungen von Situationen...alles richtig und unterschreibe ich bedingungslos, aber die Einführung der nach meiner Ansicht viel zu zersplitterten Aufgabenlandschaft (ich halte sie für überreguliert) hat sicherlich nicht zu besserm Judo geführt, jedenfalls nicht bei uns, von daher befürworte ich schon den Weg der Vereinfachung.
Auch halte ich es nicht richtig, das nur in Richtung, es den schlechten einfacher zu machen, zu interpretieren.

Unsere Judoka, die noch nach GoKyo ausgebildet wurden, damals mit sehr wenigen "Aufgaben, aber der vorgabe, "kann mal schnell soundsoviele Würfe richtig und aus ner sinnvollen Bewegung durchhauen" waren gerade bei den Würfen einfach deutlich besser (ich vermute aber, dass es da auch regional durchaus grosse Unterschiede gab)

Und heute scheitern viele schon dran (digitale Demenez? Wird jedenfalls vonvielen Lehrern beklagt) sich überhaupt erst mal die Aufgaben zu merken... das muss eigentlich nicht sein, mir ist es lieber, sie merken sich weniger die zu lösende Aufageb, als die auszuführende Technik. In diese Richtung interpretiert, halte ich die letzte "Fortschreibung der PO für eine Verbesserung (zum Zustand direkt davor) aber unterrichten tue ich jedenfalls immer noch wie vor zwei Jahren und was an der Prüfung gewertet wird, steht auf einem anderen Blatt.

Manchmal dneke ich allerdings auch, dass wir uns ein wenig viel Sorgen über pros und cons einer PO machen anstatt einfach mal wieder gute Trainer zu sein und wie oben beschrieben den Spass zu vermitteln, denn es ist unbestreitbar richtig, das nur ein top motivierter Trainer, der seine Schäfchen mag, sie auch zu Erfolg (wie auch immer definiert) führen kann.
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Re: Fehlende turnerische Fähigkeiten bei Kindern/Jugendliche

Beitrag von Sono-Mama »

tutor! hat geschrieben: Die Probleme, die Du beschreibst haben wir doch jetzt schon und der einzige Weg, den Qualitätsproblemen einigermaßen Herr zu werden, ist es, die Umfänge der Prüfungsaufgaben zu reduzieren.

Der Umfang der Prüfungsaufgaben hat gegenüber den den 1970/80er Jahren (abgesehen von der jüngsten Reduktion) seit den 1990er Jahren kräftig zugenommen. Das darf man nicht vergessen. Nach 1969 (als man noch eine komplette Stufe der Gokyo zeigen musste) kamen bei jedem Kyu-Grad 4 Wurftechniken dazu (also 20 Würfe für 1. Kyu), zwei Techniken beidseitig je zwei Kombinationen und Kontertechniken und am Boden vier Haltegriffe (ohne Varianten), je eine Befreiung (ohne Varianten), 7 Hebel (ohne Varianten) 7 Würgetechniken (ohne Varianten), zwei Angriffe gegen Bank oder Bauchlage, zwei Angriffe gegen die Rückenlage. Es gab keine Situationsvorgaben usw.

Natürlich war das Training in den Vereinen umfangreicher und es wurde im Allgemeinen erwartet, dass mehr gekannt/gekonnt wurde - aber das war im Wesentlichen alles, was für den 1. Kyu zu demonstrieren war. Dies war vielen Leuten zu wenig, sodass das Programm umfangreicher wurde.

Der quantitative Zuwachs der Prüfungsaufgaben bewirkte fast zwangsläufig einen qualitativen Rückgang - auch weil nicht mehr Zeit für das Training zur Verfügung stand/steht (eher im Gegenteil) und natürlich auch, weil sich die Voraussetzungen auf Seiten der Kinder - das eigentliche Thema des Fadens - geändert haben. Es ist nur logisch und konsequent, dass man um eine qualitative Verbesserung zu erreichen, nun die Umfänge reduzieren muss, damit die einzelnen Techniken intensiver geübt werden können. Ich bin zwar skeptisch, ob dies tatsächlich so funktionieren wird, weil wir auch schon ÜL mit qualitativ zu schwacher Ausbildung haben - jedoch kann es nicht so weiterlaufen, wie bisher.

Wir müssen uns in der Ausbildung auf weniger Techniken beschränken, diese aber auf höherem Niveau lehren/lernen - dann gelingt zu einem späteren Zeitpunkt auch der Transfer und das Erlernen neuer Techniken besser. Viele Techniken (zu) schlecht zu können, bringt niemanden weiter.
Hmm, gut so alt bin ich noch nicht, um zu wissen, wie es in den 79ern oder 80ern war. Ich kenne nur die letzten beiden Novellen.

Ich muss aber auch zugeben, dass ich das "Problem" bisher noch nicht aus der von dir beschriebenen Seite aus betrachtet habe. Ich muss auch zugeben, dass man das auch von der Seite sehen kann und dass hier vielleicht auch eine Chance der Verbesserung der Qualität besteht. Das Problem ist, dass man sowas meist erst nach ein paar Jahren herausfindet.

Gruß Sono-Mama
Was du mir sagst, das vergesse ich. Was du mir zeigst, daran erinnere ich mich. Was du mich tun lässt, das verstehe ich.

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Re: Fehlende turnerische Fähigkeiten bei Kindern/Jugendliche

Beitrag von Sono-Mama »

Fritz hat geschrieben:Ansonsten bin ich der Meinung, wenn Du Deine Leute prüfst, könntest Du folgende Sichtweise anwenden:
- Du prüfst nach einer in Deinem Verein gültigen PO. Diese umfaßt natürlich auch naheliegenderweise die erwähnten Mindeststandards der DJB-PO.
- Wenn Leute bereits an Dingen scheitern, die in Deiner Vereins-PO begründet liegen, dann werden sie halt nicht dazu kommen, die restlichen Mindeststandards der DJB-PO zu zeigen.

Bei uns heißt Verein-PO bspw.: Es wird nach prinzipiell nach der Ausbildungsordnung (also die vorige PO) geprüft und alle Techniken sind beidseitig zu zeigen (also auch die, wo man es "vergessen" hatte, es in der vorherigen PO explizit dazuzuschreiben) u. "oder" heißt prinzipiell "und". Und die Stichprobe beim Vorwissen fällt auch recht umfangreich aus.
Das wissen sie und entsprechend wird sich vorbereitet.

Also intern machen wir es auch etwas anders. Und intern lassen wir ja auch erst niemanden zur Prüfung zu, bei dem wir wissen, dass er oder sie die Prüfung nicht bestehen wird. Von dem her hat man da ja auch ein paar Steuerungsmöglichkeiten. Und bei den Vorkenntnissen sind wir auch relativ streng, also ich zumindest.
Fritz hat geschrieben:
Sono-Mama hat geschrieben:Vielleicht bin ich ja, was das angeht, auch etwas pessimistisch, aber es kann gut sein, dass es so oder so ähnlich kommt.

Ach quatsch, durch Nutzung der demokratische Mitwirkungsmöglichkeiten, welche Du in den KaRi-Fäden zu gern erwähnst, kannst Du sicherlich da ordentlich gegensteuern ;-)
(Diese Spitze konnte ich mir jetzt wirklich nicht verkneifen :angel4 )
Das sehe ich nicht als Spitze oder so an. Ich gebe dir da vollkommen recht. Das ist die einzige Möglichkeit. Aber um unseren Prüfungsreferenten zu zitieren: Wir sind nicht damit einverstanden, aber wir müssen jetzt eben bei den großen Wölfen mitheulen. Und so ist es ja auch, wenn die größten LV sich darauf verständigen, dann können die anderen eben nicht anders als mitmachen. Genauso verhält es sich mit Wettkampfregeln.

Aber Butter bei die Fische. Auch wenn ich das immer sage (und dazu stehe ich noch immer) Ja, das ist die einzige Möglichkeit etwas zu ändern, aber, sowohl bei dem einen als auch bei dem anderen, die Wahrscheinlichkeit, dass eine einzige Person, ein einziger Verein oder gar ein einziger LV hieran was ändern kann, geht gegen 0

Gruß Sono Mama
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Re: Fehlende turnerische Fähigkeiten bei Kindern/Jugendliche

Beitrag von tutor! »

Sono-Mama hat geschrieben:(...)
Hmm, gut so alt bin ich noch nicht um zu wissen wie es in den 79ern oder 80ern war. Ich kenne nur die letzen beiden Novellen.

Ich muss aber auch zugeben, dass ich das "Problem" bisher noch nicht aus der von dir beschriebenen Seite aus betrachtet habe. Ich muss auch zugeben, dass man das auch von der Seite sehen kann und dass hier vielleicht auch eine Chance der Verbesserung der Quailität besteht. Das Problem, ist dass man sowas meist erst nach ein paar Jahren herausfindet.
Prüfungsordnungen sind am Ende des Tages immer ein Kompromiss und wie sie sich auswirken, kann man tatsächlich erst nach Jahren sagen. Anfang der 1990er Jahre hatten wir zwei einschneidende Ereignisse: die Wiedervereinigung und die Trennung des DJB vom DDK. Es gab aber auch damals schon das Problem, dass viele Leute nur noch einmal in der Woche Judo machten, was sich auf die technische Qualität im sogenannten Breitensport ausgewirkt hat. Außerdem hatten wir einen Mitgliederboom, was zu einer Knappheit an Übungsleitern geführt hat - und damit zum Problem, dass viele Übungsleiter in neu gegründeten Gruppen/Vereinen tätig waren, die damit überfordert waren, eine strukturierte Ausbildung zu gewährleisten.

Die Ausbildungs- und Prüfungsordnung der 1990er Jahre - ich glaube, sie ist so um 1995 in Kraft getreten - war der Versuch, diesen Übungsleitern eine Richtschnur als Hilfestellung an die Hand zu geben. Deshalb enthielt sie u.a. eine Progression bei den Bewegungsvorgaben für die Wurftechniken, die von Grad zu Grad komplexer wurden. Das ging nicht auf, obwohl es im Prinzip vollkommen richtig gedacht war. Eine Hilfestellung tat und tut bitter Not, aber sie muss auch als Hilfestellung und nicht als Gängelung verstanden werden. Man kann Bände darüber schreiben, welche Faktoren dazu geführt haben, dass die Umsetzung nicht so gut funktioniert hat, wie wir uns das vielleicht alle wünschen, wobei man auch sagen muss, dass die heutigen Top-Athleten - und davon haben wir ja einige - ihre Judo-Grundausbildung in diesem damals neuen System gemacht haben. Man kann also durchaus mit diesem System eine gute Grundlagenarbeit leisten.
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Re: Fehlende turnerische Fähigkeiten bei Kindern/Jugendliche

Beitrag von Sono-Mama »

guk hat geschrieben:Zum Thema:

Wie es der Zufall so will, war ich am Wochenende auf einem großen Turnwettbewerb - wir sind einem Turnverein angegliedert. Eine 3-fach Halle, alle Geräte doppelt aufgebaut, über 200 Kinder, etwa eine Busladung davon von uns.
Kaum war die Halle auf, stürmten sie zum Aufwärmen los und waren nur mit Mühe von den noch nicht freigegebenen Geräten zu bekommen. Die Veranstaltung dauerte 12 Stunden (!) und selbst als die Betreuer auf dem Zahnfleisch gingen, wollten immer noch welche weiter machen. Die Leistungen waren beeindruckend. Die Kinder WOLLTEN turnen. Und konnten es. Und hatten einen Mordsspaß dabei. Sogar spontan entworfene Akrobatikvorführungen waren dabei.

Der Schlüssel dazu ist simpel: Spaß am Sport. Wenn der fehlt, fehlt auch die Motivation, und dann kann man machen, was man will, es funktioniert nicht - wie Jupp schon sagte.

Über fehlende turnerische Fähigkeiten kann ich mich zumindest nicht beklagen. Viele Anfänger bei uns waren vorher beim Kinderturnen. Manche wechseln auch in die andere Richtung und werden gerne genommen. Ab und zu helfe ich auch mal dort als Trainer aus - Judo und Turnen haben viel gemeinsam.
Ja, wie mehrfach gesagt, wenn die (meisten) Kinder sowas mal können und wenn man ihnen endlich einredet, dass sie es auch können, dann macht das denen Spaß und machen es ja auch gerne und man kann die Kids dann auch teilweise nur schwer wieder zum aufhören bewegen, um mit dem Unterricht weiter zu machen.

Worum es mir u.a. auch geht, ist die Tatsache, dass man genau dieses Interesse, dass die Kinder von Natur aus haben (abgesehen vom "Quoten-Faulpelz" ;) ), eben von anderen Stellen wie Schule oder Elternhaus entweder nicht fördert (mangelnder Sportunterricht bzw. mangelnd interessierte Lehrer) oder dem sogar einen Riegel vorschiebt (übervorsorgliche Helikoptereltern), die den Kindern dann auch noch einreden, sie können es nicht und sollen es am besten gar nicht erst probieren.

Dies ist - zumindest was den Sportunterricht angeht - ein weiterer Fehler. Ich war nie der geborene Sportler und habe mich beim Geräteturnen auch gequält, aber ich habe immer mitgemacht und es hat mir Spaß gemacht. Vorallem die Mädchen in unserer Klasse, aber auch ein paar Jungs, die in der 7-9 Klasse dann eher Makeup und ja nicht ins Schwitzen geraten etc. im Sinn hatten (also das mit dem Makeup nur die Mädchen), haben dann immer ihren "Turnbeutel vergessen" oder haben dann eine "Verstauchung" gehabt oder sonst etwas. Und die Lehrer haben das einfach toleriert. Wenn das in einem anderen Schulfach passiert wäre (z.B. im Deutsch oder Mathe Unterricht), dann hätte das natürlich ganz anders ausgesehen. Dann wären nach dem dritten mal spätestens die Eltern vorgeladen worden.
Ich weiß nicht, ob das jetzt noch immer so ist und ob das überall so war/ist, aber dennoch steigt mir immer die Zornesröte ins Gesicht, wenn ich an so was zurückdenke.

Gruß Sono-Mama
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Re: Fehlende turnerische Fähigkeiten bei Kindern/Jugendliche

Beitrag von Holger König »

Bis 1994 im Ostteil Berlins (wie lange in den anderen östlichen Landesverbänden?) galt die DJV-Prüfungsordnung. Gelber Gürtel 8 Würfe, je 2 Festhalten, Hebel und Würgen. Bei jeder weiteren Prüfung kamen 8 Würfe und 3 Bodentechniken hinzu, Braun also 40 Würfe (komplette Gokyo).

Und das war damals auch zu schaffen, auch von Kindern (ab welcher Altersklasse mußten damals Hebel/Würgen gezeigt werden?).
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Re: Fehlende turnerische Fähigkeiten bei Kindern/Jugendliche

Beitrag von Fritz »

Holger König hat geschrieben:Und das war damals auch zu schaffen, auch von Kindern (ab welcher Altersklasse mußten damals Hebel/Würgen gezeigt werden?).
Also bei uns war es so, daß die Hebel u. Würgen ungeachtet des Alters in der Prüfung demonstriert wurden,
Würgen waren im Wettkampf wohl ab 12 Jahren erlaubt, wenn mich die Erinnerung nicht trügt.
Die SV-Sachen wurden wohl erst ab 14-Jahren verlangt.
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Re: Fehlende turnerische Fähigkeiten bei Kindern/Jugendliche

Beitrag von tutor! »

Holger König hat geschrieben:Bis 1994 im Ostteil Berlins (wie lange in den anderen östlichen Landesverbänden?) galt die DJV-Prüfungsordnung. Gelber Gürtel 8 Würfe, je 2 Festhalten, Hebel und Würgen. Bei jeder weiteren Prüfung kamen 8 Würfe und 3 Bodentechniken hinzu, Braun also 40 Würfe (komplette Gokyo).

Und das war damals auch zu schaffen, auch von Kindern (ab welcher Altersklasse mußten damals Hebel/Würgen gezeigt werden?).
In Berlin galten eine Weile je nach Stadtteil drei verschiedene Prüfungsordnungen...

Damals war das Durchschnittsalter der Kinder aber auch noch höher als heute. Es gibt eine sehr interessante Studie zum idealen Anfangsalter von Kindern, die in den 1960er Jahren in der DDR gemacht wurde, die 8-9 Jahre als besonders günstig herausgestellt hat. Bei jüngeren Kindern ist die Konstanz der Bewegungsqualität deutlich stärker schwankend, sodass "Späteinsteiger" (mit 9 Jahren) nach einem Jahr Training - also mit 10 Jahren - ein vergleichbares Niveau der "Früheinsteiger" (mit 6 Jahren) haben, wenn diese nach 4 Jahren Training 10 Jahre alt sind.

Diese Erkenntnis führte zur Spreizung der Graduierungen im unteren Bereich zunächst in Form von "Zwischengürteln", die ab einem bestimmten Alter übersprungen werden konnten. Erst in einem späteren Schritt wurden die damals als Zwischengürtel eingeführten Grade zu "vollen" Graden.

Außerdem war die allgemeinsportliche Grundausbildung besser (das ist ja auch das eigentliche Thema des Fadens).

BTW: die schlechtesten Ausbildungsergebnisse müssten eigentlich die Japaner haben, denn die haben nun mal die quantitativ geringsten Anforderungen in ihrem Graduierungssystem.
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Re: Fehlende turnerische Fähigkeiten bei Kindern/Jugendliche

Beitrag von Asakusa »

tutor! hat geschrieben: BTW: die schlechtesten Ausbildungsergebnisse müssten eigentlich die Japaner haben, denn die haben nun mal die quantitativ geringsten Anforderungen in ihrem Graduierungssystem.
Jep! 8)

In Bezug auf die "Helikoptereltern" bzw Eltern:

Ich denke wirklich, dass wir in Deutschland in Punkto Erziehung, frühkindlicher Förderung und Ausbildung in bedenkliches Fahrwasser geraten - ausgelöst durch die teils wirren Ideale, Vorstellungen und Ängste der Eltern und einem recht nebulösen gesellschaftlichen Druck unter eben diesen.

Wir haben in einer Kindergruppe (24 Kids, 8-12 Jahre) ein 50/30/20 Verhältnis von deutschen, deutsch-russischen und türkischen Kindern. Ausnahmslos (!) alle Kinder mit Migrationshintergrund hängen die anderen Kids in Punkto Leistungsbereitschaft/Motivation, motorischen Fähigkeiten und vor allem Disziplin ab. So etwas beobachte ich mittlerweile seit 10 - 15 Jahren und der Eindruck verstärkt sich zunehmend. Leider ist es so, dass keine Übertragung des positiven Verhaltens auf die anderen stattfindet; umgekehrt zum Glück aber auch nicht!

Dazu gab es zwei Kommentare. Eines von einem aus Kasachstan stammenden Vater "Ich dachte die Kinder hier wären viel disziplinierter?? So etwas lasse ich zu Hause nicht durchgehen! "... Und 2 Tage später von einem deutschen Vater "Können Sie mal mit meinem Jungen reden, dass er sich so verhält wie die anderen? Zuhause kann ich das ja schlecht machen!" Ich hätte gerne ein Foto von meinem Gesichtsausdruck in diesem Moment gehabt... :? Ich war leider so verdattert, dass ich nicht weiter nachgefragt habe...

Zum Thema Sportlehrer: Der Unterricht scheint wirklich nur noch rudimentär möglich zu sein, da jegliche Art von pädagogischem Druck, der auf die teilnehmenden Schüler ausgeübt wird, in einer Beschwerde bei der Schulleitung zu enden scheint. So etwas wird jedenfalls häufig im Rahmen der Schulkooperationen berichtet. Das ist allerdings Hörensagen meinerseits. Ich fürchte allerdings... wahr...

Woran liegt das? Wie sehen das die Eltern hier? Habt Ihr ähnliche Erfahrungen, auch in den Schulen? Gibt es diesen Druck von außen, es alles "richtig" zu machen, wie immer der Mainstream gerade "richtig" definiert?
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自他共栄
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