Automatisches Verhalten, natürliche Reaktion(en)

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HBt.
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Automatisches Verhalten, natürliche Reaktion(en)

Beitrag von HBt. »


"Einen REFLEX entwickeln Sie, wenn Sie etwas vier Wochen lang täglich zur gleichen Zeit tun."


Las ich gerade.
Was bedeutet dieses, wenn es denn stimmt, für unser Judo-Vereinstraining?
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nur_wazaari
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Erfahrung mit Uchi-komi

Beitrag von nur_wazaari »

Muss nach längerem Nachdenken noch etwas ergänzen:

Ich hatte vor längerer Zeit mal das selbstgesetzte Vergnügen, über mehrere Wochen (4 oder 5) jeden Tag neben variierendem Training mangels Uke ein Gummiband-basiertes Uchi-komi-Training zu absolvieren, dass sich in etwa an eine Wettkampfbelastung annäherte; d.h. damals 5(6)x5 Minuten; 5-6 Runden. Ein paar vernachlässigbare Zwischenübungen sind dabei gewesen. Zielstellung ist die Verbesserung der Wurfeingangs- und Ausführungsstabilität inkl. gewisser konditioneller Verbesserungen gewesen. Und auch: die sogenannten, hochangepriesene..."Automatisierung" der Bewegungsabfolgen (ich will noch nicht von Technik sprechen).

Das Training bestand sowohl aus Teil- als auch aus Vollbewegungen bzgl. versch. Wurftechniken. "Teilbewegungen" meint im Wesentlichen Platzwechsel-Uchi-komi; Vollbewegung meint eben jenes + "stabilem Durchrotieren" mit tlw. sogar Mitrollen (das war nicht immer angenehm oder sinnvoll auf Schotter und Kies). In den letzten der 5-6 Runden bin ich stets bei folgendem Kombinationsschema gelandet: Ashi-waza (Ko-uchi-gari)- Nage-waza (Seoi-nage - Ashi-waza (O-uchi-gari oder O-soto-gari) - Koshi-waza (Uchi-mata, Harai-goshi, Hane-goshi) usw.. Dieses Muster konnte ich auch ins Randori übertragen. Das interessante ist gewesen, dass ich im Randori just nach dieser Trainingsphase keine Technik mehr ohne vorherigen Versuch einer Ashi-waza ausführen konnte. Tlw. kombinierte ich auch so schnell und so extrem, dass ich in Schönheit starb - der begrenzte Reflex war nicht mehr abzustellen, was sich auf den Wurferfolg auswirkte - die Bewegung war an einem winzigen Punkt unterbrochen, was gegen wirklich gute Uke für einen Wurferfolg nicht mehr ausreichte. Die Transformation in einen vollständigen Kake misslang, bis ich auch das extra abstellen konnte. Es braucht mehr als einen Reflex, um erfolgreiches, d.h. mit Ippon abschließendes Judo zu betreiben.

Wikipedia:
Ein Reflex ist eine unwillkürliche, rasche und gleichartige Reaktion eines Organismus auf einen bestimmten Reiz. Reflexe werden neuronal vermittelt.
Wenn ich gemessen an meinen Erfahrungen danach bzw. noch währendessen dann diese Definition auflege, dann kann ich widergeben, dass ich jedesmal wenn ich während des Trainings einen Widerstand von Uke oder einem Gummiband spürte auch tatsächlich einen Wurfansatz ausgeführt hatte. In etwa: Widerstand -> (bestimmter) Reiz -> Verarbeitungsphase -> Aktion: Kuzushi + x* -> Plateau -> neuer Widerstand...z.T. führte das auch zu verwunderten Reaktionen von außen...sie, die Trainer und Trainingspartner, kannten mich vorher so nicht...ich wollte einfach nur effizient sein, maximal. Dafür reicht ein einzelner Reflex aber nicht, es braucht mindestens eine Reflexfolge. Und u.a. da trennt sich die Spreu vom Weizen

* "x" kam mir immer ziemlich mysteriös vor; mal verschmolzen Tsukuri und Kake, mal hob sich die in meinen Augen sowieso unglückliche Dreiteilung des Wurfaktes völlig auf - die "Szenengestaltungen" variierten je nach Situation.

Meine Schlussfolgerung: Teilbewegungen sind nur unter bestimmten Bedingungen zu trainieren und sofort (in der gleichen Einheit) mit einer Transformation in die wirklich volle Bewegung, idealerweise auch in den Übergang von Tachi-waza in Ne-waza verbinden. Idealerweise natürlich mit einem versierten Uke.

Im Übrigen fängt das im Gegensatz zu meinem ersten Selbstversuch nun auch schon bei der Grifferarbeitung an...geht weiter in das Nachsetzen bis zum Erfolg oder dem Abbruch der Situation...soweit konnte ich aber mit dem ollen Gummiband leider damals nicht gehen. Heute habe ich andere Lösungen auch für dieses Problem gefunden, auch für das Training allein.
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HBt.
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Vor- u. Nachteile

Beitrag von HBt. »

Vielen Dank für Deine tolle Schilderung nur_wazaari.

An dieses Szenario dachte ich (noch) gar nicht, als ich offen eröffnete. Ich muss ein bisschen darüber nachdenken.
Da insbesondere methodische Fragen auftauchen, hatte ich schon Schwierigkeiten "den Gedanken" in das passende Unterforum zu stellen.

Auf jeden Fall konntest Du dokumentieren /erfahren was ich in etwa meine, bzw. welche Konsequenzen die unabdingbare Folge sind /darstellen können.

:danke
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nur_wazaari
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Reflexologie

Beitrag von nur_wazaari »

Danke ebenfalls für das Aufwerfen des spannenden Themas!

Nicht allein aber im Besonderen auch für Kampfsport interessant, ich hatte mich mal am Rande anderer Themen (u.a. Maturana und Varela - "Der Baum der Erkenntnis - Die biologischen Wurzeln menschlichen Erkennens") damit beschäftigt.

Durch was und wie genau werden wir eigentlich angetrieben?
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