Kodokan Judo in Deutschland

Hier geht es um die Geschichte und um Traditionen des Judo
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remy-otoshi
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Beitrag von remy-otoshi »

Hallo Tom,

Du fragtest:
Was bitte stand denn dann angeblich im Vordergrund des Kodokan Judo?
Die Antwort darauf hat st. gregor gegeben:
Judo sollte (auf dem Weg über das Verstehen der in ihm umgesetzten Gesetze) die Übenden zu einer bestimmten Weltsicht führen. Dies war (und ist) alleiniges Ziel des Judo: es ist ein pädagogischer Trick. Judo sollte (auf dem Weg über das Verstehen der in ihm umgesetzten Gesetze) die Übenden zu einer bestimmten Weltsicht führen. Dies war (und ist) alleiniges Ziel des Judo: es ist ein pädagogischer Trick.
Und ich wüsste nicht, wo ich das getan habe, im Gegenteil:
Und wer wie ich auf diese Dinge hinweist, der wird entweder ignoriert oder beschimpft oder man versucht, ihn lächerlich zu machen.
Andererseits muss ich doch mal ganz offen sagen, dass wer auf die Art und Weise austeilt wie Du, sich nicht wundern sollte, wenn es aus dem Wald genauso wieder herausschallt.

Du meintest ferner:
Du schreibst, daß du es gut findest, daß hierzulande das Meister-Schüler-Prinzip im Judo keine Beachtung findet.
Ein verräterischer Satz.
Um es einmal ganz klar zu formulieren: Ich finde es absolut richtig, seinem Lehrmeister mit Respekt und Hochachtung zu begegnen, aber genauso richtig, unjapanisch kritisch nachzufragen und über die gelehrten Dinge zu reflektieren. Was ist daran verräterisch? Dass ich meine westliche Kultur nicht verleugne? Oder dass Emanzipation für mich durchaus auch Gutes hat? Ich sehe mich selbstverständlich als Trainer, aber genauso auch als Lehrer (auch fürs Leben). Das eine schließt das andere nämlich keineswegs aus! Und schon gar nicht in Zeiten, in denen sehr viele kein oder nur geringes Interesse an Wettkämpfen haben und dennoch Judo machen.

Ja, ich mache weiter wie bisher: Ich lerne nach wie vor dazu (hoffentlich auch von Dir) und habe Freude daran. Und ich bin nach wie vor der Meinung, dass mein Beitrag im Judo und der meiner Übungsleiter- und Trainerkollegen ganz und gar nicht wertlos ist - und damit meine ich nicht Wettkampferfolge. Ob Du uns als Nicht-Judoka titulierst, ist für mich dabei nicht relevant - tu, was Du nicht lassen kannst. :alright

Gruß von remy-otoshi, die nicht erwartet, dass ihre Ehrlichkeit mit Handkuss aufgenommen wird
tom herold
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Beitrag von tom herold »

@Maki-Komi: ich resigniere nur insoweit, als daß ich immer wieder bemerken muß, daß "Aufklärungsarbeit" meinerseits nicht von Erfolg gekrönt zu sein scheint.
Das macht sich vor allem darin bemerkbar, daß unleugbare historische Fakten, welche für das tiefergehende Verständnis des Judo unbedingt erforderlich sind, einfach ausgeblendet werden. So kann man sich den Bereich der Oya-Waza natürlich nicht erschließen ...
Schreibe ich dennoch hartnäckig darüber, werde ich immer und immer wieder mit Meinungen wie der von Simon konfrontiert: "Judo-SV ist eine moderne Erfindung, beim Judo stand nie die SV im Vordergrund".
So etwas ist genau, was es zu sein scheint - eine durch nichts zu begründende Meinung, die sich eben nicht an Tatsachen orientiert:"Meinungswissen" statt Faktenwissen.
Leider, leider sind Meinungen wie die von Simon repräsentativ.
Ich verstehe das nicht, ehrlich gesagt. Und ich verstehe auch nicht, wie man bei einem so geringen Stand des Wissens überhaupt an einer solchen Debatte teilnehmen kann!!
Die Aikidoka, die ich kenne (und das sind viele!), sind enorm interessiert an allem, was mit der Geschichte des Aikido und den Schriften des Morihei Ueshiba zu tun hat.
Die Karateka sind - je nach Stilrichtung - ebenfalls an historischen Fakten, Herleitungen und an den sich daraus ergebenden Schlußfolgerungen interessiert, denn diese Schlußfolgerungen bestimmen den Charakter der jeweiligen Kampfkunst.
Ganz heftig ist es in den chinesischen Kampfkünsten - da ist es von entscheidender Bedeutung, wer dein Lehrer war/ist und wer dessen Lehrer war ... das ist dort genauso wichtig wie das, was du als Kämpfer zu leisten imstande bist.

Nur wir Judoka zeichnen uns im Großen und Ganzen durch selige Ignoranz aus.
Was interessiert uns denn Kano! Was interessieren uns denn seine Schriften! Und was schert es uns denn, was Mifune, Sakujiro Yokoyama und andere persönliche Schüler Kanos über ihren Meister und das Judo geschrieben haben.
Wir haben schließlich eine eigene Meinung - und wir haben ein Recht darauf, nicht wahr!
In Japan würde ein Träger des 1. oder meinetwegen auch des 4. Dan nie auf die Idee kommen, sich - noch dazu öffentlich - eine "Meinung" über Judo zu erlauben. Ein solcher Dan-Träger würde vorab seinen Meister fragen, ob die Meinung begründbar und richtg sei, und dann würde er um Erlaubnis fragen, wenn er diese Meinung öffentlich machen wollte.
Hierzulande quaken alle durcheinander, wie es ihnen gerade einfällt, und selbst der unbegabteste Orange-Gurt-Täger glaubt schon, in Bezug auf das Judo das recht auf eine "eigene Meinung" zu haben.
Wie albern.

Es gibt da einiges, was ich nicht verstehe. Einerseits scheinen die Dan-Grade eine ungeheuere Bedeutung zu besitzen - jeder will einen haben, und jeder will einen möglichst hohen Dan-Grad besitzen.
Andererseits scheuen sich niedrig graduierte Anfänger (und bis einschließlich 2. Dan IST man eben eine Anfänger!!) nicht, sich bspw. mir gegenüber respektlos (und erkennbar unwissend!) zu äußern.
Da ich per e-mail gefragt wurde, möchte ich auch antworten: Wie ich schon schrieb, trage ich seit 1998 den 6. Dan.
Ich bin Schüler von Peter Lietz (6. Dan), der wiederum Schüler von Kurt Rödel ist. Kurt Rödel war ein sehr enger Trainingspartner und Schüler von Anton Geesink. Dieser wiederum war Schüler von Kyuzo Mifune ...
Auf der anderen Seite bin ich seit einigen Jahren Schüler von Frank Thiele (9. Dan), der wiederum der einzige deutsche (wenn nicht gar der einzige europäische) Schüler von Tokyo Hirano war - und das für mehr als dreißig Jahre.
Ich denke doch, daß dies schon etwas anderes ist als die "übliche" Laufbahn im Verein bei Übungsleiter XY.
Und hier liegt die Crux der ganzen Angelegenheit: statt anzunehmen und auszuprobieren, was euch angeboten wird, statt die historischen fakten (wenn ihr sie denn nicht glauben mögt) nachzurecherchieren (Quellen habe ich ja ausführlichst angegeben) finden viele von euch es bequemer, ständig ein "ja, aber ..." einzuwenden.
Das läßt erkennen, daß es offenbar nicht unbedingt darum geht, etwas dazuzulernen, sondern darum, unbequeme Fakten solange zu verbiegen bzw. zu leugnen, bis alles wieder ins Bild paßt.
So etwas stört mich ganz einfach.
Natürlich hat jeder das Recht, aus Judo eine simple Sportart zu machen. Ich wehre mich nur dagegen, daß die Apologeten dieser enorm beschränkten Sichtweise immer und immer wieder behaupten, ihre Sicht sei die einzig gültige.
Meiner Meinung nach gibt es im Judo nur eine einzige wahre Autorität, und das ist Kano. Da Kano leider tot ist, denke ch, daß man sich erstens an seine schriften und zweitens an die Überlieferungen seiner engsten Schüler halten sollte.
Genau das aber geschieht erkennbar nicht - im Gegenteil.
Daher auch meine dezidierte Meinung über den Wettkampf-Sport-Betrieb: die dort offenbar unvermeidliche Beschränkung auf einen immer kleiner werdenden Ausschnitt des Gesamtkonzepts Judo muß zwangsläufig zu einer erheblichen Wertminderung des Judo führen.
Bodenkampf: die Brasilian Jujutsu-Leute lachen über heutige Judoka.
Standkampf: die Sambo-Leute und die Freistilringer haben keinerlei Respekt vor den meisten Judoka (mit Ausnahme der Japaner vielleicht).
Selbstverteidigung: die verschiedensten Stilrichtungen haben inzwischen wesentlich sinnvollere, wirkungsvollere Konzepte / Techniken als das heutige Judo.
Pädagogik: die oft beschworene pädagogische Wirksamkeit des Judo wird zwar gern im Munde geführt, aber es ist heutzutage eine hohle Phrase.
Man kann pädagogisch auch durch andere Sportarten wirken, wenn es denn schon Sport sein soll. (Fußball bspw. lehrt Mannschaftsgeist und ist ebenfalls als "Kampf-Sport" anzusehen ...)
Gesundheit: spielt keine Rolle im heutigen Judo, die dafür von Kano entwickelten Konzepte sind weitgehend unbekannt und für viele wohl auch ohne Belang.
Tja, was bleibt denn da noch übrig?
Ich kann verstehen, wenn jemand auch vom Wettkampf-Sport-Jackenraufen begeistert ist.
Judo aber im Sinne des Gründers ist es definitiv nicht.
Schade nur, daß diese Erkenntnis keinen Eingang in das Weltbild der meisten Sport-Judoka findet. Wirklich schade.

Ich freue mich aber darüber, daß es dennoch etliche Judoka gibt, die sich Kanos Prinzip des lebenslangen Lernens zu eigen gemacht haben - und es spielt dabei keine Rolle, ob diese Leute nun bei mir, bei Frank Thiele oder bei jemand anderem Judo lernen.
Die Hauptsache ist, DASS sie es tun.
Dazu aber ist es nötig, ja unerläßlich, sich auf das Meister-Schüler-Prinzip zu besinnen ...
Freundliche Grüße
Tom
tom herold
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kodokan judo

Beitrag von tom herold »

Wir kommen offenbar immer wieder an einen ganz grunsätzlichen Punkt: nämlich an jenen Punkt, wo die Mehrheit der heutigen Judoka zwar vielleicht doch ein gewisses Interesse am authentischen Judo entwickelt, gleichzeitig aber unbedingt den status quo erhalten möchte.
Das ist verständlich. Es ist aber auch die Haltung des "wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß".
Dies Hybris kann nicht zu einem Judo hinführen, welches den Intentionen Kanos gerecht wird.
Ich bin nach wie vor erschüttert über die Unwissenheit vieler Sport-Judoka in Bezug auf die Geschichte und die (weiterführenden) Lehrinhalte des Judo. Noch mehr aber erschüttert es mich, wenn diese Haltung auch noch damit gerechtfertigt wird, daß ja heute alles anders sei - wie hieß es doch in einem vorangegangenen Thread? "Wir sind hier schließlich nicht im alten Japan!"
Warum dann überhaupt Judo? Warum Judo, wenn man sich doch eigentlich nicht für das Judo interessiert, sondern nur für Technik/ Wettkampferfolge?
Ich will es euch verraten: all das könnte man natürlich auch in anderen Sportarten haben - aber dort gibt es nun mal keine Dan-Grade, nicht wahr ...
;)
Der Exoten-Bonus, der uns alle einmal zum Judo getrieben hat, fehlt Sportarten wie Fußball oder Zehnkampf ...
Wenn man Judo ernstnehmen würde, dann müßte man sich informieren, dazulernen, notfalls auch neu- und umlernen, nicht wahr.
Wer macht das schon gerne?
Wer gibt denn als Dan-Träger schon gern zu, bspw. von einem meiner mittelmäßig begabten Orangegurt-Träger im Bodenkampf gnadenlos deklassiert und zusammengeknüllt worden zu sein, bis nur noch die Aufgabe blieb ...?
Wer gibt denn als Träger des 3. Dan und aktiver Wettkämpfer gern zu, von einem meiner 15-jährigen Braungurte im Standkampf so verdroschen worden zu sein, daß die Matte staubte?
Statt da nachdenklich zu werden und dazulernen zu wollen, werden Ausreden erfunden ("verbotene Faßarten" usw.).
Statt die Scheuklappen abzulegen und endlich wieder Judo zu praktizieren ("Prinzip der Ökonomie/ der Flexibilität") wird eher "Go-Do" betrieben.
Nochmal - wer mich und meine Art nicht mag, dem sei das unbenommen.
Mir persönlich wäre es ja egal, bei wem ich lerne - hauptsache, ich kann etwas lernen ...
Als Judoka würde ich unbedingt zum BJJ gehen und mir von denen wieder beibringen lassen, wie der Bodenkampf des Judo noch vor sechzig, siebzig Jahren ausgesehen hat.
Ich würde auch unbedingt zum Sambo gehen, zum Freistilringen - nicht, um mich mit denen zu messen, sondern um etwas zu lernen, was mir nützt.
Ich würde auch ins Wing Chun, ins Krav Maga, ins PFS, in die phillippinischen Kampfkünste 'reinschnuppern, ich würde unbedingt einen guten Tai-Chi-Lehrer suchen, ich würde mir ene gute Aikido-Schule suchen usw. usw.
Und Jahre später kann man, wenn man all das getan hat, erstaunt feststellen, daß es all diese Dinge und Konzepte eben auch im Kodokan Judo gibt ... man muß nur weit genug in die Materie eindringen - und man braucht einen wirklich guten Lehrer, einen Meister, also einen Sensei.
Ein Trainer kann all diese Dinge nicht vermitteln, wie ich schon sagte.
Will man also Kodokan Judo authentisch und als "Martial Art" statt als "Partial Art" erlernen, dann gibt es nur einen Weg, und den habe ich vorstehend beschrieben.
Ich empfehle, dazu mal die Beiträge von Dave Lowry zu lesen. ("Traditions" und "Moving Toward Stillness", beides eine Sammlung von Aufsätzen zu den hier behandelten Themen).
Freundliche Grüße
Tom

PS.: @Remy-Otoshi: Pardon, Madame, wenn ich da Gefühle verletzt haben sollte, indem ich kritikwürdige Zustände auch tatsächlich angesprochen habe. (Wie konnte ich nur...?)
Mein Vorschlag: du bist ja gar nicht so sehr weit von uns weg. Komm doch einfach mal vorbei, mach mit oder schau zu.
Vielleicht verstehst du dann ...
Freundliche Grüße
Tom
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SGS Schauff
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Beitrag von SGS Schauff »

Ich muss mal anmerken - ihr spinnt doch alle ;) War lange aus Zeitgründen nicht da, musste also den kompletten Thread in einem durchlesen um mitzukommen.. Puh - 3 Stunden später - und schlauer :D

So. Nun zum Topic:

"Bevor ihr nun meinen Text lest - mir ist aufgefallen, dass ich fast nur auf mir negativ aufgestoßene Sachen bezug nehme. Ich sehe viel - sehr viel positives Potenzial. Aber wo ich mit anderen einer Meinung bin, muss ich nicht diskutieren! Demnach bitte nicht als persönlichen Angriff nehmen, sondern als direkte Rückfragen"

Ich finde die Ansätze mehr als interessant. Ich wäre auch gerne bereit mir das mal genauer anzuschauen. Jedoch kann ich mir das wahrscheinlich direkt sparen, wenn Tom mein Gewicht erfährt! (Achtung: Extra provokativ geäußert) Nun kommen wir zu meinem ersten Kritikpunkt - und das meinten auch andere hier, wenn Sie deine Anekdote zu dem "dicklichen älteren Herrn" gelesen haben und sich darauf bezogen. (Mutmaße ich mal)

Ihr wollt Toleranz und bekommt Sie hier auch von vielen geboten. Zwar nicht uneingeschränkt, aber Sie ist vorhanden. Nun öffnet man sich langsam Dingen die man nicht kennt und in einem Text stößt einem immer wieder auf, dass du (Tom) dicke alte Säcke nicht leiden kannst. So kam es zumindest bei mir an. Ich war zwar nicht immer so dick wie heute, habe auch sicherlich einige Gründe dafür, warum dies so ist - aber das ist mir ehrlich gesagt so sehr aufgestoßen, dass deine ganze Wahrheit - deine Weisheit (ernst gemeint) bei mir zumindest schon mal einen negativen Touch bekommen hat. Damit meine ich, dass du vieles Wahres schreibst, vieles was ich unterschreiben würde, vieles was ich eh und je schon über den DJB denke, sagst du offen. Machst deine qualitativen Texte allerdings selber schlecht wenn man herauslesen könnte, das du selber nicht tolerant bist. (Zehn mal durchgelesen - trifft immer noch nicht das was ich sagen wollte genau - aber die deutsche Sprache und so! - hoffe man erkennt meinen Ansatz)

Des Weiteren habe ich (westlich eingestellt ja) ein Problem damit - als Deutscher erst Recht - jemandem blind zu folgen. Und ich denke, dass genau das ein Problem von vielen ist. In der Hierarchie die du beschreibst scheint es so zu laufen, dass Obrigkeit was sagt, der Rest es so hinnimmt. Genau dass, würde mich persönlich stören. Hierzu möchte ich kurz anmerken, dass ich lange und exzessiv diesen Sport im DJB ausgeübt habe, jedoch ab dem blauen Gurt (imerhin vor mehr als 12 Jahren) die Interesse an Graduierungen im Verband verloren habe. Punkt hierfür ist das von dir beschriebene Schema, was mir persönlich nicht passt. Für mich ist das Können nicht alleine an Graduierungen zu messen. Es gibt Judoka die in meinen Augen mit einem grünen Gurt mehr wissen haben, als jemand der einen Dan trägt. Und nur Wissen ist das was alle weiterbringt. Für mich ist es immer ein rotes Tuch, wenn jemand die Einzige Wahrheit der Welt präsentieren möchte. Denn die, gibt es in meinen Augen nicht. Jeder ist in seiner kleinen eigenen Welt gefangen. Ich bin nicht überzeugt davon, dass keine der beiden Arten Judo zu leben, zu betreiben oder auszuüben die einzige richtige ist. Ich denke aber, dass dies in fast allen Bereichen nun mal so ist. Menschen denken frei, Menschen haben unterschiedliche Auffassungen von Richtig und Falsch. Wer maßt sich an - Richtig und Falsch zu deklarieren?

Ich persönlich würde mich über ein Gespräch hierüber sehr freuen! Und das meine ich so wie ich es sage! Die oben genannten Einwände haben nichts mit dem Kodokan Judo zu tun. Ich möchte gerne meine Zweifel ausräumen, um mich neuen Dingen bedenkenlos hinzugeben, um mein sparliches Wissen zu erweitern. Mir liegt nichts ferner als der Status Quo! Ich halte von den meisten Sachen im DJB gar nichts. In meinen Augen ist Judo einfach nichts was man nur auf kommerzielle Machenschaften unterstützen sollte. Beispielsweise: Lizenzmarken, weiss-gelb Gurte etc. Alles reine Geldmaschinen die niemandem etas bringen. Ausser dem Verband.

Des Weiteren vertreiben wir ja Judo und Kampfsportartikel über die Firma. Ich bin also leider auch eine kommerzielle Maschine :) Nun würde ich dein Buch schon mit veräußern. Ich lege wert darauf jede Marke zu verkaufen, die ich verkaufen darf und es dem Käufer zu überlassen, welche Marke - welche Dinge er präferiert. Demnach - wenn du Tom - Interesse hast, melde dich doch einfach mal bei mir. In diesem Zusammenhang wurde auch gefragt, warum du dein Buch nicht (zumindest solange kein Verlag es veröffentlichen möchte) über Eure Homepage zum Dowload bereit stellst. Diesen Ansatz finde ich sehr gut! So können wir, die nicht aus dem hohen Norden kommen, vielleicht mal die Philosophie besser verstehen.

Ich würde es (egal wie dick es ist) gerne lesen.


Ich komme jetzt schon an meine Grenzen alles was ich sage so aufs Blatt zu bekommen, dass ihr es so versteht we ich es meine! Wenn ich mich falsch audgedrückt habe, entschuldige ich mich dafür.

mfg
Christian
Ausverkauf:
http://www.pragor.de/sgs/ausverkauf.pdf

Verlinkung und Verbreitung der URL ausdrücklich erwünscht!
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Maki-Komi
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Beitrag von Maki-Komi »

Moin zusammen,

@ Tom: So, ich habe mir mal die Zeit genommen und die auf eurer Vereinshomepage von dir bereitgestellten "Kampfschriften" gelesen. Ich denke ich verstehe jetzt ein wenig besser, was dir am Herzen liegt und was dein Anliegen ist. Nichtsdestotrotz... meine grundsätzliche Einstellung bleibt dieselbe. Ich kann deswegen auch die Kritikpunkte, die beispielsweise remy-otoshi und auch Christian in seinem letzten Post angebracht hat verstehen.

Du schreibst, dass BJJ-Kämpfer den modernen Judoka im Boden nass machen und ihn auslachen. Das mag oft zutreffen. Jedoch kommt das auf die Präferenz des Sportjudoka (von dem redest du, oder?) an. Es gibt unter uns auch welche, die den Bodenkampf deutlich vorziehen und gegen BJJ-Kämpfer durchaus bestehen.

Du schreibst, dass Sambo-Kämpfer und Ringer keinen Respekt vor uns haben. Auch dem muss ich, aus eigener Erfahrung widersprechen. Und jetzt kommt das Argument, an dem du dich stossen wirst ( :D ). Du betrachtest, ebenso wie wir, nur einzelne Ausschnitte. Sambo/Ringen im Stand, BJJ im Boden. Sportjudo ist die Synthese aus beidem. Das mich ein shoot-boxer verhaut, wenn ich nach IJF-Regelwerk rumdaddel ist klar. Aber wenn der Shoot-Boxer nach IJF-Regeln kämpft?

Versteh mich bitte nicht falsch, ich verstehe deine Aversion gegen restriktive Regelwerke. Aber die gibt es letzten Endes (fast) überall in den Kampfsportarten (wenn man bare-knuckle fights auf irischen Hinterhöfen mal ausnimmt) und auch in den Kampfkünsten. Ich kann mich doch auf Augenhöhe nur dann messen, wenn ein einheitliches Regelwerk vorhanden ist. Wenn die Regel nur lautet "der Gegner darf nicht zu Tode kommen" sind wir vom sportlichen Kampf weit entfernt. Und nur auf den beziehe ich mich. Alles andere, soweit bin ich ja inzwischen (du siehst, auch dösbaddelige Sportjudoka können lernen ;) ist dein metier, von dem du mehr Ahnung hast als viele andere.

Eine Sache noch: Es mag sein, dass ich mich in Japan als 1. Dan nicht zum Thema Judo äussern dürfte. Das Meister-Prinzip verstehe und achte ich, bis zu einem gewissen Grade. Aber dann hätten wir doch keine so schöne Diskussionskultur hier, oder?

Ach, und bitte: Unterstell uns nicht, dass wir Judo nur gewählt haben, damit wir uns irgendwann ein dekoratives schwarzes Band um den, teils zu fetten Corpus, binden dürfen, nur um uns von anderen abzuheben. Das stimmt nicht. Sollte ich irgendwann mal das Glück haben und bei dir einen Lehrgang besuchen, werde ich, versprochen, mit weissem obi auftauchen. Ich habe nämlich keine Lust mich schlecht zu fühlen, weil ich von einem 9-jährigen orange-gurt verhauen wurde... :ironie3

Respectfully,

Jan

P.S. Partial Art ist übrigens ein sehr gelungenes Wortspiel!!!
"It´s not the fall that hurts - it´s when you hit the ground."
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Antonio
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Beitrag von Antonio »

Christian, Du sprichst/schreibst mir aus der Seele:
Etwas mehr Toleranz auf BEIDEN Seiten und weniger persönliche Angriffe wären auch mir sehr lieb.

Ich teile zwar in vielem nicht Toms bzw. Sankt Gregors (Tschuldigung, aber Dein Alias hats so gewollt ;) ) Meinung, würde mir aber trotzdem mal das Eine oder Andere gern ansehen. Vielleicht komme ich im neuen Jahr dazu, zumal Tom nur 1 Stunde von mir entfernt ist.

Toms Buch in spe interessiert auch mich sehr, doch ich bezweifle, dass sich ein Verlag finden wird. Leider!!!

Tom, hier bleibt Dir möglicherweise nur der Weg über BOD (Book On Demand, also Druck auf Bestellung (in kleinen Stückzahlen)). PDF ist wegen der einfachen Möglichkeit der Vervielfältigung weniger geeignet. Schließlich möchte jeder Autor sein Werk geschützt wissen.

>>>Ich würde es (egal wie dick es ist) gerne lesen.
Dem kann ich mich nur anschließen.

Gruß
Antonio
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remy-otoshi
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Beitrag von remy-otoshi »

Salut Monsieur Tom,

dass Du kritikwürdige Zustände angesprochen hast, ist voll in Ordnung und war auch in der Vergangenheit nie mein Problem - aber der Ton macht die Musik! Du kommst mir oft genug wie jemand vor, der jemandem etwas mitteilen möchte und kann(!!), dem Zuhörer aber vorher die Ohren abschneidet. Ich finde das schade.

Oh, ich hatte es mir ohnehin schon vorgenommen vorbeizuschauen, es allerdings noch nicht unterbringen können - aber es wird schon noch klappen, das garantiert meine weibliche Neugierde ;)
Gruß, remy-otoshi
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ctjones
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Beitrag von ctjones »

Ich glaube langsam aber sicher kommt man sich näher. Das freut mich sehr. Auch ich würde das Buch lesen wollen, auch wenn ich kein Bücher Leser bin.

PS: Man sieht sich bestimmt auch mal auf einem Lehrgang. Aber darüber möchte ich noch nicht Mutmaßen und ich würde mich Maki-komi anschließen und mir einen weißen Gurt umbinden. Dann aber eher als Zeichen dafür, das ich selbst von mir behaupten würde, das ich noch viel zu lernen habe...
Bitte versteht mein Verhalten als Zeichen der Ablehnung, mit dem ich euch Gegenüberstehe. (Rebel, Die Ärzte)
st.gregor

Kodokan Judo

Beitrag von st.gregor »

Damit Tom sich nicht immer den Mund fusselig schreiben muss und weil
remy-otoshi danach gefragt hat, ein wenig erbauliches von Kano Shihan:

Zum Thema Selbstverteidigung:
Ich möchte jetzt über den Zweck des Kodokan sprechen und darüber,
was eigentlich trainiert wird. Kodokan Judo verfolgt - wie bereits gesagt - die
drei Ziele Leibesübung, Kampf sowie Moral....
"Kampf" bedeutet in seiner weiteren Bedeutung, gegen Menschen zu
kämpfen, um irgendein Ziel zu erreichen. Aber beim System des Kampfes
im Judo wird "Kampf" in einem engeren Sinne gebraucht. Es bedeutet das
Trainieren von Techniken, mit denen man einen Menschen töten, verletzen
und festhalten kann, oder, wenn man selbst angegriffen werden sollte, sich
gut verteidigen kann...
aus Kano Jigoro Taikei 2, S.88-135, Übersetzung von A.Niehaus

Zum Thema Judo Lehrer:
Der ideale Judo-Lehrer benötigt folgende Eigenschaften: er muß
Angriffs- und Verteidigungstechniken mit Hingabe trainiert haben. Er muß
selbstverständlich die waffenlosen Techniken beherrschen, aber auch
Fertigkeiten im Umgang mit dem Langstock und dem Schwert besitzen.
Weiterhin besitzt er Kenntnisse in der Theorie des Kampfes und gleich-
zeitig das Wissen, das er als Leibeserzieher benötigt sowie Fertigkeiten
in der Methode der Leibeserziehung....
aus Sakko, Heft 6, Nr.10, 1927, Übersetzung von A.Niehaus

Zum Thema Wettkampf:
"Wettkampf" gab es auch in Japan bereits in alter Zeit. Aber die
Wettkampfformen, wie sie neuerdings trainiert werden, wurden aus dem
Ausland importiert....Man verband die Wettspiele auf jeden Fall mit einer
hohen Moral und richtete die Aufmerksamkeit darauf, durch die Wett-
kämpfe die Sittlichkeit auszubilden. Folglich kommt den Wettkämpfen
ein vergleichsweise geringer Wert zu, löst man sie von der Ausbildung
der Sittlichkeit."
aus Chuto kyoiku, Heft 52, 1925, Übersetzung von A.Niehaus

Also, wie bereits angedeutet: Mein Kano sagt:
1.) Selbstverteidigung ist wesentlicher Bestandteil des Judo
2.) Ein Judolehrer muss auch mit SV und mit Waffen vertraut sein
3.) Wettkämpfe sind nur als Mittel zur Ausbildung der "Sittlichkeit" von
Wert (was nun fraglos nicht eben die Stärke des nationalen oder
internationalen Wettkampfzirkus ist...)
Vielleicht kann mich ja einer von euch da widerlegen, aber die Punkte
1-3 weisen doch eine ziemlich Tendenz Richtung Tom aus, oder?

Mit freundlichen Grüßen


Stephan
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ctjones
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Beitrag von ctjones »

Mir tut sich gerade noch eine weitere Frage auf, was sehe ich, wenn ich in den Kodokan fahre um da Judo zu machen?
Sehe ich da Sportler, die sich nach IJF (Wenn auch unabhängig vom Kodokan) Regeln in die Matte wuppen oder Judoka, die auch Atemi Waza trainieren und Schwert Techniken üben?
Bitte versteht mein Verhalten als Zeichen der Ablehnung, mit dem ich euch Gegenüberstehe. (Rebel, Die Ärzte)
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Maki-Komi
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Beitrag von Maki-Komi »

Moinsen Jones,

also aus erzählungen von Sportlern die da waren: Wettkampfjudo nach IJF-Regeln. Aber es kann natürlich auch sein, dass das nur einen kleinen Ausschnitt des im Kodokan vertretenen Spektrums ist. Sofern ich weiss kann man da auch studieren und andere Dinge trainieren.

Gruss,
Jan
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Beitrag von coolbost »

Tom mal eine Frage wie hoch ist das Verletzungsrisiko bei deiner Art des Judos das würde mich mal intressieren.Judo wird heute als ein Wettkampfsport angesehen .So wie du es beschreibst soll es aber ein Kampf sport sein oder wieder werden. Das würde mich als Unternehmer stören wenn ich jemanden als Lehrling oder als Arbeitnehmer einstellen soll. Weil die Verletzungsgefahr bei Kampfsportlern um cirka 60% höher ist als beim heutigen Judo.Das selbe trift auch bei vielen ander Sportarten(Fussball etc) zu. In vielen Branchen ist es heute üblich das auf Angestellte die eine Sportart mit hohen Verletzundsrisiko betreiben im vornerein verzichet wird.
Judo gilt heute als ein Sport wie Schwimmen auch mit einem sehr geringen Verletzungsrisiko.
st.gregor

Kodokan Judo

Beitrag von st.gregor »

@ coolbost
Ich bin zwar immer noch nicht Tom, aber ich trainiere bei ihm und bin
Abteilungsleiter für eine seiner Gruppen (also der, der die Unfallanzeigen
schreiben muss, was mich befähigt, auf deine Frage zu antworten).

1.) Ich glaube Tom hat Judo niemals zu einem Kampfsport erklärt,
sondern zu einer Kampfkunst, was nun wohl etwas gänzlich anderes
ist. Nach unser Definition sind Kampfsportarten Disziplinen, in deren
Mittelpunkt ein sportlich reglementierter Wettkampf steht, also z.B.
Kickboxen oder IJF-Judo.
2.) Wenn Du nach dem Unfallrisiko fragst, so beziehst Du dich wahr-
scheinlich speziell auf den SV-Bereich, der ja hier im Thread am deut-
lichsten als Unterschiedsmerkmal zum Sportjudo herausgearbeitet
wurde. Die Unfallhäufigkeit in diesem Bereich geht stark gegen Null,
sofern man von Blutergüssen, Hautabschürfungen und gelegentlichem
Nasenbluten absieht. Unfallmeldungen für diesen Bereich musste ich
in den letzten drei Jahren nicht abgeben.
3.) Im Bereich des Wettkampfes (der bei uns ja nicht nach IJF-Regeln
abläuft sondern wesentlich "freier" ist) gab es gelegentliche Unfälle
(wenn ich mich recht erinnere zwei gebrochene Zehen und eine ernsthafte
Schulterverletzung), allerdings ist die Unfallhäufigkeit gegenüber der Zeit,
als hier noch IJF/DJB/DDK-Judo betrieben wurde eher zurückgegangen: Hier macht sich unser mangelnder Ehrgeiz bezahlt, Kinder und
Jugendliche in einem völlig überzogenen Wettkampfzirkus zu verheizen.

Tja, was soll ich sagen: Unsere Art des Judo als Einstellungshindernis
zu betrachten, kann leider nicht durch Fakten gestützt werden, wenn
Du mich nicht für Dich arbeiten lassen willst, musst Du Dir was anderes
einfallen lassen... :eusa_whistle

MfG

Stephan
tom herold
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Beitrag von tom herold »

... um ganz kurz auf meine "anstößige" Beschreibung des "dicklichen älteren Herrn" einzugehen - der sieht nun mal so aus, was soll ich machen? Wenn es sich um einen magersüchtgen Jüngling oder eine atemberaubende Blondine gehandelt hätte, dann hätte ich dies ebenfalls erwähnt ...
So richtig ganz schlank bin ich auch nicht ;) , daher war es lediglich eine illustrierende Beschreibung - und natürlich hat mich gestört, daß da ein etwas kurzatmiger, deutlich übergewichtiger Mensch mit ebenso deutlich erkennbaren Haltungsschäden selbstgerecht und selbstgefällig Dünnes absonderte.
Warum ich dieses unschöne Beispiel hier angeführt habe, wurde bereits erläutert.

Zu dem Vorwurf, der Ton mache die Musik und ich würde dazu neigen, andere zu verprellen: mag sein.
Da ich jedoch sehr, sehr oft erleben muß, daß ich tauben oder auf Durchzug gestellten Ohren predige, bin ich eben etwas lauter geworden, um durchzudringen. Das gefällt nicht jedem, ich weiß.
Auch werden in der Debatte immer wieder (mehr oder weniger fachbezogene) Einwände erhoben, die erstens schon öfter besprochen und zweitens ebenso oft widerlegt wurden.
Sodann solltet ihr vielleicht Folgendes bedenken - das authentische, traditionelle Kodokan Judo ist nun einmal prinzipiell strukturiert als militärisch-hierarchisches System. Erkennbar ist dies u. a. an den Graden des Kyu-Dan-Systems.
Es ist kein Zufall, daß Kano die Stufen unterhalb des 1. Dan noch nicht als "Grade" verstanden wissen wollte. Aus eben diesem Grunde werden die mit den Kyu-Stufen bedachten Judoka ja in die "Mudansha", also die "Nicht-Graduierten" eingeordnet.
"Grade" beginnen ab dem 1. Dan, also ab der Stufe der "Yudansha".
Also noch mal zum Drübernachdenken: der 1. Dan ist der erste "Grad", den man erwerben kann - an dieser Stelle beginnt Judo.
Und das scheint das generelle Problem hier in Deutschland zu sein - der erste erreichbare Grad, der den Anfänger kenntlich macht, wird hierzulande als "Meistergrad" verstanden. Ein Dan-Grad ist aber nun mal nicht dasselbe wie eine Meisterwürde ... und kann folglich auch nicht gleichgesetzt werden.
Wer hierzulande den 1. Dan erreicht hat, meint oft, nun sozusagen beinahe schon am Ende der Fahnenstange angekommen zu sein.
Was gibt es schon noch zu erreichen - außer im Wettkampf?
Und genau das ist der entscheidende Denkfehler.
Ich habe oft hören müssen, daß viele Judoka durchaus wissen, daß die Dan-Prüfungsprogramme des DJB / DDK nach oben hin lediglich an Quantität zunehmen - und nicht an Qualität. Wenn ihr ehrlich seid, dann müßt ihr zugeben, daß dort jenseits des braunen Gürtels keine neuen Techniken / Prinzipien mehr kommen. Zu den fast immer mißinterpretierten Kata habe ich mich ja bereits geäußert.
Und was unterscheidet denn meßbar (!) nach jenen Vorgaben einen 6. Dan von einem 7. Dan ...?

Abgesehen davon: wer mit Erreichen des 1. oder 2. Dan von sich selbst glaubt, er sei nun mit einer "Meisterwürde" bedacht worden, der irrt zwar -
aber es ist verständlich, wenn sich so jemand für "berechtigt" hält, seine ... richtig: Meinung kundzutun.
Und genau da liegt das Problem.
Eine Meinung kann (und wird) jeder haben. Für eine Meinung muß man nicht viel tun, sie ist eben einfach da, resultierend aus persönlichen Erfahrungen oder aus dem Nachplappern dessen, was andere äußern.
Eine Meinung hat den Vorteil, daß sie nicht bewiesen werden muß und daß jeder glaubt, sie immer und überall äußern zu dürfen - was dann auch getan wird.
Was sich über derlei Meinungen verbreitet, ist das, was die ollen Griechen "Doxa" nannten - das "Meinungswissen".
Das Internet hat erheblich zur Verbreitung von "Doxa" beigetragen ...
"Doxa" hat keinerlei Wert, es ist Geschwätz, unbelegt, einfach nur Behauptung.
Das Gegenteil davon ist das, was die ollen Griechen "episteme" nannten.
"Episteme" ist Faktenwissen, welches bewiesen werden muß.
Ihr könnt nun selbst herausfinden, ob das, was ihr so über Judo zu wissen glaubt, eher unter "Doxa" oder eher unter "Episteme" fällt ...

Es treffen - nicht nur hier im Forum - imho mehrere Dinge zusammen: erstens ist euer Wissen über Judo sehr gering (das ist kein Vorwurf, sondern eine Feststellung - ihr dürft abe gern anderer Meinung sein).
Zweitens beruht euer Wissen in weiten Teilen erkennbar auf "Doxa".
Drittens verwechseln etliche ihre Dan-Grade mit dem Erreichen der meisterschaft im Judo.
Viertens reagieren diese Leute enorm empfindlich auf sachbezogene Kritik, nachdem sie selbst gründlich ausgeteilt haben - ich erinnere an die ersten Posts hier im Forum, die sich auf uns bezogen ("Doxa" in Reinform: nix drüber wissen, aber erstmal feste druff ...)
Fünftens verwechseln die meisten von euch sachbezogene Kritik mit einem Angriff auf eure Person. Sachbezogene Kritik ist keineswegs eine Abwertung eurer Kampfsport-Biographie, wird aber gern als solche verstanden - das wiederum verstehe ich nun nicht ...
Sechstens - und das stört mich dann doch wirklich - "diskutieren" auch und vor allem Leute mit, deren Wissenstand bestenfalls beschränkt zu nennen ist. Ich habe nichts dagegen, daß man Fragen stellt, daß muß sein - wie will man sonst an Wissen kommen? Doch ich habe etwas dagegen, daß Leute, deren Kenntnisstand ihrer niedrigen Graduierung entspricht, die Dreistigkeit besitzen, ihre unmaßgebliche Meinung immer wieder in eine solche Debatte wie die heir stattfindende einzuwerfen. So etwas geghört sich nicht - und es ist zudem ein Zeichen großer Respektlosigkeit.
Siebtens sind es erstaunlicherweise genau diese Leute, die sich standhaft weigern, von vorgefaßten Meinungen ("Doxa"!!) abzugehen.
Nebenbei - der Renaissance-Gelehrte Kues nannte Leute, die um nichts in der Welt von ihren vorgefaßten Meinungen abzubringen sind, bezeichnenderweise "idiotae" (und ehe sich jetzt jemand aufregt, schaut mal nach, was das bedeutet!)

Wenn mir jemand sagt, daß ich wenig oder keine Ahnung vom Judo habe, dann frage ich nach, was genau derjenige meint. Wenn er es sachlich begründen kann, möchte ich die festgestellten Defizite natürlich beseitigen - und nicht den Kritiker ...
Ich hatte von Frank Thiele (9. Dan) zu hören bekommen, daß einige grundlegende Dinge in etlichen meiner Wurftechniken ineffektiv, ja regelrecht falsch seien.
Ich habe daraufhin sofort ausprobiert, was er mir zeigte, und ich war (und bin!!) maßlos begeistert.
Ich hätte natürlich auch beleidigt sein können - aber dann wäre es mir nicht gelungen, meine (wie ich damals fand doch recht wirksamen) Wurftechniken so unglaublich zu verbessern ...

Was die Kenntnis historisch-kultureller Grndlagen und Umstände, bezogen auf das Judo betrifft: diese Kenntnisse sind unerläßlich, um die Technik zu verstehen und wirksam anwenden zu können. Erst die (historische) Herleitung der Technik nämlich ermöglicht dann die Herleitung eines fortgeschrittenen Wurfes aus einem grundlegenden Bewegungsmuster der Grundschule.
Und ohne die Kenntnis effektiver Selbstverteidigung kann man bestimmte Würfe, bestimmte Bodentechniken, bestimmte Wurf-Vermeidungen gar nicht verstehen und damit höchstens stümperhaft und mit enormem Kraftaufwand anwenden. Das aber widerspricht dem obersten Prinzip des Judo ...

Nachdem ich nun noch mal auf alle möglichen Dinge eingegangen bin, stelle ich doch fest, daß wir im Grunde aneinander vorbeireden.
Ich spreche vom traditionellen Kodokan Judo, also von einer effektiven Kampfkunst - ihr bezieht euch auf den Sport nach strikten Regeln.
Ich habe dabei den Vorteil, daß ich den reglementierten Judo-Sport aus eigener langjähriger Anschauung (erst als Wettkämpfer, dann als Trainer im Leistungssport der DDR) kenne.
Ihr kennt das traditionelle Kodokan Judo höchstens vom Hörensagen - keine gute Grundlage, um eine sachbezogene Debatte zu führen.
Mir fällt im Augenblick allerdings auch kein einfacher, schneller Weg ein, um diese Situation zu ändern ...
Trotzdem freundliche Grüße
Tom
Zuletzt geändert von tom herold am 13.10.2006, 10:25, insgesamt 1-mal geändert.
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Fritz
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Beitrag von Fritz »

@coolbost:

Eigentlich sollte es einen Unternehmer einen "feuchten Dr*ck" interessieren, was jemand in seiner Freizeit für Steckenpferde hat...

Schließlich wird der Angestellte auch nur für die Arbeitszeit bezahlt...

Und wenn jemand für ne Stelle die fachlich u. charakterlich
die besten Vorraussetzungen
hat, dann wäre es unternehmerisch Blödsinn, diesen nicht zu nehmen,
bloß weil irgendeine Statistik gerade dessen Hobby als verletzungsintensiv
ausweist...
Dann schließ doch als Unternehmer eine Unfallversicherung auf
den Angestellten zu Gunsten des Unternehmens ab u. preise das ins
Gehalt mit ein...

Abgesehen davon ist der reine Wettkampfsport mit das verletzungsintensivste, was im Kampfsport/-kunstbereich so gibt.
Eben weil die Leute konsequent an ihre Belastungsgrenzen rangehen
u. oft halt auch darüber hinaus...
Tom Herold hat geschrieben:Zu dem Vorwurf, der Ton mache die Musik und ich würde dazu neigen, andere zu verprellen: mag sein.
Da ich jedoch sehr, sehr oft erleben muß, daß ich tauben oder auf Durchzug gestellten Ohren predige, bin ich eben etwas lauter geworden, um durchzudringen. Das gefällt nicht jedem, ich weiß.
Nun ja, so ist das nunmal in einem Netzforum.
Jemand schreibt etwas und jemand anderes hat ne Meinung dazu, egal ob begründet oder nicht,
egal ob richtig oder falsch. Manchmal kann man überzeugen, manchmal
nicht...
Aber _predigen_ solltest Du nicht, es ist wie gesagt ein Forum und keine Kirche...
Ansonsten wäre es illusorisch anzunehmen,
daß 100% der Forenteilnehmer Deine Ansichten zu 100% übernehmen ;-)
aber ich denke, Du hast vielen hier jede Menge
Denkanregungen und interessante Tipps gegeben - u. das ist doch auch schon was... 8)
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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SGS Schauff
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Beitrag von SGS Schauff »

Da du das ja scheinbar nicht so gemeint hast mit dem "Dicksein", ist dieser Punkt schon mal wieder raus :). War auch nur eine Anspielung auf Toleranz. Denke der ganze Text über diese Anekdote hätte man auch ohne das Wort Dick schreiben können.
Sechstens - und das stört mich dann doch wirklich - "diskutieren" auch und vor allem Leute mit, deren Wissenstand bestenfalls beschränkt zu nennen ist. Ich habe nichts dagegen, daß man Fragen stellt, daß muß sein - wie will man sonst an Wissen kommen? Doch ich habe etwas dagegen, daß Leute, deren Kenntnisstand ihrer niedrigen Graduierung entspricht, die Dreistigkeit besitzen, ihre unmaßgebliche Meinung immer wieder in eine solche Debatte wie die heir stattfindende einzuwerfen. So etwas geghört sich nicht - und es ist zudem ein Zeichen großer Respektlosigkeit.
Was oder wen meinst du damit genau?

Auf dein Buch bist leider wieder nicht eingegangen :(

mfg
Christian
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coolbost
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Beitrag von coolbost »

Fritz erstmal geht es einem Unternehmer darum das der Mann der für ihn arbeitet Gewinn bringt, wenn er aber öfters durch Sportverletzung fehlt ist er
unternehmrisch nicht tragbar und das kann auch eine Unfallversicherung nicht abdecken.Wenn der Mann in der Kolonne fehlt muss er durch einen anderen ersetzt werden und ist das nicht möglich kommt die Arbeit in Termin verzug und der Unternehmer bekommt eine Konventionalstrafe und die kann sich bis zu 30% des Auftrags Entgeld betragen. Gut ich sehe es nicht ganz so
eng wenn die Leute in unserem Verein sind, da ich ja auch Vereinsvorsitzder
bin. Aber es sind schon Topleute mit ihrem Sport auf gehört weil der Arbeitgeber einfach gesagt hatt dein Sport oder Arbeit er könnte wählen. Nämlich für einen der geht stehen zwei vor der Tür die arbeiten wollen das selbe
spielt sich auch bei den Lehrstellen ab. Es wird heute genau abgewogen wie
oft ist der Mann oder die Frau krank und bestimmte Sportarten werden als hohes Risiko angenommen.
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ctjones
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Beitrag von ctjones »

coolbost hat geschrieben:Aber es sind schon Topleute mit ihrem Sport auf gehört weil der Arbeitgeber einfach gesagt hatt dein Sport oder Arbeit er könnte wählen. Nämlich für einen der geht stehen zwei vor der Tür die arbeiten wollen das selbe spielt sich auch bei den Lehrstellen ab. Es wird heute genau abgewogen wie oft ist der Mann oder die Frau krank und bestimmte Sportarten werden als hohes Risiko angenommen.
@Fritz das habe ich aber auch schon oft genug von Leuten gehört, das waren Trainer, denen die guten Leute fern geblieben sind sowie auch Arbeitnehmer, die vor die Wahl gestellt worden sind.
So weltfremd ist das nicht, wie du es hin stellst...

Aber back to Topic.........
Bitte versteht mein Verhalten als Zeichen der Ablehnung, mit dem ich euch Gegenüberstehe. (Rebel, Die Ärzte)
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Beitrag von Lin Chung »

Hallo Leute

Habe lange gebraucht um mich da durchzulesen.

Tom schrieb:
Abgesehen davon: wer mit Erreichen des 1. oder 2. Dan von sich selbst glaubt, er sei nun mit einer "Meisterwürde" bedacht worden, der irrt zwar -
Wenn man ausser Judo auch mal andere KK lernt, kommt man unwirkürlich damit in Berührung. Z.B. im Taekwondo ist man vom 1-3 Dan (Bo Sabum) Meisterschüler, vom 4-6 Dan (Sabum) Meister und darüber (Sabum Nim) Großmeister.

Meinen 1. Dan habe ich seit 1978 und dann kam die Zeit, Arbeit oder Sport. Von da an endete mein Sportjudo. Trotzdem gehe ich ab und zu mal wieder Mattenluft schnuppern bei alten Kameraden, die alle schon über den 3. Dan hinaus sind.

Uns wurde nie gesagt, schau doch mal über den Tellerrand oder weisst du, es gibt noch mehr als das Wettkampfjudo. Ich hatte nicht die Möglichkeit, die Tom hatte. Hätte ich sie gehabt, ich wäre schon lange beim Kodokan Judo.

Irgendwas trieb mich zum TKD und ich lernte was ganz anderes kennen. Hier herrscht noch das Wort des Meisters. Es gibt Disziplin und man darf zwar fragen, aber erst nach dem Training. Hier wird ausserdem der Gründer des TKD in den Mittelpunkt gestellt und man muss auch Fragen über die Herkunft und Entwicklung des TKD bei der Prüfung beantworten, was ich beim Judo nie brauchte.
Natürlich gibt es auch hier Unterschiede, ob man in einem Dojang (Dojo) oder in einem Verein lernt.

Genau genommen, ist das Judo was wir bisher lernten Kampfsport und das Kodokan Judo ist Kampfkunst.

Zwischen Kampfsport und Kampfkunst liegen Welten. Einige Unterschiede hat Tom euch schon erzählt.

Da ich zur Zeit auch American Kenpo lerne, was auch eine Kampfkunst ist, kenne ich die Unterschiede zwischen Sport und Kunst.

Ihr müsst also für euch selbst entscheiden, ob ihr Sport oder Kunst machen wollt. Eins ist gewiss, die Kunst bietet euch viel mehr, als der Sport je vermag. Mehr noch, sie erweitert euren Horizont.

Lieber Tom, ich freue mich, dass du weitergemacht hast. Lass dich nicht beirren, denn dein Weg ist der Richtige.



Lin Chung


Zitat:Nichts schadet dem Menschen mehr, als in einer ungeformten Individualität zu verharren, die durch Besserwisserei jedes Lernen verhindert.

Spruch vom Meister Kano: Das Neue ist nur das Alte, was in Vergessenheit geraten ist.
Grüße
Norbert Bosse
ボッセ・ノルベルト

Wissen stirbt, wenn es bewahrt wird, und lebt, wenn es geteilt wird.
Non scholae sed vitae discimus (Nicht für die Schule - für das Leben lernen wir)
You're only as old as you date. Keep em young boys!
tom herold
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kodokan judo

Beitrag von tom herold »

@Lin Chung: Erstmal viele herzliche Grüße in den Liang Shan! ;)
Es ist doch erfreulich, bemerken zu können, daß der eine oder andere das eine oder andere verstanden hat ...
Ich persönlich bin aus Erfahrung der Überzeugung, daß auch die Anhänger des reinen Wettkampf-Sports ihre Leistungen erheblich verbessern könnten, wenn sie sich auf das traditionelle Training einließen.
Aber was der Bauer nicht kennt ... ;)
Traditionelles Judo aber würde die (Organisations-)Strukturen unweigerlich verändern, und das wiederum ... mehr sage ich dazu nicht, sonst wird wieder jemand böse.
Freundliche Grüße
Tom


@Remy-Otoshi: Ich kann's ja nicht lassen - hier etwas erbauliche Kritik: auf der von dir angegebenen HP finden sich erste sehr ernsthafte Fehler bereits unter der Rubrik "Judo-Theorie". :(
Zum 56798. Mal: Judo bedeutet NICHT "Sanfter Weg"!!!! Die korrekte Übersetzung lautet: "Prinzip der Flexibilität / der Ökonomie"! Der Begriff Judo stammt nicht von Kano, sondern wurde in den Schulen (Ryu-ha) des Koryu Bujutsu bereits im 17. Jahrhundert (wahrscheinlich noch früher) verwendet. Der Begriff Judo kennzeichnet dort - und nicht nur dort!! - die "höchstmögliche Wirksamkeit bei der Anwendung der Techniken im Kampf" (siehe Jikishin-Ryu-Ju-Jutsu). genau das war es, was Kano mit dem von ihm geschaffenen Kampfsystem erreichen wollte - und aus diesem Grunde übernahm er den Begriff Judo für seine Kampfkunst!
Es ist also definitiv falsch, zu behaupten, Judo sei eine "Zweikampfsportart, die sich aus dem Jiu-Jitsu (heute Ju-Jutsu) entwickelt" habe. (Als 4. Dan sollte man so etwas aber wissen, meine Liebe!!)
Es sind dumme Fehler dieser Art, welche dem Nachwuchs den Weg zu einem tatsächlichen Verständnis des Judo erschweren bzw. unmöglich machen. Wenn man nämlich den auf deiner HP veröffentlichten Unfug lange genug als "theoretische Grundlagen des Judo" eingetrichtert bekommt, dann wird man die Fakten nicht mehr glauben wollen ...
Und noch etwas:
Es gibt kein "Jiu-Jitsu"! "Jiu Jitsu" bedeutet übersetzt "wohltuender Regen"!
Die Schriftzeichen MÜSSEN "Dschu Dschuts" ausgesprochen werden - das letzte "U" wird stumm.
Man darf die authentischen japanischen Schulen (Ryu-ha) des Jujutsu (=Koryu Bujutsu) aber bitte nicht mit der 1968 "gegründeten" "deutschen" Schule namens "Jujutsu" verwechseln. Da fanden sich nämlich ein verkrachter Judoka, ein ... na ja, Karateka und ein enorm erfolgloser Aikidoka zusammen, um ihr "Wissen" und "Können" in einen Topf zu werfen - und voila, heraus kam das "moderne" Jujutsu, das nun aber auch gar nichts mit den Schulen (Ryu-ha) des Koryu Bujutsu zu tun hat.
Wenn du schon schreibst, daß Judo "aus dem Jiu-Jitsu" entstand, wie wäre es denn dann, wenn du jene vierzehn grundlegenden Schulen des Koryu Bujutsu auch aufzählen würdest, die zuerst in den Kodokan einflossen und in diesem aufgingen?
Wie wäre es, wenn du darüber hinaus jene weiteren sieben Schulen (und mit Schulen=Ryu-ha sind jeweils komplette Kampfkünste des Koryu Bujutsu gemeint!!!) nennen würdest, die das Judo bis etwa 1915 komplettierten?
Ach, das kannst du nicht? Dir fehlen die Kenntnisse?
Wie kommst du dann auf die Idee, so etwas wie die Rubrik "Judo-Theorie" auf deiner Seite einzurichten?
Und wie kommst du dazu, das Prinzip des "Seiryoku Zenyo" zu vermischen mit dem im Judo NIRGENDS von Kano explizit formulierten angeblichen Prinzip des "Siegens durch Nachgeben"?
Ein solches Prinzip gibt es im Judo nicht!!!
Kano selbst schreibt dazu sinngemäß, man könne gewiß bei etlichen Gelegenheiten den Sieg davontragen, wenn man der Kraft des Gegners
ausweichen würde - allein, dies könne nicht unter allen Umständen funktionieren (und daher kein "Prinzip" sein!!!).
Was, so fragte er, solle man tun, wenn man bspw. von hinten umklammert werde? Wohin solle man denn dann "nachgeben"? Welche "Kraft" des Gegners - so Kano - wolle man denn dann durch "Nachgeben" aufheben?
Dies sind nur die ersten Dinge, die mir spontan aufgefallen sind - ich denke, daß es zwingend notwendig sein sollte, als Judoka korrekte Angaben über Theorie und Praxis des Judo machen zu können.
Folklore, auch wenn sie weit verbreitet ist, kann Wissen nicht ersetzen.
Und da sind wir wieder bei "Doxa" und "Episteme".
Leider, leider muß man festsellen, daß viele Leute inzwischen glauben, Meinungen seien dem Wissen gleichrangig.
Und leider, leider muß man auch feststellen, daß Experten zunehmend an Legitimität verlieren, da allgemein angenommen wird, daß jeder, der eine (unbelegte, unbewiesene) Meinung äußert, dem Experten und dessen Wissen gleichgestellt und damit ebenfalls ein "Experte" sei.
Auf diese Weise kommen Texte zustande wie der auf deiner HP.
Ich bin sicher, daß du dich vor dem Verfassen dieses Textes eben NICHT informiert hast, sondern nach dem Motto "Das ist ja allgemein bekannt" handeltest.
Noch einmal - als Judoka, als jemand, der vor Gruppen steht und Judo vermitteln will, hat man eine Verpflichtung. Diese Verpflichtung beinhaltet, das eigene Wissen (und Können natürlich) stetig auszubauen, stetig zu erweitern.
Dazu gehört aber auch unbedingt die profunde Kenntnis historischer Fakten!!
Ohne diese Kenntnis geht Wissen verloren - Wissen, welches in direktem Zusammenhang zum Geschehen auf der Matte steht.
Wer das leugnet, wer die Mühe ablehnt, sich weiterzubilden, sich zu informieren, der muß sich schon fragen lassen, was er da auf der Matte tut - und wieso er felsenfest glaubt, das, was er da tut sei Judo ...
Eine Frage kann ich mir dann doch nicht verkneifen: Wenn so viele Leute, die sich auf der Matte bewegen, keinerlei Interesse an profunden Kenntnissen im und über Judo haben - wieso trainieren sie dann nicht einfach etwas anderes?
Freundliche Grüße
Tom
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