E.Bälz Begründer des Judo ;)

Hier geht es um die Geschichte und um Traditionen des Judo
tom herold
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Historie

Beitrag von tom herold »

Wunschdenken!
Dazu reicht es schon, sich anzusehen, welche Ryû die Entstehung des Jûdô beeinflußten.
Was hätte "Sensei Bälz" überdies anzubieten gehabt ...?
Klar, da mußte ein toitscher Professor angetrabt kommen, um "den Studenten Kano" dazu "anzuregen", sich doch nun endlich mal mit dem "Jiu Jitsu" zu befassen (was Kano bereits vor Aufnahme seines Studiums ausgiebig getan hatte ... aber das nur nebenbei).
Wie gesagt: Bälz' angeblicher "Einfluß" auf die Gründung und Etablierung des Jûdô ist und bleibt Wunschdenken.
Aber es herrscht ja Glaubensfreiheit ...

Und so wird es immer Leute geben, die an den wundersamen Herrn Professor Bälz glauben und auch daran, daß das Jûdô eine Sportart ist und daran, daß japanische Kampfkünste eng mit dem Zen verbunden sind ...
Blablabla ...

Tom
Reaktivator
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Beitrag von Reaktivator »

Noch einmal:

1) Wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse gibt es bislang nicht. (vgl. auch die Beiträge von Dr. Dr. Jörg Möller)

2) Alles andere ist reine Spekulation.
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Syniad
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Beitrag von Syniad »

Hallo!
Ich habe hier ein Zitat aus „Erwin Bälz. Das Leben eines deutschen Arztes im erwachenden Japan“ (genaue Literaturangabe unten), in dem das Vorwort einer alten Auflage von Kanos „Jiu-Jitsu“ zitiert wird (was ich nicht selbst vorliegen habe).
Man kann bestimmt viel interpretieren und abwägen, aber wenigstens eines ist klar: Bälz sagt explizit von sich selbst, kein Jiu-Jitsu erlernt zu haben, wohingegen er zuvor durchaus Erfahrungen im Bogenschießen (ab 1879) und Fechten angibt. War also nix mit O-Sensei Bälz :rofl
Gruß,
Sonja

„Die Studenten an der Kaiserlichen Universität waren schlecht genährte, überanstrengte Jungen, die oft buchstäblich ganze Nächte durcharbeiteten und sich keinerlei körperliche Ruhe oder Übung gönnten, so daß sie oft vor den Prüfungen zusammenbrachen oder gar Todesfälle eintraten. […] Aber meine Bemühungen bei den Behörden um Errichtung einer Turnhalle und eines Turnplatzes waren vergeblich. […]
Um diese Zeit war es auch, daß ich zuerst die Bekanntschaft mit Jiu-Jitsu machte. Es war bei einem Besuch in der Provinzhauptstadt Tshiba. Als beim Gouverneur die Rede auf die moderne Erziehung kam, klagte ich über den Mangel an Interesse für jeden Sport unter der schwächlichen Jugend der höheren Stände. Der Gouverneur war ganz meiner Ansicht, und er bedauerte namentlich, daß eine ausgezeichnete, früher in Japan vielgeübte Kunst, nämlich Jiu-Jitsu, so ganz außer Gebrauch gekommen sei. Es werde eigentlich nur noch in seiner Stadt gepflegt, wo ein alter Lehrer, Totsuka, seine Polizisten darin unterrichtete, die ganz Erstaunliches leisteten, und bei Verhaftung von Verbrechern den größten Vorteil davon hätten. Er veranstaltete am nächsten Tag eine große Vorstellung, wobei der über siebzigjährige Totsuka zuerst die Prinzipien von Jiu-Jitsu auseinandersetzte und die einzelnen Griffe vormachte. Ich sah Dutzende von Wettkämpfen, und die Leistungen waren so erstaunlich und es wurden scheinbar so halsbrecherische Griffe und Bewegungen und Würfe ohne den geringsten Schaden ausgeführt, daß ich mir sagte, hier sei eine ideale Form der Gymnastik für meine Studenten.
Aber wieder hatte ich in Tokyo kein Glück. Der Direktor der Medizinschule und die anderen Herren an der Universität und im Unterrichtsministerium wollten von meinem Vorschlag, die Jiu-Jitsu-Leute von Tshiba zu einer Vorstellung nach Tokyo zu rufen, nichts wissen. Die Studenten, meinten sie, seien zur geistigen Arbeit da. Eine Kunst, die früherer Zeit, wo man sich gegen Bewaffnete zu schützen hatte, berechtigt war, habe jetzt keinen Zweck mehr. Auch meine Bemerkung, daß es sich ja nur um die gymnastische Seite der Sache handelte, fruchtete nichts. Da wollte ich gleich wie beim Fechten [Bälz nahm nach eigener Aussage bei einem japanischen Lehrer Unterricht, Anm. Sonja] auch das Jiu-Jitsu selbst vordemonstrieren. Aber leider fand sich kein Lehrer zum Unterricht bereit, denn man fürchtete, ich könnte mich mit meinen dreißig Jahren ernstlich verletzen […]
Aber inzwischen hatten doch auch einige aktive und frühere Studenten der Universität Jiu-Jitsu aufgenommen, und namentlich der junge Gelehrt Kano, der das Jiu-Jitsu weiter entwickelt hat und dem vor allem seine Popularisierung zu verdanken ist, wurde sein eifrigster Apostel. Als auch er und seine Kameraden baten, daß die Universität die Jiu-Jitsu-Kämpfer aus Tshiba kommen lassen möge, wurde endlich willfahren und es fand ein großer Wettkampf in der Aula der Universität statt. Dabei zeigte sich freilich auch, wie viel Übung die Erlernung der Kunst erforderte. Denn von all den jungen Männern in Tokyo war keiner, selbst Kano nicht, der als Gegner für irgendeinen der Polizeioffiziere in Frage kam.
Tags darauf kam der alte Totsuka mit seinem besten Schüler Sato zu mir, um mir für meine Bemühungen zu danken. Ich sehe ihn noch heute vor mir, den ehrwürdigen Greis, wie er mit Tränen der Freude und Rührung in den Augen vor mir stand und mich um mein Bild bat, das er bis ans Ende seines Lebens verehren werde. Es sei zwar beschämend für ihn als Japaner, daß ein Ausländer seinen Landsleuten habe sagen müssen, was sie an Jiu-Jitsu haben, aber er wisse doch jetzt, daß seine geliebte Kunst wieder zu Ehren kommen werde, und so könne er in Frieden in die Grube steigen.“

Aus dem Vorwort zu Kano, „Jiu-Jitsu“, Verlag Julius Hoffmann Stuttgart, zitiert nach: Toku Bälz (Hrsg.): Erwin Bälz. Das Leben eines deutschen Arztes im erwachenden Japan. Stuttgart (J. Engelhorns Nachf.) 1931. S. 89-91.
BadenIkkyu

*uff*

Beitrag von BadenIkkyu »

Danke für das Zitat . Sag mal gibts den Wälzer noch?
Aber das entspricht dem was ich gelernt habe .
Das Prof. Bälz Kano angeregt habe, Sport(gymnastik bzw Jiu jitsu ) zu treiben bzw überhaupt sich körperlich zu betätigen....
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Syniad
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Beitrag von Syniad »

Könnte schwierig werden, das Buch zu erhalten - sonst hätte ich mir auch nicht die Mühe gemacht, den Text abzutippen.
Ich habe es in unserer Universitätsbibliothek ausgeliehen.

Dass Kano keine Anregung von Bälz mehr brauchte, legt der Text eigentlich nahe. Ist aber nicht eindeutig.
Reaktivator
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Beitrag von Reaktivator »

@ Syniad: Obwohl in Deinen o.a. Postings - sowie auch in den weiter oben von meinem neuen Freund (?) T.H. gemachten - diverse Bemerkungen förmlich nach Widerspruch verlangen, versuche ich bewußt, mich nur auf einige belegbare Fakten zu beschränken und Formulierungen zu vermeiden, die - von wem auch immer - als persönlicher Angriff oder Provokation verstanden werden könnten.
Wenn Du feststellst, daß mir dies gelingt, bitte ich Dich, meinen guten Willen anzuerkennen. :D
Falls sich herausstellt, daß es mir nicht gelingt, bitte ich umgekehrt Dich, guten Willen zu zeigen und mir zu glauben, daß keine böse Absicht dahintersteckt. Vielleicht kann ich es einfach nicht besser.... :(

1) Baelz hat niemals behauptet, er habe Kano Judo/Jujutsu beigebracht.
Mir ist auch keine ernstzunehmende Veröffentlichung bekannt, in der das behauptet würde.

2) Es gibt aber in der Tat viele Berührungspunkte zwischen beiden - und zwar keineswegs nur in Bezug auf Judo/Jujutsu.
Darüber ist schon viel geschrieben worden - und wird in Zukunft wohl noch viel mehr, da nach jahrzehntelangem Stillstand die Baelz-Forschung in den letzten 10-15 Jahren neues Momentum erhalten hat, sowohl in Japan als auch in Deutschland.

3) Das zitierte Buch von Toku Bälz ist - in beiden unterschiedlichen Ausgaben - zwar nach wie vor ein wichtiges Dokument, aber leider nicht mehr auf dem aktuellen Stand der Forschung.
a) Die erste, etwas dünnere von 1930 wurde übrigens aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen 1933 und 1937 nachgedruckt, während die zweite aus dem Jahr 1931 hingegen deutlich umfangreicher war.
b) In beiden Ausgaben findet sich kein einziger mit Datum versehener Tagebuch-Eintrag Kano betreffend! (Die o.a. zitierte Textstelle wurde bei der Herausgabe des Buches durch Baelz´Sohn Toku einem anderen Buch entnommen und - ohne konkrete Datumsangabe - mehr oder weniger willkürlich hinzugefügt.)
c) Man muß sich darüber im Klaren sein, daß in diesem Buch nur ein kleiner Teil der Tagebucheinträge abgedruckt ist, keineswegs die "kompletten" Tagebücher.

4) Über die generelle Problematik der Baelz-Tagebücher und der aktuellen Quellenlage hat sich bereits Dr. Susanne Germann in ihrer im August 2006 herausgekommenen Dissertation "Die unveröffentlichten Reisetagebücher des Arztes, Anthropologen und Ethnologen Erwin Baelz (1849-1913)" ausführlich geäußert. Wer sich näher dafür interessiert, möge dort nachlesen.
(Kleine "Warnung": Auch dort findet sich nichts über Kano - denn das war nicht Gegenstand ihrer Untersuchung. Für "Judo-Leute" ist dieses Buch wohlgemerkt hauptsächlich deshalb interessant, um auf Deutsch überhaupt etwas über die Person Baelz´ zu erfahren und vor allem wegen der relativ ausführlichen Quellenkritik.)

5) Baelz und Kano kannten sich sehr gut - umstritten ist ab wann (vgl. mein früheres Posting).
a) Es gibt u.a. Dokumente, nach denen Kano Baelz mehrfach ersucht hat, ihm Wissen über den europäischen Sport zu vermitteln.
(Nur am Rande: Alleine schon aus diesem Grunde wäre es nicht verwunderlich, wenn Kano Baelz mit "Sensei" angeredet hätte. Da Baelz zudem Lehrer an der 1877 zur "Tokyo Universität" fusionierten Bildungseinrichtung war, Kano hingegen Schüler, war alleine schon von daher die Anrede "Sensei" japanischen Gepflogenheiten entsprechend ein absolutes "Muß" - es gibt also absolut keinen Grund, diese Begrifflichkeit ins Lächerliche zu ziehen.)
b) Baelz und Kano kannten sich übrigens sogar so gut, daß sich Kano durch die Vermittlung von Baelz ein Ferienhaus in dem Kurort Kusatsu gekauft hat, wo Baelz selber sich auch gerne aufhielt.
(Nur am Rande: Kusatsu ist nicht nur die Partnerstadt von Baelz´ Heimatstadt Bietigheim-Bissingen, sondern so etwas wie das Zentrum der Baelz-Forschung - und verdankt einen Teil ihrer Popularität eben jenem "toitschen Professor"....)

Zu diesem Thema gäbe es noch sehr viel mehr zu sagen - oder zu schreiben.
Falls ernsthaftes Interesse an weiteren Informationen besteht, könnte ich demnächst noch einige Häppchen nachliefern.
Ich werde jedoch ganz gewiß keine umfangreiche Abhandlung hier veröffentlichen.
Erstens fehlt mir dafür beim besten Willen die Zeit und zweitens habe ich irgendwie das Gefühl, daß ein derartiges Internet-Forum nicht der richtige Platz dafür ist....?
BadenIkkyu

Beitrag von BadenIkkyu »

Respekt Reaktivator! Dem ist nur noch hinzuzufügen dass es in Bietigheim -Bissingen ein Erwin-Bälz Museum gibt seit einiger zeit (ca 1, 2 Jahre oder so )
Reaktivator
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Beitrag von Reaktivator »

Danke für die Blumen, BadenIkkyu!

Aber eigentlich wäre dem noch sehr viel mehr hinzuzufügen - in Bezug auf das "Baelz-Museum" z.B., daß es ein solches seit einigen Jahren auch in Kusatsu gibt.
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Trax
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Re: *uff*

Beitrag von Trax »

BadenIkkyu hat geschrieben:Danke für das Zitat . Sag mal gibts den Wälzer noch?
Ich enpfehle mal wieder zvab.de, z.B. für Toku Bälz (Hrsg.): Erwin Bälz. Das Leben eines deutschen Arztes im erwachenden Japan

Viele Grüße
Tobias
Lin Chung
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Beitrag von Lin Chung »

Noch mehr Blumen. :D

Also zumindest hast du einen Big Point gemacht.
Grüße
Norbert Bosse
ボッセ・ノルベルト

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Beitrag von Syniad »

Reaktivator hat geschrieben: In beiden Ausgaben findet sich kein einziger mit Datum versehener Tagebuch-Eintrag Kano betreffend! (Die o.a. zitierte Textstelle wurde bei der Herausgabe des Buches durch Baelz´Sohn Toku einem anderen Buch entnommen und - ohne konkrete Datumsangabe - mehr oder weniger willkürlich hinzugefügt.)
Das weiß ich - die Quellenangabe von mir weist aber auch aus, woher der Text stammt! Habe aber, wie ich gerade sehe, vergessen zu schreiben, dass die Jahresangabe zu "Jiu-Jitsu", wie Du schreibst, fehlt (immer diese unwissenschaftlichen Texte von früher :( ).
Ich habe näheres ja auch sicherheitshalber schon an den Anfang des Postings geschrieben - für diejenigen, die sich nicht bis zur Quellenangabe durcharbeiten würden ;) .
Ansonsten sehe ich zwischen Zitat und Deinen Punkten keine "Widersprüche" (wie gut sich Kano und Bälz kannten, wird z. B. gar nicht behandelt). Vielen Dank aber für die Zusatz- und Hintergrundinformationen!
Gerade darum habe ich den Text ja ins Netz gestellt - damit er durch weitere Informationen von Leuten, die sich auskennen, "aufgefüttert" werden kann.
Reaktivator hat geschrieben: Da Baelz zudem Lehrer an der 1877 zur "Tokyo Universität" fusionierten Bildungseinrichtung war, Kano hingegen Schüler, war alleine schon von daher die Anrede "Sensei" japanischen Gepflogenheiten entsprechend ein absolutes "Muß" - es gibt also absolut keinen Grund, diese Begrifflichkeit ins Lächerliche zu ziehen.)
Da wirst Du Recht haben, und ich entschuldige mich.

Grüße,
Sonja
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Beitrag von Reaktivator »

Syniad hat geschrieben:Habe aber, wie ich gerade sehe, vergessen zu schreiben, dass die Jahresangabe zu "Jiu-Jitsu", wie Du schreibst, fehlt
@ Syniad: Es zeichnet Dich aus, daß Du selber noch auf die fehlende Jahresangabe des "Jiu-Jitsu" hinweist. :D
Aber eigentlich meinte ich das gar nicht:
Es geht mir um eine fehlende Datumsangabe innerhalb des zitierten Textes (konkret: Von welchem Tag redet Baelz eigentlich??). Dies wurde später auch nicht von Sohn Toku ergänzt.
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Syniad
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Beitrag von Syniad »

Tja, bin halt Studentin ;) . Hätte korrekterweise in die Angabe gehört, ich hatte das auch gesehen und schon geistig "vermerkt", aber schlicht vergessen, weil mich während des Abtippens jemand angerufen hat (werde wohl keine Multitaskerin mehr).

Du hast natürlich völlig Recht, eine genaue Datumsangabe fehlt. Da Bälz aber von sich als Dreißigjährigem spricht, kann man zumindest als Terminus Post Quem den Januar 1879 bestimmen, wenn wir davon ausgehen, dass die "Dreißig" nicht gerundet sind.
Reaktivator hat geschrieben: Zu diesem Thema gäbe es noch sehr viel mehr zu sagen - oder zu schreiben.
Falls ernsthaftes Interesse an weiteren Informationen besteht, könnte ich demnächst noch einige Häppchen nachliefern.
Gern, auch gern Happen. Dafür sind wir doch hier.

Viele Grüße,
Sonja
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Beitrag von Reaktivator »

Syniad hat geschrieben:Tja, bin halt Studentin ;) .
Das sieht man an der Uhrzeit Deiner Postings - wenn nämlich der "arbeitende Teil der Bevölkerung" eigentlich schon längst im Bett liegen müßte. ;)
Syniad hat geschrieben:Da Bälz aber von sich als Dreißigjährigem spricht, kann man zumindest als Terminus Post Quem für den Beginn seiner Überzeugungsarbeit den Januar 1879 bestimmen, wenn wir davon ausgehen, dass die "Dreißig" nicht gerundet sind.
Sehr gute Überlegung - Kompliment! :D
Aber vielleicht verhält es sich ja doch etwas anders...!? :(

Im übrigen war ich leider auch bei meiner "Klarstellung" immer noch ungenau (Es tauchen ja in der zitierten Textpassage mehrere Ereignisse, also auch mehrere Tage, auf...):

Ich bezog mich konkret auf seine Fahrt nach Chiba (von ihm in der alten Form geschrieben "Tschiba"), wo er nach eigener Aussage zum ersten Mal Jujutsu (von ihm geschrieben "Jiu-Jitsu") gesehen hat.
Syniad hat geschrieben:
Reaktivator hat geschrieben:Zu diesem Thema gäbe es noch sehr viel mehr zu sagen - oder zu schreiben.
Falls ernsthaftes Interesse an weiteren Informationen besteht, könnte ich demnächst noch einige Häppchen nachliefern.
Gern, auch gern Happen. Dafür sind wir doch hier.

Dann aber wohlgemerkt "demnächst" - denn zunächst einmal sollten ja auch die bisherigen Postings von möglichst vielen Leuten gelesen werden.... ;)
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Syniad
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Beitrag von Syniad »

Wie die meisten Studenten gehöre ich auch zur arbeitenden Bevölkerung, wenngleich in geringerem Maße .

Was das Datum betrifft: Ich fürchte, ein datiertes Zugticket wird's nicht mehr geben .
Im Text heißt es auch nur "Um diese Zeit" (i.e., als in den Zeitungen darauf hingewiesen wurde, dass er als Ausländer das Fechten erlernte).

Freue mich auf mehr Informationen zum Thema!
Zum Beispiel hierzu:
Reaktivator hat geschrieben: Aber vielleicht verhält es sich ja doch etwas anders...!? :(
Gibt es eine Quelle, die etwas anderes sagt? Oder nahelegt?
(Dies ist eine ganz sachliche, ernstgemeinte Nachfrage!)

Gute Nacht,
Sonja
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Beitrag von Reaktivator »

Syniad hat geschrieben:Gibt es eine Quelle, die etwas anderes sagt? Oder nahelegt?
(Dies ist eine ganz sachliche, ernstgemeinte Nachfrage!)
Sachliche Frage - sachliche Antwort:

Jein.

Wie bereits weiter oben gepostet, ist die Quellenlage gerade in Bezug auf die für uns so interessanten 1870er Jahre relativ dünn.

Es gibt aber u.a. konkrete Hinweise auf Verbindungen zwischen Baelz und der Tenjin-shinyo-ryu (Im gleichen Zeitraum, in dem Kano diese lernte!) - wobei ich jetzt hiermit allerdings nicht gesagt haben möchte, daß Baelz selber Jujutsu der Tenjin-shinyo-ryu gelernt hätte. (Also: Bitte Vorsicht beim Zitieren und/oder "Widerlegen"!)
Tengu
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Re: E.Bälz Begründer des Judo ;)

Beitrag von Tengu »

Hallo und guten Abend zusammen. :D

..ich möchte dieses Thema gerne wieder aktivieren, da es mir durchaus interessant erscheint noch offene Fragen zu durchleuchten. Vielleicht hat „Reaktivator“ ja zwischenzeitlich sogar neue Erkenntnisse, die weiter Licht ins Dunkel bringen. Wäre natürlich prima!

Reaktivator:
5a) Es gibt u.a. Dokumente, nach denen Kano Baelz mehrfach ersucht hat, ihm Wissen über den europäischen Sport zu vermitteln.
Um welche Dokumente handelt es sich hierbei genau?

Reaktivator:
5b) Baelz und Kano kannten sich übrigens sogar so gut, daß sich Kano durch die Vermittlung von Baelz ein Ferienhaus in dem Kurort Kusatsu gekauft hat, wo Baelz selber sich auch gerne aufhielt.
Wo findet sich diese Information?

Reaktivator:
Es gibt aber u.a. konkrete Hinweise auf Verbindungen zwischen Baelz und der Tenjin-shinyo-ryu (Im gleichen Zeitraum, in dem Kano diese lernte!) - wobei ich jetzt hiermit allerdings nicht gesagt haben möchte, daß Baelz selber Jujutsu der Tenjin-shinyo-ryu gelernt hätte.
Wo kann man mehr darüber nachlesen?

...bin gespannt,
Gruß Tengu
Zuletzt geändert von Fritz am 29.12.2008, 11:42, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: Zitate an die im Forum übliche Form angepaßt.
Tengu
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Re: E.Bälz Begründer des Judo ;)

Beitrag von Tengu »

Hallo und ein frohes neues Jahr zusammen.

...hmmm, vielleicht ist "Reaktivator" ja noch im Urlaub, daher also meine Ende des letzten Jahres gestellten Fragen an ALLE ;)

Gruß Tengu
Jupp
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Re: E.Bälz Begründer des Judo ;)

Beitrag von Jupp »

Bälz muss in Japan als Experte für die Kampfkünste oder als Experte für Erziehung durch Leibeserziehung angesehen worden sein. Niehaus weist in seinem Buch (2003, S. 77) darauf hin, dass Bälz schon 1883 (also in dem Jahr nach Gründung des Kodokan!) in einer Kommission des Taiso denshujo gewesen ist, die im Auftrag des Erziehungsminsiteriums verschiedene Kampfkunststile (darunter auch fünf Ju-jutsu Stile) untersuchte, um herauszufinden, ob "die traditionellen Kampfkünste den Erfordernissen einer modernen, wissenschaftlich fundierten Leibeserziehung nach westlichem Vorbild genügen konnten." (Niehaus 2003, S.82) Nach einem über einjährigen Untersuchungszeitraum kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass "man die untersuchten Kampfkünste ... nicht zur Aufnahme in den regulären Unterricht empfehlen könne." (Niehaus ebenda)
Kanos Vortrag vor der Dai Nihon Kyokukai (Großjapanischen Gesellschaft für Erziehung) aus dem Jahre 1889 (also 6 Jahre später) verfolgte vor allem die Absicht, die Mitglieder dieser Gesellschaft davon zu überzeugen, dass Judo ein geeignetes Erziehungsmittel für die japanische Jugend sei und in den Lehrplan der Schulen aufgenommen werden müsse.
Die gemeinsame Interessenlage von Bälz und Kano scheint sich also in den Themen "Kampfkünste/Ju-justu/Judo" und "Leibeserziehung an den Schulen" zu finden. Es ist davon auszugehen, dass Kano und Bälz sich in der Zeit zwischen 1883 und 1889 zu diesen Themen ausgetauscht haben.

Jupp
tutor!
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Re: E.Bälz Begründer des Judo ;)

Beitrag von tutor! »

Reaktivator ist in der Tat im Moment nicht verfügbar. Ich bin derzeit auf Dienstreise und habe nur eingeschränkt Zugriff auf meine Unterlagen. Die Verbindung von Baelz zu Tenjin-shinyo-ryu kann ich jedoch möglicherweise aufklären.

Baelz hatte, was weiter vorne im Faden erwähnt wurde (Syniad hat die Fundstelle dankenswerter Weise abgetippt), um das Jahr 1880 in Tshiba Kontakt zu dem jujutsu-Lehrer Totsuka. Dieser praktizierte Yoshin-ryu, die Schule aus der Tenjin-shinyo-ryu hervorgegangen ist.

Baelz zeigte starkes Interesse und wollte – siehe oben – selbst jujutsu lernen. Wo und bei wem geht allerdings aus der Quelle nicht hervor, zu vermuten ist aber, dass er nicht in Tshiba, sondern in Tokyo, wo er lebte, trainieren wollte. Aber er fand keinen Lehrer, wie oben beschrieben – was aber nichts anderes heißt, dass er einen suchte.

Aus den Äußerungen von Baelz geht weiter hervor, dass zu dieser Zeit das Unterrichtsministerium keinerlei Interesse an jujutsu hatte. Es musste sich also um die Zeit vor 1883 handeln.

1883 wurde eine Kommission eingesetzt, in der auch Baelz vertreten war. Es sollten drei Kenjutsu-Stile, 5 Jujutsu-Stile (darunter Tenjin-shinyo-ryu und Kito-ryu) und ein Iaido-Stil auf ihre Tauglichkeit für die Leibeserziehung hin untersucht werden. Das Ergebnis war letztendlich negativ, eine Empfehlung wurde nicht ausgesprochen, obwohl sich Baelz als Befürworter stark gemacht hat.

Kano hat in seiner Präsentation 1889, als er den Wert des Kodokan-Judo als Leibeserziehung für Schulen dargelegt hat, deutlich auf die Kritik der damaligen Kommission reagiert und diese Punkt für Punkt bezogen auf Kodokan-Judo entkräftet. Mir sind zwar keine Dokumente bekannt, in denen Kano Baelz wegen eines fachlichen Rates in Bezug auf Leibeserziehung kontaktiert hätte, ich aber an seiner Stelle hätte natürlich mit dem Kommissionsmitglied Kontakt aufgenommen, das sich nur wenige Jahre zuvor als Fürsprecher gegenüber dem Erziehungsministerium erwiesen hat.

Sein Erziehungskonzept mit den Bereichen Leib, Moral und Intellekt erinnert stark an das Konzept von Kopf, Herz und Hand aus der Pädagogik Pestalozzis, das Herbert Spencer, dessen Gedanken Kano sehr zugetan war, stark beeinflusst hat. Außerdem war im damaligen Japan die Pädagogik Herbarts äußerst populär. Des Weiteren haben wir feststellen können, dass die Gedanken zur Leibeserziehung, insbesondere ihre Verbindung zur intellektuellen Erziehung erstaunliche Parallelen zu GutsMuths aufweisen. Kano, der stets japanische Tradition mit modernen (= Anfang der Meji-Zeit importierten) wissenschaftlichen Erkenntnissen zu einer Synthese brachte, muss unterstellt werden, dass er sich auch über das deutsche System der Leibeserziehung informiert hat. (später, als er 1890 fast ein halbes Jahr in Berlin gelebt hat, tat er es definitiv).

Nachzulesen ist dies allermeiste bei Niehaus. Außer seiner Dissertation gibt es im Netz noch einen Vortrag, den er an der Keio-Universität gehalten hat und auf dem dortigen Server zum Download bereit liegt. Einfach mal die Namen Niehaus, Baelz und Kano googeln.

Uuups - hat sich mit Jupps Antwort überschnitten - zeitlich und inhaltlich 8)
I founded a new system for physical culture and mental training as well as for winning contests. I called this "Kodokan Judo",(J. Kano 1898)
Techniques are only the words of the language judo (Cichorei Kano, 24.12.2008)
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