Das Wörtchen "Sport" - eine geschichtliche Betrachtung

Hier geht es um die Geschichte und um Traditionen des Judo
tutor!
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Das Wörtchen "Sport" - eine geschichtliche Betrachtung

Beitrag von tutor! »

In letzter Zeit habe ich häufiger über Sprache nachgedacht. Vor allem darüber wie sie einer Verständigung dient oder wie es zu Missverständnissen kommt.

Wer sich der Sprache bedient benutzt Begriffe. Damit man sich zu zweit oder in der Gruppe verständigen kann, das heißt, damit jeder auch das versteht, was gemeint ist, ist es unbedingt wichtig, dass jeder Beteiligte den jeweiligen Begriffen dieselbe Bedeutung zuschreibt.

Werden die Inhalte komplexer, benutzt man eine Fachsprache – und schon ist es vorbei mit der einfachen Verständigung, denn viele Begriffe sind in einer Fachsprache anders definiert als in der Umgangssprache. Dazu kommt noch, dass manche Begriffe im Laufe der Zeit einen Bedeutungswandel erfahren. So verstand man vor wenigen Jahrzehnten unter dem Begriff „geil“ ausschließlich ein übersteigertes sexuelles Verlangen, während dasselbe Wort heute so viel wie „toll“ oder „ich liebe es“ zum Ausdruck bringen will. Der Werbung sei Dank!

Ich habe nach vielen, vielen Jahren in letzter Zeit wieder häufiger über den Begriff „Sport“ nachgedacht – auch angeregt durch aufgeregte Debatten hier im Forum. Deshalb möchte ich einfach einmal vollkommen unabhängig von Judo etwas über den Begriff „Sport“ und seinen Bedeutungswandel seit dem 19. Jahrhundert schreiben.

Vielleicht wird ja einer unserer Jugendlichen durch diese Zeilen angeregt, einmal eine Facharbeit in diesem weiten Feld zu schreiben, was mich sehr freuen würde. Ansonsten mag dieser Beitrag als Beispiel dienen, wie wichtig es ist, dass Begriffe, wenn man sie verwendet, klar definiert werden müssen.

Sport – woher stammt der Begriff eigentlich?

Der Begriff „Sport“ leitet sich aus dem:
- englischen „disport“
- französischen „(se) des(s)porter“
- lateinischen deportare
ab, was so viel wie „sich zerstreuen“ oder „sich vergnügen“ heißt.

Im Jahr 1840 wurde das Wort erstmals in Österreich in der „Allgemeinen Theaterzeitung“ erwähnt und bedeutete „Liebhaberei, Hobby, Steckenpferd, Pferdewetten“

Im ausgehenden 19. Jahrhundert bezeichnete „Sport“ Freizeitbeschäftigungen eines Gentleman, die mit gewisser körperlicher Tätigkeit verbunden waren.

Spezielle Formen des (Sports in England!) waren Wettbewerbe oder Wettkämpfe z.B. im Schwimmen, Rudern, der Leichtathletik. Aber es fanden sich auch Formen des Spiels, die eine neue Gattung bildeten: das Sportspiel, wie z.B. Fußball.

Ziele und Sinndimensionen des Sports waren also damals Leistung, Sieg aber auch Zerstreuung.

In Deutschland lag man aber nicht auf der faulen Haut, sondern man pflegte schon länger allerlei Leibesübungen. Bereits Ende des 18. Jahrhunderts hat GutsMuths – so manchem Judoka von der Anschrift des BLZ in Köln wenigstens dem Namen nach bekannt – die körperliche Ertüchtigung als Teil einer ganzheitlichen Erziehung betrachtet. Er fasste diese Übungen unter der griechisch-stämmigen Bezeichnung „Gymnastik“ zusammen. „Gymnastik“ nach GutsMuths umfasste alle körperlichen Aktivitäten, die für die Erziehung förderlich waren, also Laufen, Springen (z.B. Stabweitsprung!), Hangeln, Schwimmen und jede Menge Spiele. GutsMuths erkannte, dass Wettkämpfe förderlich für die Motivation seien und fügte sie in sein System ein.

Anfang des 19. Jahrhunderts ist Deutschland weitgehend von Napoleon besetzt und der Deutschnationale Friedrich Ludwig Jahn machte sich daran, dieses zu ändern. Unter den Augen der Besatzungsmacht entwickelte er auf der Hasenheide in Berlin sein „Turnen“, das alles umfasste, was auch GutsMuths Gymnastik beinhaltete. Er wollte schlicht einen deutschen Namen für sein „System“, weil ihm das griechische „Gymnastik“ nicht behagte. Nun wissen wir nicht genau, ob er „Turnen“ von „thummeln“ abgeleitet hat, oder versehentlich vom französischen „tourner“, was so viel wie drehen oder wenden heißt.

Tatsache war aber, das sein Turnen alle Arten von Leibesübungen enthielt und noch ein wenig mehr. Während GutsMuths an Erziehungsideale dachte, ging es Jahn um den Befreiungskampf gegen Napoleon und um die deutsche Einheit. Daher standen bei ihm
- Wehrertüchtigung,
- straffe Organisation in der Gruppe („Riege“, „Riegenführer“, „Vorturner“)
- vaterländische Gesinnung
- Ehre
ganz oben auf dem Programm.

Nachdem es aber nach dem Wiener Kongress nichts mit dem deutschen Nationalstaat wurde, verlor auch das preußische Königshaus das Interesse an Jahn und Turnen wurde sogar verboten (bekannt als Turnsperre).

Merkwürdigerweise wurde wieder mehr Gymnastik gemacht und ein Schelm ist, wer dabei auf den Gedanken kommt, dass es Turner waren.

Nachdem sich Jahn innerlich vom deutschen Nationalstaat verabschiedet hatte und sich für ein preußisches Erbkaiserreich aussprach bekam das Turnen wieder eine Chance. Es wurde sogar Pflichtfach an preußischen Schulen und beinhaltete „Ordnungs- und Aufstellungsübungen“ – andernorts nennt man so etwas heute noch exerzieren.

Turnen und Gymnastik waren also Systeme, die alle Formen von körperlichen Übungen beinhalteten und jeweils mit konkreten Erziehungszielen, bzw. Ideologien versehen waren. Vor allem Turner (der Begriff der Gymnastik wurde langsam verdrängt) rekrutierten sich aus dem deutsch-nationalen bürgerlichen Lager.

Von England her schwappte vor allem der Fußball nach Deutschland und wurde vor allem von Turnern als „undeutsche Fußlümmelei“ abgetan. Es gab sogar Verbotsforderungen.

Durch die Olympischen Spiele wurde der Begriff Sport noch mehr in Richtung Wettkampf und Leistung definiert, während die Turner ja immer die Gesamtbildung des Menschen im Blick hatten. So langsam ging den Leuten aber ein Licht auf, nämlich dass sie im wesentlichen dasselbe, oder zumindest ähnliches taten - nur mit anderen Zielvorstellungen.

„Sport“ entwickelte sich daher in der Folge zu einem Oberbegriff, der in seiner Bedeutung natürlich entsprechend ausgeweitet zu verstehen ist. Turnen wurde danach zu einer Sportart, genauso wie Gymnastik. Turnen und Gymnastik sind daher von ihrem inhaltlichen Spektrum mittlerweile enger gefasst. „Sport“ als Oberbegriff kann durchaus auch „erziehender“ Sport sein und muss nicht auf Leistung begrenzt sein. Der Sportbegriff ist also bedeutend weiter gefasst und deckt Sinndimensionen wie „Freizeit und Erholung“, „Leistung“, „Spannung und Abenteuer“, (körperliche) „Entwicklung“, „Spiel“ u.a.m. it ab.

Wenn man also „Sport“ als Begriff verwendet, sollte allen Beteiligten klar sein, in welcher Bedeutung der Begriff gerade verwendet wird. Ansonsten gibt es zwangsläufig Miss-Verständnisse. Wer mehr wissen möchte benutzt bitte die Suchmaschine seiner/ihrer Wahl. Das Netz ist voll mit Präsentationen aus Vorlesungen zur Sportgeschichte – oder korrekter: zur Geschichte der Leibesübungen.

Nur ein Link vielleicht: wie der DOSB heute Sport definiert:
http://www.dosb.de/de/organisation/phil ... efinition/

Kleine Ergänzung am "Morgen danach" ;)

Unter oben angegebenem Link finden wir:
Die Vereine und Verbände des Sports bekennen sich zu einem humanistisch geprägten Menschenbild und zum Fairplay. Ihr Sportangebot dient dem Menschen zur bewegungs- und körperorientierten ganzheitlichen Entwicklung der Persönlichkeit und strebt Gesundheit in physischer, psychischer und sozialer Hinsicht an.

Bitte mal ganz unabhängig von der eigenen Erfahrung und von der eigenen Wahrnehmung der Realität und der praktischen Umsetzung dieses Zitat auf Euch wirken lassen!

Der DOSB erweitert zwar nicht den Sportbegriff (kann er auch gar nicht, weil er nicht Sprache schaffen kann), aber fordert eine Ausrichtung des Angebots aller Vereine und Verbände an einem humanistischen Menschenbild und an einer ganzheitlichen Entwicklung des Menschen!
Zuletzt geändert von tutor! am 13.09.2008, 13:49, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Das Wörtchen "Sport"

Beitrag von Syniad »

tutor! hat geschrieben: Der Begriff „Sport“ leitet sich aus dem:
- englischen „disport“
- französischen „(se) des(s)porter“
- lateinischen deportare
ab, was so viel wie „sich zerstreuen“ oder „sich vergnügen“ heißt.
Ich ergänze:
deportare (de-portare): "'wegbringen, -tragen, fortschaffen', spätlat. auch 'belustigen, amüsieren', eigentl. 'seine Aufmerksamkeit von etwas ablenken'". aus: Pfeifer, Wolfgang: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen: München (dtv) 1997. 3. Aufl. S. 1330. Lemma: Sport.
Falls sich noch andere fragen, wie "deportare" zu der Bedeutung kam ;).

Gruß,
Sonja
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Die Sprache und die Ideologien

Beitrag von HBt »

Tutor hat geschrieben: Tatsache war aber, das sein Turnen alle Arten von Leibesübungen enthielt und noch ein wenig mehr. Während GutsMuths an Erziehungsideale dachte, ging es Jahn um den Befreiungskampf gegen Napoleon und um die deutsche Einheit. Daher standen bei ihm
- Wehrertüchtigung,
- straffe Organisation in der Gruppe („Riege“, „Riegenführer“, „Vorturner“)
- vaterländische Gesinnung
- Ehre
ganz oben auf dem Programm.
Jou, ein klasse Beitrag.
Hierzu gab es letztens eine zweiteilige ARTE DOKU im Fernsehen (dem Volksverdummer!, außer ARTE natürlich ;) ), habt Ihr diese gesehen?
Zuletzt geändert von HBt am 14.09.2008, 11:17, insgesamt 1-mal geändert.
tutor!
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Re: Die Sprache und die Ideologien

Beitrag von tutor! »

HBt hat geschrieben:
Tutor hat geschrieben: Tatsache war aber, das sein Turnen alle Arten von Leibesübungen enthielt und noch ein wenig mehr. Während GutsMuths an Erziehungsideale dachte ging es Jahn um den Befreiungskampf gegen Napoleon und um die deutsche Einheit. Daher standen bei ihm
- Wehrertüchtigung,
- straffe Organisation in der Gruppe („Riege“, „Riegenführer“, „Vortruner“)
- vaterländische Gesinnung
- Ehre
ganz oben auf dem Programm.
Jou, eine klasse Beitrag.
Hierzu gab es letztens eine zweiteilige ARTE DOKU im Fernsehen (dem Volksverdummer!, außer ARTE natürlich ;) ), habt Ihr die gesehen?
Ich hab´s leider nicht gesehen, aber hier einen Link mit einer mehr als deutlichen Wertung von Jahns Wirken gefunden: http://www.waldstrassenviertel.de/jahn.htm

Vieles von dem, was ich dort gelesen habe, stimmt mit meiner Erinnerung an die Erzählungen und Ausführungen meines äußerst geschätzten Professors und (sport-)wissenschaftlichen Mentors überein. In der NS-Zeit wurde stark auf Jahn und seine Ideologie zurückgegriffen - als Teil einer politischen Instrumentalisierung der Leibesübungen (um jetzt bewusst den Begriff "Sport" zu vermeiden).

Aus Vorlesungsunterlagen der Uni Wien:
http://www.univie.ac.at/Sportwissenscha ... Turnen.pdf
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Beitrag von HBt »

Welche Ziele verfolgen die Sporttreibenden, ganz allgemein? Welche Beweggründe haben sie, welchen Nutzen können sie aus
ihrer Disziplin ziehen? Wo sind die Berührungspunkte mit Kanos Erziehungsidealen?
tutor!
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Re: Fragen

Beitrag von tutor! »

HBt hat geschrieben:Welche Ziele verfolgen die Sporttreibenden, ganz allgemein? Welche Beweggründe haben sie, welchen Nutzen können sie aus
ihrer Disziplin ziehen? Wo sind die Berührungspunkte mit Kanos Erziehungsidealen?
Das Verhältnis von Judo und Sport wurde und wird ja häufiger diskutiert. Wir finden Komposita (zusammengesetzte Begriffe) wie "Judosport" oder hier im Forum eine neue Wortschöpfung "Sportjudo", oder Debatten wie "ist Judo ein Sport / eine Sportart" oder ist Judo mehr als ein(e) Sport(art) oder ist Judo auch ein(e) Sport(art) usw. Diese Debatten wurden ja teilweise sehr fundamentalistisch geführt - mit klaren Abgrenzungen.

Mir fällt es nicht schwer, jeder der vertretenden Positionen recht zu geben - aber mit der Einschränkung, dass das jeweils passende Verständnis des Begriffs "Sport" zu Grunde gelegt wird.

Kanos Ideen passen überhaupt nicht zu dem in seiner Zeit herrschenden Begriffsverständnis von Sport, so dass klar ist, dass er Judo nicht als Sport betrachten konnte. Von den erzieherischen Grundgedanken passt es am besten zu den Vorstellungen von GutsMuths ("Gymnastik"), wobei der Begriff im englischen wiederum eine andere Bedeutung hatte (nämlich im wesentlichen Gerätturnen meinte).

Aus historischer Sicht würden mich vor allem zwei Dinge interessieren:
  • welche Tradition in der Verknüpfung körperlicher Übungen und Persönlichkeitsentwicklung fand Kano in Japan vor?
  • wie und warum kam er auf die Idee einer "nationalen Leibeserziehung" - gab es hierzu ausländische Vorbilder? (Das japanische Bildungssystem wurde in der Meji-Zeit nach preußischem Vorbild aufgebaut!)
Aus Gegenwarts-Sicht interessieren natürlich vor allem die Motive der Judo-Treibenden. Ein Bedürfnis nach abgerissenen Fingernägeln und blauen Flecken dürfte es wohl nur in den seltensten Fällen sein. Das sollten wir berücksichtigen und danach müssen wir das Judo ausrichten, das wir anbieten.
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Fritz
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Re: Das Wörtchen "Sport" - eine geschichtliche Betrachtung

Beitrag von Fritz »

tutor! hat geschrieben:Aus Gegenwarts-Sicht interessieren natürlich vor allem die Motive der Judo-Treibenden. Ein Bedürfnis nach abgerissenen Fingernägeln und blauen Flecken dürfte es wohl nur in den seltensten Fällen sein. Das sollten wir berücksichtigen und danach müssen wir das Judo ausrichten, das wir anbieten.
Das da kein Bedürfnis nach abgerissenen oder wenigstens böse umgeknickten
Fingernägeln da ist, kann ich nicht bestätigen, wenn ich mir überlege, wie oft ich Leute
von der Matte zum Schneiden der Fingernägel schicken muß ;-)

Blaue Flecke lassen sich auch nicht vermeiden, es würde "perfekte Technik" voraussetzen,
leider melden sich aber immer nur Anfänger an und nicht fertige "Mifunes" oder so...

Ich bin auch nicht der Meinung, daß man Judo nun unbedingt an den Zeitgeist ausrichten muß,
insbesondere dann nicht, wenn der Zeitgeist gerade ruft: "Bloß kein Schmerz, bloß keine Anstrengung,
schön konsumieren, lieber drüber reden als handeln, Egoismus ist toll usw. usf."

Ansonsten kommt es wie überall zu der Erkenntnis, daß es allen nicht recht gemacht werden
kann, naja und wenn es so ist, dann mache ich es halt so,
daß es den Leuten recht ist, die nicht mit dem o.g. "Zeitgeist" konform gehen, habe ich mit solchen
Menschen zu tun, dann fühle _ich_ mich in deren Gesellschaft wohl... ;-)

Mit Sport im Sinne von Bewegen um der Bewegung willen, kann ich für _mich_ in der Regel nichts
anfangen. Gottseidank ist Judo anders.
Aus historischer Sicht würden mich vor allem zwei Dinge interessieren:
  • welche Tradition in der Verknüpfung körperlicher Übungen und Persönlichkeitsentwicklung fand Kano in Japan vor?
  • wie und warum kam er auf die Idee einer "nationalen Leibeserziehung" - gab es hierzu ausländische Vorbilder? (Das japanische Bildungssystem wurde in der Meji-Zeit nach preußischem Vorbild
aufgebaut!)
Das steht in der Dissertation von Andreas Niehaus sehr ausführlich beschrieben:
Leben und Werk KANO Jigoros (1860-1938): Ein Forschungsbeitrag zur Leibeserziehung und zum Sport in Japan, Verlag: Ergon;
Auflage: 1 (Dezember 2003) # ISBN-10: 3899133102 # ISBN-13: 978-3899133103
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Re: Das Wörtchen "Sport" - eine geschichtliche Betrachtung

Beitrag von tutor! »

Fritz hat geschrieben:
tutor! hat geschrieben:Aus Gegenwarts-Sicht interessieren natürlich vor allem die Motive der Judo-Treibenden. Ein Bedürfnis nach abgerissenen Fingernägeln und blauen Flecken dürfte es wohl nur in den seltensten Fällen sein. Das sollten wir berücksichtigen und danach müssen wir das Judo ausrichten, das wir anbieten.
Ich bin auch nicht der Meinung, daß man Judo nun unbedingt an den Zeitgeist ausrichten muß,
Oh, das will ich keinesfalls - das Judo ist in seinem Kern nicht "verhandelbar". Aber wir sollten die Art und Weise, wie wir es anbieten, reflektieren.
Fritz hat geschrieben:
Aus historischer Sicht würden mich vor allem zwei Dinge interessieren:
  • welche Tradition in der Verknüpfung körperlicher Übungen und Persönlichkeitsentwicklung fand Kano in Japan vor?
  • wie und warum kam er auf die Idee einer "nationalen Leibeserziehung" - gab es hierzu ausländische Vorbilder? (Das japanische Bildungssystem wurde in der Meji-Zeit nach preußischem Vorbild
aufgebaut!)
Das steht in der Dissertation von Andreas Niehaus sehr ausführlich beschrieben:
Leben und Werk KANO Jigoros (1860-1938): Ein Forschungsbeitrag zur Leibeserziehung und zum Sport in Japan, Verlag: Ergon;
Auflage: 1 (Dezember 2003) # ISBN-10: 3899133102 # ISBN-13: 978-3899133103
:D Vielleicht habe ich mich zu allgemein ausgedrückt: konkret würde mich interessieren, ob Kano die Schriften von GutsMuths gelesen hat. Die Parallelen sind so frappierend, dass ich kaum an einen Zufall glaube! Es kann natürlich auch sein, dass dieses Gedankengut mündlich an Kano herangekommen ist.
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Fritz
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Re: Das Wörtchen "Sport" - eine geschichtliche Betrachtung

Beitrag von Fritz »

Oh, das will ich keinesfalls - das Judo ist in seinem Kern nicht "verhandelbar". Aber wir sollten die Art und Weise, wie wir es anbieten, reflektieren.
Und wie bieten wir es an?
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Re: Das Wörtchen "Sport" - eine geschichtliche Betrachtung

Beitrag von tutor! »

Fritz hat geschrieben:
Oh, das will ich keinesfalls - das Judo ist in seinem Kern nicht "verhandelbar". Aber wir sollten die Art und Weise, wie wir es anbieten, reflektieren.
Und wie bieten wir es an?
Jeder etwas anders! Diese Pluralität ist ja auch nicht verkehrt, denn sie lässt Wahlmöglichkeiten.

Die Motive, warum jemand zum Judo kommt, können sehr unterschiedlich sein und reichen vom Fitneß-Gedanken über die Selbstverteidigung zu Wettkampf oder zu "Bewegung als Gemeinschaftserlebnis". Judo bietet durch die Vielfalt von
- Kata,
- Randori,
- Shiai
eine riesige Palette unterschiedlicher Spielarten, die in unterschiedlichen Lebensphasen mit unterschiedlicher Bedeutung und Schwerpunktsetzung ausgeübt werden können.

Mit Kata meine ich nicht nur die kompletten Abläufe "fertiger" Kata, sondern alle Aktionen, bei denen beide Rollen - Tori und Uke - vorgegeben sind. Randori ist ein Spiel und eine Art Nervenkitzel, auf das man sich einlassen muss - jenseits des Gedankens an Sieg und Niederlage. Der Shiai dagegen ist die Nagelprobe für die Effektivität.

Die gemeinsame Klammer wird durch die Techniken gebildet, die eine unglaubliche Vielfalt an körperlichen aber auch geistigen Herausforderungen bereithalten und dafür sorgen, dass immer wieder neue Anregungen möglich sind.

Aus diesem "Meer der Möglichkeiten" können die ÜL und Trainer schöpfen und Ihre Auswahl an die Gruppeninteressen anpassen. Dazu braucht man das Judo nicht anzupassen oder zu verbiegen, sondern man muss es nur in seiner Breite zu nutzen wissen.

BTW und OT: Ich wäre für Prüfungen bis zum 8. Dan, aber bitte mit Kata, Randori und Shiai als Prüfungsfächer. Shiai sollte durch Turnierergebnisse bis zum 60. Lebensjahr nachgewiesen werden. Entsprechende Veranstaltungen gibt es ja oder man könnte sie nach japanischem Vorbild durchführen. Die Verleihung für "Verdienste" sollte nicht die Regel, sondern die absolute Ausnahme bleiben.
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Re: Das Wörtchen "Sport" - eine geschichtliche Betrachtung

Beitrag von tom herold »

Hallo Tutor, interessante Gedankengänge - leider ist wieder deutlich zu bemerken, daß sich dein Bild des Jûdô ja doch am Sport ausrichtet.
- Kata,
- Randori,
- Shiai
... ist eine Einteilung, die unvollständig ist. Es fehlt, daß Kano selbst Wert darauf legte, sein Jûdô in zwei weitere Bereiche einzuteilen (die nur scheinbar nichts mit dem Geschehen auf der Matte zu tun haben): Mondo und Vorträge.

Du schreibst:
Der Shiai dagegen ist die Nagelprobe für die Effektivität.
Nein. Ist er nicht.
Denn Wettkampf ist Sport und nichts anderes und unterliegt damit vorgefertigten Regeln (was ja nichts Schlechtes sein muß). Eine wirkliche Auseinandersetzung ist der Wettkampf jedoch nicht, denn der Kontrahent ist je kein echter Gegner, sondern eben nur das - ein sportlicher Kontrahent.
Ich persönlich finde (Achtung: Meinung!), daß man eine solche sportliche, reglementierte Auseinandersetzung nicht zur "Nagelprobe der Effektivität" erheben sollte.

Du schreibst:
Die gemeinsame Klammer wird durch die Techniken gebildet, die eine unglaubliche Vielfalt an körperlichen aber auch geistigen Herausforderungen bereithalten und dafür sorgen, dass immer wieder neue Anregungen möglich sind.
Könnte man so sehen. Ich persönlich bin jedoch der Meinung, daß die "Klammer" vielmehr eine andere ist - nämlich das "Drei-Kulturen-Prinzip", welches Kano formulierte.

Und genau daran krankt das Sportjudo im Moment, denke ich.
Es wird lediglich eine Ebene (= "Kultur") beachtet, und das ist die Ebene der körperlichen Fähigkeiten / Fertigkeiten.
Das wiederum ist dem Menschenbild geschuldet, das der Sport im allgemeinen impliziert.
Es geht um den "Sieger", um den "Sieg" und um nichts anderes. Jedenfalls dann, wenn es Wettkampfsport ist.
Zudem ist diese Ebene des Jûdô nicht einmal in ihrer Gänze Ziel des Trainings - nicht im Sportjudo. Es fehlt nämlich die ernsthafte (!) Beschäftigung mit dem, was man effektive (!) Selbstverteidigung nennt. Und das ist auch verständlich, denn eine solche Beschäftigung kostet Zeit - und die nutzt man als Wettkämpfer eben lieber, um das zu trainieren, was im nächsten Wettkampf nützlich ist. (Das ist kein Vorwurf, sondern lediglich die Feststellung einer Tatsache, basierend auf zahlreichen Aussagen mir bekannter Wettkämpfer).

Du schreibst (und da stimme ich dir absolut zu!!), daß man Verleihungen nicht mehr für "Verdienste" vornehmen sollte.
Du schreibst aber auch (und das nenne ich ein Gefangensein im Denken des Sports):
BTW und OT: Ich wäre für Prüfungen bis zum 8. Dan, aber bitte mit Kata, Randori und Shiai als Prüfungsfächer. Shiai sollte durch Turnierergebnisse bis zum 60. Lebensjahr nachgewiesen werden.
Um es klar zu sagen: ich habe überhaupt nichts gegen Wettkämpfe (solange sie nicht erklärtermaßen das einzige Ziel des Jûdô darzustellen vorgeben), aber ich persönlich (Achtung: Meinung!) würde es sehr viel besser finden, wenn man diesen hohen Dan-Graden weniger Wert auf Wettkämpfe, dafür aber sehr viel mehr Wert auf die tatsächlichen Fähigkeiten der Selbstverteidigung legen könnte.

Just my 2cent.

Tom
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Ronin
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Re: Das Wörtchen "Sport" - eine geschichtliche Betrachtung

Beitrag von Ronin »

tom herold hat geschrieben:Um es klar zu sagen: ich habe überhaupt nichts gegen Wettkämpfe (solange sie nicht erklärtermaßen das einzige Ziel des Jûdô darzustellen vorgeben), aber ich persönlich (Achtung: Meinung!) würde es sehr viel besser finden, wenn man diesen hohen Dan-Graden weniger Wert auf Wettkämpfe, dafür aber sehr viel mehr Wert auf die tatsächlichen Fähigkeiten der Selbstverteidigung legen könnte.
Ich teile diese Meinung, ich denke Shiai ist eine Spielwiese für die niederen Dangrade. Im Idealfall sollte der Anteil an Shiai bei Prüfungen systematisch zurückgehen und durch SV Fähigkeiten ersetzt/ergänzt werden.

Macht aus meiner Sicht sogar Sinn im Hinblick auf die heutige (DJB) Kyu-Prüfungsordnung. Zuerst kommt das Randori (bei den Kyu Graden), dann kommt der Shiai, dann die Anwendung.
HBt

Frage: Nutzen ziehen

Beitrag von HBt »

Damit hat Tom meine Frage nach dem Nutzen schon beantwortet; Aufwand ~ Nutzen --> NULL.

Vorsicht:
M.M. aus breitensportlicher Sichtweise.
Irgendwann kommt der Punkt, dass bewegungsökonomische und damit gesundheitliche Aspekte vollständig in den
Hintergrund treten, der Sieg im (Wett)Kampf ist das alleinige Ziel. Diese Reduktion und auch die im Shiai Fortscheitende
führt unweigerlich (im Alter sowieso) zu statischen, Kraft gegen Kraft Situationen. Jetzt kommt das Aus.

Natürlich habe auch ich, die lange Zeit etwas tölpelhaften Schreier nach SV belächelt; mit den Kata-Leuten war es auch nicht besser, heute sehe ich das nicht mehr so.

Wir (die Vereine/der Verband) müssen unser Angebot überdenken und neu ausrichten, ...
tutor!
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Re: Das Wörtchen "Sport" - eine geschichtliche Betrachtung

Beitrag von tutor! »

Ich beginne einmal, idem ich mich selbst zitiere:
tutor! hat geschrieben:Mir fällt es nicht schwer, jeder der vertretenden Positionen recht zu geben - aber mit der Einschränkung, dass das jeweils passende Verständnis des Begriffs "Sport" zu Grunde gelegt wird.
Dann schreibst Du:
tom herold hat geschrieben:Hallo Tutor, interessante Gedankengänge - leider ist wieder deutlich zu bemerken, daß sich dein Bild des Jûdô ja doch am Sport ausrichtet.
...
Denn Wettkampf ist Sport und nichts anderes und unterliegt damit vorgefertigten Regeln (was ja nichts Schlechtes sein muß).
...
Das wiederum ist dem Menschenbild geschuldet, das der Sport im allgemeinen impliziert.
Es geht um den "Sieger", um den "Sieg" und um nichts anderes. Jedenfalls dann, wenn es Wettkampfsport ist.
...
In diesen kurzen Ausschnitten wird Dein Begriffsverständnis von Sport deutlich, das nicht das meine ist. So wie Du den Begriff "Sport" verstehst, gebe ich Dir recht (s. meine eigenen Worte oben). Mach Du aber nun bitte nicht den Fehler, von Deinem - engen - Sportverständnis auf mein Judoverständnis zu schließen und dieses in denselben Grenzen zu wähnen wie Deinen Sportbegriff!

Mein Sportbegriff ist umfassender (s.o), genauso wie mein Judoverständnis! An mir sind die letzten 30 Jahre der Sportpädagogik mit ihrem Wandel im Begriffsverständnis nicht spurlos vorüber gegangen.

Im übrigen ist es auch eine unzulässige Reduktion, den Sieg auf Meisterschaften als alleiniges Ziel des Wettkampfs zu beschreiben. Das ist es eben nicht! Wettkampf im Sinne des Judo ist das Erproben des eigenen Könnens, das Feststellen des eigenen Leistungsstandes um daraus Konsequenzen für die weitere Entwicklung ziehen können. Es ist eine Selbsterprobung und Selbsterfahrung in einem regelbestimmten und geschützten Raum. Das meinte ich mit "Nagelprobe" - eine ehrliche Rückmeldung über den eigenen Stand.
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Fritz
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Re: Das Wörtchen "Sport" - eine geschichtliche Betrachtung

Beitrag von Fritz »

Zum Thema: Shiai und "Nagelprobe" der Effektivität - ich bezweifle stark, daß die jetzigen
Wettkampfregeln zur Effektivität beitragen, zu sehr sind einerseits die Einschränkungen
hinsichtlich der Techniken und
andererseits werden durch den Druck, Passivitätsstrafen zu vermeiden, Verhaltensweisen
gefördert, die dem Judo nicht sehr zuträglich sind... ist aber nur meine Meinung...

Der ursprüngliche Gedanke des Shiai mag tatsächlich in die von "tutor!" angedeutete Richtung
gegangen sein, nur denke ich, der "heutige Wettkampf" hat damit nicht mehr viel zu tun...

Die Frage ist auch, wie "realitätsnah" kann ein Shiai gestaltet werden, ohne das
Verletzungsrisiko unakzeptabel hochzudrehen...

Bzw. andersrum:
Tom Herold hat geschrieben:wenn man diesen hohen Dan-Graden weniger Wert auf Wettkämpfe, dafür aber sehr viel mehr Wert auf die tatsächlichen Fähigkeiten der Selbstverteidigung legen könnte.
Nur - wer soll das beurteilen?
Ok, erstmal jemand der selber entsprechende Situationen durchlebt hat.
Aber da wird jeder Beurteiler basierend auf seinen Erfahrungen zu anderen Beurteilungen kommen...
Oder der zu Beurteilende hat es selbst bewiesen. Kann aber nicht das Kriterium sein, bei
einer Dan-Prüfung nen amtlichen Nachweis über das erfolgreiche Überleben einer Notwehrsituation o.ä.
vorzulegen ;-)
... ist vertrackt...
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Re: Das Wörtchen "Sport" - eine geschichtliche Betrachtung

Beitrag von tutor! »

Fritz hat geschrieben:Zum Thema: Shiai und "Nagelprobe" der Effektivität - ich bezweifle stark, daß die jetzigen
Wettkampfregeln zur Effektivität beitragen, zu sehr sind einerseits die Einschränkungen
hinsichtlich der Techniken und
andererseits werden durch den Druck, Passivitätsstrafen zu vermeiden, Verhaltensweisen
gefördert, die dem Judo nicht sehr zuträglich sind... ist aber nur meine Meinung...
Die Wettkampfregeln sind derzeit massiv in der Diskussion. Man wird abwarten müssen, wie sie sich entwickeln werden. Leider wird es wohl an den kleinen Verbänden Osteuropas und Zentralasiens und deren Interessen liegen, was durchsetzbar ist und was nicht.
Fritz hat geschrieben:Bzw. andersrum:
Tom Herold hat geschrieben:wenn man diesen hohen Dan-Graden weniger Wert auf Wettkämpfe, dafür aber sehr viel mehr Wert auf die tatsächlichen Fähigkeiten der Selbstverteidigung legen könnte.
Nur - wer soll das beurteilen?
Ok, erstmal jemand der selber entsprechende Situationen durchlebt hat.
Aber da wird jeder Beurteiler basierend auf seinen Erfahrungen zu anderen Beurteilungen kommen...
Oder der zu Beurteilende hat es selbst bewiesen. Kann aber nicht das Kriterium sein, bei
einer Dan-Prüfung nen amtlichen Nachweis über das erfolgreiche Überleben einer Notwehrsituation o.ä.
vorzulegen ;-)
... ist vertrackt...
Ist noch viel vertrackter! Eine Notwehrsituation setzt immer einen rechtswidrigen Angriff voraus. Es kann aber nicht Sinn und Zweck von Judo sein, einen rechtswidrigen Angriff zu provozieren, nur damit man "Ernstfallerfahrung" bekommt. Du kannst auch nicht die SV-Fähigkeiten und -Fertigkeiten danach beurteilen, ob jemand das Pech hatte, sie nutzen zu müssen. Das ist so ziemlich exakt das Gegenteil dessen, was sich Kano vorgestellt hat!
I founded a new system for physical culture and mental training as well as for winning contests. I called this "Kodokan Judo",(J. Kano 1898)
Techniques are only the words of the language judo (Cichorei Kano, 24.12.2008)
HBt

Definition

Beitrag von HBt »

@Tutor,
ja, unser Sportbegriff ist viel weittragender als der allgemein Reduzierte. Eben das macht Judo, (..) aus.
Welchen Nutzen ziehen wir nun aus dem technischen Teil, 1) Gesundheit 2) Beweglichkeit (Ökonomie) 3) Effektive SV! daraus folgend Lebensfreude, Selbstbewusstsein ...?
Tutor hat geschrieben:Im übrigen ist es auch eine unzulässige Reduktion, den Sieg auf Meisterschaften als alleiniges Ziel des Wettkampfs zu beschreiben. Das ist es eben nicht! Wettkampf im Sinne des Judo ist das Erproben des eigenen Könnens, das Feststellen des eigenen Leistungsstandes um daraus Konsequenzen für die weitere Entwicklung ziehen können. Es ist eine Selbsterprobung und Selbsterfahrung in einem regelbestimmten und geschützten Raum. Das meinte ich mit "Nagelprobe" - eine ehrliche Rückmeldung über den eigenen Stand.
Auf einer Meisterschaft zählt nur der Sieg, denn nur die regelmäßigen Platzierungen sichern die Sportförderung oder sind werbewirksam. Na klar erhält der Athlet ein Feedback, dieses muß aber nicht das tatsächliche Können (im Sinne, siehe Feldenkrais-Faden) widerspiegeln.
Das was Du (glaube ich jetzt mal) verdeutlichen willst, passt m.M. besser zum Randori.

@all
Wir drehen uns im Kreis :alright

Nachtrag zur Notwehrsituation:
Irgendwie muß unser Training so effektiv aufgebaut und mit Inhalten gefüllt sein, dass ein Ernstfall (gegen sich selbst und andere) erfolgreich abgewehrt/gewendet werden kann (mit 80 Lebensjahren noch)!
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Fritz
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Re: Das Wörtchen "Sport" - eine geschichtliche Betrachtung

Beitrag von Fritz »

tutor! hat geschrieben:Ist noch viel vertrackter! Eine Notwehrsituation setzt immer einen rechtswidrigen Angriff voraus. Es kann aber nicht Sinn und Zweck von Judo sein, einen rechtswidrigen Angriff zu provozieren, nur damit man "Ernstfallerfahrung" bekommt.
Damit wäre es dann auch keine Notwehr mehr ;-)

Zum Thema Sportbegriff: Auf der einen Seite haben wir da die wissenschaftlichen Betrachtungen,
die tutor! sich zu eigen gemacht hat, auf der anderen Seite das, was
wir (also "das einfache Volk" ) darunter verstehen.
Und da gibt es halt im wesentlichen zwei Sichtweisen: "Fitness, Gesundheit u.ä." u. "Der beste sein".
Letztere ist die, die den Kindern mitgegeben/eingeredet wird (von wem und wozu auch immer),
die andere kommt dann meist etwas später zum Tragen, wenn es mit dem Gewinnen nicht so geklappt hat ;-)
Leider wird ja Judo immer mehr als "Kindersport" verunglimpft (sogar vom DJB selbst ;-) ),
welche Sichtweise da vorherrscht ist ja klar...
Mit freundlichem Gruß

Fritz
HBt

Re: Das Wörtchen "Sport" - eine geschichtliche Betrachtung

Beitrag von HBt »

O Fritz,
womit wir wieder bei Deiner Frage sind: Wie bieten wir es an (und wem und was)? Existiert überhaupt ein Handlungsbedarf oder ist alles gut so wie es ist? Falls positiv (ein Ja) und als Chance auffassend, sollten wir mehr zentralisieren(?), wenige aber größere und professionellere Dojos (Sportstätten), mit breiterer Auslegung 24h lang, schaffen.
Gruß
Helge
tutor!
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Re: Definition

Beitrag von tutor! »

HBt hat geschrieben:Auf einer Meisterschaft zählt nur der Sieg, denn nur die regelmäßigen Platzierungen sichern die Sportförderung oder sind werbewirksam. Na klar erhält der Athlet ein Feedback, dieses muß aber nicht das tatsächliche Können (im Sinne, siehe Feldenkrais-Faden) widerspiegeln.
Das was Du (glaube ich jetzt mal) verdeutlichen willst, passt m.M. besser zum Randori.
In der heute verbreiteten Praxis: ja! Im Sinne der Grundgedanken von Judo: NEIN!

Randori ist kein Kampf um das Ergebnis. Shiai schon. Aber das Ergebnis alleine darf nicht das Ziel sein, sondern das Judo insgesamt (einschl. der Wettkampfergebnisse) muss in einen Prozess der Persönlichkeitsentwicklung eingebunden sein. Ansonsten wird den Medaillen und Pokalen ein viel zu hoher Stellenwert beigemessen.

Meine Pokale - und die gibt es reichlich - sind heute nur noch Staubfänger und Anlass, mich an die eine oder andere Begebenheit zu erinnern. Aber die Lektionen, die ich aus dem Wettkampf gezogen habe, sind Teil meiner Persönlichkeit, z.B. in der Art und Weise, wie ich mich auf schwierige Aufgaben vorbereite. Schön wäre natürlich, wenn aus der einen oder anderen bronzenen oder silbernen, die ein oder andere goldene Medaille geworden wäre. Aber das ist im Nachhinein nicht entscheidend und vielleicht waren gerade auch Misserfolge Anlässe, die mich über eine besser Vorbereitung haben nachdenken lassen.

Wettkampf und seine Bedeutung wird heute genauso oft falsch verstanden, wie Randori. Leider!
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