"Versportlichung" des Judo

Hier geht es um die Geschichte und um Traditionen des Judo
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Ronin
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"Versportlichung" des Judo

Beitrag von Ronin »

Herausgelöster Faden von "Wer war Toshiro Daigos Lehrer"
http://www.dasjudoforum.de/forum/viewto ... 82&start=0
editiert von tutor!



nochmal OT:
wenn es nicht Nagaoka gewesen ist, der die Versportlichung betrieben hat, wer dann?

Viele Gerüchte, die mir zu Ohren gekommen sind, beschreiben den Machtmapf Mifune - Nagaoka, wobei Mifune die traditionelle Seite zugeschrieben wird. Ich selber habe zu dieser Epoche des Judo leider keine Quellen. Aber es interessiert mich sehr.
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Re: Wer war Toshiro Daigos Lehrer?

Beitrag von tutor! »

Ronin hat geschrieben:Viele Gerüchte, die mir zu Ohren gekommen sind, beschreiben den Machtkampf Mifune - Nagaoka, wobei Mifune die traditionelle Seite zugeschrieben wird.
So ein Quatsch! Versuche doch nur einmal die zeitliche Epoche zu erfassen, in der diese "Versportlichung" stattgefunden hat. Die ersten Weltmeisterschaften gab es 1956, die ersten Judo-Wettkämpfe bei Olympia 1964. Nagaoka starb 1952(!), Mifune 1965.

BTW: Mifune war einer der bedeutendsten Kampfrichter zu dieser Zeit...
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Ronin
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Re: Wer war Toshiro Daigos Lehrer?

Beitrag von Ronin »

naja also da muss ich dir widersprechen. Eine solche Entwicklung löst man ja nicht aus, in dem ein WM ausgerufen wird, man führt das lange herbei, das hätte Nagaoka (ich gehe mal davon aus, dass er nicht die letzten 10 Jahre im Bett lag) durchaus bewerkstelligen können.

Gesetzt dem Fall er war es nicht, blieben Izuka und Samura (evtl noch Tabata, aber der starb sehr früh). Der Kodokan-Präsident alleine kann sowas sicherlich nicht ohne den Rückhalt der höchsten Danträger verursachen.
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Re: Wer war Toshiro Daigos Lehrer?

Beitrag von Lin Chung »

Wer es auch immer war, zumindest wollte es Kano nicht.
Daigo, wie steht er dazu, was denkt er darüber?
Kann man ihn fragen?
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Re: Wer war Toshiro Daigos Lehrer?

Beitrag von tutor! »

Ronin hat geschrieben:naja also da muss ich dir widersprechen. Eine solche Entwicklung löst man ja nicht aus, in dem ein WM ausgerufen wird, man führt das lange herbei, das hätte Nagaoka (ich gehe mal davon aus, dass er nicht die letzten 10 Jahre im Bett lag) durchaus bewerkstelligen können.

Gesetzt dem Fall er war es nicht blieben Izuka und Samura (evtl noch Tabata, aber der starb sehr früh). Der Kodokan-Präsident alleine kann sowas sicherlich nicht ohne den Rückhalt der höchsten Danträger verursachen.
Du merkst, dass Du ganz wild herumspekulierst?

Was verstehst Du eigentlich unter der "Versportlichung des Judo". An welchen konkreten Entwicklungen machst Du das denn fest?

Warum fehlt eigentlich Jigoro Kano in Deiner Aufzählung?
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Re: Wer war Toshiro Daigos Lehrer?

Beitrag von Ronin »

die Frage zielte auch auf die Fakten ab, da es hier bisher nur Spekulationen gab.

Wir wissen alle, was mit der Versportlichung gemeint ist.

Ja, wieso eigentlich nicht Kano?
Weil der schon ziemlich lange tot war.
Weil Kano sein Leben lang den Wettkampf an sich schon "verteufelt" hat. (Zitate stehen oben ja schon)
Und weil - zumindest ich nur ein Zitat gelesen habe, siehe oben - wo Judo Olympisch werden sollte, über dessen Sinn zumindest große Uneinigkeit herrscht...
Wenn Kano eine Versportlichung gewollt hätte, dann hätte es eine WM schon zu seinen Lebzeiten gegeben. In der Lage dazu (und auch in der Position) war er ja.
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Re: Wer war Toshiro Daigos Lehrer?

Beitrag von tutor! »

Ronin hat geschrieben:Weil Kano sein Leben lang den Wettkampf an sich schon "verteufelt" hat. (Zitate stehen oben ja schon)
In meiner Signatur findest du ein nettes Kano-Zitat. Was Du schreibst ist blanker Unsinn - schlimmer geht´s fast nimmer! Sorry, dass ich das so klar scheibe - da sitzt Du einem Denkfehler auf.

Wogegen sich Kano gewandt hat, war die Überbetonung des Wettkampfes. Der Wettkampf sollte ein Mittel im Rahmen des Trainings- und Erziehungsprozesses sein und der Motivation dienen - nicht das Ziel der Judotreibenden sein. Übrigens so, wie das heute bei den allermeisten Judotreibenden der Fall ist.

Beispiele:
  • seit den 1880er Jahren werden am Kodokan einmal im Moment der Tsukinami-Shiai durchgeführt (bis heute!)
  • ebenfalls aus der Zeit stammt der ebenfalls noch durchgeführte Kohaku-Shiai (je einmal im Frühling und im Herbst)
  • die ersten Wettkampfregeln wurden des Kodokan wurden bereits 1899 veröffentlicht (wieso braucht man Regeln, wenn man keine Wettkämpfe will?)
  • Graduierungen waren in dieser Zeit abhängig von den Ergebnissen bei diesen Wettkämpfen - und nicht wie bei uns vom Vorführen von ein paar Techniken! Wieso zeichnet man erfolgreiche Wettkämpfer besonders aus, wenn man Gegner von Wettkämpfen ist?
  • Die Wettkampfregeln wurden mehrfach von Kano geändert: Gründe: Reduktion von Verletzungsgefahr, Verbesserung des "Judostils".
  • Kano führte organisierte Schulsportwettkämpfe in Japan ein
  • 1930 (oder 1931, ich schreibe aus dem Kopf) gab es die ersten alljapanischen Meisterschaften - ein Schwiegersohn Kanos hat sie BTW gewonnen. Es gab bei diesen Meisterschaften übrigens eine große Konkurrenz zwischen den Kämpfern des Kodokan und denen, die in Kyoto trainierten (bei der Butokukai). Wieso hat Kano sie mitmachen lassen, wenn er gegen Wettkämpfe war?
  • Y. Yamashita, H. Isogai und andere waren dabei übrigens Kampfrichter. (Von den beiden weiß ich es definitiv - und bedenke: es sind zwei der drei Leute, denen Kano den 10. Dan verliehen hat).
  • Kano förderte die Gründung von Judoverbänden außerhalb Japans (z.B. die EJU)
  • Niehaus kommt zum Ergebnis, dass Kano Judo als olympische Sportart etablieren wollte (was geklärt werden müsste ist lediglich, warum Kano den Begriff "Bushido" in diesem einen Zitat verwendet - keine Unklarheit dürfte doch die Aussage Kanos an sich beinhalten.)
Liest sich das nach einem prinzipiellen Gegner von Wettkämpfen?

Es gibt aber noch weitere Fehler und Ungereimtheiten, die in diesem Zusammenhang immer wieder vorkommen.

Du unterstellst z.B., dass sich diese "Versportlichung" nicht nur im Kodokan zugetragen hat, sondern dass sich dieses Phänomen von dort aus gesteuert in die Welt verbreitet hätte. Du scheinst - wie andere auch - nicht einmal ansatzweise darüber nachzudenken, dass dies Prozesse sein könnten, die sich außerhalb des Kodokan abgespielt haben und mit denen der Kodokan unter Umständen gar nicht so glücklich war und ist.

Wenn Du fragst, wer denn die "Versportlichung" betrieben habe oder wodurch sie ausgelöst worden sei, dann solltest Du Dir auch die Mühe machen, den Begriff "Versportlichung" zu beschreiben. Ich weiß nämlich tatsächlich nicht genau, was Du damit meinst. Sonst würde ich nicht danach fragen.
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Fritz
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Re: Wer war Toshiro Daigos Lehrer?

Beitrag von Fritz »

tutor! hat geschrieben:Wenn Du fragst, wer denn die "Versportlichung" betrieben habe oder wodurch sie ausgelöst worden sei, dann solltest Du Dir auch die Mühe machen, den Begriff "Versportlichung" zu beschreiben. Ich weiß nämlich tatsächlich nicht genau, was Du damit meinst. Sonst würde ich nicht danach fragen.
In diesem Zusammenhang frage ich mich:

Wer war wann eigentlich schuld,
daß all die schönen Bein- / Handgelenk- / Genickhebel "verschwunden" sind?

Auch "Illustrated Kodokan Judo" (bzw. "Kodokan Judo von Jigoro Kano")
führt sowas im Grunde genommen nicht mehr auf... (bis auf Ashi-Garami in der KnK)
Im Mifune-Buch od. Video gibt es wohl gelegentlich einen Nicht-Ellbogen-Hebel
und Kawaishi hat in seinem Buch da jede Menge von beschrieben.

(Das Argument: "aber in den Kata" lasse ich jetzt nicht zu,
da im bewußten Buch "Kodokan Judo von Jigoro Kano" merkwürdigerweise andere, ebenfalls in den Kata
enthaltene Techniken, wie Würfe, Ellbogenhebel und Würgegriffe durchaus auch außerhalb der Kata-Beschreibungen
behandelt werden...)
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Ronin
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Re: Wer war Toshiro Daigos Lehrer?

Beitrag von Ronin »

Mit Versportlichung meine ich, den Prozess von einer Zeit unter Kano als noch vernünftig Judo gemacht wurde, hin zu einer Art und Weise, wie wir heute Judo machen.
Bei der alles nur noch dem Wettkampferfolg untergeordnet wird (PO, Training etc....)

Zugegebenermassen ist es heute ja kein Prozess mehr, es ist in den Köpfen drin (Eigentlich müsste sehr intensiv darüber nachgedacht werden, wie man es da wieder rausbekommt - dauert Jahrzehnte).

Da alle Welt den Kodokan als Judomekka ansieht, bin ich tatsächlich davon ausgegangen, dass das von dort kommt. Wenn nicht von dort, von wo dann?

In dem Zusammenhang sollten wir uns hier womöglich mal Gedanken darüber machen, dass Kano unter diesem Wettkämpfen ein bisschen was anderes verstanden hat, als heutpraktiziert wird. Was man an den Judoregeln von 1899 eigentlich auch ganz gut rausliest.
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Re: Wer war Toshiro Daigos Lehrer?

Beitrag von Reaktivator »

Fritz hat geschrieben:Wer war wann eigentlich schuld,
daß all die schönen Bein- / Handgelenk- / Genickhebel "verschwunden" sind?
Na ja - im Zweifelsfall Jigoro Kano, denn er war unbestritten die höchste Autorität im Kodokan, als die Kampfregeln (die früher bezeichnenderweise offiziell noch "Regeln für Randori und Wettkampf" hießen!) entsprechend aufgesetzt und geändert wurden.
Die historischen Daten dazu sind alle dokumentiert...
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(Alte Internet-Weisheit, frei nach "Reaktivator")
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Re: Wer war Toshiro Daigos Lehrer?

Beitrag von tutor! »

Ronin hat geschrieben:Da alle Welt den Kodokan als Judomekka ansieht, bin ich tatsächlich davon ausgegangen, dass das von dort kommt. Wenn nicht von dort, von wo dann?
Kommen wir der Sache schon näher :D . BTW: worauf stützen sich eigentlich all jene, die die "Versportlichung" des Judo beklagen? Auf welche Quellen stützen sie sich, wenn sie von "originalem" Kodokan-Judo sprechen? Die Antwort ist ganz einfach: auf die Schriften Kanos und einiger anderer, die sie erforscht haben!

Wer aber gibt die Schriften Kanos eigentlich heraus? Wer veröffentlicht sie?
  • Der Kodokan selbst: http://www.hint.co.jp/cgi-bin/kshop/ksh ... ok_fr.html
  • Mind over Muscle: ein Kompilat aus Kanos Aufsätzen. Zusammengestellt von einem Mitarbeiter des Kodokan (N. Murata)
  • Niehaus Dissertation: Hauptquelle für seine Arbeit sind die gesammelten, vom Kodokan herausgegebenen Schriften Kanos
Ich könnte das jetzt noch fortsetzen, aber die Botschaft sollte auch so deutlich sein: Der Kodokan bemüht sich doch außerordentlich darum, die Ideen und Schriften Kanos zu verbreiten. Würde er das tun, wenn er sich von ihm und seinen Ideen abgewandt hätte?

Du sprichst die PO an. Diese ist doch nicht am Wettkampf ausgerichtet, sondern daran, dass die Techniken auch im Randori angewendet werden können. Aber unabhängig davon (und unabhängig davon, ob man sie gelungen findet oder nicht) muss man doch feststellen, dass sie erst in den 90er Jahren dieses Gesicht angenommen hat und das nicht in Japan, sondern in Deutschland.

Frage: Ist eigentlich in Deinem Verein alles dem Wettkampferfolg untergeordnet? Wo ist denn eigentlich alles dem Wettkampferfolg untergeordnet? In meinem Kreis zumindest gibt es mehrere Tausend registrierte Judoka, aber nur wenige hundert Teilnehmer jährlich bei Meisterschaften. Die Teilnahmequote liegt bei vielleicht 10%, max. 15%.

Auch sollte man nicht vergessen, dass zur Zeit Kanos die Ergebnisse bei Wettkämpfen für Graduierungen eine wesentlich größere Rolle spielten als bei uns. Wie kann man denn davon reden, dass unsere PO auf Wettkampf ausgerichtet ist, wenn man noch nicht einmal einen einzigen Wettkampf bestreiten muss um mit 18 Jahren Dan-Träger zu werden? Zu meiner Zeit brauchte man bis zum Alter von 30 Jahren Turniererfolgspunkte, in Japan braucht man sie generell!

Das Gegenteil ist doch der Fall. Man muss sich geradezu Gedanken machen, wie man Randori und Kämpfen wiederbeleben kann, weil es Vereine gibt, in denen praktisch nur "Technik" und kaum Randori gemacht wird. Allerdings sind das jetzt z.B. rein deutsche Entwicklungen und deshalb in doppelter Weise OT.

Die Mißstände, die in der Tat zu beklagen sind, stammen auf niedrigerer Ebene von zu gering qualifizierten Übungsleitern, die einfach nicht in der Lage sind, besseres Judo zu vermitteln. Auf hoher und internationaler Ebene kommt es von einer zu starken Fokussierung auf prestigebringende Wettkampfergebnisse. Diese wiederum rührt aus zwei Quellen: einmal werden staatlich Fördergelder nach Ergebnissen vergeben und zum anderen gibt es immer noch Länder, die Sporterfolge zur nationalen Selbstdarstellung benötigen. Diese Dinge sind sicher in klarem Gegensatz zu Kanos Vorstellungen und er hat sie auch kommen sehen - für den Sport als Ganzes und nicht nur für Judo.

Um Kano zu verstehen, muss man seine Gedanken zur Entwicklung des (Breiten-)Sports verstehen, den er genauso wie Judo als Mittel der körperlichen Ertüchtigung und geistig-moralischen Erziehung sah. Wie schreibt Kano (nach Niehaus S. 133) so treffend:

"Auch wenn beide (Anm: die Kampfkünste und die athletischen Disziplinen) verschieden sind, so ist ihr Ziel doch identisch: Die Stärkung der körperlichen Konstitution und das Stählen des Geistes".

Die Fehlentwicklungen liegen nicht etwa im Vorhandensein der Wettkämpfe selbst, sondern in den Bedeutungen, die den Wettkämpfen oft - nicht immer - beigemessen werden: von Aktiven, Trainern, Funktionären, Politikern, Außenstehenden.....

@Fritz: die Anwendung von Hebeln in Randori und Wettkampf wurden 1925 endgültig auf das Ellbogengelenk beschränkt.

Schaut Euch bitte diesen Clip an:

Es ist ein Schüler von Ichiro Abe, der nach dem Krieg bei Abe trainiert hat (BTW: Abe hat auch bei Nagaoka trainiert). Ich bin fasziniert von diesem Judo.... es zeigt vielmehr, wo unsere Probleme sind: beim Können vieler Trainer!
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Re: "Versportlichung" des Judo

Beitrag von katana »

Schaut Euch bitte diesen Clip an:
Das muß man einfach zweimal empfehlen.
:eusa_clap :eusa_clap :eusa_clap
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Fritz
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Re: "Versportlichung" des Judo

Beitrag von Fritz »

Hier ist noch eins:
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Re: "Versportlichung" des Judo

Beitrag von tutor! »

Fritz hat geschrieben:Hier ist noch eins:
Hier korrigiert er nur, aber auch diese Sequenz zeigt, worauf man (wieder) mehr wert legen müsste.

Den ersten Clip hatte ich ja bereits im Faden zum Forumstreffen gepostet - dort unter dem Aspekt "Bedeutung von Hara", weil dies ja ein Bindeglied zu Tai Chi Chuan ist.

Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass die besten Lehrer der 1970er Jahre groen Wert auf die Entwicklung von Hara gelegt haben. Je "japanischer" sie geprägt waren, desto mehr haben sie wert darauf gelegt.

Als Kind und Jugendlicher habe ich zwar versucht, das zu verstehen - und in gewisser Weise entwickelte ich auch Verständnis dafür - aber dieses Verständnis war aus heutiger Sicht sehr oberflächlich und beschränkte sich auf simple Anweisungen wie "kämpfe aufrecht" oder "verteidigen aus dem Bauch heraus". Eine weitergehende Bedeutung konnte ich dem nicht entnehmen - damals!

Heute weiß ich, dass jede Bewegung in der Körpermitte verankert sein muss. Hände und Arme, die losgelöst von der Mitte Kraft entfalten, werden diese Kraft nicht auf ein anderes Objekt übertragen können. Man kann dazu biomechanische Studien machen und wird dasselbe feststellen, wie es erfahrungsbasiert schon den Judo-Lehrern früherer Generationen bekannt war.

Wie sieht es denn nun um die Generation heutiger Judo-Lehrer aus? Wer legt heute noch wert auf die Entwicklung von Hara? Kinder sollen einen guten, aufrechten Randori-Stil lernen. So ungefähr steht es in der PO des DJB. Das ist ein wichtiger Hinweis, aber wie kommen wir dazu?

Die Generation heutiger Übungsleiter und Trainer ist in vielen Fällen ein Produkt einer Zeit, in der "Hara" schon mehr oder weniger "out" war. Viele Trainer sind genauso hüftsteif wie ihre Schüler - und umgekehrt. Den Kindern und Jugendlichen kann man keinen Vorwurf machen: sie können es nicht können - einfach aus Gründen der noch nicht abgeschlossenen Entwicklung. Streng genommen müssten nach der Pubertät Techniken und vor allem Körperhaltung usw. "neu" gelernt werden.

Allerdings wissen wir auch, dass dieser "Neuaufbau" langwierig ist und vor allem kompetente Lehrer erfordert. Die häufige Überbetonung der Bedeutung von Wettkampfergebnissen nimmt vielen die Geduld ein besseres Judo zu entwickeln. Jene, die gar nicht an Wettkämpfen teilnehmen (sicherlich die überwiegende Mehrheit), haben oft gar keinen Maßstab für gutes Judo. Hierin sehe ich die Misere.

Wir brauchen die Wettkämpfe um uns zu testen. Wir brauchen dazu die bestmöglichen Gegner. Die besten der Besten müssen sich auf Weltebene messen. Letzte Woche habe ich mit einem früheren brasilianischen Nationalkämpfer ein fantastisches Randori gemacht. Kein Griff lösen, kein Rausstrecken des Gesäßes: aufrecht und mit offenem Visier den Partner ausmanöverieren bis einer fällt.

Die Art und Weise, wie wir Judo machen liegt doch an uns - schieben wir die Verantwortung doch nicht auf eine Organisation, der wir entweder angehören oder nicht. Wer sich übrigens die derzeitge PO anschaut, wird feststellen, dass dieser der Gedanke eines "guten" Judo zugrunde liegt.

Ganz zum Schluss: wer von Euch hat denn schon einmal einen rot-weiß-Gurt - wie im Clip - gesehen, der auf einen Lehrgang geht und eifrig eine Grundtechnik wie Tai-otoshi übt? Ganz abgesehen mal davon, dass das Tragen der "Schranke" dann unangemessen ist, wenn man selbst Trainierender ist.....
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Re: "Versportlichung" des Judo

Beitrag von katana »

Wie sieht es denn nun um die Generation heutiger Judo-Lehrer aus? Wer legt heute noch wert auf die Entwicklung von Hara? Kinder sollen einen guten, aufrechten Randori-Stil lernen. So ungefähr steht es in der PO des DJB. Das ist ein wichtiger Hinweis, aber wie kommen wir dazu?
leider scheint die Hauptidee das "Wettkampfreglementieren" zu sein . :oops:
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Fritz
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Re: "Versportlichung" des Judo

Beitrag von Fritz »

tutor! hat geschrieben:Die Generation heutiger Übungsleiter und Trainer ist in vielen Fällen ein Produkt einer Zeit, in der "Hara" schon mehr oder weniger "out" war. Viele Trainer sind genauso hüftsteif wie ihre Schüler - und umgekehrt. Den Kindern und Jugendlichen kann man keinen Vorwurf machen: sie können es nicht können - einfach aus Gründen der noch nicht abgeschlossenen Entwicklung. Streng genommen müssten nach der Pubertät Techniken und vor allem Körperhaltung usw. "neu" gelernt werden.

Allerdings wissen wir auch, dass dieser "Neuaufbau" langwierig ist und vor allem kompetente Lehrer erfordert. Die häufige Überbetonung der Bedeutung von Wettkampfergebnissen nimmt vielen die Geduld ein besseres Judo zu entwickeln. Jene, die gar nicht an Wettkämpfen teilnehmen (sicherlich die überwiegende Mehrheit), haben oft gar keinen Maßstab für gutes Judo. Hierin sehe ich die Misere.
Hierzu kann ich nur die Tokio-Hirano-Gedenk-Lehrgänge empfehlen - gerade für Übungsleiter und Trainer.
Genau soetwas: Hüftbeweglichkeit, Körperhaltung, Generierung von Kuzushi usw. werden dort ausführlich
behandelt. Man muß es nur annehmen wollen.

Im zweiten Absatz Deines Zitates, beschreibst Du ein ernsthaftes Dilemma:
Auf der einen Seite: Fixierung auf Erfolge --> schlechtes Judo
auf der anderen Seite: Keine Kämpfe --> schlechtes Judo
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Re: "Versportlichung" des Judo

Beitrag von tutor! »

Fritz hat geschrieben:Im zweiten Absatz Deines Zitates, beschreibst Du ein ernsthaftes Dilemma:
Auf der einen Seite: Fixierung auf Erfolge --> schlechtes Judo
auf der anderen Seite: Keine Kämpfe --> schlechtes Judo
Sagen wir etwas besser: Fixierung auf frühe/schnelle Erfolge. Erfolge müssen als Resultat nicht als Ziel der Entwicklung verstanden werden - oder vielleicht noch präziser als eine Art Etappe im Judoleben.
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Re: "Versportlichung" des Judo

Beitrag von Lin Chung »

Bisher gilt ausschließlich, dass Judo als Sport gelebt wird. Aber Judo ist nicht nur Sport.
Spätestens im Alter werden wir feststellen, dass wir etwas vernachlässigt haben, nämlich uns selbst.
Grüße
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kastow
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Re: "Versportlichung" des Judo

Beitrag von kastow »

Fritz hat geschrieben:
tutor! hat geschrieben:Die Generation heutiger Übungsleiter und Trainer ist in vielen Fällen ein Produkt einer Zeit, in der "Hara" schon mehr oder weniger "out" war. Viele Trainer sind genauso hüftsteif wie ihre Schüler - und umgekehrt. Den Kindern und Jugendlichen kann man keinen Vorwurf machen: sie können es nicht können [...]
Hierzu kann ich nur die Tokio-Hirano-Gedenk-Lehrgänge empfehlen - gerade für Übungsleiter und Trainer.
Genau soetwas: Hüftbeweglichkeit, Körperhaltung, Generierung von Kuzushi usw. werden dort ausführlich
behandelt. Man muß es nur annehmen wollen.
Hervorhebung von mir.

Genau daran scheitert es leider häufig - bei jeder Fortbildung. Schaue ich z.B. nach NRW, so geben hier ebenfalls einige sehr gute Referenten Lehrgänge zu den benannten Themen. Einige beispielhafte Auszüge meiner Erfahrungen:
- Klaus Büchter bietet eine umfassende funktionelle Bodenarbeit, die alle Standardsituationen im weiteren Sinne mit Ein- und Ausgängen beinhaltet
- Wolfgang Dax-Romswinkel bietet regelmäßig ein Kata-Training in Hagen an, das auch 'nebenbei' viele historische und physikalische Hintergründe beleuchtet
- Frank Wienecke lehrt u.a. einen funktionellen Morote-seoi-nage ohne abgeknicktes Handgelenk und Hohlkreuz
- Ulrich Klocke hat bei unserem Mittsommerjûdô so ganz nebenbei einen Gleichgewichtsbruch zu Ko-uchi-gari erläutert, der für viele TN in dieser effektiven Art neu war.

Gute Lehrgänge und Referenten sind also vorhanden. Das Problem ist m.E. dann allerdings die Umsetzung in den Vereinen. Ich habe selbst häufig erlebt, dass die alteingesessenen Vereinsfürsten diese funktionelleren Methoden abgelehnt haben - wurde ja schließlich noch nie so gemacht. Statt dessen sollte weiter der unfunktionelle und gesundheitsgefährdende Mist unterrichtet werden. Ich habe die funktionelleren Techniken dann als Wettkampfvarianten unterrichtet. Teilweise wurden junge ÜL sogar wegen der Anwendung des Erlernten hinter ihrem Rücken von den Altvorderen nach außen gegenüber anderen Vereinen und Funktionären schlecht gemacht. Wenn wir noch berücksichtigen, dass genau diese allwissenden Meister häufig die Vorstände bilden und entsprechende Funktionäre in die unteren Ebenen wählen, die bis zu einem gewissen Punkt diesen Wählern entgegen kommen müssen, erklärt sich die sinnfrei Versportlichung an der Basis - und fordert die Eigenverantwortung jedes Einzelnen. Schließlich zwingt uns niemand, solche Funktionäre zu wählen oder in solchen Vereinen als Mitglied zu verweilen.
Herzliche Grüße,

kastow

Since the establishment of Kôdôkan jûdô, jûdô has become something that should be studied not only as a method of self-defence but also as a way of training the body and cultivating the mind. (Jigorô Kanô: MIND OVER MUSCLE)
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Re: "Versportlichung" des Judo

Beitrag von Der Müller »

kastow hat geschrieben:Das Problem ist m.E. dann allerdings die Umsetzung in den Vereinen. Ich habe selbst häufig erlebt, dass die alteingesessenen Vereinsfürsten diese funktionelleren Methoden abgelehnt haben - wurde ja schließlich noch nie so gemacht. Statt dessen sollte weiter der unfunktionelle und gesundheitsgefährdende Mist unterrichtet werden.
Was auch zum großen Teil daran liegt, dass eben diese Leute die funktionelleren Techniken nicht oder nicht mehr machen, geschweige denn zeigen können, da ihre motorischen Fähigkeiten das nicht mehr zulassen, weil sie ihren Körper schon lange zuvor mit unfunktionellen Bewegungen ruiniert haben. Somit sind schlechte und komplizierte Bewegungen halt einfacher beizubehalten anstatt die einfacheren aber "neuen" Bewegungen unter Qual zu erlernen und weiterzugeben.
Gruß
Jochen
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