Platzwechsel, eindrehen, Wurfphasen: Wie geht das?

Hier geht es um Techniken, deren Ausführung und Beschreibung
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Ronin
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Re: Platzwechsel, eindrehen, Wurfphasen: Wie geht das?

Beitrag von Ronin »

... wird missverstanden

Wie ist es denn zu verstehen?

Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich langsam schon begriffen habe, dass ich offensichtlich vieles missverstanden habe. Das Dumme dabei ist, das es hier immer wieder genug Leute gibt, die mir das auch ständig sagen. Nur bemüht sich leider keiner, diese Missverständnisse auszuräumen und wenn, dann so oberflächlich, dass nicht mehr rüberkommt, was eigentlich gesagt werden müsste.
Auf genauere Nachfragen wird sich dann regelmässig geflüchtet in Aussagen wie: Man möchte sich dem folgenden Streitgespräch nicht stellen (in unterschiedlichsten Variationen).
Davon habe ich eigentlich die Nase voll. Wäre schön, wenn mal jemand Butter bei die Fische geben könnte. Offensichtlich tummlen sich ja genug User die voll im Bilde sind.
HBt

Missverständnisse

Beitrag von HBt »

Ronin hat geschrieben:... wird missverstanden

Wie ist es denn zu verstehen?
Das möchte ich auch endlich wissen (lernen, erfahren-begreifen).
Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich langsam schon begriffen habe, dass ich offensichtlich vieles missverstanden habe.
Jetzt sind wir schon zwei.
Das Dumme dabei ist, das es hier immer wieder genug Leute gibt, die mir das auch ständig sagen. Nur bemüht sich leider keiner, diese Missverständnisse auszuräumen und wenn, dann so oberflächlich, dass nicht mehr rüberkommt, was eigentlich gesagt werden müsste.
Auf genauere Nachfragen wird sich dann regelmässig geflüchtet in Aussagen wie: Man möchte sich dem folgenden Streitgespräch nicht stellen (in unterschiedlichsten Variationen).
Begründete Ängste/Bedenken der Vergangenheit vielleicht? Weiter um Aufklärung bitten und bemüht sein, eigenständig recherchieren, mit Gleichgesinnten treffen,...
Davon habe ich eigentlich die Nase voll. Wäre schön, wenn mal jemand Butter bei die Fische geben könnte. Offensichtlich tummlen sich ja genug User die voll im Bilde sind.
Jou; wer nicht? Ja, es wird einige geben.
tutor!
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Re: Sommerpause

Beitrag von tutor! »

HBt hat geschrieben: Die Vereinfachung "Kuzushi- Tsukuri- Kake" kann ergo so nicht allgemeingültig richtig sein, oder wird mißverstanden.
Du hast ein wenig verkürzt auf meine Gedanken Bezug genommen, aber ich denke, dass Du den Kern der Ideen erfasst hast. Ich will meine persönlichen Gedanken ein wenig ausführen und hoffe, dass andere sie hilfreich finden werden.

Lösen wir uns zunächst einmal von den Begriffen Kuzushi, Tsukuri und Kake und überlegen, was eigentlich bei einer Wurftechnik passiert.

Vorher: Uke steht, Längsachse (mehr oder weniger) senkrecht zur Matte, Schwerpunkt über den Füßen
Nachher: Uke liegt, Längsachse parallel zur Matte, Schwerpunkt "neben" den Füßen.

Ganz allgemein können wir also sagen, dass Uke zu irgendeinem Moment der Technik sein Gleichgewicht verliert....

Tori steht bei einer Wurftechnik unzweifelhaft nicht wie angewurzelt, sondern er begibt sich irgendwann im Lauf der Technik ein eine geeignete Wurfposition.

Jeder Wurf wird natürlich auch irgendwann einmal beendet - spätestens wenn Uke fällt.

Wie ist aber der zeitliche Verlauf? Nun, das eigentliche Werfen kommt natürlich am Schluss. Vorher muss:
a) Uke aus den Gleichgewicht gebracht werden - nennen wir es jetzt einfach einmal "Kuzushi"
b) Tori sich in Wurfposition bewegen - sagen wir "Tsukuri" dazu.

Häufig wird nun so getan, als gäbe es stets die Reihenfolge "erst a), dann b)". Aber dem ist einfach nicht so.
Wie will ich denn effektiv Kraft aufbringen um das Gleichgewicht des Gegners zu brechen, wenn ich keine Körperbewegung dabei mache? Wenn ich aber eine (möglichst) große Körperbewegung mache um das Gleichgewicht zu brechen, dann sollte mich diese Bewegung doch idealer Weise auch gleich in die Wurfposition bringen. Das wiederum bedeutet, dass Kuzushi und Tzukuri nicht nacheinander sondern mehr oder weniger gleichzeitig ablaufen.

Es ergeben sich vollkommen richtig bemerkt technikspezifische Unterschiede. Nehmen wir als Beispiel einmal (Fuß)-Fegetechniken (de-ashi-barai, okure-ashi-barai und harai-tsuri-komi-ashi). Der Gleichgewichtsverlust von Uke kommt dadurch zustande, dass ein Fuß (bzw. beide Füße) unter dem Schwerpunkt weggefegt wird (werden). Damit das aber möglich ist, muss Tori in aller Regel, seinen Standfuß in die richtige Postion gebracht haben um mit dem anderen Fuße fegen zu können. Das Tsukuri erfolgt in diesem Fall also vor dem Kuzushi.

Etwas anderes passiert z.B. beim Tai-otoshi. Hier sollte im Idealfall das Gleichgewicht gebrochen sein, wenn Tori seinen rechten Fuß (bei Rechtstechnik) aufsetzt. Je weniger das gelingt, desto mehr Kraft muss im Kake aufgewendet werden, was nicht nur suboptimal ist, sondern auch zum Misslingen führen kann. Da der Gleichgewichtsbruch schwerlich "aus dem Stand" heraus erfolgen kann, muss dies während der Eindrehbewegung erfolgen. Aus dem Stand ist allenfalls ein Initiieren des Kuzushi möglich, so dass das Kuzushi einen Hauch früher einsetzen kann als das Tsukuri.

In der früheren DDR wurden übrigens sehr interessante biomechanische Analysen hierzu durchgeführt.

Letztlich ist also jede Technik individuell zu analysieren. Geht man dogmatisch an die Sache heran und versucht das Paragigma 1. Kuzushi, 2. Tsukuri, 3. Kake in die Technik hineinzubauen, läuft man Gefahr, einen ziemlich unfunktionellen Unsinn zu produzieren.
HBt hat geschrieben: offtopic:
Ishikawa schreibt (in Judo Training Methods): wir hätten die Gokyo mißverstanden, was genau will er damit ausdrücken,
können wir nicht lesen?
Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, was er damit meint..... Da es aber hier wie Du selbst sagst offtopic ist, kannst Du ja mal einige seiner Thesen oder Erläuterungen, wie sie zu verstehen sei, in einem neuen Thread zur Diskussion stellen.
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Fritz
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Re: Platzwechsel, eindrehen, Wurfphasen: Wie geht das?

Beitrag von Fritz »

HBt hat geschrieben:Zurück zum Thema:
Die Vereinfachung "Kuzushi- Tsukuri- Kake" kann ergo so nicht allgemeingültig richtig sein, oder wird mißverstanden.
Ronin hat geschrieben:... wird missverstanden

Wie ist es denn zu verstehen?

Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich langsam schon begriffen habe, dass ich offensichtlich vieles missverstanden habe. Das Dumme dabei ist, das es hier immer wieder genug Leute gibt, die mir das auch ständig sagen. Nur bemüht sich leider keiner, diese Missverständnisse auszuräumen und wenn, dann so oberflächlich, dass nicht mehr rüberkommt, was eigentlich gesagt werden müsste
[...]
Wäre schön, wenn mal jemand Butter bei die Fische geben könnte. Offensichtlich tummlen sich ja genug User die voll im Bilde sind.
Hmm, wenn man Tom mal braucht, schreibt er nicht ;-)
Wir haben früher meist gelernt: Erst Kuzushi, dann Tsukuri, dann Kake
Laut der "Hirano-Fraktion" ist diese Einteilung aber keine zeitliche, sondern eine systematische (ok - Kake,
ist in der Regel immer am Schluß ;-) )
D.h. der Platzwechsel, d.h. die Eindrehbewegung wird evt. schon begonnen, bevor Ukes Gleichgewicht
aktiv gestört wird und während / am Ende der Eindrehbewegung, also wenn Tori schon sicher im Wurf steht,
kommt "der Anriß" (was wir bisher immer als "Kuzushi" verstanden haben ;-) ), der dann zum Kake führt.
Warum: Erfolgt ein Anriß-Kuzushi zu zeitig, dann wird Uke darauf reagieren und Tori müßte extrem schnell sein,
um dem zuvorzukommen oder diese (reflexhafte) Reaktion auszunützen (Ersteres ist nahezu unmöglich,
zweites geht mitunter)
Natürlich gibt es einen Teil des Kuzushi _vor_ dem Tsukuri, das ist aber keinesfalls dieser "Anriß" sondern
eher ein "Verführen" Ukes zur Bewegung. In Einklang mit dieser Bewegung wird dann eingedreht und
dann kommt das Anriß-Kuzushi, welches den Niederwurf einleitet.

Beispiel: Ippon-Seoi-Nage wird nach dem zeitlichen "K-T-K"-Modell oft so gezeigt: Tori reißt an Ukes Arm
kräftig nach schräg oben (*), dreht dann ein (dabei macht er meist noch nen Schritt auf Uke zu (**) ),
dabei führt er seinen anderen Arm unter Ukes Arm, klemmt diesen und hat seinen Schwerpunkt abgesenkt,
dann läßt er sich nach vorn fallen u. streckt dabei er die Beine und wirft
Uke evt. noch mit Rotation des Oberkörpers.
(*) führt aber in der Regel dazu, daß Uke schon reagiert - z.B. eine großen Schritt macht oder sich reflexhaft
gegen lehnt usw...
(**) falls es dazu kommt, hat Uke gute Möglichkeit, über einen Block zu kontern...

Nach dem Hirano-Modell (Tom wird mich berichtigen, falls ich jetzt zuviel Mist erzähle ;-) ) geht es so:
Tori geht aufrecht (!) und gemütlich rückwärts - gleichmäßig u. ohne Ruck. Meist folgt Uke, weil es für
ihn ökonomischer ist, einen Schritt zu machen, um sein Gleichgewicht zu wahren, als kraftvoll gegenzuhalten
(macht er es doch, dann wird Tori einen Wurf nach hinten anwenden müssen)
Damit bewegt sich Ukes Schwerpunkt schon mal in die richtige Richtung, zum Zeitpunkt, wo
Uke gerade beginnt, sein vorderes Bein voll zu belasten und das hintere vom Boden abzulösen,
hat Tori sozusagen eine langen Schritt von Uke Zeit einzudrehen, das geschieht aber
keinesfalls auf Uke zu - sondern von ihm weg ( - damit hat Uke nur eine minimale Chance zu blocken, er müßte
schon an Tori heranspringen) - wie die Schritte gesetzt werden müssen (vorne rum oder hinten rum, oder, oder)
hängt vom Uke ab, vom Bein, welches er gerade bewegen will.

Gegen Ende der Eindrehbewegung ist Uke auf Tori "aufgelaufen" und Toris Zug setzt ein und kippt Uke
über sich hinweg. Dabei versucht Tori, seine Bein so zu strecken, daß er mit seinem Gesäß Ukes Oberschenkel /
Unterleib nach hinten schiebt. Damit hat Tori eine gute Chance im Gleichgewicht zu bleiben - ist ganz nützlich,
falls man Bodenkampf vermeiden möchte ;-)
Auch entfällt in dieser Form ein seitliche "Verbiegen" der Wirbelsäule, weil man noch irgendwie in den Wurf
hinkommen wollte, Tori ist eigentlich immer nahezu aufrecht (außer im Abwurf).

Im Video "Supreme Judo DVD by Nobutaka Mizuguchi" spricht er Nobutaka Mizuguchi bei einem der Würfe
von einem Angriffsbereich Ukes - das ist das "Rechteck" vor Ukes Füßen, welches durch Projektion der
ausgestreckten Arme auf die Matte gebildet wird.
Und der Trick beim alten "Eindrehen" ist, daß man außerhalb dieses Angriffbereiches eindreht und dieser Abstand
danach durch Ukes Eigenbewegung und Toris Krafteinsatz geschlossen wird...

In der Nage-No-Kata halte ich den Harai-Goshi für ein gutes Bespiel für die o.g. Eindrehmechanik...

[Nachtrag: tutors! Beitrag hat mich überholt.]
Mit freundlichem Gruß

Fritz
tutor!
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Re: Platzwechsel, eindrehen, Wurfphasen: Wie geht das?

Beitrag von tutor! »

Bitte hilf mir, Dich zu verstehen.
judoka50 hat geschrieben:Unabhängig davon ist die Eindrehbewegung nicht Bestandteil des Wurfes, sondern abhängig von der Ausgangssituation..
Einer von uns beiden muss seine Gedanken sortieren.
- nicht bei jeder Technik mache ich eine Eindrehbewegung
- Wenn Du aber von Eindrehbeweung sprichst und Deine Ausführungen auf Eindrehtechniken beschränkst, dann wirst Du sicherlich die Phase des Eindrehens als Tsukuri bezeichnen, oder?
- Demnach würde das Tzukuri nicht zum Wurf gehören.....
- Meinst du jetzt mit Wurf das "Kake"?
- Wenn ich Dich richtig deute, dann ist ein Wurf auch nicht abhängig von der Ausgangssituation
Es ging nicht darum - keine Bewegung. Sondern die Bewegung bleibt jedem selbst überlassen.
D. h. die bei der Schulung erforderliche Bewegung ist "meine Bewegung", welche ich auf ein Minimum beschränke.
Damit soll vermieden werden, dass die oft jungen Judoka in ihren Verein zurückkommen mit den Worten. "Wir haben die Würfe auf dem Lehrgang aber ganz anders gelernt." - Obwohl es sich im Prinzip dann nur auf die Wurfvorbereitung handelte.
Wie gesagt, die vorbereitenden Schritte, Finten usw. bleiben halt jedem selbst überlassen.
Der Wurf ansich sollte seine festen Bestandteile behalten.
Ich versuche, Dich zu verstehen:

Du machst eine minimale Bewegung, weil die oft jungen Judoka, um nicht verwirrt zu werden, keine andere Bewegung machen sollen wie im Verein. Ist denn nicht eine minimale Bewegung auch eine Bewegung?

Vermittelst Du denn keinen Anwendungsbezug für eine Technik, damit die Schüler nicht verwirrt werden?
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HBt

Fragen

Beitrag von HBt »

Lieber Tutor,
Du wirfst interessante Fragen/stellungen auf: Nur ein Beispiel, alle aufgeführten Punkte sind nicht Bestandteil der offiziellen ÜL/TR-C Ausbildung (ich definiere sie als Basis), warum? ... falls doch, wieviel wert ...

Ich rekapituliere:
- Jedes Dogma, Paradigma verhindert jede Progressivität.
- Tsukuri steht sehr häufig vor dem eigentlichen Kuzushi (identisch mit I. Okano), bzw. das Kuzushi findet zeitgleich statt,
(man könnte es sogar vorwegnehmen, also schon "vor der Zeit"!)
-
-
-
Wie lernen wir (ES)?

@Fritz,
Du beschreibst mit Deinem SN-Beispiel sehr schön was man als Werfen mit Rotation, mit Schraube (die Makikomi-Form)
und mit dem "Pulling out" (ushiro mawari oder sogar mit omote/irimi) bezeichnet.

Der Anriß ist auf alle Fälle deppert; und "schauen wir immer auf die berühmte Uhr", ziehen wir in die richtige Richtung?
Reißen ist nicht unbedingt ein sinnvoller Terminus, er wird permanet mißverstanden.

Ist der SN in den ersten Fällen (Rotation, Schraube) überhaupt noch ein Te-Waza, wohl kaum.

Morote-SN mit PO also ein guter Ausgangspunkt für weitere Betrachtungen.

Fritz HBt Ronin hat geschrieben:Zurück zum Thema:
Die Vereinfachung "Kuzushi- Tsukuri- Kake" kann ergo so nicht allgemeingültig richtig sein, oder wird mißverstanden.

wird missverstanden

Wie ist es denn zu verstehen?

In der Nage-No-Kata halte ich den Harai-Goshi für ein gutes Bespiel für die o.g. Eindrehmechanik...
Verstehen wir die Nage no kata? Als was verstehen wir sie, wie verstehen wir sie ... und alle anderen bekannten Kata?
hoffentlich bald ein neuer Faden hierzu von K.H. oder wer sich auch immer berufen fühlt.

@Fritz oder Udo oder MCS oder ...,
wir lassen die derzeitige Kumikata, mit der wir sofort und unverzüglich den Gegner (ein Partner!) dominieren wollen völlig außer acht. :? :| ;)
Zuletzt geändert von Fritz am 12.08.2008, 14:53, insgesamt 2-mal geändert.
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tutor!
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Re: Fragen

Beitrag von tutor! »

HBt hat geschrieben:Lieber Tutor,
Du wirfst interessante Fragen/stellungen auf: Nur ein Beispiel, alle aufgeführten Punkte sind nicht Bestandteil der offiziellen ÜL/TR-C Ausbildung (ich definiere sie als Basis), warum? ... falls doch, wieviel Wert ...
Für die ÜL-/TR-C Ausbildung sind die Landesverbände zuständig. Es gibt also mindestens so viele Antworten wie Landesverbände - sofern Du damit Recht hast, dass es nirgendwo vermittelt wird. Wenn dem tatsächlich so ist, können wir über die Gründe nur spekulieren, jedoch könnte ein Antwort darin liegen, dass in diesen Ausbildungen Methodik und Didaktik vermittelt werden soll und man davon ausgeht, dass die Technik(en) bereits bei Beginn der Ausbildung beherrscht werden.

Nun ist dies aber Spekulation und selbst wenn dieser Gedanke zutreffen würde, hieße das ja nicht, dass die Techniken auch faktisch beherrscht werden. Die Antwort auf Deine Frage liegt in der Verantwortung der Landesverbände.
HBt hat geschrieben: Ich rekapituliere:
- Jedes Dogma, Paradigma verhindert jede Progressivität.
- Tsukuri steht sehr häufig vor dem eigentlichen Kuzushi (identisch mit I. Okano), bzw. das Kuzushi findet zeitgleich statt,
(man könnte es sogar vorwegnehmen, also schon "vor der Zeit"!)
-
-
-
Wie lernen wir (ES)?
Ich würde eher sagen, Du interpretierst - bzw. Du rekapitulierst, wie du mich verstanden hast. Ich würde eher formulieren:

Ein dogmatisches Festhalten an Paradigmen schränkt mögliche Denkrichtungen und Perspektiven ein, so dass möglicherweise, aber nicht zwingend, Chancen für eine Weiterentwicklung vertan werden. Paradigmen sind aber als Struktur und Ordnung gebende Elemente wichtig, damit wir eine Klarheit unserer Gedanken erreichen und behalten können.

Deinen Bezug zu Okano kann ich jetzt im Moment nicht nachvollziehen, ganz einfach weil ich seine Bücher nicht zu Hand habe und nicht nachlesen kann, was er dazu geschrieben hat. Die dargestellten Techniken sind aber herausragend (falls Du Dich auf "Vital Judo" beziehst).

Wie man es lernen kann? Es wird Dich nicht wirklich zufriedenstellen, wenn ich sage, bei einem guten Trainer, weil das natürlich sofort die nächste Frage aufwirft: "Wer ist ein guter Trainer" und "In welchem Verein".... Allerdings kann und werde ich auch nicht schreiben, dass es ohne Trainer geht.

Hilfsmittel können Medien sein - Videos und DVDs - von denen es ja eine ganze Reihe gibt. Schauen - nachdenken - probieren und erneut schauen. Mit dem Körper begreifen und sich nicht ständig verunsichern lassen.
HBt hat geschrieben:
Fritz HBt Ronin hat geschrieben:Zurück zum Thema:
Die Vereinfachung "Kuzushi- Tsukuri- Kake" kann ergo so nicht allgemeingültig richtig sein, oder wird mißverstanden.

wird missverstanden

Wie ist es denn zu verstehen?

In der Nage-No-Kata halte ich den Harai-Goshi für ein gutes Bespiel für die o.g. Eindrehmechanik...
Verstehen wir die Nage no kata? Als was verstehen wir sie, wie verstehen wir sie ... und alle anderen bekannten Kata?
hoffentlich bald ein neuer Faden hierzu von K.H. oder wer sich auch immer berufen fühlt.
Die Nage-no-kata kann Dir beim Verständnis durchaus hilfreich sein, immerhin enthält sie ja 15 z.T. sehr verschiedene Wurftechniken. Überlege und probiere doch einmal durch welche Bewegung in der N-n-K Uke aus dem Gleichgewicht gebracht wird und wie Du in den Wurf hinein kommst.

In jeder Technik gibt es den Übergang vom Tsukuri zum Kake. Auf diesen Übergang musst Du Dich konzentrieren, dann verstehst Du auch die jeweilige Technik. Schaut man sich heutige Kata-Vorführungen an, findet man häufig eine Überbetonung des Zeremoniells und den Versuch die Hauptphase der Technik möglichst herauszustellen. Aber gerade der wichtige Übergang in die Hauptphase kommt oft zu kurz.

Aber ich möchte nicht den Fehler begehen, zu verallgemeinern.
Zuletzt geändert von Fritz am 12.08.2008, 15:03, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: 2 Beiträge vereint
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Re: Platzwechsel, eindrehen, Wurfphasen: Wie geht das?

Beitrag von Fritz »

@HBt: Ich denke, es ist an der Zeit, daß Du auch mal etwas sachdienliches schreibst.
Deine "merkwürdige" Art der Umherfragerei gefällt mir überhaupt nicht...
Komm endlich zum Punkt, wenn Du was zweckdienliches zu _sagen_ hast.
Mit freundlichem Gruß

Fritz
HBt

Re: Platzwechsel, eindrehen, Wurfphasen: Wie geht das?

Beitrag von HBt »

@Tutor,
Deinen Bezug zu Okano kann ich jetzt im Moment nicht nachvollziehen, ganz einfach weil ich seine Bücher nicht zu Hand habe und nicht nachlesen kann, was er dazu geschrieben hat. Die dargestellten Techniken sind aber herausragend (falls Du Dich auf "Vital Judo" beziehst).
Natürlich beziehe ich mich auf Okano & Sato Vital Judo. 8)
Wie man es lernen kann? Es wird Dich nicht wirklich zufriedenstellen, wenn ich sage, bei einem guten Trainer, weil das natürlich sofort die nächste Frage aufwirft: "Wer ist ein guter Trainer" und "In welchem Verein".... Allerdings kann und werde ich auch nicht schreiben, dass es ohne Trainer geht.
In dem ES steckt noch mehr als ich momentan vereinfachen möchte, es ist rethorisch aufzufassen
Hilfsmittel können Medien sein - Videos und DVDs - von denen es ja eine ganze Reihe gibt. Schauen - nachdenken - probieren und erneut schauen. Mit dem Körper begreifen und sich nicht ständig verunsichern lassen
Womit wir bei M. Feldenkrais und wieder beim Judo wären.
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Re: Platzwechsel, eindrehen, Wurfphasen: Wie geht das?

Beitrag von Reaktivator »

Jigorō Kanō selbst scheint es übrigens genau so gesehen zu haben, wie "tutor!" es in seinen o.a. Beiträgen ausführlich erläutert hat - denn die heute gemeinhin kolportierte Abfolge von Kuzushi - Tsukuri - Kake findet sich in dieser Form in den ursprünglichen Texten von Kanō nicht.

Aufschlußreich in dieser Hinsicht ist ein Blick in das von Kanō verfaßte "Jūdō-Lehrbuch" aus dem Jahr 1931:
(KANŌ Jigorō: Jūdō kyōhon (Jūdō-Lehrbuch). Tōkyō: Sanseidō 1931. Zitiert in: Kōdōkan (Hg.): Kanō Jigorō taikei, Band 3, Jūdō jitsuwaza (Jūdō-Techniken). Tōkyō: Hon no Tomosha 1988: 294-405. Nachfolgende Punkte auf den Seiten 301-318.)

Kapitel 6 ("Beim Jūdō-Training essentielle Dinge") gliedert sich wie folgt:
1. Das Dōjō
2. Die Jūdō-Kleidung
3. Höflichkeit und Etikette im Dōjō
4. Stellungen
5. Kuzushi
6. Hygiene
7. Bewegungen
8. Tsukuri und Kake
9. Ukemi

Es fällt auf, daß es keine unmittelbare Aufeinanderfolge von Kuzushi und Tsukuri/Kake gibt.
Kuzushi wird vielmehr als entscheidendes Element aller Wurftechniken eigenständig erläutert - ebenso wie z.B. die Fallübungen (Ukemi).

Im Text wird Tsukuri dann wie folgt definiert:
Als Tsukuri wird es bezeichnet, wenn man das Gleichgewicht des Partners bricht und sich selbst in eine entsprechende Position begibt, um eine Technik möglichst leicht durchführen zu können, (...)
(Ebd., 311)

Explizit wird hier also Kuzushi als Bestandteil des Tsukuri angesehen.
Folgt man dieser Definition, ist die Diskussion über eine zeitliche Abfolge müßig.
Zuletzt geändert von Reaktivator am 12.11.2010, 08:59, insgesamt 1-mal geändert.
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(Alte Internet-Weisheit, frei nach "Reaktivator")
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Re: Platzwechsel, eindrehen, Wurfphasen: Wie geht das?

Beitrag von judoka50 »

Als Tsukuri wird es bezeichnet, wenn man das Gleichgewicht des Partners bricht und sich selbst in eine entsprechende Position begibt, um eine Technik möglichst leicht durchführen zu können, -- Explizit wird hier also Kuzushi als Bestandteil des Tsukuri angesehen.
Folgt man dieser Definition, ist die Diskussion über eine zeitliche Abfolge müßig
Dann dürfte ich ja mit meiner Unterrichtsform, bei der ich mich mehr auf die Richtung des Gleichgewichtsbruches, der Stellung der Partner in diesem Moment, sowie bei der weiteren Wurfausführung und der richtigen "Landung" von Uke festlelge, gar nicht so falsch liegen. Übrigens kann man aus der Lage von Uke nach dem Wurf die Ausführung des Wurfes recht gut analysieren.
(Um auch gleichzeitig noch einmal die Frage zu Beantworten - gar keine Schritte oder doch - Selbstverständlich müssen die zur Erläuterung des Wurfes gehörenden Schritte, schon allein zum Erreichen eines festen Standes nach dem Positionswechsel, durchgeführt werden.
Aber eben nur die unbedingt erforderlichen - ausgehend von der Position der sich fassenden und gegenüberstehenden Uke und Tori.)
Dies würde auch bestätigen, dass die Bewegungen vor dem eigentlichen Wurf, nehmen wir z.b. einmal Hirano mit seinen überdeutlichen, vorbereitenden Bewegungen, - deren
"Unterrichtsformen" bzw. Darstellung ihrer Form des Judo sind. Viele Bewegungen kann man ganz simpel auch als Finte, Reaktion - Gegenraktion, betrachten. Denn die machen auch nichts anderes als den Gegner mit einer Bewegung oder Schrittfolge zu einer Reaktion zu veranlassen, die ich für meinen geplanten Wurf als optimal empfinde. (Im Gegensatz zu einer Kombination)
Insofern hat, wie ich schon mehrfach geschrieben habe, jeder der großen Meister seine eigene Form entwickelt, die aber eigenartigerweise alle das gleiche Endziel haben.
Viele Grüße
U d o
Gast

Re: Platzwechsel, eindrehen, Wurfphasen: Wie geht das?

Beitrag von Gast »

Reaktivator hat geschrieben:Jigorō Kanō selbst scheint es übrigens genau so gesehen zu haben, wie "tutor!" es in seinen o.a. Beiträgen ausführlich erläutert hat - denn die heute gemeinhin kolportierte Abfolge von Kuzushi - Tsukuri - Kake findet sich in dieser Form in den ursprünglichen Texten von Kanō nicht.

Aufschlußreich in dieser Hinsicht ist ein Blick in das von Kanō verfaßte "Jūdō-Lehrbuch" aus dem Jahr 1931:
(KANŌ Jigorō: Jūdō kyōhon (Jūdō-Lehrbuch). Tōkyō: Sanseidō 1931. Zitiert in: Kōdōkan (Hg.): Kanō Jigorō taikei, Band 3, Jūdō jitsuwaza (Jūdō-Techniken). Tōkyō: Hon no Tomosha 1988: 294-405. Nachfolgende Punkte der Seiten 301-318 aus dem Japanischen übersetzt von "Reaktivator".)

Kapitel 6 ("Beim Jūdō-Training essentielle Dinge") gliedert sich wie folgt:
1. Das Dōjō
2. Die Jūdō-Kleidung
3. Höflichkeit und Etikette im Dōjō
4. Stellungen
5. Kuzushi
6. Hygiene
7. Bewegungen
8. Tsukuri und Kake
9. Ukemi

Es fällt auf, daß es keine unmittelbare Aufeinanderfolge von Kuzushi und Tsukuri/Kake gibt.
Kuzushi wird vielmehr als entscheidendes Element aller Wurftechniken eigenständig erläutert - ebenso wie z.B. die Fallübungen (Ukemi).

Im Text wird Tsukuri dann wie folgt definiert:
Als Tsukuri wird es bezeichnet, wenn man das Gleichgewicht des Partners bricht und sich selbst in eine entsprechende Position begibt, um eine Technik möglichst leicht durchführen zu können, (...)
(Ebd., 311)

Explizit wird hier also Kuzushi als Bestandteil des Tsukuri angesehen.
Folgt man dieser Definition, ist die Diskussion über eine zeitliche Abfolge müßig.
Sehr interessant. Wenn der Tsukuri den Kuzushi einschliesst, ist es also doch egal, ob man sich erst bewegt und dann eindreht oder erst eindreht und dann das Gleichgewicht brechen macht, oder? Aber vielleicht kommt das auch auf den Wurf an?
tutor!
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Re: Platzwechsel, eindrehen, Wurfphasen: Wie geht das?

Beitrag von tutor! »

Gast hat geschrieben: Sehr interessant. Wenn der Tsukuri den Kuzushi einschliesst, ist es also doch egal, ob man sich erst bewegt und dann eindreht oder erst eindreht und dann das Gleichgewicht brechen macht, oder?

Aber vielleicht kommt das auch auf den Wurf an?
Letzteres! Es kommt auf die Technik und auch ein wenig auf die Situation an. ich hatte den Gedanken weiter oben dargelegt und Reaktivator hat - sehr zu meiner eigenen Überraschung - dieses Zitat von Jigoro Kano herausgesucht.

Vielleicht liest Du oben noch mal nach, wenn es Dich interessiert.
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HBt

Schnittmenge

Beitrag von HBt »

Eine Behauptung:
Kuzushi ist folgerichtig ein "eigenständiges Modul", das Betonen von Anriß (Stop) - Eindrehen (Stop) - Niederwurf (häufig mit Mitfallen) ergo methodisch/didaktischer Unsinn. Leider sieht man dieses sehr häufig. Die Reduktion (und Zergliederung) produziert zu häufig ein falsches Verständnis oder ein Bild der Dynamik.

Ein Zitat:
Tori muß immer sicherstellen, dass Ukes Gleichgewicht zu dem Zeitpunkt gebrochen ist, in dem er die letzte Wurfphase ausführt.
I.Okano & T. Sato, Vital Judo- Wurftechniken, leider habe ich nur die deutsche Ausgabe


Mahito Ohgo ordnet den Platzwechsel (in seinem 1974 Gokyo-Büchlein) dem KAKE zu. Ein Kuzushi, in der obigen Form taucht gar nicht auf, bzw. wird nicht erwähnt, es gibt hier nur die EINHEIT Tsukuri-Kake.

Schlussfolgerung:
Ohne fließende Bewegungen geht es nicht (nur noch einmal zur Verdeutlichung), ohne sinnvolle Bewegungszusammenhänge ist
auch das Technikerwerbstraining zu stark limitiert. Bewegungsverwandschaften (Basistechniken, Muster, Knoten, Mainpoints, ...) führen jetzt unweigerlich auch zu Verkettungen, Überleitungen zu anderen Techniken.

hier offtopic:
Mit Sicherheit sind diese Muster (Verkettungen -> MÜR) in der Go Kyo no Waza enthalten, man muß sie vielleicht nur erkennen.

Zum Punkt Kuzushi-Tsukuri-Kake, "googelt" einmal nach Hiroshi Katanishi.

Nachtrag:
http://judoinfo.com/kuzushi.htm
Auch "the sport of judo", K. Kobayashi enthält am Anfang wichtige Hinweise zu diesem thread.

@Tutor!,
ich hoffe, Du kannst uns noch ein bißchen mehr (aus Deiner Erinnerung an Hiranos LG) zum eigentlichen Thema effektiver Wurfeingang mitteilen, vielleicht ein Beispiel von Tokyo Hirano.
Jano
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Re: Platzwechsel, eindrehen, Wurfphasen: Wie geht das?

Beitrag von Jano »

Wenn man in einer MÜR mit bewegungsverwandten Techniken arbeitet, kann es schon vorkommen, dass diese Techniken auch in der Gokyo nahe bei einander liegen.
Dass die Gokyo-no-kaisetsu methodische Übungsreihen im eigentlichen Sinne enthält, würde ich jetzt eher bezweifeln.
Eine MÜR ist für mich ein schrittweiser Aufbau einer Technik über vorbereitende einzelne Übungen für Tori und Uke, die letztendlich zur eigentlichen Zieltechnik führen.
Das können z.B. spezielle Fallübungen für Uke sein, oder ein Aufbauen einer Technik aus dem Kniestand, bevor sie im Stand ausgeführt wird, oder oder oder...

Ich finde es recht interessant, welche Disskusion sich hier über effektive Wurfeingänge entwickelt hat. Scheinbar hat sich durch das Wissen, eine Technik besteht aus den 3 Phasen Kuzushi, Tsukuri und Kake, bei vielen die Ansicht verfestigt, man könne diese Phasen in einer Technik klar unterscheiden. Also: Genau hier ist das Kuzushi beendet und genau hier beginnt das Tsukuri.
Für mich ist es allerdings so, dass die Grenzen oft ganz und gar nicht erkennbar sind und alles ein fließender flüssiger Übergang vom Einen zum Anderen ist. Gerade Kuzushi und Tsukuri verschmelzen dabei oft zu einer Einheit. Wie bereits geschrieben wurde kann es so durchaus vorkommen, dass diese beiden Phasen gleichzeitig ablaufen, oder das Tsukuri sogar vor dem Kuzushi beginnt.

Die Frage nach einem effektiven Wurfeingang kann ich für mich persönlich allerdings viel einfacher beantworten:
Effektiv ist für mich ein Wurfeingang, der es mir ermöglicht, den Gegner erfolgreich zu werfen.
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Fritz
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Re: Platzwechsel, eindrehen, Wurfphasen: Wie geht das?

Beitrag von Fritz »

MÜR
Könnte bitte jemand mal diese Abkürzung ausschreiben?
Mit freundlichem Gruß

Fritz
Jano
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Re: Platzwechsel, eindrehen, Wurfphasen: Wie geht das?

Beitrag von Jano »

Gerne Fritz, ist in meinem Beitrag bereits geschehen, allerdings nicht so offensichtlich.

MÜR = Methodische Übungsreihe
tutor!
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Re: Schnittmenge

Beitrag von tutor! »

HBt hat geschrieben:Eine Behauptung:
Kuzushi ist folgerichtig ein "eigenständiges Modul", das Betonen von Anriß (Stop) - Eindrehen (Stop) - Niederwurf (häufig mit Mitfallen) ergo methodisch/didaktischer Unsinn. Leider sieht man dieses sehr häufig. Die Reduktion (und Zergliederung) produziert zu häufig ein falsches Verständnis oder ein Bild der Dynamik.
Das muss man jetzt im Einzelfall sehen. Aber wenn ich eine Technik in einem falschen räumlich-zeitlichen Verhältnis üben lasse, vermittle ich natürlich einen räumlich-zeitlichen Fehler. Mitunter kann man aber in einem methodischen Zwischenschritt durchaus einmal den Gleichgewichtsbruch betont vorwegnehmen.

Zu Deinen Zitaten: Versuch nicht - wenn ich Dir einen Tipp geben darf - alle möglichen Fetzen von irgendwoher zusammenzustricken um dann daraus allgemeine Schlussfolgerungen zu ziehen. Vieles ist in der Judoliteratur mehr oder weniger abgeschrieben oder auch schon mal ziemlich lieblos dahingetippt. Verallgemeinerungen sind fast immer mit Pauschalisierungen verbunden und führen nicht wirklich zu allgemein gültigen Aussagen.
HBt hat geschrieben:@Tutor!,
ich hoffe, Du kannst uns noch ein bißchen mehr (aus Deiner Erinnerung an Hiranos LG) zum eigentlichen Thema effektiver Wurfeingang mitteilen, vielleicht ein Beispiel von Tokyo Hirano.
Schriftlich geht das schlecht, aber schau Dir am besten die Videos an, die Du im Netz findest.
I founded a new system for physical culture and mental training as well as for winning contests. I called this "Kodokan Judo",(J. Kano 1898)
Techniques are only the words of the language judo (Cichorei Kano, 24.12.2008)
HBt

Schnittmenge: Teil II

Beitrag von HBt »

Auf folgende Punkte möchte ich kurz detailierter eingehen:

A) Taiotoshi
Tutor! hat geschrieben: Etwas anderes passiert z.B. beim Tai-otoshi. Hier sollte im Idealfall das Gleichgewicht gebrochen sein, wenn Tori seinen rechten Fuß (bei Rechtstechnik) aufsetzt. Je weniger das gelingt, desto mehr Kraft muss im Kake aufgewendet werden, was nicht nur suboptimal ist, sondern auch zum Misslingen führen kann. Da der Gleichgewichtsbruch schwerlich "aus dem Stand" heraus erfolgen kann, muss dies während der Eindrehbewegung erfolgen. Aus dem Stand ist allenfalls ein Initiieren des Kuzushi möglich, so dass das Kuzushi einen Hauch früher einsetzen kann als das Tsukuri.
B) Material
In der früheren DDR wurden übrigens sehr interessante biomechanische Analysen hierzu durchgeführt.
C) Harmonie
Jano hat geschrieben: Für mich ist es allerdings so, dass die Grenzen oft ganz und gar nicht erkennbar sind und alles ein fließender flüssiger Übergang vom Einen zum Anderen ist. Gerade Kuzushi und Tsukuri verschmelzen dabei oft zu einer Einheit. Wie bereits geschrieben wurde kann es so durchaus vorkommen, dass diese beiden Phasen gleichzeitig ablaufen, oder das Tsukuri sogar vor dem Kuzushi beginnt.
D) Methodik & Didaktik
Tutor! hat geschrieben: Das muss man jetzt im Einzelfall sehen. Aber wenn ich eine Technik in einem falschen räumlich-zeitlichen Verhältnis üben lasse, vermittle ich natürlich einen räumlich-zeitlichen Fehler. Mitunter kann man aber in einem methodischen Zwischenschritt durchaus einmal den Gleichgewichtsbruch betont vorwegnehmen.
E) per se
Tutor! hat geschrieben: Zu Deinen Zitaten: Versuch nicht - wenn ich Dir einen Tipp geben darf - alle möglichen Fetzen von irgendwoher zusammenzustricken um dann daraus allgemeine Schlussfolgerungen zu ziehen. Vieles ist in der Judoliteratur mehr oder weniger abgeschrieben oder auch schon mal ziemlich lieblos dahingetippt. Verallgemeinerungen sind fast immer mit Pauschalisierungen verbunden und führen nicht wirklich zu allgemein gültigen Aussagen.
zu A):
Taiotoshi ist ein Paradebeispiel- Tutor, ich möchte Dir mit folgendem Beispiel ein "kleines bißchen widersprechen", um den Fokus wieder auf die fließende Bewegung zu bringen, muß Dir zum Ende hin aber doch wieder ein "kleines bißchen rechtgeben".

Betrachten wir den TOT aus Ukes Rückwärtsbewegung, wir werfen in dem Moment wenn Uke sein rechtes Bein/Fuß zurücksetzt (bei Rechtsausführung, vergleichbar mit KUG->TOT). Von entscheidender Wichtigkeit ist die Fähigkeit von Tori, sich mit Uke zu synchronisieren (eine bedeutende zeitliche u. koordinative Kompetenz, oder?); um, sobald dies erfolgt ist, unter Ukes KSP (der sich bewegt) zu gleiten und den eigenen KSP sacken zu lassen!
Tsukuri ist damit abgeschlossen, den PW mit inbegriffen. Jetzt erfolgt Kake u. Kuzushi, alles "ohne" den Körper von Uke zu berühren (im Sinne von Sperren oder Rücken/Seite-Bauchkontakt, eben 100% Te-waza) oder die Arme zu exponieren (Zug und Hub-Richtungen sind gänzlich anders als allgemein, in der Masse/Basis angenommen), sie sind am Körper (Zentrum), ausschlaggebend für das Kuzushi ist hier das Sackenlassen und die Geschwindigkeit mit der Tori den PW durchführen kann (Impuls -> Bewegungsgröße p=m*v).
Ein Mißerfolg, in dieser Endphase, kann nur noch durch blödsinnigen Armeinsatz erfolgen.
Der Fall von Uke ist übrigens ein Ganzes, d.h. er fällt sicher und großflächig, theoretisch müßte ein Abdruck in der Matte verbleiben.
...falls die Beschreibung einige überfordert, könnt ihr meinen Text/Gedanken mit K. Mifune, im Video vergleichen, oder es ausprobieren. Er demonstriert in absoluter Perfektion auch diese Ausführungsmöglichkeit. Ohne Kraft.

Tutor!,
wenn wir uns auf das psychologische Element des Kuzushi einigen, stimme ich Dir zu: hier wurde kurz vor dem Tsukuri die Balance gestört/gebrochen, physikalisch erst am Ende.

zu B)
Quellen, wo finden wir die Ergebnisse, Dissertationen, etc pp.? (Bevor mich jemand hauen will, ich frage für DICH.)
zu C)
siehe A), volle Zustimmung.
zu D)
Einverstanden; leider verschließen wir die Augen, wenn wir sagen würden: Das ist schon überall angekommen, angenommen, verstanden und wird umgesetzt.
zu E)
Per se.

Mein Vorschlag:
Lasst uns (kurzzeitig) auf die bekannten Wurfeingänge eingehen:
1) Kodokan-Eingang vorwärts
2) Kodokan-Eingang rückwärts
3) Pulling Out
4) den M.Kawaishi-Eingang
5) Direkte Eingänge. Über die Benennung müssen wir uns ja nicht unbedingt streiten, ich gehe davon aus, dass wir in diesen Fällen alle wissen, was gemeint ist.

Gibt es Gemeinsamkeiten? Was macht sie, wann und wie effektiv? Für welche Zieltechnik, wann Bedingung?
u.s.w
tutor!
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Re: Schnittmenge: Teil II

Beitrag von tutor! »

HBt hat geschrieben: Taiotoshi ist ein Paradebeispiel- Tutor, ich möchte Dir mit folgendem Beispiel ein "kleines bißchen widersprechen", um den Fokus wieder auf die fließende Bewegung zu bringen, muß Dir zum Ende hin aber doch wieder ein "kleines bißchen rechtgeben".

Betrachten wir den TOT aus Ukes Rückwärtsbewegung, wir werfen in dem Moment wenn Uke sein rechtes Bein/Fuß zurücksetzt (bei Rechtsausführung, vergleichbar mit KUG->TOT). Von entscheidener Wichtigkeit ist die Fähigkeit von Tori sich mit Uke zu synchronisieren (eine bedeutende zeitliche u. koordinative-Kompetenz, oder?); um, sobald diese erfolgt ist unter Ukes KSP (der sich bewegt) zu gleiten und den eigenen KSP sacken zu lassen! Tsukuri ist damit abgeschlossen, den PW mit inbegriffen. Jetzt erfolgt Kake u. Kuzushi, alles "ohne" den Körper von Uke zu berühren (im Sinne von Sperren oder Rücken/Seite-Bauchkontakt, eben 100% Tewaza) oder die Arme zu exponieren (Zug und Hub-Richtungen sind gänzlich anders als allgemein, in der Masse/Basis angenommen), sie sind am Körper (Zentrum), ausschlaggebend für das Kuzushi ist hier das Sacken lassen und die Geschwindigkeit mit der Tori den PW durchführen kann (Impuls -> Bewegungsgröße p=m*v). Ein Mißerfolg, in dieser Endphase, kann nur noch durch blödsinnigen Armeinzatz erfolgen. Der Fall von Uke ist übrigens ein Ganzes, d.h. er fällt sicher und großflächig, theoretisch müßte ein Abdruck in der Matte verbleiben.
...falls die Beschreibung einige überfordert, könnt ihr meinen Text/Gedanken mit K. Mifune, im Video vergleichen, oder es ausprobieren. Er demonstriert in absoluter Perfektion auch diese Ausführungsmöglichkeit. Ohne Kraft.
Tutor!,
wenn wir uns auf das psychologische Element des Kuzushi einigen, stimme ich Dir zu: hier wurde kurz vor dem Tsukuri die Balance gestört/gebrochen, physikalisch erst am Ende.

zu B)
Quellen, wo finden wir die Ergebnisse, Dissertationen, etc pp.? (Bevor mich jemand hauen will, ich frage für DICH.)
Ein geeignetes Beispiel von Mifune habe ich jetzt auf die Schnelle nicht gefunden, aber einen Tai otoshi von Hirano, der ja sicherlich gerade bei Tai-otoshi als Referenz gelten kann.
(ab ca. 3:15)

Mit ein wenig genauem Hinschauen stellt man fest, dass Ukes rechter Fuß schon steht, bevor Tori seinen rechten Fuß aufsetzt. Der Gleichgewichtsbruch beginnt bereits, während Uke mit seinem rechten Fuß noch nach hinten geht. Tori erreicht dies, indem er Uke zunächst nach hinten schiebt und dann mit Beginn seines Einganges (in diesem Fall ein kleiner Sprung) vom Schieben zum Gleichgewichtsbruch übergeht. Bei 4:40 und 4:50 ist es noch einmal ähnlich zu sehen. In allen drei Fällen stellt Hirano Uke regelrecht auf den rechten Fuß. Dadurch ist der Fuß auf der Matte fixiert und Uke kann nicht übersteigen. Auffällig ist auch, dass die Wurfrichtung etwa senkrecht zur Richtung der Rückwärtsbewegung von Uke - und damit senkrecht zur Verbindungslinie zwischen Ukes Füßen - ist!

In diese Richtung muss der KSP nur wenige Zentimeter bewegt werden, um zum Gleichgewichtsbruch über die Unterstützungsfläche zu kommen. Außerdem kann Uke mit dem Gewicht auf dem rechten Fuß mit diesem keinen Schritt zum Ausgleich nach vorne machen. Mit dem linken Fuß kann er auch nicht nach vorne gehen, weil Toris Körper den Weg versperrt. Das bedeutet relativ leichtes Spiel für den Gleichgewichtsbruch.

Es ist deutlich zu sehen, dass das Gleichgewicht gebrochen ist, wenn Toris rechter Fuß auf die Matte kommt. So wie Du die Technik jedoch beschrieben hast, steht Uke noch im Gleichgewicht, während Tori schon in Wurfposition ist. Die Technik kann dann gegen Widerstand nicht mehr funktionieren.

Literatur (nicht zum Tai-otoshi, aber zur Biomechnik):

H. Nieke: Innere und äußere Kräfte bei der Wurftechnik im Judo, in: Mieth; Rudolf: Texte zur Theorie der Sportarten, Bd. 3 (Judo), Verlag Karl Hofmann, Schorndorf 1980
I founded a new system for physical culture and mental training as well as for winning contests. I called this "Kodokan Judo",(J. Kano 1898)
Techniques are only the words of the language judo (Cichorei Kano, 24.12.2008)
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