Judoverständnis

Hier geht es um das Thema Selbstverteidigung
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Lin Chung
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Re: Judoverständnis

Beitrag von Lin Chung »

Mal keine böse Absicht...
aber mit dem Aufzählen und Ausführen ist es nicht getan.
Man muss schon wissen und erfahren, wann man was anwendet. Also Praxis...
Grüße
Norbert Bosse
ボッセ・ノルベルト

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wujing
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Re: Judoverständnis

Beitrag von wujing »

Vollkommen richtig! Daher meine unten angestellten Fragen :)

Gibt es Kontakte zu Kawaishi-/ - Kosen-Judo / BJJ-Leuten oder gar Koryu-Praktizierenden, die Einfluss auf das Unterrichtscurriculum haben (können)?
Das wäre doch ein Weg, um wieder weg vom reinen Wettkampf und mehr zu einer ganzheitlichen und (ursprünglichen) Sichtweise des Judo zu gelangen. Wettkampf ist ja nichts Schlechtes. Aber es wäre doch sehr gewinnbringend (im Bezug auf Wissen!) und vor allem interessant sich auch den anderen (vom Gründer vorgesehenen!) Teilaspekten zu öffnen.

Lg

wujing
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Re: Judoverständnis

Beitrag von ClassicJudo »

wujing hat geschrieben:Die Frage ist nur: Wer beherrscht und unterrichtet diese Techniken heute noch?
viewtopic.php?f=7&t=6736
wujing
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Re: Judoverständnis

Beitrag von wujing »

Danke für den Link.

Anbei noch ein netter Artikel aus dem Jahr 1953 von Koizumi.

Es gab auch langsam gesteigerte Abhärtungsmethoden im Judo, damit man die Atemitechniken besser ausführen konnte.

Siehe hier: Interessant ist auch die Beschreibung der Atemipunkte und die Wahl der "Körperwaffe" (Faust, Ellenbogen, Handkante etc.)

http://www.ejmas.com/jcs/2004jcs/jcsart ... i_0704.htm

Schon in den 40ern gab Kuwushima / Kuwashima Unterricht in Judo-Atemi Waza. Nakabayashi gab dieses Wissen - wie schon erwähnt - ebenfalls in den 60er Jahren weiter. (Es existieren Bücher von allen dreien, die dies belegen und sehr anschaulich demonstrieren.) Kawaishi hat ebenfalls Atemi-Waza unterrichtet.

Somit bleibt die Frage:

Was ist aus diesem !wichtigen! Zweig des Judo geworden?

Koizumi, Kuwushima, Nakabayashi und Kawaishi hatten schließlich etliche Schüler. (Unter anderem - in unseren Breiten - Horst Wolf)- Somit kann dieses Wissen doch nicht gänzlich verschwunden sein???? Oder? Das gleiche gilt für das Kuatsu. Warum wird es nicht mehr unterrichtet bzw. wann ist es aus den "Kodokan- Lehrinhalten" verschwunden? Wurde es je hier in Dtschl. im Judo unterrichtet?

Lg

wujing
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Re: Judoverständnis

Beitrag von wujing »

Das eigene Judoverständnis sollte eigentlich ganz einfach sein: Nämlich die Kampfkunst so umfassend und tiefgehend wie möglich in allen Aspekten zu erlernen und somit erhalten und weitergeben zu können.

Lg

wujing
Deshi
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Re: Judoverständnis

Beitrag von Deshi »

@wujing

Könntest Du bitte die Titel der Bücher (und ISBN falls vorhanden) von Nakabayashi und Horst Wolf angeben, in denen diese Techniken beschrieben werden?

Ich habe einen Blick in Kawaishi's "My Method of Selfdefense" werfen können. Darin sind neben den bereits genannten Techniken auch Atama Ate Waza (Kopfstöße) darstellt/beschrieben. Leider weiß ich nicht, ob Kawaishis Atemi-Techniken mit denen des Kodokan übereinstimmen oder aus einem anderen Stil stammen oder seine Eigenkreation sind. Es heißt auch, dass die französische Fassung mehr ins Detail geht.
In Horst Wolfs "Judo Selbstverteidigung" habe ich (bei zügigem Überfliegen) nichts von Atemi-Waza (durch den Verteidiger) gesehen. Leider besitze ich das Buch nicht, sonst könnte ich noch mal genauer nachsehen.
wujing
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Re: Judoverständnis

Beitrag von wujing »

@ Deshi:

Aber gerne doch: :)

Horst Wolf: Judo Selbstverteidigung:

Darstellungen von Judo-Atemi-Techniken:

S: 62: Kniestoß ins Gesicht
S: 95 Kopfstoß ins Gesicht
S: 105 Kniestoß ins Gesicht
S: 117 Fußstoß in den Unterleib
S: 139 Kniestoß in den Untl.
S: 167 Stoß mit der offenen Hand in Krallenform in das Gesicht
S: 168 Kniestoß in d. Untl.

weiterhin werden dort heute kaum geübte Techniken demonstriert, die aber auch ins Kodokan Judo Curriculum gehören:

gesprungene Scherentechnik (S117)

Desweiteren gibt es andere Literatur von Horst Wolf, wo weitere Atemi gezeigt werden.

Nakabayashi:

S: 26 Deflektieren von Faustschlägen
S: 28 Deflektieren von Faustschlägen und Gegenangriffe mit offenen Händen (ähnlich wie bei Horst Wolf)
S: 32 Fingerstiche

Kuwushima Judo 41 lessons:

S: 39 Kniestoß in den Unterl.
S: 36 / 37 Faustschlag zum Kinn / Faustschlag zu den kurzen Rippen / Nieren
S: 63 Ellenbogenschlag zum Solarplexus

S: 80 seitlicher Tritt zum Knie (SV gegen Boxer)

Einführung in vitale Punkte und die körpereigenen Waffen, mit denen diese angegriffen werden sollen:
(Faust/ Handkante / Fingerspitzen / Ellenbogen / Knie Fußballen / Ferse)

Darüber hinaus wird auf die Wichtigkeit eines Abhärtungstrainings dieser Stellen mittels Schlagen auf Bambusstäbe, welche zwischen Hölzern befestigt sind, eingegangen. Es wird darauf hingewiesen, dass diese Praxis bei japanischen Judoka sehr wichtig und verbreitet ist, um wirkungsvolle Atemitechniken auszuführen zu können.

Gehört alles zum Judo. Eine unglaublich faszinierende - und eigentlich komplette Kampfkunst.

Lg

wujing
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Fritz
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Re: Judoverständnis

Beitrag von Fritz »

wujing hat geschrieben:Desweiteren gibt es andere Literatur von Horst Wolf, wo weitere Atemi gezeigt werden.
Jetzt werde ich langsam richtig neugierig...
:o
Mit freundlichem Gruß

Fritz
ausKA
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Re: Judoverständnis

Beitrag von ausKA »

Deshi hat geschrieben:@wujing
In Horst Wolfs "Judo Selbstverteidigung" habe ich (bei zügigem Überfliegen) nichts von Atemi-Waza (durch den Verteidiger) gesehen. Leider besitze ich das Buch nicht, sonst könnte ich noch mal genauer nachsehen.
Hier mal reinschaun (allerdings andere Seitenzahlen, als von wujing genannt):
http://de.scribd.com/doc/74524107/Judo- ... Horst-Wolf

Nachtrag:
http://de.scribd.com/doc/92370014/Judo-Lessons
Zuletzt geändert von ausKA am 21.01.2013, 17:17, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Judoverständnis

Beitrag von wujing »

Meine Ausgabe (hab ich gerade vor mir liegen) ist von 1958.

@ Fritz. Hab gerade noch mal nachgesehen. Muss es erst noch verifizieren. Kann sein, dass ich mich irre.

Aber: Es gibt genügend andere (nicht von Horst Wolf ;) ) noch nicht erwähnte Literatur, wo man über die Atemitechniken des Judo nachlesen kann.

Danach beginnt der eigentliche Schritt: Das kontinuierliche Üben unter einem kompetenten Lehrer.

Lg

wujing
Lin Chung
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Re: Judoverständnis

Beitrag von Lin Chung »

Hab mal was für euch.

Grüße
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Re: Judoverständnis

Beitrag von ClassicJudo »

Falscher Link ?

Bei mir öffnet sich da was mit Taekwondo...
Lin Chung
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Re: Judoverständnis

Beitrag von Lin Chung »

Ne Richtig, die Human Weapon Gruppe zeigt verschiedene Kampfstile. Einfach mal durchstöbern.

Auch Judo

Grüße
Norbert Bosse
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Olaf
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Re: Judoverständnis

Beitrag von Olaf »

wujing hat geschrieben:Meine Ausgabe (hab ich gerade vor mir liegen) ist von 1958.

@ Fritz. Hab gerade noch mal nachgesehen. Muss es erst noch verifizieren. Kann sein, dass ich mich irre.

Aber: Es gibt genügend andere (nicht von Horst Wolf ;) ) noch nicht erwähnte Literatur, wo man über die Atemitechniken des Judo nachlesen kann.

Danach beginnt der eigentliche Schritt: Das kontinuierliche Üben unter einem kompetenten Lehrer.

Lg

wujing
In meiner 1968er Ausgabe (Sportverlag Berlin) sind die Techniken auf exakt den gleichen Seiten beschrieben.

Ich besitze auch eine 1966er Ausgabe von "Meisterliches Judo" Kurihara/Wilson, Verlag Parzeller & CO., Fulda. Dort wird ab Seite 112ff. explizit auf Judo-SV ink. Atemi-Waza und Atemi-Punkte eingegangen. Die Verfasser beziehen sich auf das Training der Universitäten Tenri und Keio

LG
Olaf

edit: Letzteres gibt es bei Amazon http://www.amazon.de/Meisterliches-Judo ... 640&sr=1-2
Immer wieder muß das Unmögliche versucht werden,
um das Mögliche zu erreichen

Derjenige, der sagt „Es geht nicht“, soll denjenigen nicht stören, der es gerade tut.

Jeder kann unter http://www.obernkirchenraptors.de mehr über uns erfahren.
wujing
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Re: Judoverständnis

Beitrag von wujing »

Sakujiro Yokoyama erwähnt in seinem Buch ebenfalls Atemi-Hinweise (mit Zeichnungen). Mifunes Bücher haben sie auch drin.

Die Liste könnte man beliebig fortsetzen. Daraus folgt: Atemi-Techniken sind ein fester Bestandteil des Judo.

Es stellen sich jedoch ein paar spannende Fragen:

Auf welchen Prinzipien basieren die erwähnten Techniken? (Im Blick auf das Gesamtkonzept)

Wie übt man sie? Wie wird die Wirkung getestet?

Kuwushima gibt Anleitungen zur Abhärtung. Erfahrungen damit (Judo spezifisch)?

Es muss doch vielleicht noch jemand geben, der z. B. unter Horst Wolf (wo

derartiges wohl noch mehr im Fokus stand) trainiert hat?

bzw. die vorherige Frage zum Thema Bodenkampf:

Gab es schon einmal Einladungen von Kosen-Judo-Vertretern aus Nippon nach Dtschl? / Wettkämpfe? / Austauschprogramme von Unis?

Viele verschiedene - aber wenn man sich mit der Judo-Geschichte etwas befasst - eigentlich nur logische (meiner Meinung nach) Fragen?

Danke im Voraus.

Schade, dass sich - zumindest bis jetzt - :dontknow :) so wenige an diesem - wie ich finde - interessanten Thema beteiligen.

Lg

wujing
Zuletzt geändert von wujing am 23.01.2013, 20:36, insgesamt 1-mal geändert.
wujing
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Re: Judoverständnis

Beitrag von wujing »

In Sakujiro Yokoyamas Buch wird ebenfalls auf die Wichtigkeit der Abhärtungsmethoden eingegangen.

-- Koizumi
-- Kuwushima
-- Sakujiro Yokoyama

Bei allen kam regelmäßige Abhärtung der "Körperwaffen" im Trainingsplan vor, mit dem Ziel wirkungsvolle Atemi verwenden zu können. Sakujiro gibt darüber hinaus den Rat, diese Techniken sowohl im Stand, als auch am Boden einzusetzen.

Beeindruckend!

Lg

wujing
Jobi
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Re: Judoverständnis

Beitrag von Jobi »

Iss doch ein alter Hut, daß im Judo Atemi enthalten sind, hatten wir hier im Forum schon x-mal zum Thema.
Die Sache des Eingangs-Beitrages ist ja die, daß große Teile der "Sport"-Judokas überhaupt keine Atemi lernen/ können/ kennen/ anwenden wollen!

Und: Horst Wolf war NIE Schüler von Kawaishi! Der war nämlich Bürger der "Dää Da Rää" (Die drei Anfangsbuchstaben DDR stehen übrigen für "Deutsche Dackel Rennbahn")

Alles klar, wujing?

PS: Fauststöße werden im Wushu übrigens Fajing (jing = Zusammenspiel von Muskel und Energie) genannt! Es gibt hartes Jing (Yin jing), weich-hartes Jing (Roan yin jing) und weiches Jing (Roan jing), wobei die beiden letzteren wohl ursprünglich im alten Kôdôkan zu Kanos Zeiten als sogenannte "Ate- waza" verwendet wurden. Und Wu heißt Kampf, oder?
Mit freundlichen Grüßen
Jobi


Wer das Ziel kennt, kann entscheiden.
wer entscheidet, findet Ruhe.
Wer Ruhe findet, ist sicher.
Wer sicher ist, kann überlegen.
Wer überlegt, kann verbessern.
wujing
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Re: Judoverständnis

Beitrag von wujing »

Schön, dass dies ein alter Hut ist.

Nicht jeder ist jetzt so sehr am Wettkampf interessiert. Wie gesagt, Wettkampf(sport) ist doch nur ein kleiner (durchaus berechtigter - und sicherlich auch netter) Teil des Judo. Aber eben nur ein kleiner. (Ich gehe ja davon aus, dass z. B. im DJB zwar sehr viele, aber - allein altersbedingt? - nicht nur aktive Wettkämpfer vertreten sind!?) Sie (Atemi) werden doch auch in den Kata unterrichtet.

Auf welchen Prinzipien basieren sie dort?

Danke im Voraus.


PS: Wer sich mit der chin. Sprache etwas auseinandersetzt, wird sehr schnell bemerken, dass sich die Bedeutung eines Wortes in Pinyin-Schreibweise total an der Intonation orientiert. Somit ist die Aussage über wu ohne Intonations "Strichlein" leider zu vage.

Lg

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Fritz
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Re: Judoverständnis

Beitrag von Fritz »

Jobi hat geschrieben:Iss doch ein alter Hut, daß im Judo Atemi enthalten sind, hatten wir hier im Forum schon x-mal zum Thema.
Die Sache des Eingangs-Beitrages ist ja die, daß große Teile der "Sport"-Judokas überhaupt keine Atemi lernen/ können/ kennen/ anwenden wollen!
Die Frage ist nur, warum wollen die "Sport"-Judokas keine Atemi lernen... ?

Wenn ich an meine Kindheit in der "DeutschenKratschenPlik" zurückdenke, war meine Hauptmotivation mit dem Judo zu beginnen, daß es
schlicht und einfach kein Karate gab... (Irgendwann gab es dann Karate und mir wurde schlagartig klar, daß der "Judosport" mir etwas
gibt (ohne dass ich jemals ein erfolgreicher Wettkämpfer war), was für mich einzigartig ist...)
Und wie ich wußte, hatten sich zur Vorwende-Zeit Leute mit ähnlicher Motivation in den Judogruppen jenseits des Leistungssportes getummelt.
Atemi zu üben, war eigentlich das, was man wollte... Und ja: Abhärtung das war toll, je schmerzhafter um so besser, was haben wir
auf harte Boxpolster, Wände, Bäume, Füßboden gedroschen, Liegestütze auf den Fäusten bis zum Blut, Anspannen u. Festmachen und
sich kräftig was in den Wanst zimmern lassen... Und das im Grunde alles mehr oder weniger autodidaktisch also nach Büchern u. unter
gelegentlicher Anleitung von Leuten, die "beruflich" etwas damit zu tun hatten (Fallschirmjäger, Polizisten)...
(Unauslöschlich hat sich mir das Bild eingeprägt, wie zwei unser damaligen Braungurte (damals junge Kerle, vielleicht so Anfang Zwanzig),
mal wieder "was geübt" hatten und der eine, sagen wir ab Mattenmitte ca 3-4m, durch die Luft bis zum Rand flog, da er mal halt der Uke für 'nen
gesprungenen Seitwärtstritt war...), ja das wollte man auch irgendwann mal lernen, hat man sich da als Kind fest vorgenommen...

Die moralische entrüstete Standardnachfrage für Leute, wenn sie den Wunsch kundtaten, zum Judo zu gehen,
war vom judonichtmögenden Teil der Bevölkerung in der Regel:
"Was willste denn da, wohl Dich prügeln lernen?"

Und was ist dann nach der Wende passiert? Es gab plötzlich Aikido, Karate, Taekwondo, Möchtegern-Karate usw. und ne neue PO beim Judo
und schwups, ein großer Teil der alten Judoka fand sich in den neuen Aikido-, Karate-, TKD-, Sonstwas-Gruppen wieder...
Gingen halt dem Judo verloren - zu der Zeit hat es ja auch niemand Offiziellen nun mehr im DJB gestört, war man doch sehr beschäftigt
mit dem Zusammenraufen beider deutschen Judoverbände...
Und: Horst Wolf war NIE Schüler von Kawaishi! Der war nämlich Bürger der "Dää Da Rää" (Die drei Anfangsbuchstaben DDR stehen übrigen für "Deutsche Dackel Rennbahn")
Kawaishi war meines Wissens kein DDR-Bürger ;-)
Ob H.Wolf von Kawaishi persönlich gelernt hat, weiß ich nicht, aber liest man sich seine drei Standard-Werke durch, steht da ziemlich viel von
dem so drin, wie es auch in den Kawaishi- und Feldenkrais-Büchern steht...
Mit freundlichem Gruß

Fritz
tutor!
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Re: Judoverständnis

Beitrag von tutor! »

Ein paar kurze Anmerkungen, ohne es bewerten zu wollen.

Das, was Fritz über den Breitensport in der damaligen DDR schreibt, kann ich sehr gut nachvollziehen. Im Westen ist die Gruppe der "Atemi-Freunde" in den 1970ern zu Karate, Taekwondo und später Kung Fu gegangen, die eher kulturell-esoterisch angehauchten fanden im Aikido, teilweise im Kyudo und Kendo ihren Weg. Wer "nur" Selbstverteidigung machen wollte, ging zu den aufstrebenden Jujutsu-Verbänden (in den bekannten unterschiedlichen Schreibweisen). Im DDR Breitensport hielt sich das Ganze aber wohl etwas länger unter dem Dach des Judo. Während auf der Ebene des Spitzensports und der Verbände die Wiedervereinigung ziemlich reibungslos verlief - Judo war in dieser Hinsicht damals Vorzeigesportart - vollzog sich jenseits der Spitze aus vielerlei Gründen vieles keineswegs so harmonisch. Unter anderem bereisten viele viele Besserwisser die neuen Länder und versuchten sich als die großen Meister. Darunter waren auch Leute, die hierzulande schon mehr oder weniger gescheitert waren.....

Zu Horst Wolf und seinen Schülern. Natürlich gibt es noch einige, die bei Horst Wolf gelernt haben, wie z.B. Müller-Deck (sein Uke in dem SV-Buch), H. Hempel, H. Sturm, M. Michelmann und H.-J. Ulbricht. Sie alle hatten und haben zentrale Funktionen im Judo der DDR. Selbstverteidigung ist aber nicht wirklich deren Ding - jedenfalls nicht, dass ich wüsste. Von einem der genannten persönlich weiß ich, wie es damals war mit H. Wolf. Er hat die Bücher von Kawaishi gehabt und hat sie übersetzen lassen - sein Französisch hat nicht ausgereicht, es selber zu übersetzen. Ob und wie oft H. Wolf nach Frankreich gereist ist, um bei Kawaishi oder anderen zu trainieren, weiß ich nicht, jedoch gab es vor 1961 erhebliche finanzielle Probleme für derartige Reisen und danach auch noch politische. 1964 gab es noch eine gemeinsame deutsche Olympiamannschaft (und vorher Ausscheidungen zwischen Ost- und Westdeutschland), danach dann getrennte Mannschaften. Das DDR-Judo erlebte dann seine Blüte durch systematische Grundlagenforschung und durch sein Fördersystem ab etwa Mitte/Ende der 1960er Jahre.

Zu Atemi/Selbstverteidigung: in seinem Leserbrief stellt W. Hägele seine persönliche Auffassung dar, die im Grundsätzlichen von der offiziellen DJB-Linie abzuweichen scheint. Zumindest liest sich der erste Teil seines Beitrags so. Im zweiten Teil wehrt er sich eigentlich gegen falsche Erwartungen, die mit dem Training in Judo-SV-Kursen verknüpft werden. Ich lese es zumindest so, weil ich auch andere Beiträge von ihm kenne, in denen er sich sehr klar in diese Richtung äußert.

Im Grundsätzlichen stimme ich ihm nicht zu: Selbstverteidigung im Judo ist nicht "Geschichte", sondern ist ein möglicher Schwerpunkt des Judotrainings. Jeder sollte selbst entscheiden, welche Schwerpunkte er für sein Training setzt und so, wie es jedem Einzelnen überlassen bleibt, muss es auch jedem Verein überlassen bleiben, was er anbietet. Der DJB muss jedoch für alle ein Dach bieten.

Allerdings muss ich W. Hägele in einem Recht geben: genauso wenig, wie ich versprechen kann, dass man mit 2x wöchentlich 1,5-Stunden Training deutscher Meister werden kann, kann man mit demselben Trainingsumfang zuverlässig funktionierende Selbstverteidigung lernen. Ähnliches gilt auch für die Trainingsintensität: wer "lasch" trainiert, wird auf Meisterschaften keinen Blumentopf gewinnen - und sich auch nicht im Ernstfall verteidigen können. Wer den Eindruck erweckt, das würde trotzdem funktionieren, handelt extrem fahrlässig und gefährdet jene, die ihm vertrauen - und das meist aus wirtschaftlichen Interessen. Und genau dagegen wehrt sich W. Hägele zurecht. Diese Scharlatanierie sollten wir anderen überlassen und nicht aus finanziellen Interessen dasselbe tun.
I founded a new system for physical culture and mental training as well as for winning contests. I called this "Kodokan Judo",(J. Kano 1898)
Techniques are only the words of the language judo (Cichorei Kano, 24.12.2008)
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