Judoverständnis

Hier geht es um das Thema Selbstverteidigung
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caesar
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Judoverständnis

Beitrag von caesar »

Beim Durchblättern des Judomagazins 12/12 ist mir im Bereich "Die Meinung der Leser" auf Seite 42 folgender Beitrag aufgefallen.

[ externes Bild ]

Link: http://s1.directupload.net/images/130110/xatqjivu.jpg

Wie steht Ihr zu der Meinung von Wolfgang Hägele?


Edit: Bild verkleinert, Link eingefügt
Zuletzt geändert von caesar am 11.01.2013, 21:20, insgesamt 3-mal geändert.
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Ronin
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Re: Judoverständnis

Beitrag von Ronin »

Ich hatte mir nach der Lektüre des Elaborates überlegt selbst eine Leserbrief zu schreiben und eine andere Meinung zu vertreten. Aus Zeitmangel habe ich es dann gelassen.
Ich finde, er liegt komplett daneben, aber er darf natürlich gerne einfach nur Sport machen, das bleibt ihm unbelassen. Dass er seine stark eingeschränkte Judoauffassung dann aber für allgemeingültig erklärt halte ich für daneben.
Lin Chung
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Re: Judoverständnis

Beitrag von Lin Chung »

Wir kennen doch die langen Debatten mit Tom und wissen nur zu gut, warum das wahr ist, was Hägele schreibt. Was ja nicht heisst, dass es Ausnahmen gibt.
Grüße
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Deshi
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Re: Judoverständnis

Beitrag von Deshi »

Ich glaube man muss wohl zwei Sachen auseinanderhalten, wenn man zu diesem Artikel Stellung beziehen soll.
Zum einen was Judo ist, bzw. sein kann und auf der anderen Seite was tatsächlich gelehrt und gelernt wird.

Judo kann eine effektive Kampfkunst sein und dadurch auch die individuellen Chancen in einer ernsten körperlichen Auseinandersetzung deutlich erhöhen. Vorausgesetzt man akzeptiert den gesamten technischen Umfang des Judos und übt diese Techniken auf geeignete Weise*. Das Judo in seiner Ganzheit nicht nur als Sport gedacht ist, scheint der Autor des Artikels wohl nicht zu wissen.

Auf der anderen Seite wissen wir aber auch, dass wohl die Mehrheit Judo als Sport praktiziert. Und über einige SV-Programme wurde hier im Forum ja schon diskutiert und dabei vieles als unbrauchbarer Quatsch beurteilt.

Sollten sich Herrn Hägeles Bedenken gegen nutzlose SV Kurse richten, die als 100% zuverlässig verkauft werden, so hat er wohl Recht. Das Judo mit dem Schwerpunkt Sport nur begrenzten Nutzen zur SV hat, auch da wird er Recht haben. Das Judo aber nur Sport sein soll, damit hat er meiner Meinung nach Unrecht. Womit er auch Unrecht hat, ist seine Einschätzung, das dass Judo Schwächeren nicht den Sieg über Stärkere ermöglicht. Zum SV-Fall vermag ich da nichts zu sagen, aber ich sehe regelmäßig, wie sehr der Ausgang eines Übungskampfes vom technischen Fortschritt und der Erfahrung der Kämpfenden abhängt (Grenzen gibt es immer, aber einige kleine alte Judoka haben die sehr hoch gesetzt... ;) ). Im übrigen: Die angesprochene Unbesiegbarkeit werden sich wohl nur die wenigsten auf ihr Fähnchen geschrieben haben.

Zwischen den Zeilen des Autors klingt noch ein gewisser moralischer Appell durch. Er scheint zu befürchten, dass SV-Kurse aus den Teilnehmern brutale Menschen machen oder angeblich vorhandene, niedere Instinkte bedienen. Oder zumindest scheint das (unterstellte) jemandem schaden wollen, seinem Bild vom Judo zu widersprechen.

Ich persönlich denke, das Moralisches und Rechtliches definitiv in den Kontext eines Trainings mit SV-Schwerpunkt gehören.
Wie steht es da mit Euren Erfahrungen und Gedanken dazu?

Mein Fazit:
Es spricht theoretisch nichts gegen, gut gemachte Judo-Kurse mit dem Schwerpunkt SV anzubieten, denn auch das ist ein Teil des Judo. Es ist in der Praxis nur die Frage, wer so etwas überhaupt anbieten kann.
Umfang und Potential des Judo gehen jedenfalls über Herrn Hägeles Einschätzungen hinaus. Es ist eher die Frage, was wir aus diesem Potential machen.

*Was nicht heißen soll, dass ich das tue oder etwas davon verstehe. Wohl eher nicht.
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Re: Judoverständnis

Beitrag von JSC Mitglied »

Man soll Judo nicht nur als Sport sehen, aber der Autor sieht es so. Kano wollte auch das man sich und andere verteidigen kann*. Es kommt immer drauf an wer und wie jemand lehrt.

http://nwdk.de/j15/uploads_hb7f2c/1426_ ... _04_mB.pdf
Seite 2 "Judo und Kampf"
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Uwe 23
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Re: Judoverständnis

Beitrag von Uwe 23 »

Ich habe mich über den Artikel gefreut, er entspricht weitgehend auch meiner Meinung.

Diese Meinung habe ich hier schon öfters vertreten, hier kommt sie bei dem meisten Vielschreibern und Moderatoren nicht gut an.

Wäre mal interessant, wie es die Gesamtheit der Judoka (oder auch nur Danträger) sieht.
katana
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Re: Judoverständnis

Beitrag von katana »

... also Evolution ist schon etwas Interessantes ... !!!
Seit Jahrtausenden wurden Kampfkünste in Sport-, Spiel- und Tanzformen versteckt,
um die Verbote von diktatorischen Obrigkeiten zu umgehen, ...
... und heute sind es die weichgespülten "Spiel-und Sporttänzer" selbst, die den anderen vorschreiben wollen, was sie tun dürfen. :irre

KK :crybaby
Josef
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Re: Judoverständnis

Beitrag von Josef »

Nun, irgendwie kann ich den Herrn Hägele ja verstehen...
Offensichtlich ist sein Verein Mitglied in einem SPORT-Judo-Verband. Nun hat er natürlich Recht, dass man auf so ein olympisches Sport-System nicht einfach den Aufkleber "SV" draufpappen und dann irgendwelche brauchbaren Ergebnisse erwarten kann - hier dürfte es sich tatsächlich um eine Marketing-Strategie des DJB handeln.
Schaut man sich Hr. Hägeles konkrete Situation an - 1 mal die Woche 1,5 Stunden Erwachsenen-Training (von den Kindern will ich in diesem Kontext mal nicht reden), so wird schnell klar, das damit nicht mal genug Zeit ist, um den Ansprüchen eines "normalen" Sport-Vereins genüge zu tragen.
Und NATÜRLICH kann ein Sportler nicht einfach so "SV" -- die Fussball-, Handball- oder Tischtennisvereine kommen ja auch nicht auf die Idee, plötzlich "TT-SV" o.Ä. anzubieten....

Insofern finde ich Hr. Hägeles Kritik an der Politik des DJB durchaus berechtigt.

Wo er natürlich völlig daneben liegt, das ist sein alleiniger Anspruch auf den Begriff "Judo". Fair wäre es, den Neuankömmlingen, welche nach "SV" fragen, zu erklären, dass sie sich dafür eine konkrete KAMPFkunst (von mir aus Judo) suchen müssen, und nicht einen Sport mit Wettkampfregeln und Trainern, welche noch nie auf der falschen Seite einer Waffe gestanden haben. Wenn ich mir Hr. Hägele so ansehe, dann bin ich mir sogar sicher, das der Herr noch nicht mal an der richtigen Seite einer Waffe gestanden hat.

Man merkt sehr deutlich, was für eine Art von Mensch Hr. Hägele ist, wenn er Begriffe wie "Ernstfall", "Nahkampf" oder "unschädlich machen" derart negativ besetzt - er ist ein Gutmensch, der alle Konflikte dieser Erde am liebsten mit sportlicher Fairness, und, noch besser - nach Gewichtsklassen eingeteilt - lösen möchte.
Die Geschichte und die täglichen Polizeiberichte zeigen, das er damit sehr weit daneben liegt.
Denn - nur ein unschädlich gemachter Gegner kann mir nicht mehr schaden.

Deshi stimmt in den Tenor mit ein, "rechtliches und moralisches" gehöre in ein SV-Training. Nun, abgesehen davon wie abwegig ich persönlich es finde, "normales" Training und "SV"-Training irgendwie zu trennen, so widert mich dieser Begriff "Moral" einfach nur an.
Mit "Moral" wird seit jeher unterdrückt, was gewissen Leuten - aus ihrer ganz persönlichen Sicht - unerwünscht scheint.
Egal ob das Vielweiberei, Gewalt, Reichtum oder sonst was ist - irgendwer schwingt sich immer selber zum Richter auf und verurteilt alles "Unmoralische". Auf Grund dieser "Moral" wurden schon ganze Gefängnisse gefüllt, Scheiterhaufen entzündet und Menschen verfolgt.
Doch - und das ist interessant - zeigt dieser kleine "Moral"-Abstecher ganz genau, wie in Deutschland mit Gewalt umgegangen wird.
Gewalt ist etwas BÖSES. Auch wenn man sie benutzt, um sich zu Verteidigen. Körperliche Gewalt ist derart "Pfui", das sie tatsächlich mit den gleichen "moralischen" Einschränkungen versehen ist wie Sex.
Körperliche Gewalt ist nur dann "erlaubt", wenn beide Seiten damit einverstanden sind und auch dann nur unter Ausschluß der Öffentlichkeit... Ausnahmen sind so selten, das sie im Fernsehen immer wieder für hohe Einschaltquoten sorgen...
Wird man nunangegriffen, so ist die Logik(!lach!!) einiger Zeitgenossen offenbar, dass man als Verteidiger sich an irgendwelche obskuren Moralvorstellungen zu halten hätte. Klar, das macht Sinn, wenn man gerade damit beschäftigt ist Leib und Leben zu verteidigen - den Moralvorstellungen irgendwelcher verklemmter Sozialpädagogen gerecht zu werden.... sic!
"Präemtivschläge" sind sicherlich etwas ganz ganz Unmoralisches, man darf sich erst verteidigen, wenn der Feind sein Messer schon gezogen hat, oder, wie in Kimo-No-Kata, wenigstens schon dabei ist, es zu ziehen... alles andere ist "rechtlich und moralisch"... blah blah...

Nee, dass SOLCHE Leute nichts von "SV" wissen wollen ist klar.
Und das diese "Hägeles" sich keine Gedanken darüber machen, warum es Waffen im Judo (nicht im Judo-Sport) gibt, leuchtet auch ein.

Aber bitte - ihr macht ja auch NUR Judo-Sport und kein Judo, ja? ;) Also redet doch bitte auch vom Sport-Judo und nicht von "DEM" Judo.

In diesem Sinne: 'Better be judged by 12, than carried by 6.' oder anders gesagt: Vernichte deinen Gegner, bevor er dich vernichtet.
Und um das zuverlässig zu können, braucht man natürlich Menschen, die einem das beibringen können - die Hägeles dieser Welt werden das sicherlich nicht können, auch wenn der DJB so tut als wäre das Sport-Judo durch eine kleine Änderung der PO und etwas "Multiplikatoren-Lehrgänge" plötzlich wehrfähig geworden - das ist es sicherlich nicht.

Nachtrag: Ich weiss von DJB-Judotrainern aus erster Hand, dass sie - genauso wie Hägele - sehr unzufrieden damit sind, das dieses "SV"-Label dem Sport-Judo nachträglich aufgeprägt wird. Die Meinung, das Sport-Judo auch Sport-Judo bleiben soll, war zumindest bei diesen Trainern Konsens - woher sollen sie den Leuten denn plötzlich kämpfen lernen können, wenn sie selber noch nie in ihrem Leben RICHTIG gekämpft haben? Das konkrete Problem war, dass in diesem DJB-Verein nicht etwa Anfänger, sondern langjährige Braungurte plötzlich SV-Prüfungen machen wollten... ;)
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Deshi
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Re: Judoverständnis

Beitrag von Deshi »

Josef hat geschrieben:...
Deshi stimmt in den Tenor mit ein, "rechtliches und moralisches" gehöre in ein SV-Training. Nun, abgesehen davon wie abwegig ich persönlich es finde, "normales" Training und "SV"-Training irgendwie zu trennen, so widert mich dieser Begriff "Moral" einfach nur an.
Mit "Moral" wird seit jeher unterdrückt, was gewissen Leuten - aus ihrer ganz persönlichen Sicht - unerwünscht scheint.
Egal ob das Vielweiberei, Gewalt, Reichtum oder sonst was ist - irgendwer schwingt sich immer selber zum Richter auf und verurteilt alles "Unmoralische". Auf Grund dieser "Moral" wurden schon ganze Gefängnisse gefüllt, Scheiterhaufen entzündet und Menschen verfolgt.
Doch - und das ist interessant - zeigt dieser kleine "Moral"-Abstecher ganz genau, wie in Deutschland mit Gewalt umgegangen wird.
Gewalt ist etwas BÖSES. Auch wenn man sie benutzt, um sich zu Verteidigen. Körperliche Gewalt ist derart "Pfui", das sie tatsächlich mit den gleichen "moralischen" Einschränkungen versehen ist wie Sex.
Körperliche Gewalt ist nur dann "erlaubt", wenn beide Seiten damit einverstanden sind und auch dann nur unter Ausschluß der Öffentlichkeit... Ausnahmen sind so selten, das sie im Fernsehen immer wieder für hohe Einschaltquoten sorgen...
Wird man nunangegriffen, so ist die Logik(!lach!!) einiger Zeitgenossen offenbar, dass man als Verteidiger sich an irgendwelche obskuren Moralvorstellungen zu halten hätte. Klar, das macht Sinn, wenn man gerade damit beschäftigt ist Leib und Leben zu verteidigen - den Moralvorstellungen irgendwelcher verklemmter Sozialpädagogen gerecht zu werden.... sic!
"Präemtivschläge" sind sicherlich etwas ganz ganz Unmoralisches, man darf sich erst verteidigen, wenn der Feind sein Messer schon gezogen hat, oder, wie in Kimo-No-Kata, wenigstens schon dabei ist, es zu ziehen... alles andere ist "rechtlich und moralisch"... blah blah...

Nee, dass SOLCHE Leute nichts von "SV" wissen wollen ist klar.
Und das diese "Hägeles" sich keine Gedanken darüber machen, warum es Waffen im Judo (nicht im Judo-Sport) gibt, leuchtet auch ein.
Du hast natürlich Recht, man muss SV und normales Training nicht voneinander trennen. Es war irgendwie von extra Kursen die Rede, da bin ich dran hängengeblieben.

Nun zur "Moral". Da benutze ich ein Wort und schon sind wir bei Hexenverbrennungen und Blümchenpädagogik?
Dass bei Dir "Moral" als gesellschaftlicher Kampfbegriff übel aufstößt, entspringt aber sicher zum Teil dem, was Du persönlich mit dem Begriff assoziierst. Selbstverständlich gab und gibt es nutzlose Moralvorschriften, die auch zur Unterdrückung und dergleichen genutzt werden bzw. wurden. Und selbst mir ist auch klar, das man, wenn es ernst wird, mit sportlicher Fairness nicht weit kommt. Ich gebe ja zu, dass ich nicht viel Ahnung habe, aber ist es denn wirklich so, dass
"tue alles was nötig ist, damit du sicher wegkommst" und "vernichte deinen Feind vollkommen" immer ein das Selbe ist?

Tom hat mir hier mal den Kopf ordentlich zurechtgerückt. Ich habe tatsächlich keine Ahnung, was mich erwartet wenn ich an einen "Wolf" gerate. Wie ich aber damals schon schrieb, beginnt für mich SV schon bei "Schubsereien unter Schafen". Und da ist, nennen wir es mal "Maß halten", wohl nicht verkehrt, wie naiv das auch in anderem Kontext sein mag.

Du hast natürlich mit noch etwas recht: Gewalt ist selbstverständlich ein Teil der menschlichen Natur, das sollte man nicht ignorieren sondern akzeptieren und (meiner Meinung nach) in konstruktive Bahnen lenken. Hier ein interessanter Artikel dazu:
http://www.zeit.de/2012/42/Toeten-Mord- ... minalistik

Im Übrigen: Ich habe nicht zu 100% in den Tenor mit Herrn Hägele mit eingestimmt.
Ich wollte nur zum Ausdruck bringen: Wer lehrt, wie man Menschen verletzt, sollte auch nicht vergessen zu sagen, wann die richtige Zeit dafür ist und wann nicht. Ist das so verkehrt?
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Re: Judoverständnis

Beitrag von JSC Mitglied »

Moral mhhh... ist nicht klar zu definieren (zum Glück). Vorallem sollte man die rechtlichen Aspekte wissen. Ein guter SV-Trainer sollte nicht nur den Wortlaut kennen, sondern auch wissen, was damit gemeint ist.
freundliche Grüße
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Re: Judoverständnis

Beitrag von caesar »

JSC-Mitglied,
glaubst du, dass man in der Aktion noch über Paragraphen und Verhältnisse nachdenken kann?
tutor!
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Re: Judoverständnis

Beitrag von tutor! »

JSC Mitglied hat geschrieben:Ein guter SV-Trainer sollte nicht nur den Wortlaut kennen, sondern auch wissen, was damit gemeint ist.
Und es auch "idiotenfest" formulieren können, z.B.:
  • Wenn es für Dich oder jemand anders brenzlig wird, darf Du Dich wehren bzw. den anderen verteidigen
  • Wenn sich die anderen nicht mehr wehren können, musst Du aufhören
  • Wenn Du es übertrieben hast, passiert Dir nichts, wenn Du Angst hattest oder entsetzt über die anderen warst.
Das sollte von 99% der Bevölkerung so weit verstanden werden, dass sie auch in schwierigen Situation nicht überfordert sind. Im Zweifel gilt ja der 3. Punkt.

Und Deshi hat vollkommen recht:
Deshi hat geschrieben:Ich wollte nur zum Ausdruck bringen: Wer lehrt, wie man Menschen verletzt, sollte auch nicht vergessen zu sagen, wann die richtige Zeit dafür ist und wann nicht. Ist das so verkehrt?
I founded a new system for physical culture and mental training as well as for winning contests. I called this "Kodokan Judo",(J. Kano 1898)
Techniques are only the words of the language judo (Cichorei Kano, 24.12.2008)
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Re: Judoverständnis

Beitrag von Cinow »

Hallo zusammen,
Das klären wir genau so vor jedem SV-Training, ich finde das ist auch wichtig so, denn gerade Kampfsportler müssen wissen, wann genug ist! Ich hab sogar mal gehört, dass es für Kampfsportler schlechter aussieht (vor Gericht) als für normale Personen, wenn die einem beim Verteidigen einen zu großen Schaden zufügen.

Gruß Cinow
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Peter el Gaucho
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Re: Judoverständnis

Beitrag von Peter el Gaucho »

Es gibt 2 verschiedene Stile, eine Diskussion zu führen. Bei dem einen Stil geht es nur um die Frage, wer persönlich Recht hat, d.h. Recht hat, dass eine Sache nur „weiß“ oder nur „schwarz“ sein kann. Bei dem anderen Stil geht es darum, sich daran zu erfreuen und zu staunen, wie viele verschiedenen Seiten eine Sache hat oder auch aus wie vielen verschiedenen Blickwinkel man eine Sache betrachten kann.

Zum Glück ist unser Judo eine weltweite Sache und seine Weiterentwicklung in Zukunft hängt von der weltweiten Kreativität der Menschen ab. Und genau das finde ich persönlich unheimlich interessant und spannend und darum liebe ich Judo.

In dieser Diskussion wird von 2 Themen gesprochen, dem „Sport-Judo“ und der „Selbstverteidigung“. Es ist wahr, früher hatte ich auch so gedacht. Aber das hat sich völlig verändert. Als ich Judo in Argentinien kennengelernt habe und mit argent. Trainern sprach, habe ich damals mit meiner „deutschen Brille“ auch von diesen Gegensätzen gesprochen. Ergebnis: Alle schauten mich sehr erstaunt an und konnten mich nicht verstehen. Für sie ist die Selbstverteidigung ein integraler und selbstverständlicher Bestandteil des Judos. Das wurde mir dann auch klar, als ich gesehen habe, dass in der argentinischen Kyu-Gürtelprüfungsordnung ab der Prüfung zum gelben Gürtel in jeder Prüfung eine Aufgabe mit Selbstverteidigung dabei ist. Es ist auch ganz normal, dass in einem argentinischen Judotraining oder in einem Lehrgang des argentinischen Judoverbandes ebenfalls Atemi-Techniken geübt werden, nicht nur O-goshi und Kesa-gatame. Und so war es auch nicht erstaunlich für mich, dass es im Judo nicht nur alleine die Nage-no-kata und die Katame-no-kata gibt, sondern genauso auch die Selbstverteidigungs-Katas „Kime-no-kata“ und „Goshin-jitsu-no-kata“. Es sind einfach nur diverse Seiten ein und derselben Sache, die sich JUDO nennt. Das heißt, unser geliebtes Judo ist nicht nur weiß oder nur schwarz.

Wenn der Judoka Wolfgang Hägele in seiner eigenen Judogruppe ausschließlich nur den olympischen Teil des Judos lehren und praktizieren möchte, dann ist das sein gutes Recht. Aber es gibt auch sehr viele Menschen auf dieser Erdkugel, die in ihrem Training auch die anderen Seiten des Judos lehren möchten. Und von denen sollte man nicht verlangen, sich ausschließlich nur zu dem olympischen Teil des Judos zu bekennen zu MÜSSEN, wie das in dem Artikel von Hägele verlangt wurde. Ich persönlich lehre in meinem Judotraining auch Selbstverteidigung und das kommt bei meinen Schülern sehr gut an. Aber ich stimme dabei voll mit allen überein, dass diese Techniken ausschließlich nur von Trainern gezeigt werden dürfen, die dazu eine fachliche Ausbildung haben. Wer das nicht hat, soll lieber nur den olympischen Teil des Judos lehren und praktizieren. Das schützt die Gesundheit der Judoschüler ungemein. Meine Judoschüler sind liebe Jungs und niemand ist durch die Selbstverteidigung zur „Kampfbestie“ geworden, die andere nur „vernichten“ will.

Es ist durchaus wahr, dass Judo sich AUCH zu einem Teil des olympischen Sports entwickelt hat. Das ist sehr gut so. Aber damit hört die weltweite Entwicklung des Judos nicht auf und das ist noch besser. Die Sache bleibt also weiterhin spannend und attraktiv. Wäre es so, dass die Entwicklung einen Stillstand haben soll, wie es in dem Artikel des Judokollegen Hägele bevorzugt wird, hätte ich Judo schon längst verlassen wegen persönlicher Langeweile.
"Beklage dich nicht über die Dunkelheit. Zünde eine Kerze an." (Konfuzius)
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Re: Judoverständnis

Beitrag von JSC Mitglied »

tutor! hat geschrieben: Das sollte von 99% der Bevölkerung so weit verstanden werden, dass sie auch in schwierigen Situation nicht überfordert sind. Im Zweifel gilt ja der 3. Punkt.
Rechne niemals mit der Dummheit anderer.
Schon Einstein sagte:"Es gibt zwei Dinge die unendlich sind, die menschliche Dummheit und das Universum. Aber bei dem Universum bin ich mir nicht sicher."
freundliche Grüße
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Re: Judoverständnis

Beitrag von CasimirC »

JSC Mitglied hat geschrieben:
tutor! hat geschrieben: Das sollte von 99% der Bevölkerung so weit verstanden werden, dass sie auch in schwierigen Situation nicht überfordert sind. Im Zweifel gilt ja der 3. Punkt.
Rechne niemals* mit der Dummheit anderer.
*immer
Theorie: Wenn alle wissen, wie es geht, und es geht nicht.
Praxis: Wenn es geht, und keiner weiß, warum.
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Re: Judoverständnis

Beitrag von Lin Chung »

Das klären wir genau so vor jedem SV-Training, ich finde das ist auch wichtig so, denn gerade Kampfsportler müssen wissen, wann genug ist! Ich hab sogar mal gehört, dass es für Kampfsportler schlechter aussieht (vor Gericht) als für normale Personen, wenn die einem beim Verteidigen einen zu großen Schaden zufügen.
...kommt darauf an, wie der Gegenüber reagiert hat. Schubst er dich nur, sollte man eben nicht so derb zurückschlagen.
Allerdings, es ist nicht immer zu erkennen, ob der Schubs (z.B. Stoß von vorne gegen die Schulter) wenig oder große Wirkung zeigt. Das weiss nur das Opfer.

Sollte er dich jedoch mit einer Waffe angreifen, darfst du ihn verletzen, denn der Angreifer hat es ja billigend in Kauf genommen, als er dich angriff.

Bei einem Wolf sollte man wirklich nicht die weiche Seite zeigen, sondern so brutal wie möglich reagieren, denn der wird nur dann von dir ablassen und sich ein anderes Opfer suchen.
Grüße
Norbert Bosse
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Re: Judoverständnis

Beitrag von katana »

Ich hab sogar mal gehört, dass es für Kampfsportler schlechter aussieht (vor Gericht) als für normale Personen, ...
Wer hat das denn dem Richter erzählt ???
Oder erklärst du der Polizei bei der Vernehmung, mit welchen Techniken , aus welchem Ausbildungsprogramm du den Angreifer bearbeitet hast ???
Bitte nicht vergessen, zum Verhör unbedingt den Judopass mitzunehmen... :ironie3
KK
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Re: Judoverständnis

Beitrag von caesar »

Peter el Gaucho hat geschrieben:Aber ich stimme dabei voll mit allen überein, dass diese Techniken ausschließlich nur von Trainern gezeigt werden dürfen, die dazu eine fachliche Ausbildung haben.
Vollkommen richtige Aussage aus meiner Sicht. Nur ist die Anschlussfrage dazu äußerst wichtig. Was ist eine ausreichende "fachliche Ausbildung"?
Josef
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Re: Judoverständnis

Beitrag von Josef »

Peter el Gaucho hat geschrieben: Aber ich stimme dabei voll mit allen überein, dass diese Techniken ausschließlich nur von Trainern gezeigt werden dürfen, die dazu eine fachliche Ausbildung haben.
Definiere bitte "alle" und was du unter einer "fachlichen Ausbildung" verstehst, danke.

Tutor! hat geschrieben:Und Deshi hat vollkommen recht:
Deshi hat geschrieben:
Ich wollte nur zum Ausdruck bringen: Wer lehrt, wie man Menschen verletzt, sollte auch nicht vergessen zu sagen, wann die richtige Zeit dafür ist und wann nicht. Ist das so verkehrt?
NOCH ist auch die persönliche Ehre vom Notwehrparagraphen gedeckt, man kann also zuschlagen, um seine Ehre zu verteidigen, sobald man beleidigt wird. (Bei mir persönlich beginnt das übrigens dort, wo unsympatische Zeitgenossen mich unaufgefordert duzen - da gibts dann genau eine Ermahnung und Aufforderung zur Entschuldigung - dann knallts.)
Ansonsten sollte es für jeden normaldenkenden Menschen ersichtlich sein, wann Notwehr beginnt, da brauch ich doch keinen, der rumlabert und mir was erklärt, wann ich zuschlagen soll und wann nicht - was habt ihr eigentlich für ein Bild von euren Schülern, wenn ich mal fragen darf? Und weiter: man muss nach einer Notwehr ja auch nicht unbedingt am Platz verharren wie bestellt und nicht abgeholt. Man könnte sich ja auch einfach mal verpissen und den Täter allein liegen lassen.... Gewalttäter rufen selten von sich aus die Polizei...

Und mal ernsthaft: Wenn ein Schläger nachts um 2 im Laufschritt auf mich zugejoggt kommt, weil ich ihn vorher ausgelacht habe, als er an eine Laterne pinkelte, dann kriegt der sofort eines in die Fresse, sobald er in Reichweite ist. Das er mir so schnell so nahe kommt IST der Angriff, mein Gott - die Straße ist breit genug....
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