Shido für Tomoe-nage - Meinungen zum Leserbrief

Hier geht es um die Wettkampforganisation und um Fragen zu den Wettkampfregeln
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BadenIkkyu

Shido für Tomoe-nage - Meinungen zum Leserbrief

Beitrag von BadenIkkyu »

Was sagst ihr denn zu dem Artikel in JM 5 /09 S. 38 Leserbrief mit der Überschrift :"Shido für Tomoe-nage !"
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Ronin
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Re: Shido für Tomoe-nage - Meinungen zum Leserbrief

Beitrag von Ronin »

in ein paar Punkten, gerade was die Trainerverantwortung angeht, hat er auf jeden Fall Recht.

Das Gefahrenpotential von Judowürfen sehe ich allerdings weniger, da sind dann die anderen Trainer gefragt, ihren Schülern richtig Fallen beizubringen.
Unterschiedliche Technik-Know-Hows wird es immer geben, da wir ja nicht in Gürtelklassen kämpfen, sondern in Gewichtsklassen.
Ich glaube, da heult einer, weil seine Schützlinge zuviel auf die Schnitte bekommen haben.
Trini
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Re: Shido für Tomoe-nage - Meinungen zum Leserbrief

Beitrag von Trini »

Ich kenne den Leserbrief nicht.

Aber, mir stößt es schon ziemlich sauer auf, wenn manche Gelbgurte ind er U 11 ausschließlich versuchen mit Tomoe-nage (einem orange-grün-Wurf) zu punkten.

Und ... bei Gegnern mit dem 7. oder 6. Kyu... zumeist auch irgendwann mit Erfolg.
Leider landet allzu oft auch noch der Fuß an einer Stelle, wo es richtig weh tut.

Da wünsche ich mir jedes mal das niederländische Tomoe-nage-Verbot in der U 11.

Trini
Jupp
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Re: Shido für Tomoe-nage - Meinungen zum Leserbrief

Beitrag von Jupp »

Ich glaube, dass da ein wichtiges Thema angesprochen worden ist und nicht, dass ein Trainer seine Schützlinge benachteiligt sieht. Es ist wieder einmal ein Thema, das zum "Geist des Judo" gehört. Vielleicht kann ich das deutlicher machen.

Ich bin der Meinung, das in der Altersstufe U11 (auf die sich der Leserbrief ja bezieht), also bei den 8, 9 und 10 Jahre alten Kindern verschiedene Techniken nicht erlaubt sein sollten:

a) keine direkten Konter wie z.B. Ura-nage, Tani-otoshi, Te-guruma, Ushiro-goshi usw., wobei man einige bestrafen sollte (z.B. Tani-otoshi und Ura-nage) während andere einfach nicht bewertet werden sollten.
Gründe: hohes Verletzungsrisiko für Uke, Risiko eines schlechten Kampfstils (passiv, abwartend statt aktiv und offensiv) für Tori, Entwicklung eines "häßlichen Judos" (nur auf Konter Gegner in die Matte hauen usw.); alle drei Gründe können bei Ukes und Toris auf Dauer zu einem Ausstieg aus dem Judo führen, weil es einfach keinen Spaß macht und nicht schön ist

b) keine Makikomi-Techniken, bei denen Tori wirft, indem er sich an Uke "klemmt" und sich mit diesem einrollt (z.B. tiefen Seoi-nage, Koshi-guruma mit Mitfallen, Abtaucher usw.)
Gründe: vor allem bei den genannten Beispielen hohes Verletzungsrisiko am Schulter- und Kopfbereich für Uke (auch wenn er gut fallen kann! und b) Entwicklung eines in diesem Alter nicht gewollten Kampfstils! (kann man trefflich drüber streiten und diskutieren, hat aber wieder was mit dem GdJ zu tun, also mit Haltungen und Einstellungen!)

c) keine Sutemi-Techniken, wie Tomoe-nage, Sumi-gaeshi oder die gerade im Kindesalter sehr beliebten Schleuderwürfe im Yoko-otoshi Stil; Gründe wie unter a und b.

Im DJB KYu-Ausbildungsprogramm sind diese Überlegungen mit eingegangen. Koshi-guruma wird erst zum 3. Kyu verlangt und die ersten Sutemi zum 4. Kyu., ebenso auch Ko-uchi-makikomi.

Wenn man nun davon ausgeht, dass der 8. Kyu mit 7 Jahren, der 7. mit 8, der 6. mit 9 und der 5. Kyu mit 10 Jahren gemacht werden kann, dann erkennt man, dass genau diese Tendenzen, wie ich sie weiter oben beschrieben habe, in das DJB Kyu-Prüfungsprogramm schon eingearbeitet wurden.

Natürlich weiß ich, dass ein 10-jähriger, der sich auf den orange-grünen Gürtel vorbereitet, auch Tomoe-nage und Ko-uchi-makikomi übt und lernt oder diese Techniken auch im Wettkampftraining der älteren Judokids schon erfahren und erprobt haben kann und damit auch auf diese Techniken fallen können sollte.

Aber haben diese Erfahrungen auch schon die 8-jährigen mit dem gelben Gürtel oder die 9-jährigen mit dem gelb-orangen Gürtel? Und weiter gefragt: wollen wir tatsächlich, dass sich unsere Judokids in diesem Alter mit den von mir oben genannten Techniken beschäftigen, statt die Würfe zu lernen, die altersgerechter sind und vom erwünschten Kampfstil für diese Alterssgruppe her sinnvoller wären?

Ich kann mich sehr gut an die Diskussionen erinnern, die ich mit meinen Judokids (auch meinen beiden eigenen Kindern) in den achtziger und neunziger Jahren geführt habe, als sie beispielsweise im Finale der Westdeutschen Meisterschaften U15 mit Soto-makikomi verloren haben oder bei wichtigen Wettkämpfen mit Ura-nage weggedonnert wurden. Da hat sehr oft der Glaube an die Weisheit der Vaterworte gefehlt, wenn ich ihnen nach wie vor verboten habe, sich schon zu diesem Zeitpunkt mit diesen Techniken zu beschäftigen. Mir wäre damals ein Verbot sehr entgegengekommen. (Damals habe ich einen Artikel zu diesem Thema im Judo-Magazin - ich weiß nicht mehr wann - veröffentlicht mit dem Titel "Können Kinder kontern?", durch den ein heute bekannter Trainer - auf den sich der Artikel wegen dessen Konterkönnens bezog - einer meiner Schüler wurde)

Heute, mehr als 15 Jahre später, kann ich beurteilen, dass meine damaligen Entscheidungen richtig waren. Erstens haben beide Kinder sehr gute Erfolge erzielt, mit sehr schönem Judo. zweitens sind beide überwiegend gesund geblieben und haben nahezu 10 Jahre in der Bundesliga kämpfen können. 3. Beide haben schöne Erinnerungen an ihre Judozeit mit jetzt knapp 30 jahren, wo sie im Beruf stehen.

Und übrigens: diejenigen, die damals mit Makikomi und Kontern frühe Erfolge erzielten, waren auch früh aus dem Rennen um Judoerfolge im Erwachsenenalter...
Der damals 13-jährige Blaugurt, der mich zu meinem Konter-Artikel motiviert hatte, gewann später für unseren Verein mehrere Deutsche Jugend- und Juniorenmeistertitel, nahm an Europa- und Weltmeisterschaften teil.. Heute ist er in einem Trainingsstützpunkt hauptamtlicher Judotrainer.

In der Pädagogik weiß man oft erst später, was richtig und was falsch war. Die Forderungen nach einem Verbot der drei weiter oben genannten Wurfarten war vor 20 Jahren richtig und ist es auch heute noch.

Da ist man in einigen europäischen Nachbarländern seit langem weiter als der DJB und - wenn ich richtig informiert bin - auch in Japan.

Jupp

P.S Als Landestrainer der Männer habe ich meinen damaligen Athleten sehr wohl zahlreiche Makikomi, Sutemi und Konter vermittelt bzw. sie in der erfolgreichen Anwendung unterstützt - da war es aber auch der richtige Zeitpunkt
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Shinbashi
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Re: Shido für Tomoe-nage - Meinungen zum Leserbrief

Beitrag von Shinbashi »

Es gibt ja schon Ansätze zur Lösung des Problems. z.B. ist Tani-Otoshi und dessen Varianten in der U11 verboten und werden nach einer straffreien Ermahnung (ohne Wertung) mit Shido geahndet. Abtaucher und Beinfasstechniken sind ebenfalls schon verboten. Es ist die Aufgabe der Trainer und Betreuer, die Ausbildungsinhalte so zu vermitteln, daß die Kinder solche "Killertechniken" gar nicht nötig haben. Leider ist es aber so, daß bei vielen Vereinen und Trainern nur die Turniererfolge zählen. Das dabei die Entwicklung zu einem guten Judoka auf der Strecke bleibt, ist die Folge.

Ich sehe die Schwierigkeit darin, daß zu viele Verbote und Regeln nur verwirren und von Judo bis U17 nicht viel zu sehen ist.

shinbashi
Gruß
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Fritz
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Re: Shido für Tomoe-nage - Meinungen zum Leserbrief

Beitrag von Fritz »

Habe den Artikel auch noch nicht lesen können...
Aber zu dem was Jupp gerade schrieb, möchte was sagen:
Ich halte von generellen Technikverboten prinzipiell gar nichts.
Es wird damit nur an Symptomen rumgedoktort und nicht die Ursachen angegangen.
Bsp. Tani-Otoshi wird verboten wegen einer angeblichen Verletzungsgefahr.
Klar gibt es eine Verletztungsgefahr - wenn Tori die Technik falsch macht.
Warum macht Tori die Technik falsch? Weil er sie nicht korrekt beigebracht bekommen hat und
er nicht für die entscheidenden Gefahrenquellen sensibilisiert wurde.
Verbot des T-O führt also dazu, daß a) der andere logischerweise damit nicht mehr gekontert
werden kann, d.h. "schlampigere" Angriffe Teilerfolge zeigen können, dadurch sich wiederum
falsche Bewegungsmuster einprägen usw... b) der T-O halt später "gelehrt" wird, dann wenn
höhere Massen und Kräfte bei gleichzeitig weniger flexiblen Gelenken wirken. Natürlich
wird dann genauso gefahrenträchtig gelehrt - sind ja in der Regel dieselben Trainer / Prüfer...
Und dann wundert man sich, daß sich mit steigendem Alter immer weniger Lust haben zu kämpfen...

Richtig wäre eine Bekämpfung der Ursachen: Das wäre dann soetwas:

a) Konsequentes Bestrafen von den verletzungsträchtigen "Varianten" - direktes Hansoku-Make
mit Turnierausschluß - klar wäre erstmal bitter für das betreffende Kind, aber wir würden "ratzfatz"
sehen, wie sich die "Trainerkreativität" halt weniger damit beschäftigt, Lücken im Regelwerk
geschickt ausnutzen zu lassen, sondern eher damit korrekte T-O (also ohne Knieverdrehung/-spreizung) zu basteln.

b) Verhindern, daß Kinder ohne ausreichende Fallschule bei Wettkämpfen auftreten. Das
kann natürlich am besten durch die PO gewährleistet werden.
Fallschule müßte eine viel größeren Stellenwert beim 8.Kyu haben (und nicht nur diese
Schmalspur-Version wie zur Zeit). Mangelnde Fallschule dürfte auch nicht "ausgleichbar" sein
durch andere Prüfungsfächer.

Warum sollten prinzipiell Sutemi-Techniken verboten werden?
Gerade Tomoe-Nage, Sumi-Gaeshi usw. sind doch auch eine gute Gelegenheit, für einen
nicht so erfahrenen Kämpfer, einen Vorteil zu erreichen, wenn der andere sich beim
Versuch diese Techniken zu machen, bereits freiwillig auf den Boden gelegt hat...

Letztendlich ist doch das offensichtlich in letzter Zeit sich häufende Auftreten dieser
Techniken doch auch nur ein Zeichen dafür, wie sich die "Trainerkreativität" mit den
bisher herrschenden Jugendregeln (Verbot dies, Verbot das) auseinandersetzt, um sozusagen
"regelkonform" ihren Schützlingen wiedermal eine Zeit lang kurzfristig Vorteile und Wettkampferfolge
zu verschaffen. Keine Angst, die schaffen so etwas auch mit anderen Geschichten bei weiteren
zusätzlichen Verboten. Verbote machen das Judo immer weiter kaputt und letztendlich werden
die Probleme einfach nur die eine oder andere Altersklasse weiter geschoben...

Wie gesagt, richtig wäre: Weg mit den Samthandschuhen,
harte Bestrafung gefährlicher Varianten von ansonsten erlaubter Techniken.
(z.B. könnte ich mir eine Bestrafung bei einem Maki-Komi durchaus vorstellen, wenn dieser
so gezogen wird, daß Uke beim Fallen kein Raum mehr gegeben wird, sondern er in die Matte
geschoben wird, wohlmöglich noch mit der Schulterspitze voran).

Natürlich besteht immer ein Problem, wenn Anfänger auf Fortgeschrittenere treffen,
da denke ich, sollte der Verband auf die Vereine dahingehend einwirken, daß
vielleicht wieder mehr Turniere mit eigenständigem Gesicht angeboten werden: z.B.
Bodenkampfturniere, Turniere mit Gürtelfarben-Beschränkung, meinethalben auch
Turniere mit Technikverboten wie die von Jupp genannten und im Gegenzug dann
halt auch Turniere mit zusätzlichen Erlaubnissen - z.B. Beinhebel, keine Griffverbote usw...

Shinbashis Beitrag hat mich überholt...
Mit freundlichem Gruß

Fritz
Jupp
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Re: Shido für Tomoe-nage - Meinungen zum Leserbrief

Beitrag von Jupp »

Shinbashi schreibt: "..und dann ist von Judo bis U17 nicht viel zu sehen."

Das Problem besteht ja eben darin, das wir uns nicht einigen können, wie denn "Judo" im Wettkampf aussehen sollte.

Selbst darüber, was "schlechtes Judo" ist, kann man sich kaum einigen. Eine Diskussion darüber, was Judo nicht sein soll oder wie "gutes Judo" aussehen soll, wäre ganz sicher nicht schlecht.

Mit Fritz gehe ich überein, dass gefährliche Würfe bestraft werden sollen, aber wer kann dann genau unterscheiden, wodurch der Wurf gefährlich geworden ist? War es der Angriff von Tori, die Verteidigungsreaktion von Uke oder dessen schlechte Fallübung, die die Wurfausführung gefährlich gemacht hat?

Ich glaube, dass die Kampfrichter damit überfordert wären, zu entscheiden, dass dieser Tani-otoshi gefährlich war und jener noch nicht oder nur ein bisschen oder kaum oder gar nicht...

Vielleicht bringt uns ja eine Diskussion über einen "guten Kampfstil" über "gutes/schlechtes Judo" weiter und eine Diskussion darüber, in welchem Alter man welches Judo vermitteln sollte.

In letzter Konsequenz sind für das Verhalten auf der Matte natürlich die Erwachsenen zuständig - aber ich denke, alle Erwachsenen müssen an einem Strang ziehen, die Eltern dürfen nicht zu ehrgeizig sein, die Trainer müssen korrektes, aufrechtes Judo einfordern und die Kampfrichter müssen gefährliches Judo ahnden...

Aber vielleicht sind Verbote letztlich doch einfacher...

Auch wenn sich nicht alle Autofahrer an die bestehenden Verbote halten, hat sich die Zahl der Verkehrstoten in den vergangenen Jahren durch Verbote, Belehrungen, Aufklärung und Erziehung doch deutlich verringert.

Es bedarf eben "nur" gemeinsamer Anstrengungen für ein gemeinsames Ziel.

An beidem fehlt es derzeit im Kinderjudo noch...

Jupp
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Ronin
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Re: Shido für Tomoe-nage - Meinungen zum Leserbrief

Beitrag von Ronin »

Am sinnvollsten wäre es wohl, wenn die Trainer genau das vermitteln würden, was in der PO steht.

Dann sind wir allerdings dort, wo uns Tom Herold schon lange sieht (und da möchte ich auch nicht hin)

Aber eine breit angelegte Diskussion würde schon helfen. Dieses Forum hier, genau so wie das Judo Magazin, würden sich das als Medien mit entsprechender Breitenwirkung schon ganz gut eignen.

Wenn es nach mir ginge, gäbe es gar keine U11-Wettkämpfe. Eher so "Spielturniere" oder ähnliches. Vielleicht auch Technikwettbewerbe - dann hätten wir die Diskussion gar nicht (die Franzosen machen es z.B. so)

Übrigens gehe ich mit Jupp völlig konform, dass die Kari mit der Beurteilung dessen, was gefährlich ist, überfordert wären. Es ist ja heute schon schwierig genug, Kari zu sein.
An den Trainern liegt es.... ein schwieriges Problem.
tutor!
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Re: Shido für Tomoe-nage - Meinungen zum Leserbrief

Beitrag von tutor! »

Auch ich habe den Beitrag noch nicht gelesen - wohl aber die Beiträge von Jupp und von Fritz...

Der Kern des Problems liegt meiner Meinung nach bei den Übungsleitern und Trainern. Vielen von Ihnen gelingt es offenbar nicht, eine vernünftige Balance zwischen kurzfristigen Erfolgen und langfristiger Entwicklung aufzubauen. Außerdem vermitteln viele ein Judo mit höheren Verletzungsgefahren als eigentlich sein müsste.

Ein verantwortungsbewusster und gleichzeitig kompetenter Trainer:
  • lässt Kinder erst auf Wettkämpfen starten, wenn sie auch mit für sie überraschenden Situationen nicht überfordert sind
  • vermittelt Techniken dann, wenn es der langfristigen Entwicklung zuträglich ist,
  • vermittelt Techniken so, dass sich die Kinder weder selbst noch ihre Partner/Gegner gesundheitlich gefährden
Wenn diese drei Punkte immer eingehalten würden, hätten wir die Probleme nicht, die Jupp schildert.

Es ist allerdings die Frage, welches der beste Weg ist, diesen Problemen entgegen zu wirken. Scheinbar liegt ja die Ursache nicht zuletzt bei den Übungsleitern und Trainern - also müsste man doch genau bei denen ansetzen. Und dabei meine ich eine optimierte Aus- und Fortbildung, anstatt die Wettkampfregeln als Steuerungsinstrument nutzen zu wollen und auf eine Art Selbstregulierung zu hoffen.

In einem anderen Faden habe ich gerade gelesen, dass eines unserer Forenmitglieder in seiner Trainer-C-Ausbildung daran gescheitert sei, dass er die allgemeine, nicht jedoch die spezielle Ausdauer bearbeitet hat. Stimmen hier eigentlich noch die Prioritäten? Natürlich ist die allgemeine Ausdauer etwas anderes als die spezielle, aber sollten die Trainer-C nicht erst einmal lernen, wie man Kindern einen ordentlichen Kampfstil vermittelt? Genau diese Dinge gehen nämlich in den Ausbildungen unter und hinterher wundert man sich, warum sie auch in der Praxis untergehen.

Danach werden Steuerungsinstrumente gesucht und man glaubt, dass man einen überforderten Übungsleiter allein schon dadurch zu einem "besseren" Übungsleiter macht, indem man den Rahmen für Wettkämpfe verändert. Das wird aber nie funktionieren, genauso wenig, wie mit einer noch so ausgefeilten PO: ein überforderter ÜL muss gefördert werden.

Steuerungsinstrumente wie Wettkampfregeln oder PO können allenfalls ergänzend eingesetzt werden. Fritz hat auch vollkommen recht damit, dass die Kinder durch Ausblenden einzelner Techniken oder ganzer Technikkategorien wichtige Erfahrungen gar nicht mehr machen können. Wer schon einmal mit Tani-otoshi gekontert wurde, lernt eher als andere, dass man nicht kopflos eindrehen sollte, lernt aber auch, dass man den Gegner durch eine Finte dazu bringen kann, sich nach hinten zu lehnen um diese Situation mit einem O/Ko-uchi-gari auszunutzen.

Verbote reduzieren Erfahrungsmöglichkeiten und verschieben die Probleme in die nächste Altersklasse.

Damit widerspreche ich nicht Jupp in der grundsätzlichen Sichtweise auf die Techniken, der er geschildert hat - ich plädiere nur dafür, die Ausbildung und die Fortbildung energisch voranzutreiben, damit die ÜL und Trainer schlicht ein besseres Angebot machen können.

Und nachdem ich auf "Vorschau" geklickt habe, sehe ich, dass Ronin und Jupp vieles genauso sehen....
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Fritz
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Re: Shido für Tomoe-nage - Meinungen zum Leserbrief

Beitrag von Fritz »

Jupp hat geschrieben:Ich glaube, dass die Kampfrichter damit überfordert wären, zu entscheiden, dass dieser Tani-otoshi gefährlich war und jener noch nicht oder nur ein bisschen oder kaum oder gar nicht...
Momentan sind sie jedenfalls schon damit überfordert, den Kampfverlauf hinsichtlich der vielen
Verbot zu bewerten - hab ich oft den Eindruck... und das ist jetzt keine Kritik am Kari !

Um am Beispiel des Tani-Otoshi zu bleiben, da ist schon recht einfach zu sehen, ob
Toris Bein in die Kniekehle vom Uke rutscht und dieser evt. noch zusätzlich um das entsprechende
Bein gedreht wird...
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Re: Shido für Tomoe-nage - Meinungen zum Leserbrief

Beitrag von Anfängerin08 »

Hey

ich bin hin und her gerissen in Bezug auf ein Tomoe-nage-Verbot in der U11. Lange Zeit habe ich es aus der Perspektive des Geworfenen gesehen und auch ein paar nicht gut geführte Würfe gesehen - wobei "meine" Schützlinge eigentlich nur erschrocken waren über einen unbekannten Wurf, diesen aber gut fallen konnten. Daher finde ich es mittlerweile gut, dass sie den Wurf auch im Training kennenlernen und so wissen, wie man reagieren kann. Oft genug war ein schlecht angesetzter Tomoe-nage für "meine" die Möglichkeit, den Gegner in den Haltegriff zu nehmen. Andererseits habe ich jetzt einen Kämpfer, der Tomoe-nage gut werfen kann, ihn dann einsetzt, wenn er bei einem stark abgebeugten Gegner nicht mehr anders herankommt. Dann stellt er sich den Gegner aber schön zurecht und wirft ihn ohne Probleme für Uke. Soll ich ihm jetzt noch diese Möglichkeit nehmen, gegen einen sperrenden, stark abgebeugten Gegner zu kämpfen? Das fördert dann doch wieder diese elendige Sperrerei.

Gruß Anfänger
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Re: Shido für Tomoe-nage - Meinungen zum Leserbrief

Beitrag von wastel »

tutor! hat geschrieben: Der Kern des Problems liegt meiner Meinung nach bei den Übungsleitern und Trainern. Vielen von Ihnen gelingt es offenbar nicht, eine vernünftige Balance zwischen kurzfristigen Erfolgen und langfristiger Entwicklung aufzubauen. Außerdem vermitteln viele ein Judo mit höheren Verletzungsgefahren als eigentlich sein müsste.

Ein verantwortungsbewusster und gleichzeitig kompetenter Trainer:
  • lässt Kinder erst auf Wettkämpfen starten, wenn sie auch mit für sie überraschenden Situationen nicht überfordert sind
  • vermittelt Techniken dann, wenn es der langfristigen Entwicklung zuträglich ist,
  • vermittelt Techniken so, dass sich die Kinder weder selbst noch ihre Partner/Gegner gesundheitlich gefährden
Wenn diese drei Punkte immer eingehalten würden, hätten wir die Probleme nicht, die Jupp schildert.

...
Diese Aussage (finde ich) trifft den Nagel auf den Kopf. Denn von weiteren "Verboten" halte ich nichts.
Das Regelwerk gibt es her, das Kämpfer, die die Gesundheit von sich und anderen gefährden bestraft werden. Allerdings sollte man dies dann auch konsequent durchsetzen und da gebe ich meinen Vorrednern auch recht: "Viele Kari sind mit der Beurteilung überfordert, was gefährlich ist und was nicht."

Allerdings sollte man auch bei seinen Überlegungen einschließen, das es sich beim Judo, um eine Kampfsportart handelt und das immer eine Verletzungsgefahr besteht.
Holger König
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Re: Shido für Tomoe-nage - Meinungen zum Leserbrief

Beitrag von Holger König »

Technikverbote fördern nur das unsaubere Kämpfen. Wir sollten wieder zu einer Prüfungsordnung zurückkehren, die sich an der Gokyu orientiert (ohne Zwischengürtel). Darüber hinaus sollte beim gelben Gürtel ein Wettkampftest erfolgen, der das Beherrschen von 4 beliebigen Techniken aus höheren Graduierungen (davon mind. zwei Opferwürfen) auch die Sicherheit bietet, das unbekannte Würfe nicht gefährlich sind und nicht eine falsche Verteidigung (Stemmen, abgebeugtes Kämpfen) erlernt wird.
Ich habe Tomoe-nage auch als Anfänger (mit Mitte 20) erlernt (noch vor der Prüfung zum gelben Gürtel) und später als Orangegurt genau damit auch meinen ersten Dan-Träger überraschend "erlegt".
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Re: Shido für Tomoe-nage - Meinungen zum Leserbrief

Beitrag von kastow »

tutor!, Verfasst: 18.05.2009, 16:12 hat geschrieben: Damit widerspreche ich nicht Jupp in der grundsätzlichen Sichtweise auf die Techniken, der er geschildert hat - ich plädiere nur dafür, die Ausbildung und die Fortbildung energisch voranzutreiben, damit die ÜL und Trainer schlicht ein besseres Angebot machen können.
An dieser Stelle sind m.E. die Landesverbände auch noch anders gefordert. Es wäre doch möglich, für die Grundausbildung der U11 und U14 jeweils einen Mustertrainingsplan mit konkret ausgearbeiteten Trainingsreihen und -einheiten ins Netz zu stellen. An diesem könnte jede Übungsleitung sich nach eigenem Gutdünken orientieren (oder es auch lassen ;) ). Vor allem die variable Verfügbarmachung der Techniken würde m.E. so gewiss große Fortschritte erleben.
Herzliche Grüße,

kastow

Since the establishment of Kôdôkan jûdô, jûdô has become something that should be studied not only as a method of self-defence but also as a way of training the body and cultivating the mind. (Jigorô Kanô: MIND OVER MUSCLE)
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Re: Shido für Tomoe-nage - Meinungen zum Leserbrief

Beitrag von Shinbashi »

Holger`s Ansatz ist auch eine Möglichkeit. Vielleicht sollte man eine Wettkampffreigabe einführen die im Pass vermerkt wird.
Sicheres Beherrschen der Fallschule und das Erkennen der üblichen Wettkampfwürfe (Uchi-Mata, otoshi-Varianten und auch Sutemi-waza) wäre Mindestvoraussetzung. Bevor das nicht "sitzt" ,macht eine Teilnahme an einem großen Turnier wenig Sinn.

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Re: Shido für Tomoe-nage - Meinungen zum Leserbrief

Beitrag von tutor! »

Shinbashi hat geschrieben:Vielleicht sollte man eine Wettkampffreigabe einführen die im Pass vermerkt wird.
Damit würde man erneut dem Problem, dass viele Kinder von ihren Trainern nicht ausreichend auf Wettkämpfe vorbereitet werden, durch Reglementierungen entgegenwirken - bzw. es versuchen. Wer soll das denn durchführen? Wieviele Ressourcen sollen denn in eine derartige Überprüfung gesteckt werden? Wer soll es denn kontrollieren?

Die Übungsleiter haben die Verantwortung - und müssen dieser gerecht werden. Dafür sollen sie Hilfe im Sinne von Qualifizierung bekommen. Dorthin müssen die Ressourcen fließen und nicht in irgendwelche Kontrollmechanismen.
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Re: Shido für Tomoe-nage - Meinungen zum Leserbrief

Beitrag von lothar »

Shinbashi hat geschrieben:Holger`s Ansatz ist auch eine Möglichkeit. Vielleicht sollte man eine Wettkampffreigabe einführen die im Pass vermerkt wird.
Sicheres Beherrschen der Fallschule und das Erkennen der üblichen Wettkampfwürfe (Uchi-Mata, Otoshi-Varianten und auch Sutemi-waza) wäre Mindestvoraussetzung. Bevor das nicht "sitzt" ,macht eine Teilnahme an einem großen Turnier wenig Sinn.

shinbashi
Ein neuerlicher Versuch noch mehr Bürokratie einzuführen?! Noch eine zusätzliche (gebührenpflichtige?) Prüfung - oder doch nur eine einfache formlose und damit faktisch wertlose Bestätigung durch die Trainer?

Sorry! So kommen wir m. E. nicht zum Ziel. Vielmehr haben doch die ganzen neuen Verbote gerade in der U11/U14 das Judo nicht “sicherer" gemacht. Die Gesellschaft und damit auch der Judosport haben sich grundlegend verändert. Der schnelle Erfolg steht im Vordergrund und schon lange nicht mehr der eigentliche Grundgedanke des gegenseitigen Respekts und der Fairness. Sicherlich ist eine generelle Pauschalisierung genauso wenig hilfreich wie: "früher war alles besser". Wer aber, wie ich, fast jedes Wochenende ein Nachwuchsturnier der U14/17 besucht, wird froh sein, dass er seine Schützlinge einigermaßen gesund wieder zuhause abliefern kann - kein, aber absolut kein Vergleich zu meinen Judo-Jugendjahren vor über 30 Jahren! Solange wir als Betreuer, Trainer, Eltern... nicht umdenken, wird sich trotz aller bestehenden und noch kommenden Verbote herzlich wenig ändern!

Noch ein Wort zu den "Schleudertechniken": Mein Eindruck ist, und der hat sich bei meinem Besuch der IDEM U17 in Berlin nochmals bestätigt, dass gerade diese Techniken im modernen Wettkampfjudo immer mehr an Bedeutung gewinnen. Nicht anders lässt sich die Vorherrschaft der (männlichen) russischen und osteuropäischen U17 Kämpfer erklären, die reihenweise gerade diese Techniken auf einem sehr hohen Niveau höchst erfolgreich anwenden. Genauso am letzten Wochenende beim 8. Auer Judoturnier: blitzsaubere Yoko-otoshi, Ura-nage, Tomoe-nage von tschechischen U13 Kämpfern. Keiner wird mir hier weismachen wollen, dass diese Kinder den Technikerwerb dieser Würfe erst seit ein paar Monaten vorantreiben! Damit hier jetzt nicht ein falscher Eindruck entsteht - dieser Trend macht mir Angst, aber ist er noch zu stoppen!? Ich fürchte nicht, ich glaube sogar, dass es gerade in Hinblick für den Leistungssport in Deutschland nur zwei Möglichkeiten gibt: Anpassen ODER mittel- und langfristig hinter den ehemaligen Ostblockstaaten allenfalls die 2. oder 3. Geige zu spielen. Für den Breitensport gilt ähnliches und damit schließt sich auch wieder der Kreis. Sind wir als Trainer und Betreuer bereit, dieses "Wettrüsten" weiter zu fördern und unseren Kindern Techniken zu vermitteln, die definitiv nichts für Anfänger sind?
Mit freundlichem Gruß

Lothar
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Ronin
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Re: Shido für Tomoe-nage - Meinungen zum Leserbrief

Beitrag von Ronin »

ich denke nicht, dass anpassen der richtige Weg ist.

Genau das tun die Trainer ja seit Jahren.

Der Weg ist da schon eher: back tu the roots. Aber da müssen wir bei uns selber anfangen, bevor wir an unseren Kämpfern arbeiten. Man kann ja nur da vermitteln, was man selber beherrscht.

Dafür würde ich dann auch akzeptieren einige Jahre die zweite Geige zu spielen. Langfristig (und zwar sehr langfrstig) zahlt sich das aus.
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Fritz
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Re: Shido für Tomoe-nage - Meinungen zum Leserbrief

Beitrag von Fritz »

Shinbashi hat geschrieben:Holger`s Ansatz ist auch eine Möglichkeit. Vielleicht sollte man eine Wettkampffreigabe einführen die im Pass vermerkt wird.
Sicheres Beherrschen der Fallschule und das Erkennen der üblichen Wettkampfwürfe (Uchi-Mata, otoshi-Varianten und auch Sutemi-waza) wäre Mindestvoraussetzung. Bevor das nicht "sitzt" ,macht eine Teilnahme an einem großen Turnier wenig Sinn.
Dafür gibt es die Mindestgraduierung zur Wettkampfteilnahme.
Nur leider ist ein heutiger 8.Kyu alles andere als für den Wettkampf gerüstet, mit seinen
beiden Würfen u. Festhalten u. Schmalspur-Fallübung :?
"Früher", als ein Gelbgurt noch 8 Würfe beherrschen mußte, sah es anders aus...
Mit freundlichem Gruß

Fritz
ypsilono
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Re: Shido für Tomoe-nage - Meinungen zum Leserbrief

Beitrag von ypsilono »

Gibt es Statistiken zu Verletzungen und bei welchen angewandten Techniken (z.B. Tomoe-Nage) diese entstanden sind???
Eine Diskussion, die lediglich auf Erfahrung, Gefühl und Vermutung basiert ist mMn Quatsch... Um sich fundiert mit dieser Thematik auseinander zu setzen, müssen Fakten auf den Tisch. Ich habe den Artikel zwar bisher nicht lesen können, aber hier im Forum fehlt es ja an konkreten Daten zum Thema...

--> Kein Verbot aus dem Bauch heraus! Verbote sind stets einschränkend und das will doch wohl überlegt sein.
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