Die Olympiaausbeute

Hier geht es um die Wettkampforganisation und um Fragen zu den Wettkampfregeln
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nur_wazaari
2. Dan Träger
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Die Olympiaausbeute

Beitrag von nur_wazaari »

Nachdem nun der DJB immerhin eine kurze Stellungnahme zum Ergebnis geliefert hat und die olympischen Spiele vorbei sind, ist es wohl Zeit auch vom "Sessel" aus darüber zu sinnieren.

Niemand gibt sich wohl so richtig mit der Medaillenausbeute zufrieden. Niemand gibt sich auch mit der Art und Weise des Judo so ganz zufrieden, dass bei Olympia gezeigt wurde. Es entstand der Eindruck, dass viele Kämpfe über reines Taktieren entschieden wurden und nicht wie von offiziellen Gremien propagiert, dass Judo attraktiver werden sollte. Lohnt sich ein Vergleich der Regelwerke vergangener Tage mit dem heutigen in diesem Hinblick? Sicherlich. Die Kämpfer kämpfen aufrechter, offensiver. Sie haben sich technisch angepasst, es wurden kreative Lösungen gefunden, um den Schwerpunkt des Gegners im Zuge des weggefallenen Hosengriffs effektiv zu unterwandern. Auch technisch-taktisch mussten die Beteiligten deutlich kreativer werden. Es muss im Prinzip permanent Druck aufgebaut werden, der Bodenkampf muss deutlich länger offen gehalten werden, die Variabilität der Techniken musste wesentlich erhöht werden hinsichtlich der Wurfrichtungen und Griffsituationen, da defensive Mittel schon allein im Griffansatz schnell sanktioniert werden können. Die Olympiasieger und Medaillengewinner sind vor allem Allrounder, was sicherlich z.T. nichts neues ist.

Zunächst sei gesagt, dass es sich hierbei um keine großartige Systemkritik handeln soll. Dafür gibt es Verantwortliche, die mehr Einblick in die detaillierten Hintergründe haben und für die aber nach meinen Ohren das Abschneiden gar nicht so extrem überraschend gewesen ist. Man versuche aber kurz, die einzelnen Gewichtsklassen aus deutscher Sicht zu analysieren:

-60kg: Im Prinzip nach langer Wettkampfpause eingestiegen. Ordentliche Offensive, wurde im ersten Kampf gegen eine starke Offensive des Gegners sehr spät belohnt. Im zweiten Kampf gandenlos ausgelesen worden. Merhmaliges herausgehen aus dem gleichen Wurfansatz, der Gegner bedankte sich mit einem Konter.

-66kg: Späterer Olympiasieger im Auftaktkampf. Sah zunächst gut aus. Hat sich einlullen lassen, war nicht der einzige an diesem Tag.

-73kg: Starke Offensive, gute Ansätze. Unangenehmen Gegner im ersten Kampf niedergekämpft. Im zweiten Kampf sehr abgezocktem Kämpfer hinterhergelaufen.

-81: Für ihn als eher weniger variablen Kämpfer eines der schwierigsten zu lösenden Lose. Unpräziser Griffkampf wurde vom bekanntermaßen sehr variablen Gegner mit dessen Präzision gekontert.

-90kg: Ebenfalls einen späteren Olympiasieger zum Auftakt. Hätte allerdings rein technisch sicher mithalten können. Es sah so aus, als hätte er selbst nicht mehr erwartet.

-100kg: Eine der stärksten und offensten Klassen. Hat im Prinzip wie gewohnt gekämpft, offensiv stark mit einem Hauch extrovertierter Überstürzung. Mental einer der stärkeren Athleten im Kader.

+100kg: Zu tapsig. Mehr gibt es da nicht zu sagen.

-48kg: Nix.

-52kg: Sehr nervös gekämpft, wurde stärker und die technischen Automatismen haben den Auftaktsieg gebracht. Das reichte nicht mehr für Kampf zwei gegen eine sehr clevere Gegnerin. Eine siegreiche Wertung schien nicht möglich zu sein.

-57kg: Auch eine spätere Olympiasiegerin im Auftaktkampf. Stand zu sehr unter Druck. Passiert eben.

-63kg: Wurde allen Erwartungen nicht gerecht. Taktische Defizite, so gesehen Parallelen zu -52kg.

-70kg: Einzige Medaillengewinnerin. Technisch starke Kämpfe, auch taktisch diszipliniert. So holt man eine Medaille.

-78kg: Absolut durchwachsene Kämpfe, wenn auch zur Hälfte siegreich. Trotzdem gute Leistung.

+78kg: Zu tapsig. Mehr gibts da nicht zu sagen.

Technisch und physisch sind wohl alle Athleten auf den Punkt fit gewesen, keine Frage. Aber es ist auffällig gewesen, dass die deutschen KämpferInnen anscheinend taktische und mentale Defizite aufwiesen. Der unbedingte Siegeswille ist dabei nur ein Gespenst, wenn es darum geht, abgezockt eine taktische Linie konzentriert zu präsentieren, die auch eine Wertung gegen die entsprechenden GegnerInnen einbringen kann. Mit anderen Worten, gerade die früh ausgeschiedenen AthletInnen waren nicht wirklich in der Lage, ihre GegnerInnen in Gefahr zu bringen. Das nur so ganz kurz gegriffen, vielleicht fällt mir später noch mehr dazu ein. Ich bin aber gespannt, welche Maßnahmen nun ergriffen werden sollen.
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