Olympische Shidomeisterschaften

Hier geht es um die Wettkampforganisation und um Fragen zu den Wettkampfregeln
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Skipper1
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Olympische Shidomeisterschaften

Beitrag von Skipper1 »

Ahoi,
Ich habe lange überlegt ob ich den Faden aufmachen wollte,
Jetzt, nach etlichen Gesprächen mit Olympia begeisterten Nichtjudoka bin ich zu dem Entschluss gekommen: JA

Endlich hatte Judo als Sportart einmal eine tolle Pressepräsenz
- Die Wettkämpfe wurden teils live, teils sofort nach dem Wettkampfende gebracht
- Die beiden Kommentatoren waren Klasse und sprachen verständliches Deutsch
- in den Livestreams konnte man alles verfolgen

Und dann sowas: Drängeln, Schubsen, Regeln ausnutzen.... aber kaum Wettkampf

Mit welchem Nichtjudoka ich auch sprach : Kopfschütteln und Unverständnis!
" Das ist Kampfsport?? "
" Schau ich mir nicht mehr an! "
" worum geht's dabei überhaupt? "
Ich denke mit diesem Regelmachwerk :dontknow hat sich Judo einen Bärendienst erwiesen.

Wie ist denn der Eindruck der Forumsmitglieder ?
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Fritz
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Re: Olympische Shidomeisterschaften

Beitrag von Fritz »

Skipper1 hat geschrieben:Und dann sowas: Drängeln, Schubsen, Regeln ausnutzen.... aber kaum Wettkampf

Mit welchem Nichtjudoka ich auch sprach : Kopfschütteln und Unverständnis!
" Das ist Kampfsport?? "
" Schau ich mir nicht mehr an! "
" worum geht's dabei überhaupt? "
Ich denke mit diesem Regelmachwerk :dontknow hat sich Judo einen Bärendienst erwiesen.
Also das ständige Bestrafen geht mir jedenfalls gehörig auf den Geist. Davon sollten sie dringend wieder
weg. Interessant finde ich in diesem Zusammenhang den Kampfstil der Japaner, k.A. welcher Kampf das
war der Sprecher hatte die ganze Zeit über den kämpfenden Japaner gelästert u. sich nicht entblödet,
die anfallenden Shidos zu bejubeln ... Und dann macht der Japaner eine kurze Aktion und das war dann
Ippon. Ist mir schon bei einigen ihrer Leute aufgefallen - die sind abgebrüht genug, um zwei, drei Passivitäts-Shido
zu riskieren und machen in der Zeit das, was man von alten Kämpfen u. ihren Kämpfern immer so berichtet
hat - sie studieren im Kampf ihre Gegner, klopfen sie sozusagen auf Schwachstellen ab und dann wird
auf den Punkt geworfen ... Der Ansager schien das nicht (mehr) zu erkennen, das sagt schon einiges aus.

Bzgl. dessen, was Laien vom Judo nicht verstehen - darauf gebe ich gar nichts ... Ich verstehe beim TKD oder beim
Boxen od. Ringen auch nicht, wann wer einen Punkt bekommen hat und bei anderen Sportarten versteht
man bis auf die Grundzüge als Laie in der Regel auch nicht viel ...
(Wundert mich nur, daß es beim Fußball, im Gegensatz zur EM keinerlei öffentliche Fan-Meilen o.ä. gab,
wo doch Olympia eigentlich ein höherwertiges Ereignis sein sollte als nur eine Europameisterschaft und unsere
Männermannschaft wurde immerhin Zweiter und die Frauenmannschaft gewann Gold ... schon merkwürdig
bis unverständlich: keine Böller nach jedem Tor, kein Jubel, keine Deutschland-Fähnchen an den Autos)
Mit freundlichem Gruß

Fritz
tutor!
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Re: Olympische Shidomeisterschaften

Beitrag von tutor! »

Skipper1 hat geschrieben:(...)
Und dann sowas: Drängeln, Schubsen, Regeln ausnutzen.... aber kaum Wettkampf

Mit welchem Nichtjudoka ich auch sprach : Kopfschütteln und Unverständnis!
" Das ist Kampfsport?? "
" Schau ich mir nicht mehr an! "
" worum geht's dabei überhaupt? "
Viele verstehen in der Tat nicht, worum es überhaupt geht - leider sind darunter auch viele, die selbst Judo betreiben und glauben etwas davon zu verstehen...
Was Du als "Drängeln und Schubsen" bezeichnest ist vielfach (nicht immer) gerade ein wichtiger Teil des Kämpfens. Die Zeiten, in denen es auf Weltniveau (es mussten sich ja alle TN international qualifizieren) Gegner gibt, die sich von alleine so bewegen, dass sie in die - durch Videosammlungen der Verbände oder durch Videoportale - bekannten Techniken der Gegner hineinlaufen, sind schon lange vorbei. Also bleibt nichts anderes, als den Gegner in eine entsprechende Situation zu manöverieren, die man ausnutzen kann. Der weiß aber natürlich auch, was er nicht mit sich machen lassen darf. Also geht es darum, den Gegner zu reflexartigen Reaktionen, die er nicht so gut steuern kann, zu verleiten. Das geht dann mit kurzen, impulsartigen Aktionen, die oft als "Schubsen und Drängeln" wahrgenommen werden, die jedoch in Wirklichkeit sehr gezielte Versuche sind, in eine Angriffssituation zu kommen. Je erfahrener die Kämpfer sind, und je besser sie sich kennen, desto weniger häufig geht das natürlich auf...
Skipper1 hat geschrieben: Ich denke mit diesem Regelmachwerk :dontknow hat sich Judo einen Bärendienst erwiesen.

Wie ist denn der Eindruck der Forumsmitglieder ?
Was die Regeln mit den Shidos betrifft, ist das Gegenteil der Fall. "Früher" war es so, dass Shidos gleichzeitig eine Wertung für den Gegner waren, heute schlägt jede Wertung bis zu drei Shidos. Oder anders ausgedrückt: Shidos wirken sich nur aus, wenn in einem Kampf keine Wertung gefallen ist.

In den Kämpfen, die ich gesehen habe - es waren leider urlaubsbedingt nicht viele - kamen die Shidos für mich klar erkennbar an den richtigen Stellen. Wer keinen Versuch unternimmt, selbst einen Angriff vorzubereiten und damit natürlich in erster Linie Angriffsversuche des Gegners unterbinden will, muss am Ende der Kampfzeit - wenn keine Wertung gefallen ist - der Unterlegene sein. Dasselbe gilt für den, der derartige Bemühungen nur vortäuscht.

Dies muss man natürlich erkennen. Das ist manchmal ausgesprochen schwierig. Oft wird ja Kampfrichtern der Vorwurf gemacht, "keine Ahnung" zu haben und diese Situationen völlig falsch einzuschätzen. Wenn es selbst für aktive Kampfrichter schwierig ist, wie sollen denn dann Breitensportler, die zwar die Techniken des Judo kennen, aber nicht die Feinheiten des Positions- und Griffkampfs, das Geschehen sachgerecht beurteilen? Von kompletten Laien ganz zu schweigen...

Zwei bis drei Situationen tauchen aus meiner Sicht über den Daumen durchschnittlich in jedem etwas engeren Kampf auf, in denen einer der beiden Kontrahenten einen Shido "verdient" (statistisch sind es sogar etwas weniger). Das ist völlig normal. Letztlich merkt doch jeder Kämpfer selbst, wenn er mehr gefährdet ist, als er den Gegner gefährden kann. In dem Moment wandert der Fokus vom Versuch der eigenen Wertung hin zum Verteidigen in der Hoffnung auf einen glücklichen Moment.

Aber man könnte natürlich die Shidos nicht mehr ansagen und auch nicht mehr auf der Tafel anzeigen, sondern die (Nicht-)Aktionen am Kampfende bei einem Kampfrichterentscheid berücksichtigen. Dann würde es diese Art von Klagen nicht mehr geben. Hatten wir ja schon - bis Mitte der 1970er Jahre, als man sich entschloss die Kampfrichterentscheidungen transparenter zu machen...
I founded a new system for physical culture and mental training as well as for winning contests. I called this "Kodokan Judo",(J. Kano 1898)
Techniques are only the words of the language judo (Cichorei Kano, 24.12.2008)
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Skipper1
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Re: Olympische Shidomeisterschaften

Beitrag von Skipper1 »

Ahoi,

Ich denke, ein Teil der Antworten geht an meinen Fragen vorbei.

Wenn wir Judo in den Augen der Öffentlichkeit attraktiver gestalten wollen,
also als Sportart darstellen möchten, die nicht nur im stillen Kämmerlein stattfindet und für alle attraktiv ist,
dann muss die Außendarstellung gerade im Bereiche der visuellen Medien geändert werden.
Einige Verbände haben das schon vor Jahren begriffen, die Regeln geändert und verkaufen sich auch so besser in der Öffentlichkeit.

Hier sollten sich die IJF oder der DJB mal judoferne Berater leisten, die sich Wettkämpfe auf dem Bildschirm ansehen und dann, hoffentlich, Tipps zur Attraktivitätssteigerung geben.
Heißt aber für die Verantwortlichen dann darauf zu reagieren und Maßnahmen einzuleiten.
Sonst ist der Zug abgefahren und wir lamentieren immer noch weiter herum.

Ahoi

Skipper 1
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guk
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Re: Olympische Shidomeisterschaften

Beitrag von guk »

Skipper1 hat geschrieben:Ich denke ein Teil der Antworten geht an meinen Fragen vorbei.
Du hattest nur die Frage gestellt, wie der Eindruck ist. Und der scheint sehr unterschiedlich zu sein...
Skipper1 hat geschrieben:Wenn wir Judo in den Augen der Öffentlichkeit attraktiver gestalten wollen,
also als Sportart darstellen möchten, die nicht nur im stillen Kämmerlein stattfindet und für alle attraktiv ist,
dann muss die Außendarstellung gerade im Bereiche der visuellen Medien geändert werden.
Einige Verbände haben das schon vor Jahren begriffen, die Regeln geändert und verkaufen sich auch so besser in der Öffentlichkeit.
Beispiele?
Skipper1 hat geschrieben:Hier sollten sich die IJF oder der DJB mal judoferne Berater leisten, die sich Wettkämpfe auf dem Bildschirm ansehen und dann, hoffentlich, Tipps zur Attraktivitätssteigerung geben.
Heißt aber für die Verantwortlichen dann darauf zu reagieren und Maßnahmen einzuleiten.
Sonst ist der Zug abgefahren und wir lamentieren immer noch weiter herum.
Judo sollte Judo bleiben (oder wieder werden ;) ), man sollte das Regelwerk (nur darum geht ja eigentlich, denn die Regeln bestimmen, wie gekämpft wird) nicht ständig daraufhin optimieren, ob es im TV auch gut aussieht. Regeln sollen ein vernünftiges Kämpfen ermöglichen und Verletzungen vermeiden, mehr nicht.

Judoferne Zuschauer verstehen im Übrigen auch nicht, wie sich ein Medaillengewinner im Judo von einem Hotelangestellten krankenhausreif prügeln lassen kann... :ironie3

Ich habe gute Kämpfe gesehen und weniger gute. Die Leistungsdichte ist sehr hoch, man kennt sich, dass ist auch bei anderen Sportarten so, dass solche Kämpfe unattraktiv sein können.
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Skipper1
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Re: Olympische Shidomeisterschaften

Beitrag von Skipper1 »

Ahoi,

die Fragen lauteten,

" Das ist Kampfsport?? "
und

" worum geht's dabei überhaupt? "

Das waren die Fragen die mir von Außenstehenden gestellt wurden

Meine zusammenfassende Frage war:
" Wie ist denn der Eindruck der Forumsmitglieder ? "
bekommt Ihr von außen das gleiche Feedback?

Ahoi

Skipper 1
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Re: Olympische Shidomeisterschaften

Beitrag von katana »

Judoferne Zuschauer verstehen im Übrigen auch nicht, wie sich ein Medaillengewinner im Judo von einem Hotelangestellten krankenhausreif prügeln lassen kann...
Ich verstehe beim TKD oder beim Boxen od. Ringen auch nicht, wann wer einen Punkt bekommen hat...
Beide Aussagen zeigen aber auch ganz klar, wie weit man "Kämpfen" regeltechnisch verunstalten kann ... :D , sodaß es eigentlich mit "Kämpfen" nichts mehr zu tun hat.

(apropos "Boxen",... würde man die Judostrafenideologie dort ähnlich anwenden, gäbe es wohl keine Boxkämpfe mehr :D , ... schon gar keine, die ne 3/4 Std. laufen)
kk
Anton_D1
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Re: Olympische Shidomeisterschaften

Beitrag von Anton_D1 »

Ich finde die Shido-Regelung sinnvoll, letztendlich führt es zu aktiveren und offensiveren Kämpfen. Ich kann mir keine bessere Lösung dafür vorstellen. Die Kämpfe sind durch die Shido-Regelung auf jeden fall aktiver und spannender geworden.

Ich habe von einem Nicht-Judoka das Feedback bekommen: Er fand das ganz interessant, auch wenn er vieles nicht verstanden hat. Viel langweiliger ist Ringen, da kapiert man gar nichts und es ist nur Rumgezerre im Boden. Bei Judo bekommt man wenigstens ab und zu einen Wurf zu sehen.

Was mir bei manchen Judoka aufgefallen ist, daß sie nach Mate ziemlich lang auf dem Boden liegen bleiben und vom KaRi mehrmals aufgefordert werden müssen aufzustehen. Das find ich dreist. Und wer den Gegner nicht respektiert und nach verlorenen Kampf sich nicht mal verbeugt, gehört offiziell disqualifiziert (auch wenns in dem Fall nur symbolische Wirkung gehabt hätte)
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