"Mechanik und Struktur der Kampfsportarten"

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Syniad
2. Dan Träger
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"Mechanik und Struktur der Kampfsportarten"

Beitrag von Syniad »

Hallo!
Kennt eine/r von Euch das Buch "Mechanik und Struktur der Kampfsportarten" von Ralf Pfeifer? Sieht interessant aus; ich könnte mir vorstellen, dafür eine Fernleihbestellung aufzugeben.
Hier wird es vom Autor beschrieben:

http://www.arsmartialis.com/index.html? ... index.html

Danke und viele Grüße,
Syniad

edit: Fast 60 Aufrufe und keine Antwort... kennt wohl keiner. Habe jetzt die Fernleihbestellung rausgegeben und werde berichten, wenn ich absolut hingerissen sein sollte ;) .

Hallo,

auch wenn das Buch mich jetzt nicht völlig mitgerissen hat, folgt hier eine kurze Beschreibung:

Für den reinen Wettkampfjudoka ist dieses Buch eher uninteressant, da die schwerpunktmäßig behandelten Techniken Schläge, Tritte und Waffentechniken sind. Zwar wird Judo am Rande und natürlich in der generellen Einführung (Abgrenzung Kampfsport – SV, Unterschiede Leicht-/Vollkontakt) genannt, aber es wird weder auf Wurf-, noch auf Hebel-, noch auf Würgetechniken eingegangen.
Wer zur schlagenden oder tretenden Fraktion gehört, sollte ein physikalisches Grundwissen mitbringen, um die Lektüre fruchtbringend zu machen. Ich habe leider keines – ein geringes naturwissenschaftliches Verständnis und die beiden schlechtesten Lehrer der Schule haben da großartig zusammengewirkt.
Umso höher ist dem Autor anzurechnen, dass sogar ich Grundzüge seiner Erklärungen nachvollziehen konnte. Er macht dies nämlich immer wieder an Beispielen anschaulich: Ich kann Formeln gar nicht und Kräfteparallelogramme nur mit sehr viel Mühe verstehen, aber ich kann mir vorstellen, wie ein Stock fällt, wie eine Kugel rollt, wie sich ein Fußball verformt...
Ohnehin muss man dem Buch seine zahlreichen Abbildungen zugutehalten, die es auch dem Physik-Minuswisser ermöglichen, dem Text über weite Teile zu folgen und auch viele Dinge aus dem Training (Karate, nicht Judo) besser zu verstehen (Arbeit mit dem Körperschwerpunkt, bei Rising und Falling Step zum Beispiel). Auch generelle Dinge werden eingangs erklärt: Wusstet Ihr, dass man bei angehaltenem Atem die größte Kraft entwickelt (mehr als beim Ausatmen)? Pressatmung hat nur andere Nachteile, weshalb man sie nicht ausüben sollte.
Alles um die Formeln herum musste ich allerdings hilflos auslassen. Beim Thema „Waffentechniken“ war es dann (fast) ganz vorbei. Die Formelsammlung zu Beginn des Kapitels, gleich nach der allgemeinen Einführung, ist sehenswert…
Die nachfolgenden Texte zu Beschaffenheit von Messern und Tonfa und der sicheren Aufhängung eines Boxsacks waren dann für mich persönlich einfach nicht weiter interessant, aber wieder klar verständlich.
Das Buch enthält des weiteren den Überblick über einen selbst durchgeführten Versuch zur Messung der Schlagwirkung bei acht Versuchspersonen (davon sieben Männer) – von denen zwei den Versuch wegen Verletzungen abbrachen. Wenn der eigene Ehrgeiz größer ist als der Verstand :D ...
Ich bin sicher, dass das Kapitel bestimmt sinnvoll war, und für das „Verfahren zur Bestimmung des körperlichen Trainingszustandes einer Person“ wurde dem Autor ein Patent verliehen, aber die Ergebnisse sind für mich nur bedingt verständlich. Das ist wirklich etwas für die Physikalisch Bewanderten.
Das Glossar am Ende rundet das Buch sehr gut ab. Der Überblick über die „Mathematischen Methoden“ ist für mich allerdings Chinesisch. Schade übrigens, dass das Kapitel über „Physikalische Grundlagen“ sich ganz am Ende befindet. Man hat das Gefühl, es sei eben der besseren Verständlichkeit wegen an eine Dissertation angeschlossen worden und darum ans Ende gehängt – wo es doch eigentlich, damit ein in der Physik unbewanderter Leser davon profitieren kann, an den Anfang gehört!

Alles in allem: Ein interessantes Buch, in dem sich wissenschaftlich mit Kampftechniken auseinander gesetzt wird und von dem man im Training profitieren kann, wenn man zu denen gehört, die etwas nur dann verstehen, wenn sie möglichst genau wissen, wie es funktioniert. Es ärgert mich richtig, für die Feinheiten nicht genug naturwissenschaftlich gerüstet zu sein :( .
Schade ist, dass Wurf-, Hebel- und auch Würgetechniken so gar nicht vorkommen. Ich bin sicher, dass man auch bei diesen Techniken einiges physikalisch erklären und so verschiedene Wurfvarianten vergleichen, verschiedene Eingänge betrachten, die Vorteile langer respektive kurzer Extremitäten für Wurf XY beleuchten könnte usw. usw. Das wäre dann für alle Judoka so richtig spannend.
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