ADHS bei Kindern welche Judo machen

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Christian
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ADHS bei Kindern welche Judo machen

Beitrag von Christian »

Ich wollte mal ein Thema aufgreifen, was nicht gerade unumstritten ist: ADHS (Aufmerksamkeits Defizit Syndrom mit Hyperaktivität).
Das viele Ärzte dazu neigen, vorschnell Medikamente wie Medikinet oder Ritalin zu verschreiben, ist keine Neuigkeit. ADHS wird als Modekrankheit dargestellt, weil es auf der einen Seite keine eindeutigen Symptome gibt und nur einige Punkte zutreffen müssen, damit das Kind als ADHS Kind abgestempelt wird.

Eine Aussage aus der Bild der Wissenschaft 1/2008 auf Seite 76, welche ich erstmal nicht weiter kommentieren möchte:
Bild der Wissenschaft Seite 76 hat geschrieben: [...]Dass Erziehung von maßgeblicher Bedeutung für die Entstehung von Verhaltensauffälligkeiten ist, die schließlich in eine ADHS-Diagnose münden können, ist für Hüther und Bonney keine Frage. Thesen, mit denen sie sich bei den oft verzweifelten Eltern nicht gerade beliebt machen. Denn so manchem ist es angenehmer, die Schwierigkeiten mit seinem Kind auf "eine organische oder genetische Ursache zurückzuführen, als sich zu fragen, was in der Erziehung vielleicht nicht optimal läuft", moniert Hüther[...]
Was mich interessieren würde ist, was ihr für Erfahrungen mit Kindern habt, wo der Arzt ADHS diagnostiziert hat (mit und ohne medikamentöse Behandlung).
Habt ihr Kinder in eurer Gruppe, bzw. wart ihr schon mit Kindern auf Freizeiten, welche sich stark anders verhalten, als ihre Altersgenossen?
schöne Grüße
Christian
yamamoto

Re: ADHS bei Kindern welche Judo machen

Beitrag von yamamoto »

Mein Eindruck war bei den Kindern, die ich trainiert habe, immer der, daß bei einem intakten Elternhaus, in dem sich auch um die Kinder gekümmert wurde, keine (!) Verhaltensauffälligkeiten, ADHS o.ä. auftraten.

In einer Hortgruppe z.B., die meinten, man könne ja mal Karate anbieten, das sei gut für die Kinder, war das Projekt zum Scheitern verurteilt, weil man ja gegen ADHS nichts machen könne. Die haben mich auch fast gelyncht, als ich offen gesagt habe, daß es ganz sicher nicht normal ist, wenn Kinder ständig Kopfschmerzen haben (z.B. weil sie mit Muttern auf der Arbeit den ganzen Haushalt schmeißen müssen).

Wenn mir ADHS untergekommen ist, habe ich das immer als Ausrede empfunden, denn das Kind war völlig normal, außer daß es in übertriebenem Maße nach Zuwendung gesucht hat. Und da hilft auch kein Ritalin.

Interessant ist auch, wer immer im Nachhinein alles Legastheniker sein möchte. Oder daß Kinder in der Schule heute nicht einfach nur sitzenbleiben können. Nein, da muß der Psychologe hinzugezogen werden.

:irre
Anfängerin08
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Re: ADHS bei Kindern welche Judo machen

Beitrag von Anfängerin08 »

Hallo Christian,

wir hatten schon verschiedene Formen von ADS bei den Kindern im Training.

Bei manchen kam die Mutter schon gleich und entschuldigte alle möglichen "Fehltritte" von vornherein, bei den meisten kam max. ein kleiner Hinweis, wenn überhaupt und gut war es.

Im Training fielen die wenigsten auf, ich weiß aus dem Stehgreif eigentlich nur einen - alle anderen waren entweder so gut eingestellt (wobei gegen Abend ja die Medikation ausgeschlichen wird) oder im Training so beschäftigt, dass es nicht zu unterscheiden war von "normalen Mätzchen".

Ich finde, man sollte von vornherein nicht so viel Augenmerk auf diese Kinder legen, also viel viel mehr wie bei den "normalen" - sondern sie genauso behandeln - d.h. loben und ermahnen wie den ganzen Rest. Dann ist es auch kein großes Problem.

Problematisch finde ich eher, dass oft Sportarten wie Judo zum Allheilmittel gemacht werden und jeder denkt, dass die Trainer dort bestimmt eine psychologische Zusatzausbildung haben und so das Kind 1,5 h in kompetenten Händen ist und die Eltern sich in der Zeit nicht kümmern müssen.

Ich würde mir nämlich von einigen Eltern etwas mehr Mithilfe wünschen und sei es erst mal nur beim Mattenaufbau. Dieses Abliefern vor der Halle, oft ist es ein "aus dem Auto schmeißen" regt mich auf. Das hat jetzt aber nichts explizit mit ADS mehr zu tun.

Gruß Anfängerin
kanou65m
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Re: ADHS bei Kindern welche Judo machen

Beitrag von kanou65m »

Hallo Christian,

bei uns trainieren derzeit sieben Kinder mit Ads/Adhs in den jeweiligen Gruppen.
Sechs davon werden inzwischen medikamentös unterstützt, einer ausschließlich therapeutisch, da die Eltern eine medikamentöse Behandlung ihres Kindes grundsätzlich ablehnen.

Unsere Beobachtung ist, dass bei allen Kindern mit medikamentösen Unterstützung eine spürbare positive Entwicklung zu verzeichnen ist.
Auch das Kind ohne Medikamente hat sich positiv entwickelt-allerdings mit einem weitaus größeren "Zeit- u. Arbeitsaufwand" für alle Beteiligten. Es geht also.

Im Training macht sich Ads/Adhs insbesondere bei der Konzentration bemerkbar.
Im Dialog mit den Eltern erfahren wir, dass die medikamentös behandelten Kinder auch schulisch besser zurecht kommen. Ein Junge, der schon für die Sonderschule vorgesehen war, konnte nun sogar eine Klasse überspringen, ein anderer, dessen Versetzung auf der Realschule stark gefährdet war, ist nun auf das Gymnasium empfohlen worden.

All diese Kinder sind - aus Sicht unserer Trainer - außergewöhnlich "anstrengend", aber auch außergewöhnlich talentiert, was den Judosport betrifft. Messbar wird dies u.a. an ihren überdurchschnittlichen Wettkampferfolgen.

Die Kehrseite einer medikamentösen Behandlung konnten wir allerdings auch mitverfolgen:
Bei einem Jungen wurde das Medikament ausgeschlichten - mit katastrophalen Folgen, hinsichtlich seiner schulischen Leistungen als auch im Training.
Das Thema ist noch relativ neu und unbekannt. Die Frage ist, ob wir uns als Judolehrer dieser neuen Herausforderung stellen wollen...und können.

Wir stellen fest, dass wir recht schnell an unsere Grenzen stoßen und sind daher froh, dass uns einige Kinderärzte und ein Therapiezentrum unterstützen.

Zu deinem Zitat eine Anmerkung: Die Eltern sind in der Tat oftmals sehr verzweifelt, da sie schon sehr viel unternommen haben - ohne messbaren Erfolg.
Angenehm machen sie es sich mit Sicherheit nicht.

Mit freundlichen Grüßen
kanou65
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Olaf
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Re: ADHS bei Kindern welche Judo machen

Beitrag von Olaf »

Fast alle der Kinder, welche ich im Rahmen der Jugendhilfe betreue gelten/galten auch als ADS/ADHS Kandidaten mit entsprechender Medikation. Im Laufe der Jahre zeigte sich, dass es sogar Kinderärzte gibt, die per Diagnose die entsprechenden Statistiken nach oben treiben. Durch Erziehung, persönlicher Förderung konnte die Medikamentengabe in ca. 90 % der Fälle gestoppt oder erheblich reduziert werden.
Wie schon Kamou65m beobachtete, verbessern sich einige Kinder durch die Medikation auch schulisch. Diese Erfahrung kann ich aus den verschiedensten Gründen bestätigen. So werden zum Beispiel auch Fälle von Hochbegabung oft als ADS fehlinterpretiert, da die entsprechenden Kinder unkonzentriert, weil gelangweilt sind und ein Teufelskreis in Gang gesetzt wird.
Wie schon erwähnt, ist ADS zwar ein sehr altes Krankheitsbild, man denke an den Zappelphillip, aber es ist durchaus umstritten, was genau die Ursachen sind.
Fehlentwicklungen in wichtigen Phasen der Reifung, welche durch Erziehung durchaus zu beeinflussen sind, enzymatische Ungleichgewichte im Hirn und noch andere Erklärungen mehr kursieren seit Jahren in diversen Veröffentlichungen.

Selbst die Wirkungsweise von Medikinet, Ritalin usw. ist umstritten, da bei den verschiedensten Kindern teils sogar massiv kontraproduktive Wirkungen auftreten.
Es gibt übrigens nicht wenige Psychologen/Kinderärzte die ADS/ADHS-Symptome mit Fernseh- und elektronischen Medien und ihrem Konsum in Verbindung bringen. Übermäßiger Bewegungsmangel scheint bei einigen Kindern/Jugendlichen überhöhte Aktivität in der anders genutzten Zeit auszulösen.
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Re: ADHS bei Kindern welche Judo machen

Beitrag von remy-otoshi »

Auch in meiner Trainerlaufbahn hatte ich schon einige ADHS-Kinder mit unterschiedlichsten Ausprägungen: Vom "Extremkasper" bis hin zur "Transuse".

Ich bin duchaus dankbar und nehme es sehr ernst, wenn die Eltern auf mich zukommen und mir sagen, dass Untersuchungen stattgefunden haben, dass eine Diagnose gestellt wurde und evtl. Medikamente eingenommen werden: Was nicht bedeutet, dass diese Kinder automatisch einen Freibrief für lausiges Verhalten bekommen. Bitte tut das nicht ab als "schon wieder so einer mit Fehldiagnose bzw. schlechter Erziehung". Diese Kinder können echt anstrengend sein, ja, aber wer hat denn gesagt, dass Trainer sein immer einfach ist? Versucht zu verstehen, wie diese Kinder "ticken". Und, wie Olaf schon schrieb, diese Kinder haben oft erstaunliche Begabungen und sind sehr leistungsfähig.

Sicherlich etwas laienhaft erklärt, wie ADHS wirkt bzw. wie ich es verstanden habe: Wenn Ihr Euch mit jemandem unterhaltet, dann ist Euer Fokus bei Eurem Gesprächspartner. Fährt nun ein Auto vorbei oder Musik spielt im Hintergrund, dann bekommt Ihr das wohl mit, es stört Euch aber nicht wirklich. Bei ADHS-Kindern ist dieser Filter aber gestört: Das heißt, dass alle Geräusche und äußerlichen Einflüsse gleich stark im Gehirn ankommen. Wie würdest Du reagieren? Zwei Möglichkeiten: Entweder tillst Du nach einer Weile oder Du schottest Dich ab.

Beide Fälle hatte ich schon, wobei der erste Fall vermutlich deutlich häufiger auftritt, aber der zweite Fall genauso anstrengend sein kann! Aber was kann ich als Trainer tun?
Zuallererst versuche ich, wenn irgend möglich, dieses Kind in eine kleine Gruppe reinzunehmen oder auch in eine Gruppe, wo in der Nebenhalle zeitgleich nicht gerade Basketball o.ä. gespielt wird. Kurz, je ruhiger die Umgebung, desto besser.
Dann muss man immer wieder die Aufmerksamkeit des Kindes einfangen: Das Kind als Vormachpartner nehmen oder direkt ansprechen. Manche berühre ich auch am Arm, wenn ich mit ihnen spreche oder fordere explizit, dass sie sich bei unserem Gespräch mir komplett zuwenden oder mich direkt ansehen.

Fällt mir auch gerade noch ein: Ein Spiel, von dem ich gedacht habe, "voll öde!", aber die Kinder sind begeistert. Am Ende der Stunde setzen wir uns in einen Kreis und es heißt "Stillsitzen". Wer einen Mucks macht oder kichert oder Faxen macht, auf den zeige ich stumm und er muss eine Runde um die Matte rennen, beim zweiten Mal zwei, beim dritten Mal drei Runden ... - und sich dann wieder an den Platz zurücksetzen. Es sind dann erstaunlicherweise gar nicht unbedingt die ADHS-Kinder, die rennen: Ich glaube, dass die Kinder Ruhe durchaus schätzen. In diesem Sinne propagiere ich hier den bewussteren Einsatz von Pausen / Ruhephasen / Cool-down.
Gruß, remy-otoshi
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Olaf
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Re: ADHS bei Kindern welche Judo machen

Beitrag von Olaf »

@ remy-otoshi

Sehr schönes Spiel, werde ich sofort in meinen Fundus für die Jugendhilfegruppe aufnehmen.

Deine Erklärung für ADHS fällt aber leider eher in den Bereich einer bestimmten Form des Autismus. Nach den bisherigen Forschungsergebnissen scheint das Problem bei ADS nicht so sehr im Bereich der Wahrnehmung, sondern eher bei der Impulskontrolle und Selbstregulation zu liegen.

Das betroffene Kind weiß schon, wie es sich verhalten sollte, es ist nur schlicht nicht in der Lage dazu. Ein Beispiel soll das Angrüßen im Judounterricht sein. Wenn dieses länger dauert, habe ich irgendwann den Impuls meine Sitzhaltung zu ändern oder aufzustehen. Mein Wille sollte mich aber dazu bewegen, trotzdem durchzuhalten. Einem ADS-Kind ist dies nicht möglich, es gibt dem Impuls ohne Selbstregulation nach und wirkt dadurch störend, ohne wirklich etwas dafür zu können. Anschließend gibt es eine Zurechtweisung durch den Trainer, ein "normales" Kind wäre betroffen, hätte aber auch den Impuls zu flüchten, oder sich zu wehren etc. je nach Charakter. Durch die Selbstkontrolle gibt es dem Impuls aber nicht nach, weil es durch die Erziehung weiß, dass diese Reaktion nicht in Ordnung wäre.
Dass ADS-Kind weiß das auch, kann sich gegen den Impuls aber nicht wehren und führt ihn aus. Bekommt dafür im Allgemeinen wieder Ärger usw. Dies ist der bereits angeführte Teufelskreis.

Das Kind kann diesen nicht durchbrechen, wohl aber der Trainer, wenn er von der Problematik weiß.
Im übrigen kann das Verhalten des Kindes auch an mangelnder Erziehung liegen und hier liegt das eigentliche Problem. Manche Kinder mit schlechter Erziehung werden als ADS-Fall bezeichnet obwohl keiner vorliegt. Für eine definitive Diagnose sind nach heutigem Wissen umfangreiche Tests notwendig.
Fragt man allerdings Eltern nach der Art der Diagnose, trifft man öfters auf die Antwort, dass der Kinderarzt einen Fragenkatalog hatte und bei drei bis vier Ja-Antworten, Bingo, ADS. Solch eine Herangehensweise ist bestenfalls fahrlässig, schlimmstenfalls kriminell, da sie dazu führen kann, dass ein eigentlich gesundes Kind, zum Teil über Jahre, unter Drogen (Ritalin etc) gesetzt wird.

Zum Thema Ritalin kann man gern mal die folgende Seite aufsuchen.

http://www.das-gesundheitsportal.com/sites/ritalin.html
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Ronin
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Re: ADHS bei Kindern welche Judo machen

Beitrag von Ronin »

Ich hatte bisher zwei ADHS Kinder, beide stammen aus familiär schwierigen Verhältnissen sprich Scheidung bzw fast Scheidung.
Medikamentiert waren beide nicht. Probleme hatte ich mit beiden auch nicht.

Von daher...
BadenIkkyu

Re: ADHS bei Kindern welche Judo machen

Beitrag von BadenIkkyu »

Olaf hat geschrieben:@ remy-otoshi

Sehr schönes Spiel, werde ich sofort in meinen Fundus für die Jugendhilfegruppe aufnehmen.

Deine Erklärung für ADHS fällt aber leider eher in den Bereich einer bestimmten Form des Autismus. Nach den bisherigen Forschungsergebnissen scheint das Problem bei ADS nicht so sehr im Bereich der Wahrnehmung, sondern eher bei der Impulskontrolle und Selbstregulation zu liegen.

Das betroffene Kind weiß schon, wie es sich verhalten sollte, es ist nur schlicht nicht in der Lage dazu. Ein Beispiel soll das Angrüßen im Judounterricht sein. Wenn dieses länger dauert, habe ich irgendwann den Impuls meine Sitzhaltung zu ändern oder aufzustehen. Mein Wille sollte mich aber dazu bewegen, trotzdem durchzuhalten. Einem ADS-Kind ist dies nicht möglich, es gibt dem Impuls ohne Selbstregulation nach und wirkt dadurch störend, ohne wirklich etwas dafür zu können. Anschließend gibt es eine Zurechtweisung durch den Trainer, ein "normales" Kind wäre betroffen, hätte aber auch den Impuls zu flüchten, oder sich zu wehren etc. je nach Charakter. Durch die Selbstkontrolle gibt es dem Impuls aber nicht nach, weil es durch die Erziehung weiß, dass diese Reaktion nicht in Ordnung wäre.
Dass ADS-Kind weiß das auch, kann sich gegen den Impuls aber nicht wehren und führt ihn aus. Bekommt dafür im Allgemeinen wieder Ärger usw. Dies ist der bereits angeführte Teufelskreis.

Das Kind kann diesen nicht durchbrechen, wohl aber der Trainer, wenn er von der Problematik weiß.?
Hm und wie ? Außer die Angrüßphase kurz halten ? Ich hatte auch mal eines in der Gruppe, war aber hillflos.
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Olaf
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Re: ADHS bei Kindern welche Judo machen

Beitrag von Olaf »

Z.B. das betroffenen Kind im Stand angrüßen lassen. Wichtig , zum Durchbrechen des Kreises ist es, die Situatuion nicht noch weiter eskalieren zu lassen. Den Durchbruch aus dem Kreis muss der Trainer machen. Das Kind kann es aus den beschreibenen Gründen meist nicht.
Mit dem Durchbrechen des Teufelskreises ist im Übrigen nicht gemeint, dass das Kind jetzt die erste Auffälligkeit ablegen kann. Aber der Trainer sollte sich nicht persönlich angegriffen fühlen und das Kind in weitere Situationen hineintreiben, die unweigerlich eskalieren müssen.
Bewährt haben sich bei betroffenen Kindern auch Stoppsignale. (Bestimmte Worte, Gesten, oder ähnliches) die helfen können, dem Kind die Aufmerksamkeit zu schärfen. Wenn ein solches Signal gesetzt wird, ist für beide Seiten klar, dass jetzt besondere Aufmerksamkeit gefordert ist. Diese Dinge dürfen aber nicht inflationär eingesetzt werden, da sonst der besondere Charakter verloren geht. Dies ist natürlich kein Allheilmittel, kann aber manchmal helfen.
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Re: ADHS bei Kindern welche Judo machen

Beitrag von Hofi »

Hi!
Also Kinder mit der (von den Eltern mitgeteilten) Diagnose hatte ich in den 14 Jahren, die ich auf der Matte stehe als Trainer noch nicht, aber wohl einige, wo man die Vermutung anstellen konnte, wenn man denn die Diagnose mag. Die meisten waren in den Griff zu kriegen und haben durch aus gute Leistungen gebracht, es war bisher nie nötig jemanden rauszuschmeissen.
Und wenn man sich das Interesse der Eltern anschaut und wie sich die Situation da verändert hat, kann man schon den Eindruck gewinnen, dass da einfach etwas mehr kümmern (bei manchen auch weniger Rumgetüddel ums Kind, wo man durchaus versteht, dass der Knirps einfach abschaltet, wenn die Mama was sagt) vielleicht dazu geführt hätte, dass etwas, das jetzt nur noch mit Medikamenten in den Griff zu kriegen ist, auftritt.
Bis dann
Hofi
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Pokonder
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Re: ADHS bei Kindern welche Judo machen

Beitrag von Pokonder »

Hallo,
grundsätzlich sei mal gesagt, dass es hier zwei verschiedene Arten von auffälligen Kindern gibt. Die mit ADS (Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom): Diese Kinder können sich wie oben Beschrieben auf viele Situationen nicht einlassen oder brechen draus aus, da sie ihrem Impuls nachgehen müssen. Viele dieser Kinder sind oft die sogenannten "Träumer" und alle die Kinder, die laut den Eltern auffällig sind, aber dann im Training oft nicht auffallen, da sie eben eher träumen und in ihrer "eigenen Welt" zurückgezogen sind.

Die zweite Gruppe sind die ADHS-Kinder (Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom): Diese Kinder zeigen wie beim ADS die gleichen Symptome. Hier kommt allerdings noch eine Hyperaktivität hinzu. Sprich das ist das, was landläufig als Zappelphillipp bezeichnet wird. Sie haben oft einen sehr großen Bewegungsdrang --> "stillsitzen ist unheimlich schwer, weil ich will mich doch bewegen". Kinder mit Hyperaktivität sind oft das genaue Gegenteil von den "Träumern", da sie ihrem Gegenüber deutlich zeigen, dass sie etwas anderes interessanter finden und diesem nicht widerstehen können (z. B. Trainer erklärt Technik, Kind sieht jemanden die Halle betreten; Kind sagt dies sofort und achtet auf die Anweisung/Antwort des Trainers gar nicht mehr, da es genau beobachtet, was der Mensch macht, der gerade gekommen ist)

Prinzipiell kann man sagen, dass eine rein medikamentöse Behandlung oft nur Erfolg bringt bis die medikamentöse Behandlung abgesetzt wird. Eine rein erzieherische/therapeutische Maßnahme ist oft sehr mühsam und von geringem Erfolg gekrönt. Wir (ich arbeite in einem Hort zur individuelle Förderung/Heilpädagogische Tagesstätte --> Förderung/Unterstützung verhaltensauffälliger Kinder und Jugendlicher) haben auf der Arbeit die Erfahrung gemacht, dass ein Drei-Säulen-Modell die beste Hilfe darstellt. So wird das Kind oft medikamentös (1. Säule) sowie therapeutsich (2. Säule) behandelt. Die 3. Säule stellt die Elternarbeit dar, die als Ziel hat, die Eltern im Alltag mit dem Kind zu unterstützen und zu fördern. Oft mangelt es dann an der dritten Säule, da die Eltern nicht oder nur sehr gering bereit sind mitzuarbeiten. Die anderen beiden Säulen können aber dem Kind allein nicht helfen. Nur das zusammenspiel aller drei Säulen bringt den Erfolg, damit das Kind lernt mit seinen Problemen umzugehen. Dann kann auch die medikamentöse Behandlung wieder ausgeschlichen werden und das Kind kann ohne Medikamente zurecht kommen.

Für das Training mit diesen Kindern vielleicht als Hinweis: Sehr hiflreich sind Rituale (z. B. An- und Abgrüßen, bestimmte Spiele); Klare Strukturen und Regeln (es gibt kein vielleicht sondern nur ja oder nein) sowie das immer wieder Ansprechen, wie es bereits genannt wurde, um die Aufmerksamkeit auf den Trainer zu lenken. So lässt sich ein ADS oder ADHS-Kind gut führen, trotzdem sind Störungen aller Art deswegen nicht ausgeschlossen. Daher ist ein wachsamer Trainer sehr wichtig, um das Kind wieder in "reguläre" Bahnen zu lenken.
Gruß
Pokonder
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Christian
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Re: ADHS bei Kindern welche Judo machen

Beitrag von Christian »

So, dann will ich auch noch etwas zu diesem Thema schreiben. Schön, dass sich so viele an der Diskussion beteiligen.

Ich habe meine ersten Erfahrungen auf diesem Gebiet 2003 als Zivi in einem Integrations-Kindergarten gesammelt.
Seitdem hab ich entweder im Training oder auf diversen Kinderfreizeiten mit ADS / ADHS Kindern gearbeitet.

Zum Thema "Medikamentöse Behandlung" hab ich eine geteilte Meinung. Ich kenne Kinder, welche medikamentiert werden, wo es sicherlich sinnvoll ist, auf der anderen Seite ist es oft schon hilfreich, wenn die Eltern sich etwas mehr mit dem Thema befassen würden, um zu wissen, was in ihrem Kind vor sich geht (und nein, das Kind will nicht uns Erwachsene mit seinem Verhalten ärgern).

Wie Pokonder schon sagte, ein sehr wichtiger Punkt für diese Kinder ist eine klare Struktur. Jedes Kind braucht seine Grenzen, doch diese Kinder brauchen sie mehr als ein "normales" (was auch immer normal ist) Kind.
Durch klare Regeln fühlen sich die Kinder sicher und wissen woran und an wem sie sind.
Natürlich muss man diesen Kindern auch erklären, warum es jetzt "Nein" heißt.
Kanou65m hat geschrieben:Das Thema ist noch relativ neu und unbekannt. Die Frage ist, ob wir uns als Judolehrer dieser neuen Herausforderung stellen wollen...und können.
Ich bleibe erstmal beim Judotrainer. Ich behaupte wir Trainer haben keine große Wahl. Entweder man trainiert keine Kindergruppen und gibt nur Einheiten in Erwachsenengruppen oder man beschäftigt sich mit diesem Thema und versucht (nach seinem besten Können) mit diesen Kindern zu arbeiten.
Natürlich könnte man es sich einfach machen und nur die Kinder in seinem Verein aufnehmen, welche einen gut in den Kram passen. Aber mit welchem Recht?
Ich habe ein paar "auffällige" Kinder in meiner Gruppe. Bei einigen haben mir die Eltern gesagt, dass der Arzt AD(H)S diagnostiziert hat und sie mediakamentiert werden.
Trotzdem macht mir die Arbeit mit diesen Kindern Spass.
Wie Prokonda schon sagte, der sichtbare Erfolg tritt langsam ein, aber wenn sich etwas ändert ist die Freude beim Kind und beim Trainer um so größer :-D
schöne Grüße
Christian
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Wie geht ihr mit verhaltensgestörten Kindern um?

Beitrag von Shinbashi »

Wir haben in unserer Gruppe (U11) ein Mädchen mit ADHS. Mit der ist es zum Verzweifeln.
Sie hat Talent und kann sich durchsetzen. Allerdings tickt sie regelmäßig aus und stört erheblich den Trainingsbetrieb.
Wir sind uns der Verantwortung schon bewusst, daß Judo gerade für solche Kinder von Kinder- und Jugendpsychologen empfohlen wird. Aber wenn den anderen Kindern vorsätzlich weh getan wird oder sie permanent beim Training gestört werden, ist Schluss. Wir setzen sie dann auf die Bank. Das hilft aber nichts, da sie dort nicht sitzen bleibt, sondern rumrennt oder sogar die Halle verlässt. Habt ihr solche Fälle und wenn ja, wie geht ihr damit um?

shinbashi
Gruß
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Re: Wie geht ihr mit verhaltensgestörten Kindern um?

Beitrag von Fritz »

@shinbashi: Da ist die ganze Bandbreite drin: Von Geduld haben bis hin zum Entfernen aus der Trainingsgruppe.
Die Frage ist, was sich wirklich unter dem Deckmantel ADHS bei ihr verbirgt...
Wenn Du das rausbekommst, hast Du vielleicht einen Ansatzpunkt.

Ansonstens: Viel Bewegung, klare Regeln, klare Ansagen/Konsequenzen bei Regelverstößen...
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Re: Wie geht ihr mit verhaltensgestörten Kindern um?

Beitrag von Patrick »

Das Thema ADS/ ADHS wurde hier schon einmal andiskutiert. Vielleicht kann Christian oder Fritz die Themen verbinden.
Judo - just for fun!
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Re: Wie geht ihr mit verhaltensgestörten Kindern um?

Beitrag von Christian »

Hallo Shinbashi,

ich habe bei einem von meinen kleinen Schülern ein Stickerheft eingeführt. Wenn er sich gut "benimmt" (in seinen Möglichkeiten), dann bekommt er einen Sticker ins Heft eingeklebt. Lief die Einheit nicht so gut, malt er sich eine Wolke an die Stelle. Bei "sehr positivem" Verhalten kann er dann diese Wolke (neben dem regulären Sticker) füllen.
Zusätzlich gibt es noch einen kleinen (positiven) Satz oder einen kleinen Hinweis, was beim nächsten Mal besser laufen könnte.
Ein Fall war da z.B., dass dieser Junge gehäuft in einer Stunde verschiedene Tiergeräusche nachgemacht hat. Anschließend stand im Heftchen, dass der Zoo beim nächsten Mal zu Hause bleiben darf.
In der nächsten Woche kam er dann auch promt an und erzählte mir, dass dieses Mal der Zoo zu Hause geblieben ist ;-)

Diesem Jungen reicht die Motivation, den Stickern zu bekommen, vollkommen aus. Er bekommt weder von mir (und soweit ich weiß auch von der Mutter) keine materielle Gegenleistung für die gesammelten Sticker.
Seitdem wir dieses Verfahren mit ihm eingeführt haben, ist er um einiges ruhiger geworden.
Einen Versuch ist es auf jeden Fall wert.
schöne Grüße
Christian
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Shinbashi
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Re: ADHS bei Kindern welche Judo machen

Beitrag von Shinbashi »

Wir haben scheinbar einen "extremen" Fall. Das Mädchen geht manchmal einfach rum und schlägt und tritt grundlos andere.
(Auch beißen und kratzen wurde schon berichtet)
Daraufhin habe ich sie mir mal zur Seite genommen und sie leicht fixiert, damit ich mit ihr überhaupt reden konnte.
Ich habe ihr erklärt, daß wir einen Sport betreiben, der ohne Schläge und Tritte auskommt (kommen muß ;-) )
Wenn sie raufen will, kann sie das nach Regeln im Wettkampf und Randori ausgiebigst tun.
Daraufhin kam dann die Mutter und machte Theater. Bevor die Sache eskalierte, bin ich gegangen und habe beim nächsten Training ihr dargelegt, daß wir für alle Kinder verantwortlich sind und sie _auch_ Spaß am Training haben wollen.
Wenn da keine Lösung gefunden werden kann, müssen wir uns eben trennen. Daraufhin hat sie ihr Kind abgemeldet. :(
Das ist schade, da ich denke, dass dieses Kind eben Grenzen erfahren muß und man das im Training vielleicht doch hinbekommen hätte. Vielleicht bevor sie in "Gewaltstimmung" kommt, ein paar Bodenrandori ansetzen und sie auspowern.
"Japanisches Turnier" ist da gut geeignet.

shinbashi
Gruß
Shinbashi

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BadenIkkyu

Re: ADHS bei Kindern welche Judo machen

Beitrag von BadenIkkyu »

Hier mal was positives aus eigener Erfahrung: (nicht nur ) Kinder mit ADS sind sehr aufmerksam. Wenn sie dem/r Trainer(in) zuhören, bekommen sie viel mehr mit als andere.
Weil die Aufmerksamkeit dann eben nur dem Trainer gilt. Alles andere ist ausgeblendet.
Trini
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Re: ADHS bei Kindern welche Judo machen

Beitrag von Trini »

Hallo Ihr Lieben,

da ich im meinem Faden http://www.dasjudoforum.de/forum/viewto ... =31&t=4407 leider keine Antworten mehr bekommen habe, habe ich mal weitergesucht und hier festgestellt, dass viele von Euch Trainern große Erfahrungen mir AD(H)S-Kindern haben.

Und nur kommt meine Frage.
Was macht Ihr mit Kindern, die Methylphenidat nehmen (wenn Ihr das überhaupt wisst)?? Lasst Ihr sie gedopt kämpfen???? Oder gehen sie dann nicht zu Turnieren, denn vier Tage ohne Pille, geht ja in der Schulzeit nicht?

Trini
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