Das war die verbreitete Lehre in Westdeutschland bis in die 80er Jahre.
Als mein Interesse für Kata weiter wuchs, kaufte ich mir Mitte der 80er Jahre - kurz nach Verfügbarkeit in Deutschland - das Buch von Otaki/Draeger. Ich suchte natürlich das Schwert in der Nage-no-Kata - und fand es nicht. Wie mir ging es vielen anderen auch und so langsam setzte sich die Erkenntnis durch, dass ein Schlag ein Schlag ist, was Otaki/Draeger ja auch eindeutig beschreiben. Als dann noch zunehmend Kodokan-Lehrer in Deutschland Nage-no-Kata unterrichteten und es auch in den 90er Jahren erste Angebote gab, direkt im Kodokan Kata zu trainieren, verschwand die Lehre von Schwertschlag aus dem DJB - nicht aber aus dem deutschen Judo.
Auch hier im Forum wurde darüber debattiert und alte Fäden zeugen davon, dass es die Überzeugung gab (und vermutlich noch gibt), dass historisch gesehen der Angriff bei Seoi-nage ein Angriff mit einer Waffe darstellen würde. Einen Beleg gab es nie - alle schriftlichen Quellen sagten ohnehin immer das Gegenteil - dennoch hielt sich diese Auffassung wohl noch bis heute.
Katana hat beim Lesen des englischen Forums eine Übersetzung eines Artikels von 1906 (dem Jahr der Kata-Festlegung durch die Butokukai) gefunden, in dem durch Kano autorisiert die Hintergründe für den Angriff bei Seoi-nage erläutert werden.
Ich zitiere aus dem englischen Forum (http://JudoForum.com/index.php?s=&showt ... t&p=486238):
Nun, die Quelle ist benannt, Yamashita und Nagaoka waren sogar bei der Kata-Standardiseirung der Butokukai dabei, J. Kano hatte alles abgesegnet. Die zentrale Aussage ist: der Angriff wurde danach ausgewählt, dass sich für den Seoi-nage eine günstige (Lern-)Gelegenheit ergibt. Die Frage der Selbstverteigung und des effektiven Angriffs war zurückgestellt ("So which way of striking is more efficient is irrelevant now")sam hat geschrieben:Now this seems to be more important ... In 1906 for about one year Great Masters like Murakami, Nagaoka, Yamashita contributed their article in the magazine JUDO on the NNK, fully delegated by Jigoro Kano. And in the first page on Seoinage, I find the following sentence.What it says is, then, we are learning how to throw and not how to strike."There can be many ways to strike, diagonally, sideways or vertically. In this case I chose one to strike vertically. The reason for it is, different ways to strike mean a shift in the weight distribution, and in this case I decided to apply a vertical strike which fits best to explain the principle of Seoi Nage. So which way of striking is more efficient is irrelevant now. The best opportunity to execute Seoi Nage is when Uke attacks with a vertical strike, so I chose this case."
Ich bin in einem früheren Faden aufgefordert worden, eine Quelle von Kano zu liefern. Ich bitte diese als solche zu akzeptieren.
Dennoch möchte ich auf einen Beitrag von gestern verweisen, denn an dessen Sinnhaftgkeit habe ich keinen Zweifel:
tutor! hat geschrieben:Ich lasse z.B. ab einem bestimmten Stadium die Schlagabwehr bei Seoi-nage mit einem Stock üben. Damit gebe ich Uke ein Gewicht in die Hand, wodurch die Schlaghand mehr Schwungmasse bekommt, die Tori ausnutzen kann. Uke kann zusätzlich den Schlag nicht mehr so einfach abbrechen und seine Hand "stehen" lassen. Der Seoi-nage funktioniert so in vielen Fällen subjektiv und objektiv "besser"- was auch denke ich einleuchtend ist. Der Stock ist in diesem Fall also von mir als methodisches Hilfsmittel gedacht.
Zweifellos handelt es sich bei einer Stockabwehr auch um eine mögliche Anwendung dieser Technik der Nage-no-Kata, wobei sicherlich noch zusätzlich andere Details berücksichtigt werden müssten, wie z.B. veränderte Abstände usw.
Wir haben also eine ausgesprochen nützliche methodische Hilfe, die gleichzeitig auch noch eine sinnvolle Anwendung darstellt. Das ist doch prima und das mache ich mir auch gerne zu Nutze.
Aber deshalb ist der Ursprungsgedanke nach wie vor ein Schlag mit der Faust von oben auf den Kopf, was sehr gründlich belegt ist.