Gonosen-no-kata

Nage-no-Kata, Katame-no-Kata, Gonosen-no-Kata und verwandte Kata
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caesar
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Gonosen-no-kata

Beitrag von caesar »

Sucht man nach Videos zur Gonosen-no-kata, so findet man viele unterschiedliche Ausführungen.
http://www.dailymotion.com/video/x8dqfj ... -31j_sport
http://www.dailymotion.com/video/x31mo4 ... kata_sport
https://www.youtube.com/watch?v=9nIbfoZosP4
https://www.youtube.com/watch?v=7XPcIVRh2So
https://www.youtube.com/watch?v=N-NoS3VYxUE

Schaut man sich das letzte Video an, so fällt ein deutlicher Unterschied zu den anderen Varianten auf, es wird vor den Techniken gelaufen.
Die letzte Variante stellt die in Deutschland übliche Form für Gonosen-no-kata dar. Wie kommt es, dass sich die deutsche Version so von den anderen unterscheidet?

Im alten englischen Judoforum schrieb Wolfgang Dax-Romswinkel, dass sich nach der Wende (1995 oder 96) die Experten der einzelnen Landesverbände trafen, um eine einheitliche Version zu finden. Dies stellte sich als Problem heraus, da die Experten nicht wussten was richtig und was falsch ist, die Originalkata nicht wiederherstellen konnten, da es zu viele unterschiedliche Meinungen gab. So erstellte die Gruppe ihre eigene Version, die von da an als Standard für Deutschland galt.
Zur Expertengruppe gehörten: S. Happ, K. Hanelt, R. Pöhler, J. Schulte, D. Steen, G. Steidele, W. Vollberg und W. Dax-Romswinkel selbst.

Ich bezweifle, dass einer der damals Beteiligten hier mitliest, aber eventuell kennt jemand die Entstehungsgeschichte genauer.

Bei mir kommen da ein paar Fragen auf, als erstes warum man sich keinen Experten aus dem Ausland, vornehmlich Frankreich, wo Kawaishi selbst am meisten gewirkt hat, geholt hat, um sich die Originalkata erklären zu lassen. Auch wenn Kawaishi nicht der Erfinder dieser Kata ist, so hat er sie in Europa doch am meisten geprägt.
Wenn man sich vorher dachte, man kriegt das allein hin, warum wurde dann, nachdem man die Diskrepanzen festgestellt hatte, kein Experte angefragt?
Wie wurde, bei Uneinigkeit über die Originalkata, eine Einigkeit zu der eigenen Version gefunden?
Wer war in der Entstehung federführend und wie waren diese Person qualifiziert, diese Kata zu entwickeln? Ich bin mir bewusst, dass diese Leute viel mehr über Judo wissen als ich, ich meine hier Gonosen-no-kata im Speziellen.
Wer aus der Kommission, außer G. Steidele und W. Dax-Romswinkel, waren an der Erstellung der offiziellen DJB-Materialien beteiligt?
tutor!
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Re: Gonosen-no-kata

Beitrag von tutor! »

Die meisten Fragen kann ich auf die Schnelle beantworten.

Irgendwann in den 1980ern begann es in einigen LV, dass Gonosen-no-kata "aus der Bewegung" geworfen wurde. Da es sich nicht um eine wie die anderen Kata der PO standardisierte Kata handelt, war es eine bewusste Entscheidung, einen individuellen Rahmen zuzulassen. Dazu kamen noch weitere Varianten, z.B, dass Uke die Angriffstechnik vor dem Konter einmal geworfen hat. Mit der Zeit führte die jedoch zu Konfusion, sodass die Forderung an den DJB herangetragen wurde, einen einheitlichen Lehrstandard vorzugeben.

Ein wichtiger Punkt war dabei, dass die PO vorsah, dass auch einer eigene Kata mit mind. 12 Kontertechniken oder jede beliebige Version der Gonosen-no-kata gemacht werden durfte.

Man entschloss sich einstimmig nach kurzer Debatte, dass Uke alle Angriffstechniken aus sinnvollen Situationen heraus und nicht aus dem eigentlich bedeutungslosen Stand machen sollte.

Der Rest war Adaption der sehr wohl bekannten Techniken an die Ausgangssituationen. In jeder Gruppe greift Uke 2x aus der Rückwärts-, 2x aus der Vorwärts- und je einmal aus der Kreisbewegung im bzw. gegen den Uhrzeigersinn an. Die Demonstration auf dem Video ist insofern nicht ganz gelungen, weil hierbei nicht erkennbar ist, dass Uke seine Angriffsituation herstellt.

Alain Cartigny, der die Kata noch mit Kawaishi gemacht hatte, war übrigens mit eingeladen, letztlich aber verhindert. Im Nachgang gab es auch Gespräche mit ihm, da aber aufgrund der genannten Rahmenbedingungen bewusst auf einen Rückgriff auf historische Vorlagen verzichtet wurde, hatte dies keine Wirkung mehr.
I founded a new system for physical culture and mental training as well as for winning contests. I called this "Kodokan Judo",(J. Kano 1898)
Techniques are only the words of the language judo (Cichorei Kano, 24.12.2008)
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Re: Gonosen-no-kata

Beitrag von Fritz »

tutor! hat geschrieben: und nicht aus dem eigentlich bedeutungslosen Stand machen sollte.
Naja, in Bezug auf diese Kata halte ich diese - so auch im Kawaishi-Buch beschriebene - Ausführungsart für gar nicht so bedeutungslos ... Im Vergleich zur DJB-Version mit den vielen Schritten ist das Zeitfenster für die Konteraktionen deutlich kleiner, man muß mehr auf sehr diffizile Sachen achten, in der Art, wie man mit seinem eigenen Schwerpunkt umgeht, man die Belastung vom angegriffenen Bein nimmt usw. schwer zu beschreiben, muß man spüren.
Die DJB-Version schult dagegen eher mehr so Sachen wie Antizipation von vergleichsweise großen Bewegungen
aus den jeweiligen Schrittmustern heraus und das von tutor! angesprochene Herstellen einer Angriff-Situation. Das war jedenfalls so meine Eindruck, als ich mich mit dem Zeugs mal etwas intensiver beschäftigt hatte...
Mit freundlichem Gruß

Fritz
HBt.
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Kawaishi

Beitrag von HBt. »

Fritz hat geschrieben: Naja, in Bezug auf diese Kata halte ich diese - so auch im Kawaishi-Buch beschriebene - Ausführungsart für gar nicht so bedeutungslos ... Im Vergleich zur DJB-Version mit den vielen Schritten ist das Zeitfenster für die Konteraktionen deutlich kleiner, man muß mehr auf sehr diffizile Sachen achten, in der Art, wie man mit seinem eigenen Schwerpunkt umgeht, man die Belastung vom angegriffenen Bein nimmt usw. schwer zu beschreiben, muß man spüren.
Die DJB-Version schult dagegen eher mehr so Sachen wie Antizipation von vergleichsweise großen Bewegungen
aus den jeweiligen Schrittmustern heraus und das von tutor! angesprochene Herstellen einer Angriff-Situation. Das war jedenfalls so meine Eindruck, als ich mich mit dem Zeugs mal etwas intensiver beschäftigt hatte...
@Fritz,
ich hätte nie gedacht das wir jemals einer Meinung sein könnten - doch auch ich halte die Kawaishi-Form ebenfalls nicht für bedeutungslos. Sie ist gut, so wie sie ist - und spannend wenn man sich etwas von der technischen Seite befreit und über "Zentrumsarbeit" nachdenkt. Eben das Spiel mit dem Schwerpunkt (KSP), dem Raum und dem System (zwei Körper, zwei Massen ...)
allerdings ist Kawaishi schon lange tot und niemand kann diese Form rekonstruieren, erklären ... dem Übling auf seinem Weg unterstützen.

Persönlich würde ich Kawaishi gerne dazu befragen, ihn anfassen, mich korrigieren lassen, werfen (fühlen) lassen.


Es bleibt nur eine Rekonstruktion und eine entsprechende Interpretation übrig. Üben kann man beide Formen, die DJB-Variante (Dax & Steidele) finde ich auch nicht schlecht, warum sollte man sich selbst limitieren(?).

Man studiert Konzepte, dabei ist "die Technik" innerhalb der Choreografie (eigentlich) uninteressant.

Gruß,
HBt.
HBt.
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Kaeshi-waza

Beitrag von HBt. »

https://www.youtube.com/watch?v=rBxD5U9NjH0
Jacques Seguin
in den frühen 1980er-Jahren.

Vielleicht inspiriert es den einen oder anderen Judoka zum Experimentieren, Üben.

An diesem Videobeispiel gefällt mir besonders:
- die späte Initiative
- Uke muss nicht springen
- Tori muss sich beim Kontern nicht besonders anstrengen
- der Soundtrack
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