Kata und ihr Sinn

Katameisterschaften, Katatraining, Lehrgänge, allgemeine Fragen
tutor!
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Re: Kata und ihr Sinn

Beitrag von tutor! »

Fritz hat geschrieben:
Judo_HoHan hat geschrieben:Kata ist eine vorgegebene Reihenfolge von Bewegungen.
Nicht jede Bewegungs-Reihenfolge kann als Kata bezeichnet werden, m.M.nach...
Nicht umsonst unterscheiden sie im Kodokan zwischen Kata und Ho (Methode) letzteres bezeichnet
wohl eher Stoffsammlungen, die halt den Ansprüchen an eine Kata nicht genügen (welchen auch
immer), aber doch recht nützlich sein können...
Das zeigt die Problematik mit dem Begriff - und fast eine Art "Lieblingsthema" von mir: Die teilweise mehrfache Bedeutung eines Begriffes je nach Kontext.

Es kann gemeint sein "Kata als Methode des Übens", also Kata als Übungsform, oder noch deutlicher: das Üben vorgegebener Bewegungsformen.

Und dann eben die andere Bedeutung: "Kata als Zusammenstellung". Und da hast Du vollkommen recht, denn wir können mindestens drei qualitative Ebenen unterscheiden:
- eine individuelle Zusammenstellung eines Trainers oder eines kleinen Kollegiums
- eine "institutionalisierte" Vorgabe im Sinne eines Curriculums
- eine detailliert ausgearbeite Zusammenfassung des "Wesenskerns" (Essenz) eines bestimmten Bereichs.

Alles sind Kata - jedoch erhalten nur die Letztgenannten in der Namensbezeichnung den Suffix "xxx-no-kata". Sie bilden den unveränderlichen Wesenskern des Kodokan-Judo. Alles andere sind - wie Fritz sagt - Übungszusammenstellungen mit mal mehr, mal weniger Übungswert.

So ist die "Joshi-Goshinho" z.B. eine Kata des Kodokan-Judo. Jedoch eindeutig ohne den "Anspruch" die "Essenz" der Frauen-SV zu sein, sondern eben "nur" eine Zusammenstellung von Übungen und Techniken, die als Lehrplan dienen. (BTW: der Begriff "Methode" ist hier schwierig. Er kann stehen für "Methode des sukzessiven Aufbaus von Lernschritten", oder aber auch für "Methode des Übens einer Sache, also des einzelnen Lernschrittes").
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katana
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Re: Kata und ihr Sinn

Beitrag von katana »

Er kann stehen für "Methode des sukzessiven Aufbaus von Lernschritten", oder aber auch für "Methode des Übens einer Sache, also des einzelnen Lernschrittes"
Könnte man auch sagen,...

Grund-Form/Anwendung
und Anwendungsaufgabe ? :dontknow
tutor!
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Re: Kata und ihr Sinn

Beitrag von tutor! »

Wenn man so will, könnte man durchaus sagen:
  • Erst lernen die Kinder eine (vom Trainer vorgegebene) Grundform und Üben damit nach der "Methode Kata"
  • Dann lernen Sie Anwendungssituationen nach Vorgaben durch den Trainer (immer noch "Methode Kata")
  • Schließlich lernen die Schüler auch eine von Kano und dem Kodokan vorgebene "Anwendung" (dann ist es nicht mehr nur die "Methode Kata", sondern wir nennen es sogar als Lerninhalt und als Prüfungsfach Kata)
Die Struktur ist also durchaus angelegt und sie führt zu den traditionellen Kata hin. Die gelebte Umsetzung ist dann aber wieder eine ganz andere Frage...
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Re: Kata und ihr Sinn

Beitrag von Lin Chung »

Die Kata ist eine Bewegungs- und Gesundheitslehre.

Durch die Kata werden Koordination, Balance, Geschwindigkeit, Reflexe, Atmung und Timing trainiert. Katatraining soll auch die geistige Einstellung des Übenden entwickeln. In jeder Trainingseinheit soll versucht werden, die Kata immer besser auszuführen und eventuelle Schwachstellen so lange trainieren, bis man mit diesen zufrieden ist.
Zuletzt geändert von Lin Chung am 27.12.2009, 18:48, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Kata und ihr Sinn

Beitrag von Lin Chung »

Wenn auch Bruce Lee die Kata abgelehnt hat mangels der Kenntnis ihres tieferen Sinns, so deute ich seinen Satz „Wer keine Form kennt, ist unwissend. Wer aber die Nicht-Form kennt, transzendiert“ ( Almeria, 2002, S.8 ) so: Wer nur an der Form selbst klebt um ihrer selbst willen, ihren tieferen Sinn aber nicht kennt, geht am eigentlichen Sinn und Zweck der Kata vorbei, betritt nicht den Bereich der okuden.
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Re: Kata und ihr Sinn

Beitrag von Lin Chung »

Kano identified two types of training for judo – kata and randori and held the firm belief that the two training system had to co-exist in parallel. Kano envisaged kata being the laboratory for judo development and randori as the testing ground
The point is reinforced by Kawaishi who wrote:
The Kata will temper the combative ardour of the young performer and will undoubtedly also enable him to discover the reason for certain errors he commits in competition…Thus the Kata is a valuable source of technical progress.

http://www.maintlfed.org/articles/Redis ... 20Judo.pdf
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Re: Kata und ihr Sinn

Beitrag von Linowitsch »

Ich muss schon sagen, dies ist ein sehr gelungener Thread. :eusa_clap :danke

Ich habe hier über das Forum schon sehr viel gelernt, aber dieser Faden ist bis her der Beste, finde ich.

:danke
Gruß Lino
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Re: Kata und ihr Sinn

Beitrag von caesar »

Ich grabe diesen alten Thread mal aus, da dies ganz gut reinpasst und ich kein neues Thema eröffnen wollte.

Hier ist folgendes zu lesen:
Norbert Fahrig hat geschrieben:Die Prüfungskommission erläutert noch einmal kurz zum Grundverständnis für den Prüfungspunkt Kata: „Kata“ ist keine gymnastische Übung oder das emotionslose Aneinanderreihen von Judotechniken! Die Ausstrahlung und der Gesamteindruck prägen in entscheidender Weise den Wert der Kata. Es beschränken sich alle Bewegungen von Tori und Uke unter Beachtung der technischen und geistigen Prinzipien auf das Wesentliche, sie müssen einen Rhythmus finden, der die Angriffe und die Verteidigung harmonisch verbindet. Auch das Grüßen und die Eröffnung der Kata stellen keine lästige Formalie dar, sondern zeigen die gegenseitige Höflichkeit, Ausgeglichenheit und Wachsamkeit sowie die eigene innere Ruhe. Davon war an diesem Tag wenig zu sehen. Und dies betraf nicht nur die „Nage-no-Kata“.
Irgendwie trifft dies nicht ganz mein Verständnis von Kata und ich mache mir da Gedanken, wenn so etwas in einem Prüfungsbericht auftaucht. Gedanken darüber, wie das wohl ausgesehen hat, damit es angemerkt wird und Gedanken darüber, was der Verfasser für ein Verständnis von Kata hat, um so etwas zu schreiben.
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Re: Kata und ihr Sinn

Beitrag von Joerch »

Nun, ich kann meine Kata sehr wohl emotionslos zeigen, ich bin ja nicht in Städtischen Theater auf der Bühne.
Für mich stellt sich da die Frage, wie der Herr Fahrig denn das sehen möchte. Mir würde eine technisch einwandfreie Demonstration der geforderten Techniken und Prinzipien reichen. Diese sollten in Wirkung und Ausführung korrekt sein. Wenn die Leute dann noch gemeinsam aufstehen, angrüßen, sich umdrehen, etc. ist das schön anzuschauen, hat aber, wenn wir ehrlich sind, mit dem reinen Vermitteln und Zeigen von Prinzipien nicht viel zu tun. Oder um was ging es ursprünglich in der Kata, war das nicht ein "Prinzipiencontainer"?
Anders ausgedrückt, mir wäre eine korrekte Demonstration ohne Zeremoniell lieber, als mäßige Techniken mit viel Chichi, Tamtam und Hände an der Hosennaht.
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Re: Kata und ihr Sinn

Beitrag von tutor! »

Joerch hat geschrieben:(...)Oder um was ging es ursprünglich in der Kata, war das nicht ein "Prinzipiencontainer"?
Im Wesentlichen ja, aber man darf die Prinzipien nicht auf Technik/Biomechanik reduzieren. Auch die Etikette und scheinbar Belangloses folgt teilweise sehr durchdachten Prinzipien.
Joerch hat geschrieben:Anders ausgedrückt, mir wäre eine korrekte Demonstration ohne Zeremoniell lieber, als mäßige Techniken mit viel Chichi, Tamtam und Hände an der Hosennaht.
Die technische Ebene sollte sicherlich als erstes durchdrungen werden, alles andere kommt danach und übrigens auch recht selbstverständlich ohne großartiges Üben. In diesem Sinne stimme ich Dir schon zu, aber - s.o. - Judo, und damit auch Kata, hat doch etwas mehr Tiefgang als bloße Technik.

Ich glaube nicht, dass man allein aus dem veröffentlichten Text irgendwie schließen kann, welches Kata-Verständnis der Autor insgesamt hat. Wer weiß, was da zu sehen war....
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Re: Kata und ihr Sinn

Beitrag von caesar »

tutor! hat geschrieben:Auch die Etikette und scheinbar Belangloses folgt teilweise sehr durchdachten Prinzipien.
Könntest du dafür ein paar Beispiele aufzeigen?
tutor! hat geschrieben:Judo, und damit auch Kata, hat doch etwas mehr Tiefgang als bloße Technik.
Da stimme ich dir sofort zu, allerdings kann man von außen nur die Technik beurteilen/bewerten und auch das an manchen Stellen nicht sonderlich gut.
Zu einer Danprüfung kann nur die Anwendung der Mechanik überprüft werden, den Tiefgang aus ~6 Metern Entfernung zu beurteilen, halte ich für schwer.
tutor! hat geschrieben:Ich glaube nicht, dass man allein aus dem veröffentlichten Text irgendwie schließen kann, welches Kata-Verständnis der Autor insgesamt hat. Wer weiß, was da zu sehen war....
Genau das sind die Gedanken, die ich ja auch formulierte hatte. Allerdings habe ich so etwas noch in keinem anderem Bundesland in einem Bericht zur Danprüfung gelesen. Du hattest ja auch einmal angemerkt, dass das Kata-Wissen in Sachsen eher gering ist, daher wundert mich, dass es gerade in diesem Bundesland dann so etwas vorkommt.
Brandenburg schreibt z.B. immer relative ausführliche Berichte zu ihren vielen Danprüfungen, allerdings in anderem Ton. Schaut man sich einmal die unterschiedlichen Berichte an, dann kann man zwar zwischen den Zeilen lesen, ob eine Prüfung richtig gut war oder eher nicht, aber so deutlich wird das nicht formuliert. Z.B. hier wird mehr über die Schwierigkeit der Vorbereitung berichtet und zum Schluss kurz erwähnt, dass es gute Noten gab, während hier die einzelnen Leistungen doch deutlicher gelobt werden. Das kann natürlich auch andere Gründe haben.
Auch dieser Bericht ist ein positives Beipiel.

Der aktuellste Bericht aus Sachsen sieht auch schon wieder anders aus.

Das Thema ist sicherlich nicht ganz einfach, viele Landesverbände schreiben gar nichts oder eine reine Informationsmeldung.

So genug off Topic
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Re: Kata und ihr Sinn

Beitrag von tutor! »

caesar hat geschrieben:
tutor! hat geschrieben:Auch die Etikette und scheinbar Belangloses folgt teilweise sehr durchdachten Prinzipien.
Könntest du dafür ein paar Beispiele aufzeigen?
Große Teile der Etikette in den japanischen Kampfkünsten geht zurück auf die Etikette am Hof der Shogune. Diese wiederum war bestimmt durch die Etikette der Ogasawara-ryu (https://en.wikipedia.org/wiki/Ogasawara-ryū). Für alle Daimyo und Samurai war also das Erlernen der Etikette der Ogasawara-ryu verpflichtend, da sie sich bei offiziellen Anlässen - z.B. Audienz beim Shogun - entsprechend zu verhalten hatten. (BTW: die Geschichte der 47 Ronin nimmt ihren Ausgangspunkt beim Erlernen/Nicht-Erlernen höfischer Etikette...). Ogasawara-ryu ist damit so etwas wie der japanische Knigge.

Viele Koryu haben von daher die Etikette der Ogasawara-ryu mehr oder weniger übernommen. Ein wesentlicher Teil dieser Etikette besteht darin, dass ein überraschender Angriff auf den Gegenüber so erschwert wir möglich sein sollte (unmöglich machen geht ja nicht, aber man kann es erschweren), man aber gleichzeitig auf einen Angriff anderer vorbereitet ist.

Die Etikette des Kodokan-Judo unterscheidet sich von derjenigen der Koryu vor allem in der inneren Haltung zum Üben (http://judoinfo.com/pdf/judo_etiquette.pdf). Diese innere Haltung findet Ausdruck in allen Teilen der Bewegung(en) in den Judo-Kata, wobei zu sagen ist, dass es keinen Unterschied in der Etikette bei Kata, Randori oder dem Wettkampf gibt. Allerdings wird diese Etikette (im Westen) nahezu ausschließlich in Kombination mit Kata vermittelt, weshalb Kata hier einen künstlichen Exotenstatus hat. Ich habe es aber mit eigenen Augen gesehen, wie im Kodokan Kinder in ihren ersten Judostunden korrekte Haltung beim Verbeugen vermittelt bekommen - und zwar konsequent!

Körperhaltung und -bewegungen bei der Judo-Etikette sind grundsätzlich defensiv und dienen dazu, Respekt zu bezeugen. Beispiele hierzu sind:
  • Füße sind beim Angrüßen geschlossen - in dieser Situation kann man sich nicht explosiv bewegen.
  • Der Blick beim Angrüßen geht nach unten (knapp einen Meter vor die eigenen Füße auf die Matte) - man beobachtet also nicht den Gesichtsausdruck (genauer: die Augen) des Partners.
  • Die eigenen Hände gleiten beim Verbeugen nach vorne-unten - man zeigt also die Hände (interessant ist in diesem Zusammenhang die Praxis in einigen Kampfkünsten, vor allem im Verbeugen auf den Knien, die rechte Hand so lange wie möglich an der Hüfte zu lassen und auch schnell wieder dorthin zurückzuziehen - ein völlig anderer Sinn!). BTW: auch beim Sumo werden zu Beginn des Kampfes die Hände gezeigt (http://www.japan-guide.com/g8/2080_05.jpg), auch um anzuzeigen, dass man keine Waffen trägt (http://www.de.emb-japan.go.jp/NaJ/NaJ1001/sumo.html).
  • Man verharrt in der gebeugten Position und hat es nicht eilig, den Partner wieder "voll" zu sehen.
  • Man geht bei nicht-technischen Aktionen (z.B. Eröffnungs- und Schlussschritt) stets bei Vorwärtsbewegungen mit dem linken Fuß und bei Rückwärtsbewegungen mit dem rechten Fuß. Durch diese Bewegungen ist der linke Fuß vorne und die rechte Schulter hinten. Diese Haltung gilt als "defensiver" gegenüber rechts-vor oder links-zurück.
  • Waffen werden grundsätzlich in der rechten Hand getragen, sodass sie ausgehend von einem Rechtshänder nicht ohne Handwechsel gezogen werden können.
  • Ein kleines Detail wird hier von N. Murata erklärt: https://www.youtube.com/watch?v=vF_UIN_y_Dw&t=120.
Leider findet man in der Literatur in der Regel zwar die Form(en) beschrieben, jedoch nicht die Begründungen dazu...
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Re: Kata und ihr Sinn

Beitrag von Cichorei Kano »

Joerch hat geschrieben:Nun, ich kann meine Kata sehr wohl emotionslos zeigen, ich bin ja nicht in Städtischen Theater auf der Bühne.
Für mich stellt sich da die Frage, wie der Herr Fahrig denn das sehen möchte. Mir würde eine technisch einwandfreie Demonstration der geforderten Techniken und Prinzipien reichen. Diese sollten in Wirkung und Ausführung korrekt sein. Wenn die Leute dann noch gemeinsam aufstehen, angrüßen, sich umdrehen, etc. ist das schön anzuschauen, hat aber, wenn wir ehrlich sind, mit dem reinen Vermitteln und Zeigen von Prinzipien nicht viel zu tun. Oder um was ging es ursprünglich in der Kata, war das nicht ein "Prinzipiencontainer"?
Anders ausgedrückt, mir wäre eine korrekte Demonstration ohne Zeremoniell lieber, als mäßige Techniken mit viel Chichi, Tamtam und Hände an der Hosennaht.
Dies ist eine interessante und wichtige Diskussion, würde aber eine umfangreiche Lektüre voraussetzen bezüglich der weitverbreiteten Missverständnisse im heutigen Jūdō, insbesondere des Ansatzes einer kata als "Vorführung" (oder Show) ―was nie der Zweck einer kata war. Man kann durchaus ein Randori "vorführen". Als Putin den Kōdōkan besuchte, machte er eine Randori-Vorführung. Eure Studenten betreiben Randori auf diese Weise? Ihr macht Randori auf diese Weise? Also war das eine seltene Gelegenheit zum Zweck der Öffentlichkeitsarbeit oder “Randori-Show”.

So ähnlich ist die "Vorführung" (= “public showing”) der kata etwas, das wirklich nur etwa ein Dutzend Jahre nach der Gründung des Kōdōkan als isoliertes Ereignis auftaucht. Kata existierte schon lange vorher in der Kōdōkan, hatte aber nichts mit einer "Vorführung" zu tun. Erst später, mit der Eröffnung des neuen Shimotomisaka Dōjō (1894) und später mit der Schaffung von Kagami-biraki, wurden Kata einmal im Jahr als eine Demonstration durchgeführt. Seit dieser Zeit wird Jūdō für Zwecke der Öffentlichkeitsarbeit ab und an vor einem Publikum gezeigt, um es mit dieser neuen Disziplin vertraut zu machen. Es wurde dort alles “vorgezeigt”: Ukemi, Randori, Kata. Seltsamerweise hat nur die Kata den peinlichen Übergang erlebt, immer falsch dargestellt und weltweit als "Vorführung" falsch verstanden zu werden, nl. als etwas, das für andere Menschen getan wird und nicht für sich selbst.

Das war NICHT die Intention von Kanō. Es haben sich eine ganze Reihe von peinlichen Konzepten, Ansätzen und Problemen entwickelt, die nie hätten bestehen sollen, weil sie überhaupt nichts damit zu tun haben, warum im Jūdō Kata an erster Stelle kreiert wurden. Ein gutes Beispiel hierfür sind die Begrüßungen des Shōmen. Das gab es nicht. Das gab es nicht und in der Realität gibt es keinen vorher etablierten Weg, Anrede, noch eine Begrüßung des Shōmen. Warum sollte es? Das alles entstand erst, als man begann, Kata oder Randori “vorzuführen”, denn plötzlich war da ein Publikum und damit ein Grund. Die Begrüßungen wurden entsprechend des Anlasses getan, so wie man sich das dachte. So waren es nicht "Unterschiede" oder "Änderungen" oder "Alternativen", sondern nur die Realität – so wie es jedes Mal, wenn man jemanden die Hand schüttelt einige Unterschiede gibt, die von einer ganzen Reihe von Dingen abhängig sind.

In den letzten Jahrzehnten hat sich jedoch eine falsche Vorstellung von einem angeblichen "Kōdōkan-Standard" entwickelt, die darauf hinwirkt, all diese Dinge in einer übertriebenen Weise zu kodifizieren, was einfach nicht korrekt ist, und nichts anderes ist, als ein Werkzeug zum Marketing, um ausländische Besucher dazu zu bringen, sich an eine eventuellen Behörde, ein Kōdōkan, zu binden und sie zu zwingen, diese zu besuchen und zu lernen.

Die "Standardisierung der Kata" hat nichts mit den heutigen Darstellungsweisen zu tun. Was dazu führte, war der Befehl von Mifune vom April 1960, ein Komitee für die Standardisierung von Kata zu bilden. Das, was die Menschen heute glauben, das es sein sollte, war aber nicht sein Ziel.

Was zu dieser Schöpfung führte, war ein Problem im Zusammenhang mit Katame-no-kata. Immer mehr Lehrer in Japan weigerten sich, Ashi-garami, die letzte Technik der Katame-no-kata, zu tun oder zu lehren, und dies aus einem zweifachen Grund. Einerseits war da die hohe Gefahr von Verletzungen mit schwächenden Folgen. Ein Riss des vorderen Kreuzbands führte in jenen Tagen dazu, für den Rest ihres Lebens behindert zu sein und möglicherweise nicht mehr in der Lage zu sein, ihre Aufgaben zu erfüllen. Anderseits wurde die Technik im Wettbewerb nicht mehr zugelassen, weil gefährlich.

Als Konsequenz führten mehrere Sensei nur 14 der in Katame-no-kata vorkommenden Techniken durch, oder ersetzten Ashi-garami durch andere Techniken. Das führte wiederum zu einer wesentlichen Änderung zu etwas Kodifiziertem und von Kanō Zugelassenem (obwohl in Wirklichkeit Katame-no-kata nicht von Kanō geschaffen wurde, sondern meist von Nagaoka und Yamashita).

Mifune fand es ethisch unakzeptabel, dass dies geschah. Also, das was "Standardisierung von Kōdōkan Kata" wirklich bedeutete, war ein formaler Edikt, um den Menschen zu verbieten, etwas zu ändern, was Kanō in den Kata des Kōdōkan gegründet hatte. Mehr was es nicht.

Es war keineswegs die Absicht, Kata zu einer rigorosen, vorgeschriebenen Übung zu machen, die heute nur noch als Vorführung durchgeführt wird, wobei alles anderes sein soll als das, wovon Sensei X vom Kōdōkan sagte, dass es falsch sei. Dennoch ist es genau dieser unglaubliche Wahnsinn, der sich unter Ausländer heute verbreitet hat, wohl auch dank der schlauen Marketingstrategie der Kōdōkan, um zunehmend Kata auf diese Weise aktiv zu präsentieren.

Das völlige Fehlen von kritischer Analyse und kritischen Stimmen von Jūdōka, die diese Entwicklung mit historischen Fakten belegen und bekämpfen, oder die einfach weigern, diesen Unsinn zu akzeptieren, hat leider diese Evolution zu etwas, das noch wenig oder gar nichts mit Kanō's Absichten zu tun hat, ermöglicht.

“Es gibt kein Zweifel daran, dass sowohl Randori, als auch Kata nur ein Ziel hatten: DEIN Jūdō zu verbessern, NICHT für irgend einen Zuschauer, der meint, seine Meinung über dich mitteilen zu müssen, entsprechend einer imaginären Skala. Die einzige Ausnahme von dieser Regel ist natürlich dein Lehrer, der während der Kata, so wie auch des Randori Vorschläge machen darf, vorwiegend bzgl. der praktischen Ausübung, anstatt zur “Demonstration” (= Show), deiner Kata. Das einzige Ziel eines solchen Vorschlags muss dann auch sein, die Qualität von DEINEM Jūdō zu verbessern, ohne dass dieses etwas zu tun hat, mit dem exakten Replizieren von dem, was anderen tun oder was in einem Büchlein oder in einem Video zu sehen ist. Kata zu realisieren hat keinen Wert, wenn sich daraus nicht ergibt, dass dein Jūdō und also auch dein Randori sich verbessert haben, unbeachtet dessen, wie exakt du jemanden oder etwas anderes kopieren kannst. Das “Vorführen” (Demonstrieren oder Show) von Kata ist nicht verboten, sondern ist einfach eine zufällige Anwendung, die wenig mit der Essenz der Kata zu tun hat.

Es bleibt erstaunlich, festzustellen, dass es den Jūdōka nicht auffällt und dass sie sich in ihren Fragen und Auseinandersetzungen auf “Demonstration” (= Show) anstatt auf die “Praxis” konzentrieren.
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Re: Kata und ihr Sinn

Beitrag von tutor! »

Cichorei Kano hat geschrieben:(...) So ähnlich ist die "Vorführung" (= “public showing”) der kata etwas, das wirklich nur etwa ein Dutzend Jahre nach der Gründung des Kōdōkan als isoliertes Ereignis auftaucht. Kata existierte schon lange vorher in der Kōdōkan, hatte aber nichts mit einer "Vorführung" zu tun. Erst später, mit der Eröffnung des neuen Shimotomisaka Dōjō (1894) und später mit der Schaffung von Kagami-biraki, wurden Kata einmal im Jahr als eine Demonstration durchgeführt. Seit dieser Zeit wird Jūdō für Zwecke der Öffentlichkeitsarbeit ab und an vor einem Publikum gezeigt, um es mit dieser neuen Disziplin vertraut zu machen. Es wurde dort alles “vorgezeigt”: Ukemi, Randori, Kata. Seltsamerweise hat nur die Kata den peinlichen Übergang erlebt, immer falsch dargestellt und weltweit als "Vorführung" falsch verstanden zu werden, nl. als etwas, das für andere Menschen getan wird und nicht für sich selbst.
Vielleicht sollte man an dieser Stelle ergänzen, dass die Idee, Kata-Vorführungen als Teil von Dan-Prüfungen zu machen, auch erst (nach meiner Erinnerung) in den 1920er Jahren aufgekommen und durchaus kontrovers diskutiert worden ist.

Es gibt durchaus Bemühungen - auch von Seiten einiger Verbände - diesem Missverständnis entgegen zu wirken (http://www.nwjv.de//fileadmin/qualifizi ... n_judo.pdf - siehe Folge 7). Leider finden sich - auch wenn es langsam weniger wird - auf den diversen Homepages immer noch Definitionen von Kata, die diese als "zeremonielle Vorführung" definieren.

Mit entscheidendend für ein sinnvolles Kata-Training ist der wechselseitige Transfer von Kata und Randori. Leider gibt es nur sehr wenige Leute, die gleichermaßen Kata und Randori auf hohem technischen Niveau praktizieren.

Über die Sinnhaftigkeit von Kata-Training aus heutiger Sicht kann man hier einige Gedanken nachlesen:
http://www.budo-nrw.de/images/derbudoka ... 1_2012.pdf (Seite 20)
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Re: Kata und ihr Sinn

Beitrag von Fritz »

tutor! hat geschrieben:Vielleicht sollte man an dieser Stelle ergänzen, dass die Idee, Kata-Vorführungen als Teil von Dan-Prüfungen zu machen, auch erst (nach meiner Erinnerung) in den 1920er Jahren aufgekommen und durchaus kontrovers diskutiert worden ist.
Man kann über diese Idee nachgerade froh sein, denn so ist wenigstens der Fakt, daß es im Judo Kata gibt, bei uns angekommen...

Leider - und das sicherlich auch bedingt, durch das bei uns übliche recht späte Erreichen von Dan-Graden - ist die Dan-Prüfung
dann regelmäßig auch das letzte Mal, daß sich ein Judoka mit der jeweiligen dort gezeigten Judo-Kata beschäftigt ;-)
Was m.M.n flächendeckend fehlt, ist das Arbeiten mit all diesen Kata in der Ausbildung des Judo-Nachwuchses.
Die einzige Ausnahme sind die ersten drei Gruppen der Nage-no-Kata, wo sich die Aufnahme in das Kyu-Programm m.E. als eine gute Sache
erwiesen hat (auch wenn dort hinsichtlich Grundform, Anwendung und Kata etwas "verdreht" herangegangen wurde), da so
die Üblinge dann damit zu tun bekommen, wo es ihnen noch richtig nützt und die Gemeinschaft der Ül gezwungen ist, sich doch jenseits der
Shodan-Prüfung weiter mit Nage-no-Kata zu beschäftigen.
Leider spiegelt sich die Nutzung dieses ureigensten Judotrainings-Werkzeug in den ÜL-Ausbildungen nicht im mindesten wider...
Das ist sehr schade... Und da bei uns Dan-Prüfungen erst mit sehr langen Vorbereitungs-/Wartezeiten abgelegt werden können, haben wir Übungsleiter, die
wir oft Braungurte oder untere Dan-Grade inne haben, insgesamt gesehen auch viel zu wenig Kenntnisse bzgl. der restlichen Judo-Kata.
Dazu kommt dann noch diese völlig verfehlte, verklärte Sicht auf die Thematik ("Für welchen Dan ist das denn?", Kata-Wettkampf, Zeremoniell, usw. usf.)
Und diejenigen, welche da schon etwas weiter sind, die geben selten Anfängertraining, sondern trainieren für sich irgendwo rum oder geben mal nen Lehrgang o.ä. ;-)
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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