pmhausen hat geschrieben:Welche Bedrohung (unter dem Aspekt "defense against attack") liegt dem Uki Otoshi zugrunde?
Was tut Uke beim Seoi Nage? (ich weiß, er haut mit der Faust auf das Lüftungsloch ...)
Weshalb gibt es in der Nage no Kata keinen einzigen Wurf "nach hinten" (aus Ukes Sicht)?
Und wenn jetzt niemand diese Fragen so beantworten kann, dass Du es logisch findest, dann ist das ein "Beweis" dafür, dass das irgendwie Waffen im Spiel sein müssen, weil Du die "Waffenerklärung" logischer findest? Oder gibt es gar irgendeine mysteriöse Quelle von der ich nur noch nichts weiß?
Aber ich möchte Dir Deine Fragen beantworten, weil ich weiß, dass Du wirklich ernsthaft interessiert bist.
Kano erklärt 1901(!) den Uki-otoshi etwa folgendermaßen: Wenn mein Partner und ich in migi-shizentai gefasst haben und ich ein Stück zurückgehe, wird er, um nicht sein Gleichgewicht zu verlieren, die gleiche Distanz nach vorne kommen. Wenn wir das mehrmals gemacht haben, wird er sich auf meine Schrittlänge einstellen. Wenn ich aber nun plötzlich meinen Schritt etwas größer mache, kommt er nach vorne aus dem Gleichgewicht ans "Schweben" (Uki=schweben). Dann kann ich ihn ganz einfach durch Herunterziehen werfen.
Die Ausgangssituation ist nun die, dass Tori und Uke in naher Distanz gegenüberstehen und Uke versucht in migi-shizentai zu fassen. Dabei kommt er mit dem rechten Fuß nach vorne. Würde Tori nun stehen bleiben, würde Uke ihn aus dem Gleichgewicht bringen. Daher geht er zurück und schließt sofort die Tsugi-ashi-Schritte (s.o.) an.
Die "Lektion" dieser Technik besteht also darin, dass Tori den Abstand zu Uke für diesen überraschend vergrößert und so Uke aus dem Gleichgewicht bringt. Dies zieht sich übrigens in ähnlicher Form durch die weiteren Techniken durch, die aus dem Tsugi-ashi gemacht werden.
Seoi-nage: Tori wehrt einen Faustschlag von oben ab und ich weiß natürlich, dass es es Leute gibt, die das immer noch nicht glauben, obwohl es dick und fett z.B. bei Draeger nachzulesen ist. Der Faustschlag von oben wie auch dessen Abwehr mit einer dem Ippon-seoi-nage ähnlichen Wurftechnik war eine in den Koryu durchaus bekannte Technik. Es gibt Leute, die fordern, dass die Fehler der letzten Jahrzehnte endlich bereinigt werden müssen - dieser gehört dazu!
Warum in der Nage-no-Kata keine Wurftechniken nach hinten enthalten sind, wird bei Otaki/Draeger ausführlich behandelt (ich schaue aber jetzt nicht mehr nach, sondern schreibe aus dem Kopf). Wurfrichtungen spielen in der Nage-no-Kata keine Rolle, weil Wurfprinzipien dargestellt werden. Die meisten Techniken nach hinten wären den Ashi-waza zu entnehmen. Dies haben als "kleine Techniken" geringere Bedeutung für die Körperentwicklung wie die "großen" Techniken, weshalb, so Otaki/Draeger, die "großen" Techniken bevorzugt wurden. Schaut man sich einmal die Wurfprinzipien an, stellt man durchaus fest, dass die drei wichtigen Formen des Werfens exemplarisch berücksichtigt wurden:
- die Stützfläche wird unter den Füßen weggenommen,
- ein sich bewegendes Bein wird gestoppt und der Schwerpunkt über diese Sperre gezogen,
- Uke wird von der Unterstützungsfläche angehoben.
Mit diesen drei Prinzipien ist ein weites Spektrum an Wurfmöglichkeiten exemplarisch abgedeckt.
Es steht natürlich jetzt jedem frei, entweder seine eigenen Erklärungen zu stricken, falls ihm diese unlogisch erscheinen und er eine logischere parat hat. Es steht auch jedem anderen frei, dieses dann zu glauben, aber mit Fakten hat das dann nichts mehr zu tun.
yamamoto hat geschrieben:tutor! hat geschrieben:
Nage-no-Kata beinhaltet Wurftechniken und Wurfprinzipien. Diese lassen sich auf vielfältige Situationen des Kämpfens übertragen - ob Randori oder Selbstverteidigung. Sie lassen sich zum Teil auch auf Verteidigung gegen bewaffnete Angriffe übertragen.
Aber Waffen, ihre Handhabung und ihre Abwehr sind in keiner Form Gegenstand der Nage-no-Kata oder der Katame-no-Kata.
Waffen kommen real z.B. in der Kime-no-Kata und in der Kodokan Goshinjutsu vor und simuliert in der Ju-no-Kata und in der Koshiki-no-Kata.
Diese Sätze widersprechen sich zum Teil.
Ich kann kein Schwert o.ä. abwehren, wenn ich nicht verstehe, wie es geführt wird. Ebensowenig werde ich unbeschadet gegen einen bewaffneten Angreifer bestehen, wenn ich nicht bewaffnet bin. Also muß ich - um bewaffnete Angreifer abzuwehren - selbst fähig sein, eine Waffe führen zu können. Wo wird das im Jûdô gelehrt, wenn nicht in den Kata - und zwar in der Kata, die am Anfang steht?
Der Mythos des Unbewaffneten, der mit der "sanften Kunst" einen bewaffneten Angreifer überwindet - DAS ist eine Irrlehre. Und da bewegen sich die meisten Jûdô-, Jiu-Jitsu- und Karateka im ohrfeigenswerten Bereich.
Mit Deinen Ausführungen hast Du in der Sache vollkommen recht - nur widerspricht sich da nichts. Und es bleibt dabei: Waffen kommen nur in Kime-no-Kata, Kodokan-Goshinjutusu und den oben nicht aufgeführten Kime-shiki und Joshi-Goshinho vor (auch bin ich relativ sicher, dass es noch andere Kata in der Vergangenheit gab). Es steht aber nirgendwo geschrieben, dass man nicht einzelne Techniken einer Kata oder die ganze Kata machen kann, bevor man sie bei einer Prüfung vorführen muss. Tatsache ist, dass es in der Anfangszeit des Judo gar keine Prüfungen gab und eine Zuordnung von Kata zu Ausbildungsstufen eine spätere Angelegenheit ist.
Übrigens: Ju-no-Kata war von Kano auch als eine Übung für Anfänger gedacht... auch sollten wir uns von der Vorstellung lösen, dass im 19. Jahrhundert die beiden Randori-no-Kata erst gemacht wurden, nachdem die gesamte Gokyo beherrscht wurde. Das ist eine "Erfindung" westlicher Prüfungsordnungen.