Ich muss gerade herzlich lächeln, weil das von mir geschriebene auf eine so unerwartete Art bestätigt wurde: es gibt Konzepte, die aber in der Breite nicht angekommen sind - trotz vielfacher Bemühungen. Zunächst einmal muss man verstehen, was Jupp eigentlich mit diesen Übungsformen erreichen möchte. Er schreibt es ja selbst:
Jupp hat geschrieben:Schaffen eines intensiven Problembewußtseins für die Schwierigkeiten in Grundsituationen des Bodenkampfes durch Stellen von Bewegungsaufgaben
Er will also mit diesen Übungen gar keine Lösung anbieten, sondern ein Problembewusstsein schaffen. Und genau dies wird mit diesen Übungen auch erreicht. Aber noch einmal zurück zum Konzept.
Ganz offensichtlich macht Jupp einen "problemorientierten Unterricht". Er möchte Techniken - vielleicht besser: technisch-taktische Handlungen - als Lösung von Problemsituationen vermitteln. So weit so gut, aber wie geht das?
Der Aufbau eines derartigen Unterrichts/Trainings besteht eigentlich immer in einem Dreischritt:
1.) Problemgewinnung
2.) Erarbeiten von Problemlösungen
3.) Anwenden und Verfeinern
Was so einfach aussieht, ist im Detail doch etwas anspruchsvoller. Üblicherweise läuft es doch so, dass der Trainer dem Schüler sagt, was sein Problem ist ("Problemstellung") und der Trainer dann auch gleich die Lösung für das Problem, nämlich eine Technik, mitliefert. Diese wird geübt und verfeinert - indem der Trainer korrigiert und sagt, welches Problem - das der Lernende zu dem Zeitpunkt auch noch gar nicht hat - mit welcher Korrektur gelöst wird. Diese Form von Unterricht herrscht vor und ich möchte zwar nicht behaupten, dass es unmöglich ist auf diese Weise zu lernen, aber aus Sicht er Lerneffizienz ist ein derartiges Vorgehen dilettantisch.
Die Nachhaltigkeit des Lernens ist dann groß (oder zumindest die Chance darauf), wenn ein Problem gelöst wird, dass der Lernende selbst als Problem erfahren hat. In dieser Situation ist seine Motivation größer und auch sein Verständnis der Lösung - schließlich kennt er das Problem.
Die Übungsformen, die Jupp vorgestellt hat, dienen genau diesem Zweck,
des Schaffens eines intensiven Problembewußtseins für die Schwierigkeiten in Grundsituationen des Bodenkampfes durch Stellen von Bewegungsaufgaben. BTW: würde er in dieser Phase Tipps geben, wie die Probleme gelöst werden können, würde er sein Konzept ad absurdum führen. Er kann höchstens Tipps geben, wie die Probleme verstärkt werden können.
Hieran - wenn die Probleme durchlebt und ins Bewusstsein gerufen wurden - kann man nun anknüpfen und Lösungsmöglichkeiten erarbeiten. Inwieweit man Eigenaktivität der Schüler anregt - also selbst nach Lösungen suchen lässt und dabei unterstützend führt - oder ob man selbst Lösungsmöglichkeiten vorschlägt.... beides ist möglich.
Wichtig ist, dass man das Methodenkonzept auch handwerklich durchhält. Leider ist es so, das derartige Konzepte problemorientierten Judounterrichts zwar durchaus verstanden werden, wenn man sie erläutert, aber es fehlt dann am handwerklichen Know-How derartige Konzepte auch im Training umzusetzen.
Jupp hat vor vielen Jahren - es muss um 1980 gewesen sein - einen hervorragenden Aufsatz über über Kreativität im Judounterricht geschrieben (ich glaube mit R. Bonfranchi?). In dieser Zeit sind hervorragende Ideen entstanden und auch veröffentlicht worden. Nur leider war die Wirksamkeit in die Vereine hinein begrenzt .
Das Problem hat aber nicht das Judo allein. Ich bin gerade dabei aufzuarbeiten, warum Lehrerfortbildung für Schulen dasselbe Phänomen zeigen. Die Leute finden (oft) die Veranstaltungen toll, setzen aber nichts oder nur wenig davon in der eigenen Praxis um. Leider!