Hallo Deshi,
ich bin ganz auf Deiner Seite ...
Ich denke da kommt es darauf an, wie genau man hinschaut. Nehmen wir kurz die Torite no Kata: Die abgebildeten Techniken habe ich auch anderswo schon gesehen. Das große "aber" kommt dann aber immer bei den Details.
Ja genau - es fehlt der deutsche Text. Es fehlt eine erstklassige Übersetzung (fehlerfrei - und trotzdem eindeutig verständlich).
Ein simpleres Beispiel: Ukemi. Jeder "kennt" sie, da gibt es anscheinend nichts verlorenes, keine Geheimnisse. Wozu auch? Niemand hätte da etwas zu verheimlichen... Und doch: Selbst nach Dekaden kann man da noch neue, wichtige Sachen lernen. Mir ist das passiert. Über Jahre hinweg habe ich salamischeibenmäßig mehr über Ukemi gelernt. Ganz einfach, weil die verschiedenen Leute, von denen ich gelernt habe, diese Sachen selbst nicht kannten. Ebenso wenig standen diese Sachen in Büchern.
Auch das stimmt so (auch mich ärgert(e) dieser Umstand).
Ein Beispiel, in Niedersachsen wurde eine Zeitspanne "das Bild des HOLZBEINES" in der Lehre propagiert. Das Holzbein bezieht sich (hier speziell) auf maemawari-ukemi, die Vorwärtsrolle. Schon den Begriff der Vorwärtsrolle finde ich unpassend,
aber das HOLZBEIN ist ein gefährliches Ding. Dieses Bild schult einen selbstzerstörerischen Fehler. Langfristig zermürbt man so (...) Abgesehen davon ist ein HOLZBEIN passiv; die Holzbeingeschichte ist so doof, die Intention war es nicht (...) egal.
Ukemiwaza: hier gibt es viel zu lernen (und "die Lehre" ist wie immer gefragt und aufgerufen den Mangel zu bekämpfen, dazu muss sie natürlich wissen was ungünstig läuft oder nicht verstanden worden ist - man selber nicht weiß, weil man es nicht kennt.)
Kurzum, ich habe erfahren müssen, dass es Geheimnisse im Judo gibt.
Das ist ja das Schöne und die Frucht des Lernes

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Zum allgemeinen Verständnis,
bleibt nur die kontextbezogene Frage nach der Definition für den Begriff "Geheimnis" zu klären.
Weniger weil das so gewollt ist (es gibt natürlich auch im Judo Leute, die ihr Wissen nicht teilen wollen), sondern schlicht, weil wir seit Kano's Zeiten global "Stille Post" spielen und so Wissen verloren gegangen ist. Dieses Wissen ist meines Erachtens nach in erster Linie Detailwissen. Insofern hat Cunningham recht, es gibt Dinge, die Anfängern entgehen und sich einem womöglich erst nach langer Zeit erschließen, wenn überhaupt.
Leider machen Details den entscheidenen Unterschied aus, ob etwas funktioniert oder nicht funktioniert, u.s.w.
Das Dumme ist nur, dass solche Details meiner Erfahrung nach den Unterschied zwischen einer funktionierenden Technik und einer Cargo-Kult-Kopie ausmachen. Das Grobe ist bekannt, das Komplexe nicht. Insofern stehen meine Beobachtungen Deiner Formulierung diametral gegenüber: Dinge werden vereinfacht und dadurch unklar und hören auf zu funktionieren. ... Wahrscheinlich meinen wir aber verschiedene Sachen und reden aneinander vorbei.
Nein, wir reden nicht aneinander vorbei. Deine Beobachtungen sind auch die Meinen, vielleicht drücke ich mich oft zu "unklar aus". Mag sein, trotzdem, ich freue mich über den Diskurs und die Diskussion mit Dir

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Cargo-Kult
finde ich immer wieder gut

persönlich weiß ich damit nichts anzufangen, ich lehne jeden religiösen Glauben ab.
Du hast leider recht mit Deiner Einschätzung ---> Cargo-Kult-Kopie, ich vertrete aber die Auffassung der experimentellen Rekonstruktion - sie ist erlaubt.
Vorhandenes Wissen (auch kulturelles Wissen) sollte man offenherzig teilen. Uneingeschränkt natürlich nicht, Waffentechnologie ... etc. pp. ist davon selbstverständlich auszuschließen, ebenso andere Schlüsseltechnologien ... aber wir
lieben die Synthese Kodokan-Judo, es geht um nichts.
Das System ist gut, die Lehre ist nicht so gut. Manche Hauptdarsteller betreiben cargo-kultige Handlungen und andere Politik, dabei bleiben die unschuldigen Schüler (unbeschriebenen Blätter) leider auf der Strecke. Ist doch ganz klar.
Gruß,
HBt.