ich würde mal ganz frech behaupten, ein Teil der japanischen Kampfkunst-Geschichte auf heimischen Boden muss umgeschrieben werden !!!!
Unten sehen wir 6 Zeitungsartikel die im "Berliner Tageblatt" veröffentlicht wurden, sie beschreiben die Ankunft von Ono Agitarō in Berlin im April 1907.
Bisher ist mir niemand bekannt der diese Zeitungsartikel kennt und veröffentlicht hat... also somit eine Premiere hier im dasjudoforum !!!
Ich wünsche alle viel Spass beim lesen.
Gruss
Yannick Schultze
PS. Ich hoffe die Zeitungsartikel später in einer kommentierten Edition zu veröffentlichen.
PPS. Ono Agitarō war einigen Quellen nach 4. DAN Kōdōkan Jūdō !!!
Berliner Tageblatt (Morgen-Ausgabe) – 6. März 1907 – S. 7
Berliner Tageblatt (Morgen-Ausgabe) – 09. März 1907 – S. 7Jiu-Jitsu gegen Ringkampf
Aus dem hiesigen Nippon-Klub wird uns geschrieben: „Seit einiger Zeit bemüht man sic, den „Jiu-Jitsu“ in einer
Weise anzugreifen und herabzusetzen, die in hohem Grade geeignet ist, unser nationales Empfinden zu
verletzen. Was wir Japaner seit Jahrhunderten als eine der wirksamsten und allzeit bewährten Methoden der
Selbstverteidigung von früher Jugend auf pflegen,wird von Persönlichkeiten, die entweder nur oberflächlich mir
dem Wesen unseres nationalen Kampfmittels bekannt sind oder überhaupt nur durch falsch verstandene Lektüre
Kenntnis vom Jiu-Jitsu erhielten, ohne weiteres als ein Schwindel und die einschlägige Literatur als
dementsprechend Reklame bezeichnet. Wir wünschen, der in England und Frankreich längst anerkannten
Vollwertigkeit des Jiu-Jitsu auch in Deutschland, zunächst aber in Berlin Anerkennung zu verschaffen, wo bis
jetzt nur ein Match zwischen dem Japaner Katsukuma Higashi und einen Professionalboxer stattfand, das mit
dem Sieg des ersteren abschloss.
Wir haben nun den Lehrer des Jiu-Jitsu Mr. Ono, auf unsere Kosten nach Berlin berufen, wo er dieser Tage
eintrifft und sich ganz zu unserer Verfügung stellt. Im Namen dieses ersten aller japanischen Jiu-Jitsu-Lehrer
und Kämpfer fordern wir die sämtlichen Boxer und Ringer jeglicher Nationalität auf, sich mit Mr. Ono in einem
Match zu messen. Er ist bereit, jede Summe als Preis zu akzeptieren. Erlaubt soll jede Form des Kampfes sein,
wie sie die internationalen Professionals der Boxer und Ringer gewohnt sind. Das Match soll an einer dritten
Stelle stattfinden, die bisher von keinem der Teilnehmer, weder zum Training, noch zum Wettkampf benutzt
wurde. Wir glauben, den geeigneten Zeitpunkt für die Herausforderung gerade jetzt gefunden zu haben, wo eine
große Schar der bedeutendsten Ringkämpfer aller Nationalitäten hier versammelt und ihnen so Gelegenheit
gegeben ist, die Vorzüge ihres Sports gegenüber dem Jiu-Jitsu ad oculus zu demonstieren.“ - Auf die Wirkung
dieser Herausforderung sind wir recht gespannt.
Berliner Tageblatt (Morgen-Ausgabe) – 09. April 1907 – S. 7Jiu-Jitsu und Boxen
Eine Herausforderung an alle Ringer und Boxer hatte kürzlich im „Berliner Tageblatt“ der Berliner Nippon-Klub
als Antwort auf die Angriffe gegen das Jiu-Jitsu veröffentlicht. Bisher haben sich in Zuschriften an uns drei
Boxer (keine Ringer) bereit erklärt, den Nachweis führen zu wollen, dass ihre Kampfart dem Jiu-Jitsu überlegen
ist. Aus Hof in Bayern schreibt uns R. Fitzsimmons, dass er den Kampf gegen den vom Nippon-Klub aus Japan
bestellten Lehrer des Jiu-Jitsu Ono aufnehmen will. Auch die Herren Joe Edwards – Berlin und Frank Belling –
Charlottenburg stellen sich dem Nippon-Klub zur Verfügung.
Berliner Tageblatt (Morgen-Ausgabe) – 11. April 1907 – S. 7Der japanische Jiu-Jitsu-Kämpfer
A. Ono schreibt uns: Die Angriffe gegen die uralte Selbstverteidigungslehre des Jiu-Jitsu haben dem Nippon-
Klub (Die Vereinigung aller Japaner Berlins) veranlasst, mich nach Berlin kommen zu lassen, um endgültig den
Beweis zu erbringen, dass der Jiu-Jitsu allen Sportkämpfen – sei es griechisch-römisch, catch as catch can oder
Boxen – überlegen ist. Ich fordere daher alle Professionells und Amateure der obigen Sportarten auf, sich in
einem Match am neutralem Ort mit mir zu messen. Insbesoderes fordere ich Herrn Edwards heraus, der vor
einiger Zeit im Zirkus Busch einen europäischen Vertreter des Jiu-Jitsu besiegte. Der Nippon-Klub zahlt
demjenigen, der mich besiegt, eine Prämie von 3.000 Mark, die vorher an dritter Stelle deponiert wird.
Berliner Tageblatt (Morgen-Ausgabe) – 21. Juli 1907 – S. 7Jiu-Jitsu gegen Boxen
Der Boxer Joe Edwards schreibt uns auf die Herausforderung des japanischen Jiu-Jitsu-Kämpfer: Ich mache
darauf Aufmerksam, dass ich die vom Nippon-Klub im Namen des Jiu-Jitsu-Kämpfers Herrn Ono erlassene
Herausforderung bereits vor etwa fünf Wochen angenommen habe, und so lange sich kein zu großer Unterschied
in Naturvorteilen (zum Beispiel Körpergewicht; ich wiege 61 kg) erweist, sehe ich dem Resultat mit voller Ruhe
entgegen. Der geschäftliche Teil der Transaktion lässt sich wohl auch in diesem Falle mit 2/3 für den Sieger, 1/3
für den Besiegten festsetzen, wobei von der Direktion des betroffenen Etablissements, wo der Kampf stattfindet,
eine angemessene Minimalsumme garantiert werden müsse. - Auch ich bin bereit, die weiteren Details, wie
Kampfkonditionen, einem Comité von fachkundigen Herren (Sportsmen und Pressevertretern) zu überlassen.
Berliner Tageblatt (Morgen-Ausgabe) – 31. Juli 1907 – S. 6Jiu-Jitsu gegen Boxen
Der Boxer Joe Edwards schreibt uns: Aus der Herausforderung, die der Jiu-Jitsu-Champion Ono im Monat März
erlassen hat, und auf die ich mich sofort gemeldet habe, ist nichts geworden. Ich habe alles getan, um ein reelles
Match zustande zu bringen. Herr Ono aber hat mir erst die sonderbarsten Bedingungen zugemutet, so zum
Beispiel, dass ich auf alle Kopfstöße verzichten sollte, die doch 90 Prozent der ganzen Boxkunst ausmachen. Als
schließlich die Sache soweit gediehen war, dass er mir die vereinbarten Kampfbedingungen zum Zeichen des
Einverständnisses unterschrieben zurücksenden sollte, hat er es nicht getan. Darauf warte ich auch heute noch
vergeblich.
FINRückzug des Jiu-Jitsukämpfer
Der Berliner Boxer Joe Edwards schreibt uns: Auf meine erneute Mahnung haben sich die Herren Ono und sein
Manager Higashi wieder bei mir gemeldet. Trotzdem ich ihnen in jeder Weise entgegen kam, waren die beiden
Japaner schließlich doch auf keine Weise dazu zu bewegen, auf einen seriösen Kampf einzugehen. Herr Higashi
hat mir schließlich den wahren Grund verraten. Er hätte für Herrn Ono einen Kontrakt mit einem deutschen
Variéte-Theater abgeschlossen, nach dem er im Herbst dort Jiu-Jitsukämpfe vorführen sollte. Ich glaube, dass es
jetzt erwiesen ist, dass Herr Ono überhaupt nie einen ernsthaften Kampf mit mir beabsichtigt hatte.