Judoverständnis

Hier geht es um das Thema Selbstverteidigung
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CasimirC
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Re: Judoverständnis

Beitrag von CasimirC »

Josef hat geschrieben:NOCH ist auch die persönliche Ehre vom Notwehrparagraphen gedeckt, man kann also zuschlagen um seine Ehre zu verteidigen, sobald man beleidigt wird. (Bei mir persönlich beginnt das übrigens dort, wo unsympatische Zeitgenossen mich unaufgefordert duzen - da gibts dann genau eine Ermahnung und Aufforderung zur Entschuldigung - dann knallts.)
Josef hat geschrieben:Ansonsten sollte es für jeden normaldenkenden Menschen ersichtlich sein, wann Notwehr beginnt, da brauch ich doch keinen der rumlabert und mir was erklärt, wann ich zuschlagen soll und wann nicht
Für mich klingt das nach einem schreienden Widerspruch, aber das ist vielleicht nur meine Meinung.

Unabhängig von der rechtlichen Seite, folgende Fragen hierzu:
Inwiefern ist denn deine Ehre beleidigt, wenn dich jemand mit "du" anspricht?
Wie schätzt du denn die Verhältnismäßigkeit ein zwischen einem "Hey du" und dem darauf folgenden Zuschlagen?
Wie soll denn deiner Meinung nach eine angemessene Entschuldigung für ein von dir nicht gemochtes "du" aussehen?
Überhaupt: Wie schätzt du denn deine Handlungsmaxime ein in Bezug auf die Judomaximen, insbesondere in Bezug auf jita kyoei?
Theorie: Wenn alle wissen, wie es geht, und es geht nicht.
Praxis: Wenn es geht, und keiner weiß, warum.
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Fritz
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Re: Judoverständnis

Beitrag von Fritz »

Josef hat geschrieben:Und mal ernsthaft: Wenn ein Schläger nachts um 2 im Laufschritt auf mich zugejoggt kommt, weil ich ihn vorher ausgelacht habe, als er an eine Laterne pinkelte, dann kriegt der sofort eines in die Fresse, sobald er in Reichweite ist. Das er mir so schnell so nahe kommt IST der Angriff, mein Gott - die Straße ist breit genug....
Könnte aber rechtlich ein Problem werden, da der Notwehr-Paragraph wohl nicht mehr greift, wenn man die Notwehr-Situation selbst provoziert hat.
Jemanden auszulachen wegen eher für ihn peinlichen Situation, halte ich schon für heftiger als ein unwillkommenes Duzen, von wegen Ehre hin oder her.
Ich weiß auch nicht so recht, ob Dein Beispiel mit dem Duzen rechtlich Bestand hat...
Die Sache von wegen Ehrverletzung wäre für mich eher so was, wie wenn einer in Deiner Gegenwart rumerzählt, Du würdest klauen oder irgendwas
in der Art und einfach nicht aufhalten will mit der Verleumdung...
Josef hat geschrieben:Ansonsten sollte es für jeden normaldenkenden Menschen ersichtlich sein, wann Notwehr beginnt, da brauch ich doch keinen, der rumlabert und mir was erklärt, wann ich zuschlagen soll und wann nicht - was habt ihr eigentlich für ein Bild von euren Schülern, wenn ich mal fragen darf?
Also bei den SV-Lehrgängen der letzten Zeit, die ich besuchen durfte, war es eher so, daß die jeweiligen Referenten versucht haben,
den "Schülern" so Flausen wie "Muß ich jemanden warnen, daß ich Kampfsportler bin?" auszutreiben...
Oder so was wie: "Wenn mich einer nur haut, darf ich doch keinen Knüppel zur Verteidigung nehmen"...

Von daher ist eine Erläuterung des Notwehr-Paragraph durchaus sehr vernünftig, damit die Leute erstmal
lernen: Ja - ich darf mich wehren, ja - dabei darf der andere kaputt gehen, habe ich es dabei "übertrieben",
gehe ich straffrei/-mildernd aus, wenn ich in Furcht, Angst und Schrecken gehandelt habe...
Mit freundlichem Gruß

Fritz
caesar
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Re: Judoverständnis

Beitrag von caesar »

CasimirC hat geschrieben:Überhaupt: Wie schätzt du denn deine Handlungsmaxime ein in Bezug auf die Judomaximen, insbesondere in Bezug auf jita kyoei?
Wo schlägst du hier den Bogen zu jita kyoei? Wo siehst du eine Bezug/Gegensatz/Ansatz in der Aussage?
CasimirC
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Re: Judoverständnis

Beitrag von CasimirC »

Das tolle an philosophischen Maximen ist ja, dass man sie im Weiten und Großen anwenden kann, dass man sie jedoch auch in Richtung des Einzelfalls hin interpretieren und deuten kann.

Im Weiten deutet jita kyoei ja durchaus darauf hin, dass das eigene Handeln auf eine irgendwie geartete, für die Gesellschaft (...) "gewinnbringende" Art eingesetzt werden. Das kommt insgesamt der Bedeutung natürlich zu kurz, aber es trifft ja durchaus zu.

Daher meine Frage nochmal, in salopper Form: Inwieweit siehst du denn in deinem Handeln ein für dich, dein Umfeld, die Gesellschaft etwas Gewinnbringendes?
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caesar
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Re: Judoverständnis

Beitrag von caesar »

CasimirC, findest du nicht, dass du aus "ich und andere in Verbindung werden leuchten" eine etwas stark abgewandelte und vor allem stark zurechtgebogene Interpretation zu Gunsten deiner Ansicht und Meinung machst?
Wenn du es einmal neutral von Aussen siehst?
CasimirC
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Re: Judoverständnis

Beitrag von CasimirC »

Es ist eine Interpretation, wie bereits gesagt.

Falls sich wer an der Interpretation stört, weil sie womöglich "zurechtgebogen" wirkt, der darf die entsprechende Frage auch gern überlesen.
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Ronin
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Re: Judoverständnis

Beitrag von Ronin »

caesar hat geschrieben:
CasimirC hat geschrieben:Überhaupt: Wie schätzt du denn deine Handlungsmaxime ein in Bezug auf die Judomaximen, insbesondere in Bezug auf jita kyoei?
Wo schlägst du hier den Bogen zu jita kyoei? Wo siehst du eine Bezug/Gegensatz/Ansatz in der Aussage?
Von Tom Herold hatte ich, übrigens irgendwo hier im Forum - mal gelernt, dass das schöne an Prinzipien eben ist, dass sie immer und überall gelten. Damit sollte sich diese Frage eigentlich erübrigen.

Oder gilt z.B. "bestmöglicher Einsatz von Körper und Geist" immer aber "ich und andere in Verbindung werden leuchten" eher nur dann, wenn du es für richtig befindest?
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Re: Judoverständnis

Beitrag von mifune10dan »

Hallo zusammen,
das ist mal wieder ein interessanter Meinungsaustausch.
Hier meine Meinung: Das was da Herr Hägele von sich gibt, ist nur ein kleiner Teil des tatsächlichen Judo und zeugt von limitiertem Wissen und Horizont.
Der Artikel von Herrn Dax-Romswinkel ist sozusagen die Essenz aus "Mind over Muscle" und wie ich finde, sehr treffend und leicht verständlich geschrieben. Dieser Artikel sollte von jedem Judoka mal gelesen und vor allem überdacht werden dann kämen solche "Stilblüten" wie die von Herrn Hägele gar nicht erst zustande.
Ich habe diesen Artikel gleich an meinen Judokameraden weitergeleitet (ist hoffentlich nicht strafbar :? ).

Gruß Reinhard
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Reinhard
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Re: Judoverständnis

Beitrag von Makikomi Kid »

Mal weg von der SC Geschichte - mich nervt(!) die Fokussierung auf Judo-Wettkampfregeln, wenn es um Griffarten, erlaubte Techniken, etc. geht.

Da sind mir die Regeln aus "artverwandten" Stilen deutlich lieber, bzw. Schulen, die im Randori auf die aktuellen Wettkampfregeln pfeifen.
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Re: Judoverständnis

Beitrag von Judoka70 »

Das kann doch jeder einzelne Verein bzw. Trainer ändern, das hat doch mit dem Stil nichts zu tun.

Warum nicht im heimatlichen Verein im Randori und Training Judo so komplett wie möglich üben/schulen? Den Wettkämpfern kann man ja sagen, was sie für Pokale weglassen müssen.
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Makikomi Kid
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Re: Judoverständnis

Beitrag von Makikomi Kid »

Das sehe ich nicht ganz so. Judo wird immer mehr als Sport verstanden und damit ist das Wettkampfjudo" auch immer mehr "das Judo."

Leider.
Durch die Änderung an der PO wird zwar nun wieder auch "nicht Wettkampf" aufgenommen, was ich gut finde (wenn ich auch die Form bemängele) und etwas erschrocken bin, als ich mitbekommen habe, wie das hin und wieder aussieht, was gelehrt wird.

Daher würde ich ein offeneres Jackenraufen gerade besser finden, als ein falsch verstandenes SV-Training.
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Fritz
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Re: Judoverständnis

Beitrag von Fritz »

Judoka70 hat geschrieben:Warum nicht im heimatlichen Verein im Randori und Training Judo so komplett wie möglich üben/schulen?
Prinzipiell ist es eine gute Idee nur:
- Wer kann es denn noch?
- Reichen Trainingszeit und Trainingswillen aus?

Schau Dir an, wie die Graduierungen der Übungsleiter und Trainer in den Vereinen sind:
In der Regel sind es die unteren Dan-Grade wenn überhaupt, und bei den mit den höheren Danen muß
man auch schon suchen, wer diese nicht verliehen bekommen hat.
Und dann schau Dir an, wie Leute sich auf Dan-Prüfungen vorbereiten, gerade für die Kata
und wieviele davon nach den Prüfungen noch "hängen" bleibt bzw. aktiv im Training _gedrillt_
wird (also nicht auf hübsch, wie für die Prüfung, sondern auf echt für die SV) - und dann zähle
eins und eins zusammen vor dem Hintergrund, daß die SV-lastigen Kata
eher Inhalte der höheren Dan-Prüfungen sind.

Und dann schau Dir an, wie oft der "normale Judoka" so in der Woche Zeit / Gelegenheit u. Lust hat, beim
Training zu erscheinen... Da ist eigentlich egal, was gemacht wird, es ist immer zu wenig, irgendwas kommt
immer zu kurz ;-)
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Re: Judoverständnis

Beitrag von Lin Chung »

Da ist eigentlich egal, was gemacht wird, es ist immer zu wenig, irgendwas kommt
immer zu kurz
...bin ganz deiner Meinung.
Grüße
Norbert Bosse
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Wissen stirbt, wenn es bewahrt wird, und lebt, wenn es geteilt wird.
Non scholae sed vitae discimus (Nicht für die Schule - für das Leben lernen wir)
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Re: Judoverständnis

Beitrag von caesar »

Ronin hat geschrieben: Von Tom Herold hatte ich, übrigens irgendwo hier im Forum - mal gelernt, dass das schöne an Prinzipien eben ist, dass sie immer und überall gelten. Damit sollte sich diese Frage eigentlich erübrigen.

Oder gilt z.B. "bestmöglicher Einsatz von Körper und Geist" immer aber "ich und andere in Verbindung werden leuchten" eher nur dann, wenn du es für richtig befindest?
Wenn du dies gelernt hast, dann ist das gut. Ich bin der Meinung man muss es trotzdem immer im Kontext und in der Situation sehen. jita kyoei bedeutet m.M.n sicherlich nicht, dass ich mit jedem super klarkommen soll und muss. Aber das ist nur meine bescheidene Meinung.
Wenn "Josef" einen Idioten, der ihn angreift verhaut, hat er zumindest der Gesellschaft soweit etwas gutes getan, dass er diesen Idioten "zurechtgewiesen" hat. Mal ganz salopp gesagt ;)
Mifune10dan hat geschrieben:Der Artikel von Herrn Dax-Romswinkel ist sozusagen die Essenz aus "Mind over Muscle" und wie ich finde
Nichts gegen den Artikel von Herrn Dax-Romswinkel, aber die Essenz aus "Mind over Muscle" ist meiner bescheidenen Meinung nach "Mind over Muscle" selbst. Das noch runterzubrechen lässt, so denke ich, dann doch immer etwas wichtiges aus.
CasimirC
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Re: Judoverständnis

Beitrag von CasimirC »

caesar hat geschrieben:Wenn "Josef" einen Idioten, der ihn angreift verhaut, hat er zumindest der Gesellschaft soweit etwas gutes getan, dass er diesen Idioten "zurechtgewiesen" hat. Mal ganz salopp gesagt ;)
Mal ganz salopp gesagt ;) : Ist es das, was man im SV-Unterricht lernen sollte: dass man jemanden verprügelt, den man zuvor selber provoziert hat und der entsprechend reagiert; dass man jemandem eine reinhaut, der einen mit "Du" anspricht (und sich dafür nicht entschuldigt)? Ist das dein (um auf den Thread-Titel zurückzukommen) Judoverständnis?

Im Übrigen finde ich es schade, dass Josef meine Fragen noch nicht beantwortet hat; und ich möchte doch nachvollziehen können, welches Judoverständnis die in diesem Thread aktiven Mitglieder antreibt.
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Re: Judoverständnis

Beitrag von caesar »

Sich gegen jemanden zu verteidigen, der einen bedroht, könnte ein Sinn der SV sein.

Von Judoverständnis möchte ich bei mir garnicht sprechen, ich weiß m.M.n zu wenig, um soetwas zu haben.


Hier sind noch andere Fragen unbeantwortet, z.B. die nach der fachlichen Ausbildung, welche benötigt wird.
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Fritz
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Re: Judoverständnis

Beitrag von Fritz »

CasimirC hat geschrieben:Mal ganz salopp gesagt ;) : Ist es das, was man im SV-Unterricht lernen sollte: dass man jemanden verprügelt, den man zuvor selber provoziert hat und der entsprechend reagiert; dass man jemandem eine reinhaut, der einen mit "Du" anspricht (und sich dafür nicht entschuldigt)? Ist das dein (um auf den Thread-Titel zurückzukommen) Judoverständnis?
Nun ja, ein Ratschlag bei SV-Kursen ist ja gelegentlich mal, daß man in gewissen Situationen auf dem "Sie" bestehen sollte,
möglichst lautstark, damit evt. Umstehende erkennen, daß es sich nicht nur um Rumgeflapse zwischen Kumpels handelt und andererseits auch, daß
dem "Unsympath" signalisiert wird, daß da eine Grenze ist, die er gerade übertritt...
Das läßt vermuten, daß absichtliches, bewußtes "Duzen" durchaus schon der erste Schritt zu was Handfesterem vom Duzer sein kann...
(Oft kolportiert: "Was gugscht Du, hascht Du Probleme" blabla ;-) )
Ansonsten ist das mit dem Provozieren so eine Sache, der Laternenpinkler provoziert Josef zum Lachen, das provoziert den Laternenpinkler
zu 'ner Sprinteinlage in Richtung Josef, was diesen dann provoziert, den Typen umzuhauen...
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Re: Judoverständnis

Beitrag von Fritz »

caesar hat geschrieben:
Peter el Gaucho hat geschrieben:Aber ich stimme dabei voll mit allen überein, dass diese Techniken ausschließlich nur von Trainern gezeigt werden dürfen, die dazu eine fachliche Ausbildung haben.
Vollkommen richtige Aussage aus meiner Sicht. Nur ist die Anschlussfrage dazu äußerst wichtig. Was ist eine ausreichende "fachliche Ausbildung"?
Tja das ist eine interessante Frage.... Eine gute fachliche Ausbildung wäre in meinen Augen, daß Leute Judo von Anfang an (auch) unter
dem Blickwinkel der Ernstfall-Tauglichkeit gelernt haben und idealerweise auch Gelegenheit hatten, dieses Judo zu erproben...

Ich glaube nicht, das ein paar Lehrgänge zum SV-Lehrer bei ansonsten mit dem Thema unbeleckten Freizeit-Judosportlern eine solche "fachliche Ausbildung"
liefern können...
Was ich vor fatal halten werden würde, wenn o.g. "dürfen" sich dann irgendwann an genau solchen "Kurs-Qualifizierungen" festmachen sollte...

Ist ein schwieriges Thema, würde man alle, sagen wir im DJB organisierten Judoka, dahingehend in den "Genuß" von Judo mit entsprechender SV-Tauglichkeit
kommen lassen wollen (frei nach dem Motto: "Ein Judo-Grüngurt darf einfach nicht allzuleicht niederzumachen sein"), braucht man
eine enorme Anzahl von ÜL, Trainern u. Lehrern, welche dazu etwas vermitteln können. Nun ist es aber illusorisch anzunehmen, daß diese Leute alle
in der Breite ausreichende Ernstfall-Erfahrung haben könnten bzw. die wenigen, welche tatsächlich solche Erfahrungen haben, willens und kapazitiv überhaupt in der
Lage sind, genügend Leute mit Training zu versorgen.
Weiterhin ist es so eine gewisse Sache mit der Ernstfall-Erfahrung:
Jemand der Messerstechereien u.ä, halbwegs brauchbar überlebt hat, hat eine andere Sicht auf die Dinge,
als z.B. jemand, die im Bekanntenkreis vergewaltigt wurde...

Mittlerweile bin ich der Meinung, daß wir als Gesamtheit der Judoleute eigentlich nur folgende Chancen (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) haben:
- Aufmerksam auf die Leute mit Ernstfall-Erfahrungen zu hören,
- Judotechniken und auch Regeln unter dem Blickwinkel "was wäre, wenn jetzt der andere auch schlagen, treten, Genick hebeln usw. usf. könnte" zu betrachten und
entsprechende Konsequenzen hinsichtlich Ausführung und Verhaltensweisen zu ziehen... (ich denke da immer nur an diese unsägliche Verhaltensweise
namens "Bankstellung/Bauchlage" oder diese abgeknickte Kampfhaltung ;-) )
- Auch die im Wettkampf mittlerweile verbotene Techniken zu üben, dabei sich auch mal etwas an die Art Schmerzen zu gewöhnen, die z.B. ein
ein nicht abgewehrter Atemi so bietet)
- Techniken auch ohne Judojacke tragenden Gegenüber zu üben, vielleicht auch mal im Freien ohne diese feine, ebene Mattenfläche...
- Die entsprechenden Kata ernsthaft zu üben, nicht als "Demonstration", sondern als Drill, unter Stress...
- Sich auch Wettkämpfen mit/gegenüber Vertretern anderer Kampfsportarten zu öffnen, um in der Gesamtheit Erfahrungen mit möglichst vielen
unterschiedlichen "Kampftaktiken" - sozusagen ersatzweise für den Ernstfall - zu gewinnen... einfach um der einengende Sicht
unseres Wettkampf-Regelsystems zu entkommen...
- Kurzum überhaupt erstmal einfachste Grundlagen zu schaffen und damit den Leuten ein gewisse Vorstellung über ihre Grenzen (mental, physisch u. technisch)
zu vermitteln...

Dann könnte sich das Judo-Verständnis auch mal wieder wandeln von
"Oh putzig, die Kleinen in ihren Schlafanzügen" bzw. "Was ist denn das für ein komisches Gezerre an den Sachen schon wieder"
hin zu dem, was so in alten "James-Bond-Filmen" durchschimmert oder in den Erzählungen sehr alter Judoka,
nämlich daß mit Judoka nicht gut Kirschen essen ist... ;-)

Wäre natürlich auch schön, wenn diese "DJB-Judowerte" noch um den wichtigsten Judowert ergänzt würden, der mir
so einfällt: "Wehrhaftigkeit"!

Und unter diesem Gesichtspunkt, ist der Artikel von Herrn Hägele als eher kontraproduktiv anzusehen, m.M.n...
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Re: Judoverständnis

Beitrag von CasimirC »

@caesar und Fritz:
Eure Einwände in allen Ehren, zumal ihr versucht, die von Josef dargestellten Situationen in einen nachvollziehbaren Kontext einzubauen.
Josef hat jedoch mit keinem Wort von solchen Entwicklungen der jeweiligen Situation gesprochen, sondern recht knackig seine konkreten Beispiele formuliert. Diese habe ich aufgegriffen und hinterfragt, und es wäre wie gesagt schön, wenn er zu seinen gewählten Beispielen Stellung beziehen könnte, statt dass ihr, wie mir scheint, (lobenswerterweise!) versucht seine Aussagen in einen rechtfertigungsfähigen Zusammenhang zu rücken.

Aber bei einer Sache musste ich doch schmunzeln:
Fritz hat geschrieben:Ansonsten ist das mit dem Provozieren so eine Sache, der Laternenpinkler provoziert Josef zum Lachen, das provoziert den Laternenpinkler zu 'ner Sprinteinlage in Richtung Josef, was diesen dann provoziert, den Typen umzuhauen...
Fritz, ich weigere mich einzusehen, dass das dein Ernst ist. Es entzieht sich meinem Verständnis, dass ein Notdurft verrichtender Mann jemanden zum Auslachen provozieren (beabsichtigt hervorrufen; herausfordern) kann. Auslachen ist ein zutiefst kränkendes Verhalten, welches mit Sicherheit von niemandem absichtlich provoziert wird, und wenn doch, dann ist das gewollt und es ist denn auch unwahrscheinlich, dass ersterer sich davon dann auch noch beleidigt fühlt und tätlich anzugreifen versucht.
Theorie: Wenn alle wissen, wie es geht, und es geht nicht.
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Lin Chung
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Re: Judoverständnis

Beitrag von Lin Chung »

Lass man gut sein Casimir. Wenn er das macht, muss er selbst mit den Folgen leben.
Richtig ist es nicht.
Anders liegt es, wenn man nur hingesehen hat und der Pinkler meint, ein Lächeln gesehen zu haben.
Solche Typen gibt es schon lange. Dann darf er sich wehren, aber erstmal muss der Angriff erfolgen.
Ein Hinterherlaufen heißt noch lange nicht, dass er auch angreift. Vielleicht hat er nur dieselbe Richtung
und war gerade beim Abendlauf.

Kann man also drehen wie man will. Wie gesagt, erst der direkte Angriff darf eine Gegenreaktion bringen.
Grüße
Norbert Bosse
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