caesar hat geschrieben:Peter el Gaucho hat geschrieben:Aber ich stimme dabei voll mit allen überein, dass diese Techniken ausschließlich nur von Trainern gezeigt werden dürfen, die dazu eine fachliche Ausbildung haben.
Vollkommen richtige Aussage aus meiner Sicht. Nur ist die Anschlussfrage dazu äußerst wichtig. Was ist eine ausreichende "fachliche Ausbildung"?
Tja das ist eine interessante Frage.... Eine gute fachliche Ausbildung wäre in meinen Augen, daß Leute Judo von Anfang an (auch) unter
dem Blickwinkel der Ernstfall-Tauglichkeit gelernt haben und idealerweise auch Gelegenheit hatten, dieses Judo zu erproben...
Ich glaube nicht, das ein paar Lehrgänge zum SV-Lehrer bei ansonsten mit dem Thema unbeleckten Freizeit-Judosportlern eine solche "fachliche Ausbildung"
liefern können...
Was ich vor fatal halten werden würde, wenn o.g. "dürfen" sich dann irgendwann an genau solchen "Kurs-Qualifizierungen" festmachen sollte...
Ist ein schwieriges Thema, würde man alle, sagen wir im DJB organisierten Judoka, dahingehend in den "Genuß" von Judo mit entsprechender SV-Tauglichkeit
kommen lassen wollen (frei nach dem Motto: "Ein Judo-Grüngurt darf einfach nicht allzuleicht niederzumachen sein"), braucht man
eine enorme Anzahl von ÜL, Trainern u. Lehrern, welche dazu etwas vermitteln können. Nun ist es aber illusorisch anzunehmen, daß diese Leute alle
in der Breite ausreichende Ernstfall-Erfahrung haben könnten bzw. die wenigen, welche tatsächlich solche Erfahrungen haben, willens und kapazitiv überhaupt in der
Lage sind, genügend Leute mit Training zu versorgen.
Weiterhin ist es so eine gewisse Sache mit der Ernstfall-Erfahrung:
Jemand der Messerstechereien u.ä, halbwegs brauchbar überlebt hat, hat eine andere Sicht auf die Dinge,
als z.B. jemand, die im Bekanntenkreis vergewaltigt wurde...
Mittlerweile bin ich der Meinung, daß wir als Gesamtheit der Judoleute eigentlich nur folgende Chancen (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) haben:
- Aufmerksam auf die Leute mit Ernstfall-Erfahrungen zu hören,
- Judotechniken und auch Regeln unter dem Blickwinkel "was wäre, wenn jetzt der andere auch schlagen, treten, Genick hebeln usw. usf. könnte" zu betrachten und
entsprechende Konsequenzen hinsichtlich Ausführung und Verhaltensweisen zu ziehen... (ich denke da immer nur an diese unsägliche Verhaltensweise
namens "Bankstellung/Bauchlage" oder diese abgeknickte Kampfhaltung

)
- Auch die im Wettkampf mittlerweile verbotene Techniken zu üben, dabei sich auch mal etwas an die Art Schmerzen zu gewöhnen, die z.B. ein
ein nicht abgewehrter Atemi so bietet)
- Techniken auch ohne Judojacke tragenden Gegenüber zu üben, vielleicht auch mal im Freien ohne diese feine, ebene Mattenfläche...
- Die entsprechenden Kata ernsthaft zu üben, nicht als "Demonstration", sondern als Drill, unter Stress...
- Sich auch Wettkämpfen mit/gegenüber Vertretern anderer Kampfsportarten zu öffnen, um in der Gesamtheit Erfahrungen mit möglichst vielen
unterschiedlichen "Kampftaktiken" - sozusagen ersatzweise für den Ernstfall - zu gewinnen... einfach um der einengende Sicht
unseres Wettkampf-Regelsystems zu entkommen...
- Kurzum überhaupt erstmal einfachste Grundlagen zu schaffen und damit den Leuten ein gewisse Vorstellung über ihre Grenzen (mental, physisch u. technisch)
zu vermitteln...
Dann könnte sich das Judo-Verständnis auch mal wieder wandeln von
"Oh putzig, die Kleinen in ihren Schlafanzügen" bzw. "Was ist denn das für ein komisches Gezerre an den Sachen schon wieder"
hin zu dem, was so in alten "James-Bond-Filmen" durchschimmert oder in den Erzählungen sehr alter Judoka,
nämlich daß mit Judoka nicht gut Kirschen essen ist...
Wäre natürlich auch schön, wenn diese "DJB-Judowerte" noch um den wichtigsten Judowert ergänzt würden, der mir
so einfällt: "Wehrhaftigkeit"!
Und unter diesem Gesichtspunkt, ist der Artikel von Herrn Hägele als eher kontraproduktiv anzusehen, m.M.n...