Vielleicht liegt der Grund für "weniger" Bodenkampf aber auch darin, dass man im Judo (so wie es Kano sich wohl vorgestellt hat) vor allem Standkampf machen soll und keine langanhaltenden Bodengefechte wie z.B. beim BJJ sehen möchte.
Pardon - aber genau das höre ich eigentlich immer nur von jenen, die im Bodenkampf eine ganz schlechte Performance hinlegen ...
Überdies gewichtete Kanô, wenn ich nicht sehr irre, Stand- und Bodenkampf etwa 60:40.
Und genau DAS sehe ich im derzeitigen Sportjudo NICHT.
Dort liegt das Verhältnis aus MEINER Sicht bei etwa 90:10.
Sich auf Kanô zu berufen, um zu rechtfertigen, daß Sportjudoka im Bodenkampf nicht mit BJJ-lern und den Jungs vom Luta Livre mithalten können ... na ja.
Finde ich jetzt irgendwie nicht soooo überzeugend.
Zumal einige hochgraduierte User hier im Forum ja (und zu Recht!) darauf verwiesen, daß BJJ eigentlich nichts anderes als Jûdô ist und daß es im BJJ eigentlich nichts gibt, was es im Jûdô nicht schon längst gäbe.
Nun fragt sich natürlich der eine oder andere, WARUM man dann diese Dinge nicht trainiert ...
WÜRDE man sie trainieren, sähe man sie auch in Wettkämpfen.
(Ich spreche NICHT von laut Sportjudo-Reglement "verbotenen" Handlungen wie Fußhebeln o.ä.).
Ich habe so das ungewisse Gefühl, daß sich bei einer Mehrheit der Sportjudoka eine gewisse (in meinen Augen unbegründete) Furcht davor breitgemacht hat, VERLETZT zu werden.
Ich glaube, daß genau deshalb jede weitere Regeländerung, die wieder mal etwas verbietet, was bisher problemlos möglich war, von sehr vielen stillschweigend begrüßt oder zumindest toleriert wird.
Mir kann das egal sein, ich bin an IJF/DJB-Regelwerke nicht gebunden (das fehlte noch!).
Aber man fragt sich doch ...
Man fragt sich, warum diese Mentalität der ... nun ja - Überängstlichkeit, die auch noch versucht das allerletzte, noch so minimale Restrisiko zu eliminieren, in einer KAMPF-Kunst derartig um sich greifen konnte (selbst wenn diese Kampfkunst inzwischen als Folge eines langanhaltenden Prozesses zu einer Spielsportart regelrecht degeneriert ist).
Immer wieder muß ich von Sportjudoka hören, die an unserem Randori teilnehmen, daß wir gegen diese oder jene "Regel" verstoßen hätten.
Diese Sportjudoka sind immer ganz verblüfft, wenn ich ihnen dann erkläre, daß IHRE Regeln keine universelle Gültigkeit besitzen und UNS nicht interessieren.
Sagt viel über die Weltsicht dieser Jungs ...
Das betrifft auch das "Ausheben" im Bodenkampf, welches hier angesprochen wurde.
"Ja, du hast mich abgehebelt, aber der Kampfrichter hätte ja schon LÄNGST getrennt, ich hatte dich ja 20cm angehoben!"
Höre ich immer wieder.
Oder auch, im Standkampf: "Ey, das war eine VERBOTENE Faßart! Klar hast du mich jetzt geworfen, aber das gilt nicht!"
Ich kann nur nochmal empfehlen, diesen Tunnelblick möglichst abzulegen (aber wer hört schon auf den leibhaftigen BÖSEN TOM).
Und zum Ablegen dieses Tunnelblicks eignet sich nichts besser als die (länger andauernde, regelmäßige) Teilnahme bspw. am BJJ-Training oder am Training einer Luta-Livre-Gruppe oder am Sambo-Training.
Für das Verständnis grundlegender Wurf- und Bodenprinzipien ist es auch ungeheuer hilfreich, sich als Jûdôka regelmäßig dem Sparring mit Freistil-Ringern/Grapplern zu stellen ...
Das hilft übrgens auch gegen diese ... ich nenne es mal etwas spöttisch: Angsthasen-Mentalität.
Wer die allerdings NICHT ablegen kann und will, der sollte sich in einer stillen Stunde dann doch selbst mal eingehend befragen, ob eine KAMPF-Kunst das Richtige für ihn ist.
Aber ich fürchte, stattdesen wird weiterhin einfach die ehemals seriöse, sehr ernsthafte und extrem effektive KAMPF-Kunst Jûdô an jene angepaßt, die eine geradezu irrationale Furcht vor körperlichen Schmerzen und vor Verletzungen mit ins Training nehmen.
Schade ...
