da ich mit erfahrenen und sehr qualifizierten Vertretern der Tenshin Shinyo Ryû in Verbindung stehe (und auch mit Vertretern der Kashima Shin Ryû), sehe ich DAS durchaus nicht als "dürftige Quellenlage" auf meiner Seite an ...
In der Tat. Und du hast meine Frage, WAS diese (Schlag?) Bewegung denn nun sein soll, noch immer nicht beantwortet.Es geht darum, wie die Nage-no-Kata geht - nicht darum, was man alles in sie hineininterpretieren kann.
Ich finde, wenn man (m)eine (wenngleich nur indiziengestützte) These ablehnt, muß man auch selbst etwas mehr anzubieten haben als: mag ich nicht, kann ich auch in der Literatur nicht finden.
Aber das ist nur meine persönliche Meinung ...
Zu den Fakten.
Du hast behauptet, das einhändige Führen des Schwertes sei alles andere als fachgerecht.
Ich verweise dazu auf jene Ryû, die das einhändige Führen des Katana präferierten.
Da wäre bspw. die Nito Ryû ...
Ich muß jetzt aber nicht dezidiert alle Ryû aufzählen, in denen auch oder sogar vorrangig das einhändige Führen des Katana üblich war ...?
Du hast weiter behauptet, die Schrittfolge, wie man sie in "Illustrated Kodôkan Jûdô" sehen kann (und für mich sind da die alten Ausgaben verbindlich) wäre nicht geeignet, um mit dem Schwert anzugreifen.
Gestatte, daß ich dir da entschieden widerspreche.
Gewiß - wenn man das Schwert (wie ich erst dachte) ziehen will, um dann zuzuschlagen, dann sind die dafür notwendigen Schritte "verkehrt herum".
ABER: es ist ein wenig anders.
Beim Ziehen des japanischen Schwerts muß man entweder mit dem linken Bein zurück oder mit dem rechten Bein nach vorn gehen - Binsenweisheit. Sodann greift man grundschulmäßig (in allen Ryû ziemlich gleich) mit der linken Hand ebenfalls den Schwertgriff. Dabei allerdings geht man in den meisten Schulen einen weiteren Schritt nach vorn - und zwar mit dem linken Bein.
Diese Kamae heißt etwa in der Yagyu Shinkage Ryû (eine Schule, die Kano nicht so ganz unbekannt war!) Migi Hasso Kamae.
Wurde nun der dann erfolgende Schlag (diagonal nach links unten) ausgeführt, dann machte man dabei noch einen Schritt - und zwar mit dem rechten Bein nach vorn.
Ich hoffe, daß du dies nicht in Abrede stellen wirst. (vgl. dazu "Art of the Japanese Sword" S. 51, D. Lowry, 1986 Ohara Publications, USA)
Es ist richtig, daß der Schlagende sich dabei nicht nach vorn lehnt. Er agiert im Gleichgewicht.
ABER: wie in Nage-no-Kata ersichtlich, bewegen sich beide aufeinander zu. Und Tori muß lediglich erreichen, daß er an Uke herankommt, ehe dieser den Schlag nach unten führt.
Das heißt, Nage-no-Kata lehrt auch korrektes Ma-ai und De-Ai.
UND: hat Tori gelernt, wie und wann er in Uke hineingeht (nämlich bevor dieser den Schlag so weit geführt hat, daß es Selbstmord wäre, da hinein zu rennen), dann ist Ukes Langwaffe AN TORI SCHON VORBEI, ehe es zum "Showdown" kommt.
Führt Uke nun das Schwert beidhändig, kann er keine korrekte Fallschule mehr ausführen.
Tori erlangt (etwa bei Seoi-Nage) vor, während und nach dem Wurf die totale Kontrolle über Ukes Waffenarm.
Ich kann dir das gern auf der Matte beweisen ... und das meine ich nicht böse, sondern so, wie ich es gesagt habe.
Beim Uki-Goshi ist es ebenso: Tori taucht unter Ukes Waffenarm(en) in Uke "hinein". Bei Uki-Goshi MUSS man dabei auf einen rechten Schwertangriff mit Uki-Goshi links reagieren ... sonst kann man ihn nicht werfen.
Auch bei UG geht der Waffenarm / die Waffenarme über Tori hinweg. Und daß man Ukes zweiten Arm bei einem beidhändig ausgeführten Schwertschlag nicht greifen kann, ist überhaupt kein Problem. Toris Wurfarm ist bereits um Ukes Hüfte geschlungen (beim Linkswurf der linke), und Toris rechte Hand greift entweder den Waki genannten Brustschutz von Ukes Rüstung, das Revers von Ukes Uwagi - oder das Revers von Ukes moderner Jûdôjacke.
Uke fällt bei beidhändig geführtem Schwertschlag AUF SEINEN WAFFENARM!!
Und auf dessen Handgelenk kann Tori nach Wurfausführung problemlos drauftreten.
Ende.
Bei den Sutemi-Waza der Nage-no-Kata fällt Tori auch keineswegs auf Ukes Waffe, wie Tutor behauptet (jedenfalls dann nicht, wenn man die Würfe korrekt ausführt und Uke beim Ura-Nage nicht durch die Decke zu heben versucht!).
Wir haben es wieder und wieder ausprobiert - Uke fliegt samt Waffe weg.
So leicht läßt man eben nicht los, wenn man eine Waffe in der Hand hält ...
Und noch einmal: führt Uke einen beidhändigen Schwertschlag aus, kann er keine korrekte Fallschule mehr ausführen. Pech für ihn, Verletzung vorprogrammiert.
UND: all die Wurftechniken der Nage-no-Kata entstammen nachweislich den Ryû der Koryû. Dort wurden sie trainiert, um ...?
Richtig.
Um genau dann eingesetzt zu werden: im Yoroi Kumi Uchi.
Wäre das "Selbstmord" oder ineffektiv gewesen (was in diesem fall dasselbe ist), dann hätte es die betreffenden Ryû schon bald nicht mehr gegeben.
So: neben der Tatsache, daß man das Schwert (außer beim sportlichen Kendô) im Kenjutsu der meisten Ryû auch einhändig führen kann, ist die Schwertbewegung Ukes in Nage-no-Kata soweit "stilisiert", daß Uke einen einhändigen Schlag führt.
Dies bedeutet, daß die Bewegungen Ukes eindeutig erklärt werden können.
Erstens IST das Schwert bereits gezogen.
Zweitens ist die "Ausholbewegung" das Einnehmen der Migi Hasso no Kamae (bei Rechtsausführung).
Drittens ist damit erklärt, wieso Uke beim Schlagen diagonal nach unten den rechten Fuß nach vorn stellt.
Viertens ist noch etwas wesentliches damit erklärt: Tutor hat unrecht, wenn er behauptet, man müsse zur effektiven Abwehr (wie in Kime-no-kata) IMMER auf die Ellbogenseite des Waffenarms des Angreifers.
Nein, muß man nicht!!
Bei einem Schwertangriff, wie Uke ihn in Nage-no-Kata darstellt, handelt es sich (im Gegensatz zu dem, was heute als "Hammer von oben á la Bud Spencer" gelehrt wird) um einen diagonal nach innen und unten gerichteten Schlag.
Diese Technik ist im Kenjutsu allgemein bekannt als Yoko Uchi.
Ich würde wirklich gern mal sehen, wie jemand versucht, in Abwehr eines solchen Schlages auf die außen liegende Ellbogenseite des gegnerischen Waffenarms zu kommen ...
Fünftens: die "einhändige" Ausführung der Schlagtechnik gestattet Uke, eine korrekte Fallschule auszuführen, die ihn beim Üben vor Verletzungen bewahrt.
So, eine Anmerkung sei mir noch gestattet:
ich habe mich ein wenig geärgert, daß Tutor behauptet hat, das einhändige Führen des Katana sei "unfachmännisch".
Im Kendô, das nichts anderes ist als ein Sport, mag das sogar zutreffen.
Für Kenjutsu gilt das nicht!
Nota bene: das japanische Schwert war vor allem eine Waffe der Kavallerie. Der beidhändige Einsatz gegen gegnerische Kavalleristen ist belegt. ABER: gegen Infanterie (etwa gegen Ashigaru) MUSSTE das Schwert einhändig geführt werden.
Das ist hinreichend belegt.
Ich bitte darum, Erfahrungen, die man in einer SPORTART gemacht hat, nicht auf die KAMPFKÜNSTE zu übertragen.
Tom