@Poeck: Danke, du hast verstanden, was ich meine.
@DerMüller: Lieber Jochen, leider muß ich dir widersprechen. Wenn die Basis tatsächlich die gleiche wäre, dann hätte ich nicht den geringsten Grund, irgend etwas zu kritisieren.
Die Basis aber ist es, die hier in Deutschland offenbar nie so richtig angekommen ist - die historischen Gründe dafür habe ich zwar an anderer Stelle ausführlich dargelegt, möchte aber auf einen Punkt noch einmal kurz eingehen.
In Deutschland gab es NIE eine gewachsene Tradition des Judo! Während man in England mit Koizumi und in Frankreich mit Kawaishi veritable Judomeister hatte, die tatsächlich in der Lage waren, Judo zu verbreiten, war die Situation in Deutschland eine ganz andere. Weder Otani noch andere blieben (vor dem II. WK) lange genug, um eine echte Tradition zu etablieren - geschweige denn eine gewisse Kontinuität herstellen zu können in Qualität und Judoverständnis.
Nach dem II. WK sah das nicht anders aus.
Der absolut einzige Japaner, der nicht ausschließlich Geld verdienen und Deutsche verhauen wollte, sondern der Judo auch weitergeben wollte, war nun mal Tokyo Hirano. Und dieser wurde von einigen eitlen, wichtigtuerischen Gockeln wie bspw. Heinrich Frantzen sehr, sehr schlecht behandelt - eben weil Hirano deren Eitelkeit und Selbstgefälligkeit mühelos als das entlarvte, was es war (und Hirano tat das öffentlioch, auf der Judomatte ...)
Das hat ihm bspw. Frantzen NIE verziehen. Und es ist eine Lüge, wenn man in den offiziellen "Chroniken" nachlesen kann, daß Tokyo Hirano sozusagen der erste "inoffizielle" Bundestrainer ("unter Privatvertrag") gewesen sei.
Diesen Privatvertrag gab es, und man kann darin nachlesen, zu welchen unglaublich schlechten Bedingungen Frantzen versuchte, Hirano zu vereinnahmen - ich habe dazu verläßliche Zeitzeugen befragt und Dokumente gesehen.
Zurück zur fehlenden Basis: Es gibt in Deutschland nur sehr wenige Judoka, die bspw. in der Lage sind, einen korrekten Ippon-Seoi-Nage zu werfen. Jetzt bitte nicht gleich empört aufbrüllen - was ihr für Ippon-Seoi-Nage haltet, ist eine schlechte, ineffektive Variante des Katate-Seoi-Nage. Wäre es anders, dann müßte niemand sich auf beide Knie fallen lassen, um den Gegner werfen zu können.
Im neuesten Judo-Magazin schrieb David Finch viel dummes Zeug über Seoi-Nage - er behauptete bspw., daß die Japaner deshalb so tief eindrehen könnten, weil sie ihr Leben lang auf den Knien hocken, statt wie wir zu sitzen. Ich kommentiere diesen Unfug jetzt nicht weiter ...
Erstens wird in Deutschland so gut wie nie gezeigt, wie man sich RICHTIG, d.h. effektiv eindreht. Zweitens braucht man sich dann nicht zu wundern, daß man nicht oder nur sehr schwer unter den Schwerpunkt des Gegners kommt. Drittens wundert es mich immer wieder, daß bspw. der hierzulande gelehrte Harai-Goshi ausnahmslos nichts anderes als ein schlechte Variante des O-Guruma ist.
Auch wundert es mich immer wieder, daß der schlichte, leicht zu erlernende Ashi-Guruma als "schwieriger Wurf" gilt. Und was man in Deutschland so als Hiza-Guruma verkauft, ist einfach nur zum Weinen schlecht (wohlgemerkt: Ausnahmen bestätigen die Regel!).
Auch bin ich etwas fassungslos darüber, daß es hierzulande "Lehrmeinung" ist, daß man den De-Ashi-Barai aus Ukes Rückwärtsbewegung werfen könne ... erstens heißt "De" vorwärts/vorn und zweitens ist das dann kein De-Ashi-barai, sondern ganz einfach der so oft völlig falsch verstandene Harai-Tsuri-Komi-Ashi, bei dem man beileibe keinen Hüftkontakt zu Uke benötigt ...
Ähnliche Kritik wäre am eigentlich unfaßbar einfachen Osoto-Gari zu üben - jedenfalls dann, wenn er so gelehrt wird, wie die offiziellen Lehrmaterialien des DJB / DDK es ausweisen.
Habt ihr mal darüber nachgedacht, wieso etliche international erfolgreiche Judoka den Morote-Seoi-Nage im Repertoire haben? Richtig, weil es eine der allereinfachsten Wurfbewegungen des Judo ist. Wieso haben deutsche Judoka das Ding nicht drauf? (Außer Dodt fällt mir keiner ein, der dabei nicht auf die Knie geht!)
Wieso gilt das Entkommen aus Festhalten als schwierig?
Weil schon im Kinderbereich völlig sinnlose Bewegungen dafür gelehrt werden!!
Und wenn man dann genau darauf hinweist, wird man mit Häme bedacht - siehe "Gada", der hier im Forum dreist unterstellte, wir würden "zu wenig Bodenkampf können", eben weil wir aus Osae-Komi-Waza rauskommen (ist zwar widersinnig, aber was soll's ...)
Wenn ich mir die grottenschlechte Prüfungsordnung des DJB ansehe, verstehe ich allerdings, wieso das alles so ist. Wo Grundlagen nicht mehr fundiert vermittelt werden, kann nix Sinnvolles dabei herauskommen.
Die paar Würfe, die heute genügen, um Braungurt zu werden, reichen nun mal nicht aus, um ein wirkliches Verständnis zu erwecken.
Noch schlimmer sieht es mit den Ne-Waza aus.
Und das Schlimmste ist, daß es jenseits des Braungurtes absolut nichts Neues mehr zu erlernen gibt - jedenfalls laut Prüfungsordnung des DJB /DDK.
Die Dan-Grade verlangen nur die Demonstration einer höheren Quantität der Techniken, irgend etwas qualititiv Neues kommt nicht hinzu.
Die Katas werden nur noch als rein technischer Ablauf gelehrt, also nur noch als äußere Form, ohne jeden Inhalt. Sorry, aber das ist Eiskunstlaufen oder Kunstturnen, kein Judo.
Abgesehen davon, daß beinahe alle Dan-Träger im Judo nicht in der Lage sind, bspw. den INHALT der simplen Nage-no-Kata zu erläutern (nein, diese Kata ist eben NICHT die Form, welche das angebliche "Prinzip von Angriff und Abwehr" vermittelt!!!), haben diese Dan-Träger diese Kata spätestens nach einem Jahr nicht mehr parat, sind nicht mehr in der Lage, sie wenigstens zu demonstrieren.
Von anderen Kata möchte ich da lieber schweigen.
Ich hatte zudem Gelegenheit, mir anzusehen, was der "Kata-Experte" Klaus Hanelt so lehrt ... nun ja, man kann deutlich erkennen, daß er sein "Wissen" aus Büchern bezogen hat (und nicht unbedingt aus den besten!!).
Meine Bemerkungen mögen vielen unhöflich vorkommen, doch ich bin glücklicherweise von niemandem abhängig und kann daher die Dinge einfach beim Namen nennen.
Fazit: auch wenn viele es absolut nicht hören wollen - Judo hat in Deutschland keine echte Tradition, keine Kontinuität in Kanos Sinne. Der Wettkampfzirkus hat sich inzwischen selbst ad absurdum geführt, denn dort werden die beiden obersten Maximen des Judo in keiner Weise beachtet.
Was vom Judo noch übrig ist, wird von Leuten, die schon lange keine Matte mehr betreten haben, vom grünen Tisch aus kaputtverwaltet - so stellt es sich nun nicht nur mir dar ...
Lieber Jochen, meine Schüler und ich gehen einen anderen Weg. Bedauerlicherweise werden einige, die mit uns kooperieren wollen, vehement daran gehindert. Doch, doch, das ist so.
Denn wer sich bspw. als DJB-Judoka von mir (oder von meinem Sensei Frank Thiele, 9. Dan) etwa den Morote-Seoi-Nage oder den Ippon-Seoi-Nage korrekt beibringen läßt, der fällt in der nächsten Kyu-Prüfung durch, da die entsprechenden DJB-Prüfer "diesen Unsinn" nicht sehen wollen.
Darauf hingewiesen, daß dies die korrekte Form sei, daß es viel einfacher und vor allem effektiver sei und daß es so von Hirano, Ichiro Abe und anderen gelehrt werde, meinten die Prüfer nur, daß die "Privatmeinung irgendwelcher Japaner hier nicht relevant sei".
Noch Fragen?
Freundliche Grüße
Tom