mein Name ist Michael und ich bin ganz neu hier im Forum. Vor vielen Jahren habe ich für kurze Zeit Judo trainiert (bis zum gelben Gurt) und dann aus Zeitgründen wieder auf gehört. Aber gefallen hats mir. Nun möchte ich wieder eine Kampfsportart betreiben, um was für mich tun. Körpergefühl etc. schulen.
Dazu kommt, dass ich langsam aber sicher auch aus beruflichen Gründen mich mit Selbstverteidigung beschäftigen muss. Ich arbeite mit psychisch kranken Menschen, die sich zum Teil in sehr schwierigen Situationen befinden. Mir gefällt meine Arbeit sehr, doch zeichnet sich in meinem Berufsumfeld ab, dass die physische Gewalt immer gegenwärtiger ist und ich meine Fähigkeit schulen muss, damit auch auf körperliche Weise umzugehen. Sprich eine Grenze setzen!
Ich bin auf der Suche nach einer Kampfsportart, die explizit ohne Schläge, Tritte und Waffen auskommt. Meine Recherchen brachten mich so wieder zu Judo und scheinbar ist auch Aikido ansatzweise so was. Diese Haltung entspricht meinem Naturell, und auch aus beruflicher Sicht ist es aus meiner Sicht (die nicht alle teilen) glasklar, dass es darum geht, einen Gegner im Sinne von "hierhin und nicht weiter!" zu stoppen, aber ihn nicht zu verletzen.
Mit Schlägen würde ich in meinem Arbeitsumfeld aktiv eine Gewaltspirale helfen aufrecht zu halten, die schnell ausufern könnte. Eine klare Grenze setzen hat nichts mit dem Verletzen des Gegners zu tun. Man mag meine Sichtweise als naiv abtun. Längerfristig hat sie mehr Substanz. (Das kann man gut im Umgang mit verbaler Gewalt beobachten)
Meine Recherchen führten mich zu so was (ab der Mitte des Videos kommt das eigentliche)
Telefonischen Rücksprachen mit dem jeweiligen Anbieter, (und der Frage ob man auch ohne Schläge trainieren kann) die im Video gezeigten Verteidigungstechniken anpreisen, wurden meist und relativ schnell mit diesem Argument begegnet: "Aber es ist doch legal" (Ich wohne in der Schweiz. Kann sein, dass das rechtlich gesehen stimmt).
Schockiert hat mich, dass man ganz automatisch vom Worst Case ausgeht und dementsprechend handelt. Die obige Videoserie (etwa 30 "Tricks") beinhaltet in jeder Situation, die ich mir näher angeschaut hab einfach eines: "Hau zu wo es weht tut! "
Dann habe ich vergleichbare Situationen (z.b. Schwitzkasten) mit Judo zu vergleichen (da gibts ja auch Videos). Und meist war eine Alternative da, die von einem deutlich anderen Ansatz zeugt: Bringe Deinen Gegner zu Boden, ohne dass er sich verletzt. So interpretiere ich das zumindest.
Scheinbar existieren Alternativen. Wenn ich mit meinen Klienten eine Beziehung pflegen will (und das ist notwendig, um überhaupt irgendwie helfen zu können), dann muss auch bei körperlichen Auseinandersetzung ein gewisser Respekt ihm gegenüber möglich sein.
Prügeleien a la das oben dargestellte "Wing Tsung" führen unweigerlich zum Aufbau einer Gewaltspirale. Wird mit diesem Wissen, dass eine genau so gefährliche Waffe ist, verantwortungsvoll umgegangen? Es darf ja auch nicht jeder eine Pistole haben (zumindest bei uns in der Schweiz)
Meine Fragen: Ob Judo zur Selbstverteidigung taugt oder nicht wird ja vielerorts diskutiert. Gibt es in euren Augen Alltags-Situationen, wo Judo sich nicht eignet?
Gibt es andere Kampfsportarten, die ohne Schläge auskommen? Idealerweise eine, die sich an alltäglichen Situationen orientiert.
Festhaltetechniken sind hingegen wichtig, denn oft wird von den Leuten das so beschrieben, dass sie in einer solchen Situation, wo sie ausrasten, Halt die beste Hilfe ist. Somit kann Festhalten auch ein Halt-geben sein.
So ein langer Roman....

Gruß
Michael