Hallo,
wie ihr im Betreff lesen könnt, geht es mir um das Fehlen von grundlegenden turnerischen Fähigkeiten von Kindern und Jugendlichen.
Vor allem in den letzten zwei Wochen, wo ich in zwei Schulen Judo Ag´s geleitet habe, ist mir dies wiedermal aufgefallen. (Anmerkung von mir: Ich erlebe dies immer wieder und leider immer öfter. Auch in meinem Verein, in dem ich das Breitensporttraining für "Späteinsteiger" also 12-Jährige und älter leite, treffe ich leider immer wieder auf die folgend beschriebenen Szenen)
Wenn man Kinder mit beim Aufwärmen (möglicherweise nach einem Aufwärmspiel) dazu anhält, über den Boden zu robben, "Vierfüßergang" oder "Spinnengang" zu machen, so ist das größtenteils kein Problem. Auch das Hüpfen auf einem oder beiden Beinen ist meist nach einigen Anlaufschwierigkeiten zu machen. Doch dann hört es meist schon auf mit der Herrlichkeit.
Wenn man dann von den Kids oder Jugendlichen so schwierige und fast unlösbare Aufgaben

In solchen Momenten weiß ich nicht, ob ich weinen oder lachen soll.
Ich sehe hier einen großen Haufen ..... auf die Gesellschaft zukommen, in denen die Kinder und Jugendliche (die ja irgendwann erwachsen sind) "Bewegungslegastheniker" sind, von den Spätfolgen/Langzeitfolgen der mangelnden Bewegung ganz zu schweigen. Und man kann dabei nicht darauf schließen, dass nur die "dicken" Kinder davon betroffen sind. Es sind Kinder davon betroffen, die einen "normalen" Körperumfang haben.
Natürlich kann man jetzt sagen, dass die Kinder von heute eher vor der Glotze sitzen und lieber vor der Spielekonsole und dem Tablett sitzen und spielen oder in den sozialen Netzwerken den Tag verbringen. Auch kann man sagen, dass es in der heutigen Zeit kaum oder sagen wir mal weniger Möglichkeiten gibt, sich frei und ohne Probleme bewegen und spielen zu können, wie noch vor ein paar Jahren. Ich vor allem mag dies in Großstädten nicht beurteilen zu können, da ich auf dem Land groß geworden bin und man den lieben langen Tag auf der Straße oder im Nachbargarten spielen konnte und abends ist man dann wieder heim. Aber diese Pauschalaussagen sind für mich deutlich zu kurz gegriffen.
Es kann doch nicht sein, dass Kinder in der 1-6 Klasse keine der oben genannten grundlegenden Turnübungen können oder dies nur sehr ungenügend. Wenn die Kids das dann mal versuchen und es klappt, dann wollen sie meist gar nicht mehr damit aufhören und lachen und freuen sich miteinander und für sich selbst, dass sie diese Aufgaben gemeistert haben. Wenn ich Kinder habe, die das zum ersten Mal gemacht haben, dann könnte ich für den Rest der Stunde nichts anderes mehr machen und die einfach weitermachen lassen und den Kids wird es nicht langweilig. In den folgenden Stunden betteln sie mich quasi an, dass sie wieder Bockspringen etc. machen dürfen. Warum sie das nicht auch im Sportunterricht oder ihrer Freizeit machen, ist mir aber auch ein Rätsel.
Dies liegt m.E. an einem gesamtgesellschaftlichen Problem, dass sich immer tiefer in einer Spirale bzw. Kreislauf nach unten bewegt.
In der Schule lernen sie es nicht -> in ihrer geringen Freizeit - die sie aufgrund der Ganztagsschule haben - spielen die Kinder draußen nicht mehr so viel, sondern sitzen lieber vor dem PC -> in den Ganztagsschulen sind Sportangebote leider Mangelware oder werden nicht angenommen -> wenn die Kinder dann ja mal draußen sind, haben sie kaum noch Orte, wo sie tatsächlich mal in Ruhe spielen können -> wenn sie dann ja mal einen Platz gefunden haben, wo sie dies können, kommen dann gleich wieder die Helikoptereltern, die ihren Kindern nichts zutrauen und alles verbieten, wo sich ein Kind mal eine kleine Schramme einholen könnte -> die Kinder gehen in die Schule, wo die Sportlehrer anscheinend auch überfordert sind und die Kinder zu nichts mehr motivieren können, da sie es nicht gewohnt sind sich zu bewegen und von ihren Eltern ja eingeredet bekommen, dass Sport gefährlich ist -> In der Schule lernen sie es nicht.....
In einer Spielstunde, die ich mal vor den Ferien gemacht habe, durften die Kinder die Spiele selbst aussuchen. Nach den üblichen Spielen, die wir auch sonst immer gespielt haben (ca 3-6 Spiele), waren die Kinder dann auch ratlos, was sie denn noch so spielen könnten. Ich habe mich an meine Kindheit erinnert und habe spiele wie "Völkerball oder wer hat Angst vor´m Schloßgespenst" (Ja, früher hieß das noch etwas anders

Der größte Hammer war allerdings einmal, als eine Rektorin an einer Grundschule mal bei einer Stunde mit dabei war (sie war früher auch Judoka und wollte sich mal wieder etwas anschauen). Wie ich dann zum Purzelbaum kam und dies mit den Kindern machen wollte, kam sie auf mich zu und meinte nur, dass ich dies von den Kindern nicht verlangen darf, da diese Übung aus dem Lehrplan genommen wurde, weil die Kinder von heute nicht mehr über die Muskulatur und motorischen Fähigkeiten verfügen, diese Übung zu machen.


Ich weiß, dass es viele positive Beispiele gibt. Auch diese erlebe ich jeden Tag, leider werden die Negativbeispiele immer häufiger und immer extremer. Und wenn die Gesellschaft sich darüber nicht im klaren wird, so steuern wir alle auf ganz schön düstere Zeiten zu.
Habt ihr ähnliche Erfahrungen gemacht und wie steht ihr dazu? Und wie geht ihr mit den Kindern, um die zu euch ins Training kommen und keine dieser Übungen können. Hierzu sei auch gesagt, dass ich in einer meiner Gruppen einen Extremfall habe, der auch nach jetzt ca 18 Monaten noch immer keinen Purzelbaum kann und sich auch strickt weigert, den (ernsthaft) zu üben, da er der Meinung ist, das nicht können zu müssen. Dementsprechend sieht allerdings auch seine Fallschule aus. Bisher hat er 7. Kyu (er ist 15 und korpulent) Seine Fallschule hat für mich bisher (für den Gelbgurt) gereicht. Jetzt allerdings für den Gelb-Orange-Gurt ist es deutlich zu wenig. Habt ihr Tipps für mich, wie ich ihn dazu bewegen kann, besser zu werden und das auch mal ernsthaft zu probieren. Meine wiederholte Androhung, ihn durch die Prüfung fallen zu lassen, hat bisher noch nicht gewirkt. Ich bin aber auch nicht dazu bereit, am Tag der Prüfung ein Auge zuzudrücken und ihn einfach bestehen zu lassen.
Gruß Sono-mama