
Du schreibst:
Hast du dafür eine Quelle? Oder beruht diese Aussage auf eigenen Erfahrungen? Hast du schon in (japanischen) Rüstungen gerungen?Wenn Du Dir einmal vorstellst, sowohl Du als auch Dein Partner tragen eine schwere Rüstung, wirst Du erkennen, dass Dein Körperschwerpunkt nach oben verlagert ist.
Ich meine das gewiß nicht als Provokation, es interessiert mich einfach, weil ich mich sehr ausführlich mit Anhängern einiger Ryû der Koryû unterhalten habe, die regelmäßig in (nachgebauten, aber von Fachleuten als extrem akkurat bewerteten) Rüstungen der japanischen Feudalzeit trainieren (Rüstungen der Azuchi-Momoyama-Periode).
Diese Leute haben mir nun etwas anderes erzählt, den Körperschwerpunkt betreffend ...
Ich hatte einige Male die Gelegenheit, mit Praktizierenden bspw. des Kukishinden Ryu und anderer Ryû zu trainieren - und ich konnte dabei eine jener Rüstungen tragen.
Meine daraus resultierenden persönlichen Erfahrungen decken sich nicht mit deiner Anmerkung bezüglich des Körperschwerpunkts.
Daher meine Frage.
Eine weitere Frage ergibt sich aus dieser Anmerkung von dir:
Aus welcher Quelle speist sich diese Erkenntnis?Auch die japanischen Kämpfer der Vorkriegszeit haben diese Techniken kaum im Randori oder Shiai angewandt, sondern o-soto-gari, tai-otoshi, de-ashi-barai, seoi-nage, uchi-mata, tsuri-komi goshi usw. bevorzugt.
Ich frage, weil mich das wirklich interessiert, nicht um zu provozieren.
Denn das würde ja bedeuten, daß die Te- waza und die Sutemi-Waza erst nach dem II. WK ...

Oder?
Und genau das kann ich den mir zur Verfügung stehenden Quellen nicht entnehmen.
Auch darüber bin ich gestolpert:
Das sehe ich anders.Uki-otoshi und Sumi-otoshi basieren darauf, dass der im Oberkörper zu schwere Gegner in Bewegungsrichtung weitergeführt und aus dem Gleichgewicht gebracht werden kann. Ohne Rüstung ist eine Reaktion und eine Verhinderung des Kuzushi leichter möglich, weshalb die Techniken im Randori mit einem gleichwertigen Partner kaum machbar sind.
Erstens aus eigener Erfahrung (seit ich vor etwa zwei Jahren sowohl Uki-Otoshi als auch Sumi-Otoshi von meinem Lehrer Frank Thiele sehr detailliert erklärt bekam, kann ich beide Würfe im Randori problemlos anwenden), zweitens deshalb, weil die japanischen Ryû der Feudalzeit nicht nur aus den Ryû bestanden, die man dem Katchu Bujutsu zuordnet (= "Schlachtfeld-Stile", beinhalten Yoroi-Kumi-Uchi).
Wir finden neben den Ryû des Katchu Bujutsu auch die Ryû des Suhada Bujutsu (= "Leibwächter-Stile", auch wenn das keine korrekte Übersetzung ist!).
Und in eben diesen Ryû des Suhada Bujutsu (bspw. im Kukishinden Ryû) finden wir erstaunlicherweise auch Techniken wie Uki-Otoshi und Sumi-Otoshi. Diese weder dort auch und vor allem gegen Gegner eingesetzt, die Alltagskleidung tragen ...
Und: wir finden in den Ryû des Katchu Bujutsu auch Techniken wie Kata-Guruma (wenngleich unter anderem Namen).
Ich bezweifle, daß man einen gerüsteten Gegner so ausheben konnte, wie man das heute tut - und du selbst hast ja dargelegt, daß man, wenn man eine Rüstung trug, nur schlecht unter den Gegner "tauchen" konnte.
Folglich muß das, was Kano als Kata-Guruma bezeichnete und was er u.a. aus dem Tenshin Shinyo Ryû übernahm (und NICHT, wie eine alberne Legende behauptet, aus einem Buch über westliches Ringen!) doch wesentlich anders ausgeführt worden sein als das, was im Sportjudo heute unter Kata-Guruma verstanden wird.
Ich denke, daß da Konsens herrscht ...
Meiner Meinung nach (Achtung: Meinung!) wären Jûdôka insgesamt gut beraten, sich mit den Vertretern der noch immer existierenden Ryû des Koryû Bujutsu in Verbindung zu setzen und sich die Ausführung bestimmter Bewegungen erklären zu lassen.
Möglicherweise (ich bin davon überzeugt) kommt man so wieder hinter die tatsächliche Bedeutung der von Kano daraus abgeleiteten Prinzipien, von denen heute zwar viel gesprochen wird, die aber im Kampf (auch und vor allem im sportlichen Wettkampf) nicht mehr beachtet werden.
So weit mir bekannt, hat sich Okano ja vor etlichen Jahren ganz ähnlich geäußert (und nicht nur er).
Tom